Oedenburger Zeitung, 1886. April (Jahrgang 19, nr. 74-98)

1886-04-22 / nr. 92

Donnerstag, 22. April 1886. We Ar. 9. XIX. Jahrgang. Selenbuger Zeitung, (vormals „Dedenburger Nachrichten“.) Organ für den Kandel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortseritt zur Ehr! — Bebrühten zur Wehr’ — Der Wahrheit eine Gaffe.” ver J. — —— [908 Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen Sonn= oder Feiertag folgenden Tages. P­ränumerations:Preise: Gür Loeo: Samjährig an, oil 5 5 fl, Bierteljährig L, Yür Auswärts: Samatrig an fl., Detsjägig 7 fl., Biertel­­jährig 3 Alle für das Blatt bestimmte ihn mit Ausnahme von Imferaten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, find wn die Redaktion portofrei einzusenden. Administration, erlag und Inferatenaufnahme: Bahdrnderi­ &. Nomtvalter & Sohn, Grabenrunde 121. WE Einzelne Nummern Rofen 5 Kreuer. U Inferate vermitteln: In Wien: Hafenstein , Bogler, Wal Riagafe 10, A. Oppelit, ı., Etubenbastei 2, Heinrich Schalek, ollzeile 12, R. Moffe,­­Seilerstätte 2, M. Dufes, 1, Ries­mergafse 12. 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Als sie vor einem halben Jahrhundert dem englischen königlichen Erbfolgegeieg gemäß, welches der Tochter des legten Thronerben vor dem jüngeren Bruder desselben den Vorzug gibt, die Regierung antrat, da hörte die Personal-Union von England und Hannover auf, in welch’ legterem, inzwischen an Preußen gefallenen Neide der Herzog von Cumberland König wurde Seit dieser Zeit bat England seine dynastisgen Interessen mehr in Deutschland und auf dem Kontinente, welche unter der Welfen-Dynastie das Neid an jedem kontinentalen Kriege theilnehmen ließen. Die Politik Englands änderte si daher bedeutend, sie hörte auf, auch eine Kontinentale zu sein ; im Gegentag zu den früheren Traditionen bildete jegt das warme Einverständnis mit Frankreich die Grundlage der auswärtigen Politik Englands, so­­wohl zur Zeit Ludwig Philip­p’I. wie zu jener des Kaisers Napoleon. Dieses Einverständnis war das Gegengewicht wider das Einverständnis der konservativen drei Großmächte im Osten und Norden. Uns liegt ein Auftag Franz Bulgiys vor, der über Englands innere Politik bemerkens­­wertliche Ausführungen bietet: Weil angeblich die englische Negierung, die ein demokratischer Zug kennzeichnete, stelß die bürgerliche und religiöse Freiheit zum Wahlsprug ge­nommen hatte, weiteten alle Völker, die für ihre Freiheit und Unabhängigkeit das Schwert ergriffen, zumeist auf die thatsächliche Sym­pathie Englands ; allein die leitere blieb stets nur eine platoni­­sche. Lord B­almerstom verleugnete nie seine Sympathien für Polen, für Ungarn, für Italien, aber obgleich ihn die konservativen Staats­­männer des Kontinents den „Lord Feuerbrand“ nannten und ihre Organe ihn anfragten, daß er den Konspirationen nit fremd bleibe und sie uns zerfrüge, hielt England in Europa stets seine Neutralität fest und seine Staatsmänner erklärten stolz, England sei nur sowohl eine europäische Großmacht, als vielmehr eine Weltmacht, deren indische, amerikanische und australische nteressen bei Weitem wichtiger seien, als die europäiscen. Den alten Traditionen und Landesgefegen zufolge blieb England das freundliche Asyl aller politisch­e Verfolgten des Kontinents, ohne Rückfliht darauf, welcher Farbe sie angehörten. Würft So unfr Koffurh um Metternigh! Daher kommt es, daß die von Freiheits­­bestrebungen durchglühten Völker noch immer auf die Unterftügung Englands reinen, und wo immer sich eine Opposition gegen Rußland äußert, wittert man den Einfluß des englischen Kabinetts, obgleich dieses seine absolute Neutralität und Un­thätigkeit so oft bewiesen hat. E83 wäre an der Zeit, daß in dieser Hinsicht eine nüchterne Auffassung ss geltend machte und man es endlich verflünde und einsehe, daß troß des beständigen V­ordringens der ruffiigen Okkupation in Asien nicht nur Gladstone, sondern die große Mehrheit der Engländer die Ueberzeugung gewonnen hat, daß man Indien nur im Syndien, nit aber in Europa vertheidigt, und daß, wenn man das birmanische Mei annektirt, man sein Neht Hat zu sagen, wenn Nurland die turko­­manischen Daten offupirt und seine Pläne auf Afghanistan ausdehnt. Was dem Einen vet ist, muß dem Anderen billig sein. Andererseits haben aber anch ene vollkommen Unrecht, die da glauben, die Macht Englands sei im Niedergange begriffen, seine Mißerfolge am oberen Nil und die irrigen Wirren hätten seine Macht erschüttert und seine Bedeutung unter den Großmächten verringert. So lange das Genie Bismarc’s das Bünd­­niß. Deutschlands und Oesterreich-Unse­garns auszuwügen versteht, während die übrigen Großmächte mehr oder weniger isolirt bleiben, spielen freilich sie alle nur eine sekundäre Rolle. Das Friedensbedürfniß äußert sich aber in gleichem Maße in ganz Europa; je mehr die Staaten Demokra­­tisirt werden, um so mehr verlieren die aus­wärtigen Angelegenheiten an Wichtigkeit ; es sind die inneren Reformen, die sozialen und Agrarfragen, welche sich in den Vordergrund drängen. Die Expansionskraft­­ äußert sich in allen Staaten, die Staatszrnft wird dadurch immer komplizirter und die alten traditionellen Formeln der Politik wügen sich täglich mehr ab. Der neueste Zug des europäischen Staatenlebens sind die Ko­­lonien ; man findet es unrecht, immer nur Amerika und Australien duch die Emigration zu stärken. Oesterreich-Ungarn bat daher Bosnien und die Herzegovina o­fupirt, um die Pro­­vinzen zu zivilisiren, Rußland dehnt sich fortwähr­­end in Asien aus, Italien versucht am Rothen Meer sich festzufegen, Frankreich belastet fr mit Zon­­fing, Madagaskar und Tunis, das Deutsche Rei hat endlich, nachdem er im Westen Afrikas nur solche Distrikte erworben hat, die zur Kolonisation untauglich sind, im Osten des schwarzen Welttheiles von Zanzibar zum Kilimandschoro Z Hochebenen af­­quirirt, in denen europäische Arbeit und Zivilisa­­tion hundertfachen Ertrag verheißen. Die edle Kö­­nigin aber, die mit Klugheit, Kraft und hoher Würde die Interessen ihrer Nation fünfzig Jahre auf dem Throne vertritt, weiß Klügeres­­­­ deuilieren. Die a erleitt. Original-Roman von M. Romann. (Fortlegung.) „Sie belieben zu scherzen,­ stammelte er endlich. Klothilde warf in spöttelnder Weise die Lip­­pen auf. „Sie — Sie — Sie wären Udo’s, meines Freundes Gattin ?* stotterte der Fremde, „ich wiederholte Ihnen, daß ich die Gebie­­terin der Srankendburg bin“, sprach Klothilde im höchsten Grade betreten, „darf ich mir die Frage erlauben, von wem und mit welchem Recht mir diese Szene bereitet wird ?* „Gewiß,“ erwiderte jegt so ruhig als es ihm gelingen wollte, der Fremde, „ich bin ein S­ugend­­freund des seligen Grafen, ihres Gatten, Zran Gräfin, vierleiht, daß mein Name, wenn au nur flüßtig, bei ihnen in der Erinnerung ist. „6 war längere Zeit ab­weiend von München,“ fügte er hinzu, man bat mich sogar viele Jahre lang für todt gehalten ; er mag daher befremden, Daß ich mich nach so langer Zeit und auf so unpassende Weise bei Ihnen, die Sie Witwe sind, einzuführen mir erlaube, doch Sie wollen mir vergeben. Mein Name ist: „Viktor von Hohenheim.* „Hohenheim !" Mehr schreiend als sprechend waren Ddiese Smite Klothildens Lippen entfahren; wie eine Bildfäule starr hielt sie das glänzende Auge auf die Erscheinung des jungen Mannes gebannt. „Hohenheim“ wiederholte sie wie im Traum, „also doch Hohenheim, den ich längst verloren ge­­glaubt !“ „Sie kennen also meinen Namen ?* fragte Viktor, den der Schred, welchen Klothilde zur Schau trug, fast mehr als ihre Erscheinung be­­fremdete. „Ich entsinne mich, daß mein seliger Gatte von ihnen gesprochen Hat,“ erwiderte die Gräfin, die jeit im der Berlegenheit zu erglühen begann. „Es sind viele Jahre, feittem Sie fortgegangen sind von München — —* „Nicht ganz siebzehn Jahre,“ warf DBilter ein. „Aber die Zeiten meines Ungemachs sind, Gottlob! vorbei, Da 308 e8 mich, die Heimat wiederzusehen —" „ab ?" machte Klothilde. — Sie wußte in der Berlegenheit nichts anderes zu thun, als, si niederlassend, auch dem Grafen auf einen Sessel zu deuten. — „So bleiben Sie in der Haupt­­stadt ?" „E83 war meine Absicht,“ entgegnete Graf Viktor. Die Erregung der Gräfin wuchs mit jeder Minute. „Der Herr ist ein Freund Deines seligen Rater,“ sagte sie, nach irgend einer Rede suchend zu dem Knaben, „geb, reihe ihm die Hand." — Der Knabe that, wie ihm die Mutter geheißen ; er machte ihm sein Kompliment, trat in bescheidener Weise zu dem Grafen und „Ein präctiger Junge,“ meinte Graf Viktor von Hohenheim, „it er das einzige Kind ?“ „Das einzige,­ bestätigte Klothilde. „So hat Udo — Sie verzeihen, daß ich mir diese Frage erlaube — Die erste­ Ehe gar seine Kinder geschenkt 2" Klothilde wurde gluthroth. Sie hatte alle Selbstbeherrschung nöthig, um in diesem Augenblick nicht außer Fassung zu gewathen; sie rang nach einer Ausflugt ; dann, soweit es in ihrem Können lag, die Unbefangene nach Außen kehrend, erwiderte sie, Erstaunen heuchelnd : „Sie seinen in einem SYrrthum befangen, Herr Graf. Udo hat niemald vor mir ein andere Gemahlin besefsen.“ Riktor starrte sie an. Er wußte im Momente nit, war sie oder er selbst im Traume, Zu deute iich no stand in seiner Erinnerung das Holdse­­lige Bild Annettas mit ihren goldgelochten Haaren, ihrem weilgenblauen Auge, ihrer zarten Bläffe und ihrer Lieblich anmuthigen Gestalt. Wie so ganz vers­chieden war dieses Bild, welches seine Phantasie sich malte, von den schwarzfunkelnden Sternen und der Nabenfarbe der Loden, von denen das stolze Haupt der vor ihm figenden Gräfin von Sternen­­berg umschlungen war! Der junge Edelmann begriff in diesem Augenblick wohl selbst kaum, wie ihm geschah; er wußte nit, was auf solche Antwort erwiddern; darum brachte er nur die Worte hervor : „Ich bitte um DBergebung, gnädige Gräfin, iwern ich durch meine Weußerung einen Abstritt gemacht." (F­ortfegung folgt.) - = 33 E| = = ag = = 5­3 = 4 A ä SAT LE HE

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