Oedenburger Zeitung, 1889. Mai (Jahrgang 22, nr. 100-125)
1889-05-04 / nr. 103
tBIDMWT««s·sss« ! Samstag,gsai1889 Ar. 103. XXII Jahrgang -Ledenburger Zeitung. (vormals „Oedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtchaft, dann für soziale Interesen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Ehre? — Bemühten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.“ mau 0. —— Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen onn= oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerations:Preise: Für Loco: Ganzjährig R ge oe Tojährig 5 5 fl., Bierteljährig Mona Für Auswärts: Sant 12 fi Satbjäri 7 fl., Bierteljährig 3 Alle für das Blatt hans ehunie, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, finden di die Redaktion portofrei einzusenden. Administration, Mering und Inferatenaufnahme: Buchdrukerei ©. Nommalter Sohn, Grabenmunde 121. WII Einzelne Nummern Rotten 5 Aregger. EU Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein , Vogler, Wall» Kin fie 10, A. Oppelit, ı., Stubenbastei 2, Heinrich Scalek, ollgeile 12, = Mole, "Seilerstätte 2, M. 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Rußlandseisige Gefilde,noch immer nicht ganz aufgebüßt vom Strahl der Maiensonne,bilden die Dekoration im Hintergrunde mit Dolchen und Orsini-Bomben bewaffnete Nihilisten,unser erstes Bild:»Die Festnahme der Verschworenen.« Es wurden am Mai 1889 in Petersburg höhere Beamte und Offiziere verhaftet, und man hat ein ganzes Arsenal von Attentatswerkzeugen bei ihnen aufgefunden. Man erinnert sie, daß der Czar vor einiger Zeit einen Ulas erließ, wonach Beschwerden gegen Minister und Chef der Verwaltung direkt an den Czaren gerichtet werden können. Sollten die Verhaftungen und Untersuchungen in St. Petersburg die Folge einer solchen Beschwerde sein? Der Chef der geheimen Polizei selber zählt diesmal zu den Schuldigen. Herr Putiline, der Chef der dritten Abtheilung, wurde plöglich entlassen, und Herr Winogradow an seiner Stelle mit der Leitung der geheimen Polizei betraut. Die hochgestellten Beamten dieser Abtheilung und mehrere Offizier, welche die blaue Uniform trugen, theilten das Schicksal des Chefs. Das ist eine sonderbare Verschwörung, wenn sogar die geheime Polizei den Verdacht auf sich senzt, an derselben betheiligt zu sein. Die Verhaftungen scheinen eine Ausdehnung zu haben, welche das Beraufchen der Affaire unmöglich macht. Unsere zweite Demonstration spielt in Zuremburg und heißt: „Der Regent auf Kündigung“ ein humoristisches Zeitbild. Dahin ist nämlich, wie männiglich bekannt, aus Wien der schon etwas betagte Herzog von Nassau vor ganz kurzer Zeit genommen, da er als berechtigter Erbe über diesen Theil des regigen holländischen Ländersämpfleres, nach dem damals im Sterben begriffenen König Wilhelm berufen war. Inzwischen aber hat sich ganz unerwarteter Weise der todtfranfe König wieder erholt und obgleich sein Geist nicht mehr ganz jene Clastizität besigen soll, die man von einem normal organisirten Menschen im Allgemeinen, von einem Negenten insbesondere fordern darf — dennoch kathegorisch erklärt, daß er in Holland und Zuremburg gleichzeitig wieder die Zügel ergreifen werde. Nach dem feierlichen Einzuge vor wenigen Wochen hat der fest wieder noch wenig gewordene plögliche Abschied etwas ungemein Komisches. Allein der König von Holland Hat die Eigenart seines Wolfes und er will König und Großherzog bleiben, so lange es nur möglich ist. Allzu lange wird der König von Holland nicht mehr regieren, und dann kann der Herzog von Nassau ruhig die Erbschaft in Luremburg antreten. Einstweilen wird zum ZTableau: Der „Regent auf Kündigung“ die schöne Melodie gespielt: „Der Graf von Lurremburg Hat all’ sein Geld verpaßt.“ Wir Schließen unsere heutige Bilderschau mit einem imposanten Gemälde: „Der deutsche Kaiser beim Feste der Humanität.“ Die Szenerie stellt den Ausstellungspalast in Berlin vor, wo alle Artikel erponit sind, die zur Unfall - Bereicherung dienen. Kaiser Wilhelm II. spricht: „Es gereicht mir zur besonderen Befriedigung, diese Ausstellung zu eröffnen. Mit Freude begrüße ich auch diesen Beweis der Bestrebungen, dem gewerblichen Arbeiter gegen die in neuerer Zeit gesteigerten Gefahren seines Berufes erhöhte Sicherheit zu gewähren, die wirthschaftliche Lage der arbeitenden Bevölkerung dur organische Maßnahmen zu heben, dem Gedanken thatkräftiger Nächstenliebe auch im unseren öffentlichen Staatseinrichtungen Ausdruck zu geben. Die Mit- und Nachwelt wird er meinem in Gott ruhenden Herrn Großvater nie vergessen, daß er sein Verdienst war, die Bedeutung dieser Bestrebungen für das Gemeinwesen zum allgemeinen Bewußtsein gebracht zu haben. Mit voller Ueberzeugung von der Nothwendigkeit ihrer Lösung bin ich an die sozialen Aufgaben herangetreten, deren Erledigung noch vor uns liegt. Ich rechne dabei auf die verständnißvolle, freudige Mitarbeit aller Kreise der Bevölkerung, insbesondere der Arbeiter, um deren Wohlfahrt es sich bei diesen Aufgaben handelt, und der Arbeitgeber, welche im eigenen Interesse bereit sind, die daraus für sie erwachsenden Opfer zu bringen. Auch die Ausstellung für Unfallverhütung und Arbeiterschtig ist eine Frucht dieser Bestrebungen. Sie beweist, wie weit bisher die Vorschriften der Geiesgebung im praktischen Leben Boden gewonnen haben. Die Mühe und Arbeit, die erforderlich waren, um das Werk zu Stande zu bringen, wird — ich hoffe es 8 zu Gott — nicht ohne reichen Segen sein. Allen die dabei mitgewirkt haben, spreche ich meinen Danf und meine Anerkennung aus. Möge die Ausstellung dazu beitragen, allen betheiligten Streifen das zur Anschauung zu bringen, was geschehen tan, um den Arbeiter zu jwingen und seine Interessen zu fordern. Ich erkläre die deutsche allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung hiemit für er öffnet.“ Für heute schließen wir die Vorstellung, morgen aber soll sich wieder der Vorhang von unseren politischen Wandelbildern heben, wie ein Wall von Blüthen zwischen das stille Haus und die rauschenden Meeresfluthen. Ungefähr vor einem Jahrzehnte bekleidete das Wächteramt in Torre San Michele, für das der Staat nur mit Mühe und Noth einen Beamten fand, ein junger Römer, Salvatore Barozzi, unter welchem Namen er jedoch aus guten Gründen weder den Herren von der Regierung noch den Landleuten bekannt war. Der junge Mann, den sein Rat in diese Rede verschlagen hatte, führte auf seinen Posten ein Leben so sonderbarer und abenteuerlicher Art, als befände er sich nicht wenige Meilen von einer europäischen Hauptstadt entfernt, sondern in den Pyrairien de Arkansas oder an irgend einer wilden Klüste des Dreand. Von seinem hohen Wachtposten aus überblickte er das Meer bis zu den Ponza-Inseln und dem Strand von Livitavecchia bis zum Girce-Cap; auf der andern Seite dehnte sich das römische Land, theils Meeraft, theils Steppe, in gewaltigem Halbkreis aus, umschlossen von den Höhen des Ciminiwaldes, von den Sabiner-, den Albaner- und Volster-Bergen, befäer von den Trümmern antiker Bauwerke. Salvatore kaufte mutterseelenallein, seine tägliche Kost sich selber bereitend und wie ein Soldat, Kolonist oder Einsiedler für die geringen Bedürfnisse seines primitiven Haushaltes sorgend. Im Winter und Frühling hatte er wenigstens Genossen in seiner Einsamkeit : die Fischer von Fiumicino, die Hirten auf der heiligen Insel, die Kohlenbrenner von Fujano und sämmtliche Bewohner sowohl des alten wie des neuen Dftia. Allerdings bes ihränkte sich die Einwohnerschaft der antiken Stadt auf Feuilleton, zu Tode getroffen. I. An der Tibermündung, wo alles Land ringsum Sumpf und Wildniß ist, erhebt sich unmittelbar hinter den Dünen einer jener festen Thürme, von welchen im Mittelalter die ganze Meeresküste belegt war. Die meisten dieser Schuß- und Trußbauten sind jet entweder verfallen oder gänzlich vom Erdboden verschwunden und zerstört; nur wenige stehen noch an dem schönen, aber öden Gestade, vergessenen Wachposten gleich, inmitten von Morästen und Buschwäldern. So — um einige der bekanntesten zu nennen zwischen Nettuno und dem Circe-Cab der berühmte Thurm von Astura, gegen Civitavecchia H in Torre Flavia und von der heiligen Insel nach Borto d’Anzio zu Torre Paterno und Torre Sarı Michele. Aber auch diese übriggebliebenen sind mehr oder minder Ruinen. Fischer und Jäger, Vogelfänger und Kohlenbrenner bewohnen sie; oder es ist in dem einen und dem andern alten Steinhaufen eine Station für Strandwächter errichtet worden. Molizisten, die einen flüchtigen Verbrecher verfolgen, nächtigen in dem öden Gemäuer; nicht selten auch dient der einsame Bau einer unwohlorganisirten Banditenbande zum Schlupfwinker. Im Hochsommer und Herbst jedoch, wenn in dem weiten Lande zwischen Gebirge und Meer die Malaria witdet, sucht sogar der Bandit und verfolgte Mörder einen andern Zufluchtsort; dann gehört die ganze wilde Gegend den Ochsen und Büffeln und einigen wenigen fremdn Arbeitern, welche, die Schatten von Lebenden, diese Gefilde des Todes bevölkern. Ein einziger, zivilisirter Mensch verharrt das ganze Jahr über in jenem Gebiet des Siechthums und des Fieber: das ist der Wächter von Torre San Michele, welcher mittelalterliche Mauerrest wegen seiner Lage an der Tibermündung als Leuchtturm und als eine freilich wenig wichtige Station für nautische Beobachtungen dient. Der Thurm ist ganz aus den Steinen antiker Ruinen aufgeführt. Herrliche Gebälstüce, leuchtende Marmortrümmer, Inschrifttafeln und Ornamente waren bei dem Bau am Material verwendet worden; die Schwelle bildete eine geborstene Grabstelle, den Rand der Listerne schmückt das Hochrelief eines Sarkophages, und vor der Thür, über welcher ein Medusenhaupt eingemauert ward, dienen zwei forinthische Kapitäle als Silopläne. Eine halbzerstörte Treppe führt bis zum obersten Stodwerk hinauf, welches das Observatorium enthält; in der mittleren Abtheilung wohnt der Beamte, zu ebener Erde befindet sie außer einer Kammer die Küche. In dem zweiten GStodwerfe hatte man in jede der vier Wände ein Fenster eingebrochen; nur die nothwendigsten Dinge waren vorhanden, und auch diese zumeist nur Gerümpel. Die Mauern zeigen tiefe Riffe, Fußboden und Decke sind starr beschädigt. Rings um den Thurmit weder Baum noch Strauch zu erbliden, aber die Blumen der wilden Steppe ziehen um das graue Gemäuer einen breiten leuchtenden Saum, "und die mit Cijrustoren und Asphodelen dicht bewachsenen Dünen legen si