Oedenburger Zeitung, 1889. Mai (Jahrgang 22, nr. 100-125)

1889-05-04 / nr. 103

tBIDMWT««­s·sss« ! Samstag,gsai1889 Ar. 103. XXII Jahrgang -Ledenburger Zeitung. (vormals „Oedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirt­chaft, dann für soziale Interesen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Ehre? — Bem­ühten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.“ mau 0. —— Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen onn= oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerations:Preise: Für Loco: Ganzjährig R ge oe Tojährig 5 5 fl., Bierteljährig Mona Für Auswärts: Sant 12 fi Satbjäri 7 fl., Biertel­­jährig 3 Alle für das Blatt hans eh­unie, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, find­­­en di die Redaktion portofrei einzusenden. Administration, Mering und Inferatenaufnahme: Buchdrukerei ©. Nomm­alter­­ Sohn, Grabenmunde 121. WII Einzelne Nummern Rotten 5 Aregger. EU Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein , Vogler, Wall» Kin fie 10, A. Oppelit, ı., Stubenbastei 2, Heinrich Scalek, ollgeile 12, = Mole, "Seilerstätte 2, M. Dufes, ı., Ries­el 12. In­f­abeft: Paulus Gy. Dorotheagaf ie. 12, Leop. Lang, Ölen A. B. Goldberger, Servitenplag­s Önfertfions:Gebühren: 5 fr. für die eins, 10 fr. für die zweis, 15 fr. für je dreis, 20 fr. für die vierspaltige und 25 fr. für die durchlaufende Petitzeile evclusive der apelge­bühr von 30 kr. Bei mehrmaliger Einshaltung bedeutender Rabatt, Voritischegsapdetbikden Oedenburg,3.Mai. Wir wollen­ heute,wie durch einen Nebel­­bilder-Apparat hergestellt,die wichtigsten Erschei­­nungen der politischen Tagesgeschichte in flüchtigen Umrissen am Auge unserer werb­en Leser vorüber­­ziehen lassen Es ist keine laterna magica,die uns zur Verfügung steht,sondern Zeitungsnachrichten und telegraphisches Depeschen tragen uns das Ma­­terial zu,das wirklos zu gruppi­en brauchen für unsere politischen Wandelbilder. Ru­ßlandseisige Gefilde,noch im­mer nicht ganz aufgebüßt vom Strahl der Maiensonne,bilden die­ Dekoration im­ Hintergrunde m­it Dolchen und Or­sini-Bomben bewaffnete Nihilisten,unser erstes Bild:»Die Festnahm­e der Verschworenen.« Es wurden am­ Mai 1889 in Petersburg hö­­here Beamte und Offiziere verhaftet, und man hat ein ganzes Arsenal von Attentatswerkzeugen bei ihnen aufgefunden. Man erinnert sie, daß der Czar vor einiger Zeit einen Ulas erließ, wonach Beschwerden gegen Minister und Chef der Ver­­waltung direkt an den Czaren gerichtet werden können. Sollten die Verhaftungen und Untersu­­chungen in St. Petersburg die Folge einer solchen Beschwerde sein? Der Chef der geheimen Polizei selber zählt diesmal zu den Schuldigen. Herr Putiline, der Chef der dritten Abtheilung, wurde plöglich entlassen, und Herr Winogradow an seiner Stelle mit der Leitung der geheimen Polizei betraut. Die hochgestellten Beamten dieser Abthei­­lung und mehrere Offizier, welche die blaue Uni­­form trugen, theilten das Schicksal des Chefs. Das ist eine sonderbare Verschwörung, wenn sogar die geheime Polizei den Verdacht auf sich senzt, an derselben betheiligt zu sein. Die Verhaftungen scheinen eine Ausdehnung zu haben, welche das Beraufchen der Affaire unmöglich macht. Unsere zweite Demonstration spielt in Zu­­remburg und heißt: „Der Regent auf Kündi­­gung“ ein humoristisches Zeitbild. Dahin ist näm­­lich, wie männiglich bekannt, aus Wien der schon etwas betagte Herzog von Nassau vor ganz kurzer Zeit genommen, da er als berechtigter Erbe über diesen Theil des regigen holländischen Länder­­sämpfleres, nach dem damals im Sterben begriffe­­nen König Wilhelm berufen war. Inzwischen aber hat sich ganz unerwarteter Weise der todt­­franfe König wieder erholt und obgleich sein Geist nicht mehr ganz jene Clastizität besigen soll, die man von einem normal organisirten Menschen im Allgemeinen, von einem Negenten insbesondere fordern darf — dennoch kathegorisch erklärt, daß er in Holland und Zuremburg gleichzeitig wieder die Zügel ergreifen werde. Nach dem feierlichen Einzuge vor wenigen Wochen hat der fest wieder noch wenig gewordene plögliche Abschied etwas ungemein Kom­isches. Allein der König von Holland Hat die Eigenart seines Wolfes und er will König und Großherzog bleiben, so lange es nur möglich ist. Allzu lange wird der König von Holland nicht mehr regieren, und dann kann der Herzog von Nassau ruhig die Erbschaft in Luremburg antreten. Einstweilen wird zum ZTableau: Der „Regent auf Kündigung“ die schöne Melodie gespielt: „Der Graf von L­urrem­­burg Hat all’ sein Geld­­ verpaßt.“ Wir Schließen unsere heutige Bilderschau mit einem imposanten Gemälde: „Der deutsche Kaiser beim Feste der Humanität.“ Die Szenerie stellt den Ausstellungspalast in Berlin vor, wo alle Artikel erponi­t sind, die zur Un­­fall - Bereicherung dienen. K­aiser Wil­­helm II. spricht: „Es gereicht mir zur besonderen Befriedigung, diese Ausstellung zu eröffnen. Mit Freude begrüße ich auch diesen Beweis der Bestrebungen, dem ge­­werblichen Arbeiter gegen die in neuerer Zeit ge­­steigerten Gefahren seines Berufes erhöhte Sicher­­heit zu gewähren, die wirthschaftliche Lage der arbeitenden Bevölkerung dur organische Maß­­nahmen zu heben, dem Gedanken thatkräftiger Nächstenliebe auch im unseren öffentlichen Staatseinrichtungen Ausdruck zu geben. Die Mit- und Nachwelt wird er meinem in Gott ruhenden Herrn Großvater nie vergessen, daß er sein Ver­­dienst war, die Bedeutung dieser Bestrebungen für das Gemeinwesen zum allgemeinen Bewußtsein ge­­bracht zu haben. Mit voller Ueberzeugung von der Nothwendigk­eit ihrer Lösung bin ich an die sozialen Aufgaben herangetreten, deren Erledigung noch vor uns liegt. Ich rechne dabei auf die verständnißvolle, freudige Mitarbeit aller Kreise der Bevölkerung, insbesondere der Arbeiter, um deren Wohlfahrt es sich bei diesen Aufgaben handelt, und der Ar­­beitgeber, welche im eigenen Interesse bereit sind, die daraus für sie erwachsenden Opfer zu bringen. Auch die Ausstellung für Unfallverhütung und Arbeiterschtig ist eine Frucht­­ dieser Bestrebungen. Sie beweist, wie weit bisher die Vorschriften der Geiesgebung im praktischen Leben Boden gewonnen haben. Die Mühe und Arbeit, die erforderlich waren, um das Werk zu Stande zu bringen, wird — ich hoffe es 8 zu Gott — nicht ohne reichen Segen sein. Allen die dabei mitgewirkt haben, spreche ich meinen Danf und meine Anerkennung aus. Möge die Ausstellung dazu beitragen, allen be­­theiligten Streifen das zur Anschauung zu bringen, was geschehen tan, um den Arbeiter zu jwingen und seine Interessen zu fordern. Ich erkläre die deutsche allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung hiemit für er­­ öffnet.“ Für heute schließen wir die V­orstellung, morgen aber soll sich wieder der Vorhang von un­­seren politischen Wandelbildern heben, wie ein Wall von Blüthen­­ zwischen das stille Haus und die rauschenden Meeresfluthen. Ungefähr vor einem Jahrzehnte bekleidete das Wächteramt in Torre San Michele, für das der Staat nur mit Mühe und Noth einen Beamten fand, ein junger Römer, Salvatore Barozzi, unter welchem Namen er jedoch aus guten Gründen we­­der den Herren von der Regierung noch den Land­­leuten bekannt war. Der junge Mann, den sein Rat in diese Rede verschlagen hatte, führte auf seinen Posten ein Leben so sonderbarer und abenteuerlicher Art, als befände er sich nicht wenige Meilen von einer europäischen Hauptstadt entfernt, sondern in den Pyrairien de Arkansas oder an irgend einer wil­­den Klüste des Dreand. Von seinem hohen Wac­ht­­posten aus überblickte er das Meer bis zu den Ponza-Inseln und dem Strand von Livitavecchia bis zum Girce-Cap; auf der andern Seite dehnte sich das römische Land, theils Meeraft, theils Steppe, in gewaltigem Halbkreis aus, umschlossen von den Höhen des Ciminiwaldes, von den Sa­­biner-, den Albaner- und V­olster-Bergen, befäer von den Trümmern antiker Bauwerke. Salvatore kaufte mutterseelenallein, seine täg­­liche Kost sich selber bereitend und wie ein Soldat, Kolonist oder Einsiedler für die geringen Bedürf­­nisse seines primitiven Haushaltes sorgend. Im Winter und Frühling hatte er wenigstens Genossen in seiner Einsamkeit : die Fischer von Fiumicino, die Hirten auf der heiligen Insel, die Kohlenbren­­ner von Fujano und sämmtliche Bewohner sowohl des alten wie des neuen Dftia. Allerdings­ bes i­hränkte sich die Einwohnerschaft der antiken Stadt auf Feuilleton, zu Tode getroffen. I. An der Tibermündung, wo alles Land rings­­um Sumpf und Wildniß ist, erhebt sich unmittelbar hinter den Dünen einer jener festen Thürme, von welchen im Mittelalter die ganze Meeresküste be­­legt war. Die meisten dieser Schuß- und Truß­­bauten sind jet entweder verfallen oder gänzlich vom Erdboden verschwunden und zerstört; nur wenige stehen noch an dem schönen, aber öden Gestade, vergessenen Wachposten gleich, inmitten von Morästen und Buschwäldern. So — um einige der bekanntesten zu nennen zwischen Nettuno und dem Circe-Cab der berühmte Thurm von Astura, gegen Civitavecchia H in Torre Flavia und von der heiligen Insel nach Borto d’Anzio zu Torre Paterno und Torre Sarı Michele. Aber auch diese übriggebliebenen sind mehr oder minder Ruinen. Fischer und Jäger, Vogel­­fänger und Kohlenbrenner bewohnen sie; oder es ist in dem einen und dem andern alten Steinhau­­fen eine Station für Strandwächter errichtet wor­­den. M­olizisten, die einen flüchtigen Verbrecher verfolgen, nächtigen in dem öden Gemäuer; nicht selten auch dient der einsame Bau einer unwohl­­organisirten Banditenbande zum Schlupfwinker. Im Hochsommer und Herbst jedoch, wenn in dem weiten Lande zwischen Gebirge und Meer die Malaria witdet, sucht sogar der Bandit und ver­­folgte Mörder einen andern Zufluchtsort; dann gehört die ganze wilde Gegend den Ochsen und Büffeln und einigen wenigen fremdn Arbeitern, welche, die Schatten von Lebenden, diese Gefilde des Todes bevölkern. Ein einziger, zivilisirter Mensch verharrt das ganze Jahr über in jenem Gebiet des Siechthums und des Fieber: das ist der Wächter von Torre San Michele, welcher mittelalterliche Mauerrest wegen seiner Lage an der Tibermündung als Leuchtturm und als eine­­ freilich wenig wich­­tige Station für nautische Beobachtungen dient. Der Thurm ist ganz aus den Steinen anti­­ker Ruinen aufgeführt. Herrliche Gebäl­stüce, leuchtende Marmortrümmer, Inschrifttafeln und Ornamente waren bei dem Bau am Material ver­­wendet worden; die Schwelle bildete eine geborstene Grabstelle, den Rand der Listerne schmückt das Hochrelief eines Sarkophages, und vor der Thür, über welcher ein Medusenhaupt eingemauert ward, dienen zwei forinthische Kapitäle als Silopläne. Eine halb­­zerstörte Treppe führt bis zum obersten Stodwerk hinauf, welches das Observato­­rium enthält; in der mittleren Abtheilung wohnt der Beamte, zu ebener Erde befindet sie außer einer Kammer die Küche. In dem zweiten GStod­­werfe hatte man in jede der vier Wände ein Fen­­ster eingebrochen; nur die nothwendigsten Dinge waren vorhanden, und auch diese zumeist nur Ge­­rümpel. Die Mauern zeigen tiefe Riffe, Fußboden und Decke sind starr beschädigt. Rings um den Thurm­it weder Baum noch Strauch zu erbliden, aber die Blumen der wilden Steppe ziehen um das graue Gemäuer einen brei­­ten leuchtenden Saum, "und die mit Cijrustoren und Asphodelen dicht bewachsenen Dünen legen si

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