Oedenburger Zeitung, August 1921 (Jahrgang 53, nr. 173-196)
1921-08-02 / nr. 173
‚ Seite 2. — Wr. 173. .= Dedenburger Zeitung überschlenen ... -Twpem«icsporises durch Deutsch land. ‚Drahtberit der „Dedenburger Zeitung”.; SB. Bart, 1. August. Der englische Botschafter Hardinge hat den Ministerpräsidenten Briand dringend verständigen Lassen, daß die britische Regierung sehr gern dem Vorschlage Briands zustimme und den Bollaster in Berlin beauftragte, si seinem französischen und italienischen Kollegen anzuschließen, um einen gemeinsamen Schritt bei der Deutschen Regierung zu unternehmen und ihr mitzuteilen, daß sie sich bereithalten müsse, auf jede mögliche Weise den Transport alliierter Truppen, den die Lage in Oberschlesien erfordern könnte, zu erleichtern. Die polnische Regierung droht! SB. Berlin, 1. August. Wie „Oft| Eıprech” ans Warshhau meldet, erklärte Ministerpräsident Bitos bezüglich der oberjählerischen Frage, daß, falls derberste Rat eine den Bestimmungen des Bersailler Vertrages zuwiderlaufende i dre polnischen Interessen gefährdende Entscheidung treffen solle, die polnische Belang gezungen wäre,sich hinsichtlich der je Erfüllung dieser Entscheidung freie Hand zu behalten. " Englische und französische Weisungen 2 d an Le Rond, Baird, 31. Sull. Im Einverständnis mit Der englischen Regierung Hat die französische Regierung dem General Le Rond, Borfigenden der Interalliierten Kommiliton in. Oberschletten, Werfungen erteilt, damit in Erwartung der nahe bevorstehenden Sitzung des Obersten Rates ‚Die, enge Zusammenarbeit zwischen den alliierten Truppen zu den Zoed gesichert und gekräftigt werde, jedem Wersuch, eines ‚ eventuellen Aufstandes, ob von polnischer oder von deutscher Seite in die Wege gereitet, die Sprge zu bieten. SB. Baris, 1. August. Lord Curzon Schlägt den 8. August für den Zusammentritt des Obdersten Rated vor, dass der italienische Ministerpräsident Bonomi nicht früher nach Frankreich begeben könne. SB. Bari, 1. August. Der belgische Minister Jasper weilte gestern in Paris. Er hatte mit dem Ministerpräsidenten Briand eine Unterredung, die sich auf Bollangelegenheiten und auf Die nächste Tagung des Obersten Nated bezog. o der Oberste Rat. Sein Arbeitsprogramm des Obersten Rates wird auf NB. Paris, 1. August. Zu der am 8. August stattfindenden Sigung Bel ien. eingeladen werden. Der Oberste Rat wird zunächst Die Frage der Truppenverstärkungen und die Aufteilung des Abstimmungsgebietes regeln und . Dann die Frage der Kriegsbeschuldigten und jene der Urteilsfällungen des Leipziger Reichsgerichtes prüfen. Der Oberste Rat wird ih auch mit der Frage der Aufrechterhaltung der Sanktionen befassen, die jedoch dem Ermessen des Garantiekomitees überfallen werden soll. Er wird ih wahrscheinlich auch mit der Frage der Hilfsmittel zur Rinderung der Hungersnot in Ruhland beschäftigen und auch die Orientfrage erörtern, obwohl Griechenland um eine Vermittlung der Alliierten nicht angefuht hat. Die Tagung des Obersten Rates dürfte 8-10 Tage dauern. Franz Kibts Todestag. Vor 35 Jahren, am 31. Juli 1886, starb einer der gottbegnadeten, grauen Musiker, Franz Likt in Raiding. Franz Likt blieb sein Leben Lang seiner Heimat mit rührender Zärtlichkeit zugetan.. Obzwar er Shen mit 9 Jahren aus seinem Geburtsorte in die große Welt Hinaustrat und erst als Greis das Hin zurückehrte, wo seine Wiege gestanden war, lebten in dem alten Manne die Augenderinnerungen so Tebhait auf, daher tagelang wortlos vor Rührung in seinem Vaterhause, umherwin\erte, wobei er jedes Fledhen mit fast religiöser Andacht betrachtete. Er war ein Unger in der edelsten Bedeutung des Mortes und stellte sein ganzes, meisterhaftes, musitalisches Können in den Dienst seiner Lieblingsidee, Die ungerische Mufil zu veredeln und Ungarn einen Ehrenplag unter den musifalischer Nationen zu sichern. Seine Rhapsodien tragen auch heute noch die Melodien Dir ungarischen Tiefebene in varfeinsten, idealisierter ‘Form, befreit von der eigenartigen Zigeunerverschnörfelung und voll himmelstürmenden Sehnsucht nach Freiheit und Ungebundenheit, dur Die Musififalons und Konzerthallen der Kulturwelt. Franz List schuf uametiiche Kulturwerte. Aber in seiner Heiat konnte er eigentlich niemals zu seinen Lebzeiten volle Anerkennung finden. — Nemo propheta in patria. Der 2. August (Dienstag). Kath.: Bortiunktula; Brot.: Gustav. — Gebenstage: 1849 Sieg der Neffen über die Ungarn bei Debrezin. — 1914 Ultimatum Deutschlands an Belgien. — Neutralitätserklärung Italiens. — 1918 die Engländer beteten Archangelsf. — Sonnenaufgang 4 Uhr 36 Min. früh, Untergang 7 Uhr 36 Min, abends — Mondaufgang 2 Uhr 43 Min. früh, Untergang 6 Uhr 23 Min, nachn. Dienstag, &.August 1921. Trauungen. Gestern wurden folgende Eheschließungen vorgenommen: Wirtschaftsbürger Karl SchHöll mit Marie Bärentopf; Maurer Johann Gmeiner mit Witwe There Schmidt geb. Hotwagner; Geschäftsführer in einer hiesigen Pharmazeutenniederlage Emanuel Schneider mit Anna Grafl. Personalnagricht. Der gewesene Minister für völkische Minderheiten, Doktor Sarob Bleyer, weilt derzeit in unsterer Stadt. Erzellenz suchte Hier seine politischen Freunde auf. Dr. Richard Hollos, gewesener aus Dapester Frauenarzt, it nach Hause gekommen und wird demnächst seine Ordinationen beginnen. Worderhund. zu sprechen im „Pannonia“-Hotel. Die Eintauschfrist für Hunderterbanfnoten wurde, wie das IRB meldet, bis zum 10. August verlängert. Der erste Termin it gestern abgelaufen. Natürlich wird man jett bereits etwas strenger vorgehen, als bisher, da ja nur mehr Saumige, Die. es nicht Der Mühe wert, gefunden haben, ihre Hunuderter einzutauschen, im Besitz von blauen Hundertfronenscheinen sind. Mir erinnern besonders die Spekulanten „mit dem Blaugeld in der Truhr‘ Daran, Daß Die ungarisch gestempelten Banknoten nach der Umterichfriit, wenn sie einmal von Ungarn als Zahlungsmittel nicht anerkannt werden, wertlos geworden sind, da für diese auch von Seiten der Oesterreichisch-unyerischen Baıt keine Annahmepflicht mehr existiert. Radiostation in Oedenburg. Das Verordnungsblatt für Bolt und Telegraphenämter teilt mit, daß der Handelsminifer zur Erweiterung des inländischen Radioneped außer in Balaffaagarmat und Matekalla auch im Dedenburg eine Nabip: ftation (Expositur) einrichtet. . Das Rufzeichen, der hiesigen Station wird „Sp“ sein und beginnt ihre Funktion am heuttgen Tag. « Die Konsumgemenschaft ersucht jene ihrer Mitglieder, die öffentliche Angestellte sind, Anwertungen auf Bleiverstoffe haben und noch feinen Stoff erhielten, ihren Namen, Beruf, die Nummer der Kleideranweisung und ihren Wohnsig an die Adresse der Konsumgenossenschaft der Beamten in Oedenburg per Postkarte unversäumt, mitzuteilen. Auch in Budapest. Wie bei uns, so herrscht auch in Budapest Walsermani gel. Auch dort wäre genügend Walser vorhanden, jedoch reicht — ganz wie hier — bei der großen Wasservergeudung durch Das Publikum die Leistungsfähigkeit Der Maffer werfe nicht aus. Der Mangel it so groß, daß nachts die Mafferhähne gesperrt gehalten werden müssen. In der Hauptstadt werden heute pro Kopf und Tag 240 Liter Maffer geliefert. Bei uns steht es immerhin Derzeit noch besser. Da hier nor eine nächtliche Wassersperre verhängt werden mußte. Wenn die sinnlose Vergeudung des Wassers sein Ende nimmt, wird aber wohl auch Hier zu diesem Zwangsmittel gegriffen werden müssen. Selbstmordversum. Kurz vor Blatt: « Schluß erhielt die Polizei die Verständigung, daß ich in der Nähe des Studentenbrunnens der 21jährige Sohn Bitor des hiesigen Schneidermeisters und Gemwerbekorporationspräiks %. David eiihollen Habe. Die Kriminalkommilion fand den lebensmüden, jungen Mann aus einer Kopf- und einer Brustwunde blutend vor, die er sich mit einer Pistole zugefügt hatte. Der Weitungwagen erschien in größter Eiles an Ort und Stelle und überführte den langen Mann in das Elisabethspital, wo er sofort in sorgfältigste Behandlung genommen wurde. Vittor David ita genwärtig noch bei Bewuhrsein und soll ein Zustand lebensgefährlich, jedoch nicht hoffnungslos sein. Die Motive seiner Tat sind nicht bekannt. Die Trauerausgabe des „Budaspesti Közlöny“ Die Samstaglandgabe des5 „Budapestii Közlöny“ »erschien mit Trauerrand auf der ersten Seite. Sie enthält den ungarischen und französischen Teil des in Kraft getretenen Trianoner Friedensvertrages. Diese Tagesblätter beschäftigen sich aus diesem Anlasse mit dem Trianoner Frieden und geben der Zubersicht Ausdruck, daß bald Bbeitere Zeiten für Ungarn kommen werden und Großungarn seine Auferstehung feiern wird. Ein Fortschritt. Die Brennbergerstraße wird bald ehr ganz anderes Aussehen erhalten; sie wird macadamisiert, wobei als Beschotterung Basalt zur Verwendung kommt. Die Arbeit geht ganz flott vonstatten. Jegt wäre es nur noch erwünscht, wenn die am Gehsteig befindlichen Bappelstümpfe recht bald entfernt und durch entsprechende Obstbäume erlegt würden. Dann könnte au an eine Derrichtung der Gehsteige selbst gedacht werden. Da nun Scheinbar der tote Bunkt über»ewunden is, dürfte die Hoffnung, daß die Brennbergerstraße baldigst ein vollständig westeuropäisches Gepräge erhalten werde, nicht unbegründet sein. Das Lederer-Grünfeldsche Zwangsübereinkommen. Als seinerzeit die Firma in Zahlungsschwierigkeiten geriet, bot sieden Gläubigern eine Einigung auf 40 bis 60%, ihrer Forderung an. Da jedoch dem Antrag nicht stattgegeben wurde, durfte ein Zwangsübereinkommen erzielt werden. Das dieser Tage gestellte Gesuch der Debenburger Sparkasse al Hauptgläubigerin, das Konfur&verfahren gegen die Firma einzustellen, wurde abgelehnt. Die eigentliche Triebfeder des Zusammenbruches war, wie Mitglieder der Firma versichern, die unfachgemäße Gebarung des vielgenannten Chemieingenieurs Hrushfa mit Seife, von der er zwei Waggonladungen verdarb und die durch der Firma einen Schaden bzw. über einer Million verursachte. Im REBELIDFEDEET traf Dieser erhebliche Verlust ie Firma gerade zur Zeit der Warenderoute im Dezember-Jänner. Die Bercche zur Flottmachung der Firma werden fortgefeßt. Nahdund verboten. Aus eigener Kraft. Originalroman von S. Abt. (27. Sortlegung.) Mit gefaltet erhobenen Händen steht er vor ihr und läßt seine Augen flehen. Räht sie reden, noch anderes, als was die Lippen aussprechen, anderes mact, als er vielleicht selber weiß. Er aber steigt wieder das Würgen an die Kehle und zu den Augen die heike Flut, Da sie bezwingt sich und jagt Teije, mit beherrschter Stimme: , »,Jchgbawbe,«chchab’le jnsen«schjon eiw nvwlgejagt,daß«ichøm es schwerfälligere Natur bin, als wohl Die meisten Mädchen meines Alters. Das mag daher kommen, daß ich mich von meinem zwölften bis zum zwansigsten Jahr wie anders als in Trauerfleidern gesehen Sie sagt es ganz ruhig. Ihm aber it's, als breite sich über den sonnenblauen Sommerhimmel ein graues Nebeltuch und Winterfrösteln streiche Durch die Luft. Dabei findet er nicht das rechte Wort, was er nun jagen mußte. Doch sie wartet nicht darauf, und schlicht und einfach, wie sie zuvor gesprochen, fügt sie noch Hinzu: „Wir warem unser °at — meine Eltern und fünf Geschwister — jet sind Mutterchen und ich die einzigen, Die noch geblieben sind.“ „Oh — Das ist“ — er spricht mit weiter. Was er hatte jagen wollen, erscheint ihm so banal. Er blicht zu Boden und aus einem Schweigen heraus jagt er dann nur: „Meine Eltern sind beide tot. Gesechiter Hab’ ich nie gehabt.“ „So ganz allein sind Sie!“ Es ist ein Ruf so voll tiefen Bedauerns, daß er den Kopf noch mehr herabbiegt, weil er sich ihres Mitleids schämt, das er nicht verdient. ..Aber Sies haben dorch Verwandte?« frwgt sie noch Ernicki.Ja,den Onkel Jobst.« lsnb unwilkürlich s lächelit er ein wenig. Auch ihm kommt ein ganz keiweg Lächeln auf Das ernste Gesicht. — „Und ich meine Tante aus Queenwalde.“ „Und da sollten wir beide nicht als gute Freunde zusammenhalten, bei so viel amilienähnlichfeit!“ ruft er. Und es riel Deutlich heraus, wie froh er ist, Daß der schwere Ton eine leichtere Mendung nimmt. „Nur erst sie wieder zutranisch mehen“, denkt er, und schon regt sich in ihm wieder der Leichtsinn, der sich nicht Lang mit Geldfibelastung abgibt. Vor allem jeßt mal Szenenwechsel. Und voll Eife r, als Habe die Fröhlichkeit des Tages durch nichts eine Trübung erfahren, beginnt er Käthe Gilert auseinanderznregen, was er sich no an weiterer M Waldwanderung und Masserfahrt attzu gedacht. Sie geht nicht weiter Darauf ein, sagt nur: „Ich möchte bei guter Zeit zu ang sein. S Keinesfalls später als um ach.“ — Um acht — er lächelt heimlich, müssen wir uns eben Dann einrichten. Auf die Minute fan ich mich natürlich nicht verborgen.“ Sie begannen wieder zu wandern. Käthe Eilert Schritt rasch voran. Wenn er das Wort an sie richtete, gab sie Antwort. Doch ein Gespräch kam nicht zustande. Da fing er plößlich, voller Lehafigkeit zu reden an, ohne sich darum zu kümmern, ob sie antwortete oder ob sie schwieg.. Er sprach von sich, der genn er von dem und jenem aus seinen Leben zu erzählen, als ob ein plößliches Mitteilungsbedürfnis ihn ergriffen Habe. von seiner Kindheit, seinen Süuglingsjahren sprach er, Wahrheit und Dic:ung michend oder nur so ganz im allgemeinen si ausprühend, daß sie sich ad Belieben ein Bild machen konnte — „Mein Vater Hatte ein Geschüf: — sein großartiges, aber zu feinen Laborten nährte es seinen Mann. — Wie sich's nachher für mich anlieg“ — er zuete Die Schultern, machte eine Handbewegung, als schiebe er etwas fert. Davon nicht viel zu reden sei und sagte Dann wie versonnen: „Die vier Wochen Brömmelmann — das war das Schlechteste nicht.“ Immer selbstvergessener hatte Käthe Eilert zugehört. Ein paarmal lächelte sie zu seinen Worten, ein paarmal auch sah sie ihn mit ihnen guten, warmen K an, wenn sie aus seinem plößlich verhaltenen Ton verschwiegene Lebensbitternisse Herauszuhören wähnte. Und nun rief sie voller Eifer: „Aber Sie könnten Doc sehr gut einen besseren Paten ausfüllen, Sie haben doch das Zeug dazu, sobald Sie nur wollen.“. Gott sei Dani, da war sie wieder umgänglich geworden! Seine Augen leuchteten auf. „Meinen Sie?“ rief er wie beglüht von ihrem guten Zutrauen, „Ganz gewiß mein‘ ich das!" Sie geriet immer mehr in Eifer. „Sie mißten nur am ruhigen Plabe fein, wo Sie auch zugleich eine gemilse Selbständigkeit haben, denn an der Verantwortlichkeit steigert ji Die Leistungsfähigkeit.“ „Und ein PBult weiter müchten da ein paar Augen fein, Die Darüber wachen, daß mir ins Hauptbuch seine falsche Rechnung kommt“, fiel er ein, blieb stehen und sah ihr mit beredtem Lächeln ins Seil. (Fortlegung folgt.) „Da IB \