Oedenburger Zeitung, Juni 1922 (Jahrgang 54, nr. 122-144)

1922-06-01 / nr. 122

Cis I .: : Seite 2.—Nr.12­2. Yeserreichs neues Ministerium. Die voraussichtliche Liste. (Drahtbericht der „Oedenburger Zeitung“.) SB. Wien, 31. Mai. Wie ver­­lautet, wurde bei der penigen Bartei- Christlichsozialen und Großdeutschen folgende Ministerliste in Erwägung gezogen:­­ Bundeskanzler:Dr.Heipel(christl lichsozial -Vizekanzler und Innerer: OVBdeutschJZ Justiz-Wabter(großdeutsch); Finanzen:Segur(christlichsozial); Handel:Kraft(großdeutsch); Frank Soziale Verwaltung:Schmidt (christlichsozial); Landwirtschaft:Födermayer(christ­­lichsozial) Heerwesem Vangoin(christlichsozial); Verkehrswesen:Odehnal(christlich­­sozial);­­ Unterricht: soziam Aeußeres:Grü­nberger(Beamter, sitheriger Handelsminister). Die entscheidende Klubsitzung wirdbente Etuindm Die Wahl des neuen Kabinetts re­in dehmorgigen Sitzung des ationalrates erfolgm —befvrechung der Schneider.(christlich­­- N­ ’ Dentschlandsitevarationen. Aufhebung des ultimatitatst (Drahtbericht der»Oedenburg«er8ektling«.) Wien,31.M­ai.Das,,Neue Wie­­ner Tagblatt“ meldet aus Paris: Die Reparationskommission hat die Zus­timmung aller Alliierten, einschließli Brankreichs, zur Fortführung der Ver­­handlungen mit Deutschland erhalten, so dass das am 31. Mai ablaufende Ultima­­tum außer Wirkung gelegt wir­­de Trauer am SOberschlesien. (Stadtbericht der „Oedenburger Zeitung”.) SB Berlins UA. Ma, Aus Anlak der Beratun­g des deutsch-polnis­­chen Abkommens der­­ Oberichlesien atte der Reichstag Meitern vormittags rauer angelegt. Auf­ dem Gebäude Wurde die weihgelbe Fahne Oberichle- Mens mit Trauerflor auf Halbmast gelenkt. iR Unruhen in Ratt­ewik. (Drahtbericht der „Oedenburger Zeitung“.) SB. Berlin, 3. Mai. In den abzutretenden Gebieten Oberschlesiens ist e 5 zu neuerlichen Anrufen gekommen. N Rattowik haben polnische Arbeiter Die Deutschen bedroht. Es kam Zu Zur BRECHEN, denen jedoch die Behhr­en rnd ein Ende machen konnten. .n Oeden bM Zeitnus Donnerstag, 1. Juni igen. nn x x ihn Zumult in tierhi­hen Parlament! Stadtbericht der „Oedenburger Beikung“.) VBrag, 3. Mai. Der Ministerprä­­­­sident und Minister des Werkern Doktor Beneshh antwortete in der gestrigen Situng des Abgeordnetenhauses mehre­ren Rednern, die zu seinem Erpose über die Konferenz von Genua Stellung ge­nommen hatten. Als er um 1410 Uhr auf der Tribüne erschien, begannen die slowakischen V­olfsparter­ler zu Schreien und auf­ die Bul­de del Tros zu schlagen und legten den Lärm mit wechselnder Stärke dreiviertel Stunden lang fort. Dieses Verhalten war der Ausdruch des P­rotestes gegen die Zerstör­­­rung der Druderei und der Redaktion des Blattes „Slovak“ in Preßsburg, die kürzlich von Legionären verübt wor­­den har. ““­­ rn Vedhalb wir Ste noc­hmald daran­­ erinnern, ihr Abonnement auf die Oa­­denburger Zeitung“ für Juni sofort zu ermeuern, damit in der Zustellung des Blattes seine Unterbrechung eintritt! — der 1. it da! die Schi mittagsstunden brachte große Uebere­rafhungen. Während ich Graf Kle­belsberg und Graf Andrasigg un­gefähr die Wage hielten, votierte eine, vielleicht selbst den Sozialdemokraten überraschend kommende, hohe Anzahl von Wählern dem Kandidaten der Partei Dr. Hebelt Vertrauen. In den Nachmittagsstunden erweiterte si Dieser Vorsprung um viele Hunderte von Stimmen bis zur Hoffnungslosigkeit für die beiden, sich so scharf gegenüber­­stehenden, gleichstarren, bürgerlichen Parteien. Es Tiefen ji sogar bedau­­ernde Stimmen Hören, die der Befürch­tung Ausdruck verliehen, das durch die entfeffelte Fehde der Wähler des Bür­­gerstandes, dieser dem Arbeiterstande ge­genüber zu kurz kommen könnte. In den Nachmittagsstunden war es allen, die bei der­ Sichtung und Zäh­lung der Stimmzettel im arolten Rat­­haussaale anwesend waren, offenfundig, das es unbedingt zu einer Stichwahl kommen müsse. Nur war­­ bei der fast gleichen Anhängeranzahl der beiden Grafen nicht mit Bestimmtheit voraus­zusagen, wer — dur Die etwaigen Stimmen des zurückgebliebenen Kandi­­daten gestärkt den Entscheidungs­­kampf mit dem sozialdemokratischen Ab­­geordn­eten aufnimmt. In den ersten Abendstunden arbeitete ich Andrä in stetig und unaufhaltsam mit zirka 200 Stimmen vor. Einige stärkere Ber­ah­fe Riebelsbergs drühkten jedoch Dieses gefährliche Plus bei der vorlekten Urne auf 67 Stimmen zurück. Als um 1410 Uhr abends die lekte Urne, die des 12. Bezirkes, geöffnet wurde, s­tieg die Aufregung auf den Höhepunkt. Beson­­­ders jene, die vor allem das Wohl ihrer­­­ Stadt dur die in Aussicht gestellten ausgiebigen und Durchgreifenden. Regie: Te 1 den Jedenburgs. _. Schon die Deffniung der ersten Ahr­­­rungshilfen im Auge hatten, jehten all immungsurnen in den gestrigen V­or­ !ihre Hoffnung auf die 826 Stimmgötter, die in rascher Reihenfolge durch die Hände des unermüdlichen Wahlk­ommis­­särs liefen. Den 280 Stimmen, die ss für Dr. Hebert Hiebel anhäuften, wurde im Bewuhrsein der unerreich­baren Welterlegenheit dieses Kandidaten gar seine Beachtung geschenft. Alle Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die Stimmzettel der beiden bürgerlicher Kandidaten. Bis zu den sekten 10 Mi­­nuten schien die gewagte Hoffnung der Regierungsanhänger als gerechtfertigt, denn immer wieder ertönte im eintöni­­gen Tonfall — der troßdem mit Zent­­nerschwere auf den in höchster Spannung befindlichen Gemütern zu Lasten schien — der Name „Klebelsberg Kuno“ durch den Saal. Dann jedoch brach alle Zu­­vericht angesichts des restlichen hohen ‚Stokes der Andraffy Stimmzettel unter dem­ tief schmerzenden, bedauernden Ge­fühl zusammen, daß die zu spät akfi­­vierte Partei es vielleicht doch an recht­­zeitiger, straffer Organisation fehlen ließ. Die ärgerliche Minderheit von 110 Stimmen war es, die Dedenburg um fast alle­ seine wirtschaftlichen Hoff­­nungen brachte, falls die Regierung nicht ein Einsehen hat und der Stadt, troß des ablehnenden Verhaltens eines groben Teiles der Wählerschaft, Helfend zur Seite steht. Als um 10 Uhr der Tekte Stimme getiel registriert und das Ergebnis der reten Zusammenzählung bekannt war, ertönten aus der vor dem Rathause txoß der späten Abenstunde — fast gatt. Dedenburg war auf der Strake — ver­sammelten Menschenmenge Eljernrufe auf Dr. Hebelt und Andrassy, in die si erbitterte Ausrufe, wie „Nieder mit ihnen!“, mengten. Um 11 Uhr nachts wurde der end­gültige Beichluf über Die vom Mehr­­­präsidenten provisorisch für ungültig ‚er Härten 573 Stimmzettel gefällt,­­die säm­llich annulliert wurden. Die Beg­­ründung des definitiven Wahlresultats von 9784 als gültig abgegebenen Stim­­­­men brachte demnach seine Aenderung. Wahlausweis : Demnach kommt es im Sinne der Wahlverordnnung am 7. Juni zwischen Dr. Hebelt und Graf Andräaffy zur Bezier: Gtimmberechtigte: Wbgestimmt: Graf Andenfig: Pr. Hebert: Graf Ab­beisberg: ungü­ltig: I 870 776 2 220 250 35 I.­­ 1059 989 264 847 320 58 I. 1081 1001 284 365 7­75 IV. 998 980 240 478 168 49 V. 1053 958 158 577 158 65 vi. 778 707 157 843 170 3 vn. 954 890 273 270 294 58 VI 1082 1028 335 448 214 37 IX. 706 668 182 314 141 3 X. 845 777 230 196 324 2? RL. 873 807 275 188 387 62 Xu. 876 826 273 280 229 44 Zusamm­en 11.170 10.557 2942 4010 2832 578 Stichwaßl. die Geheimk­rift. Novellette von Friedrich Thieme. Und du glaubst nit, tanz, das kein Bater seinen Sinn ändern wird?” Der jung Mann schüttelte den Kopf. „Nein, liebe Agnes, du weißt ja, er­st ein Starr­opf. Er hat andere Pläne mit mir, und die will er nicht aufgeben.“ Agnes wiegte sinnend das Haupt „Wenn ich mich nun einmal persön­­ti an ihn wendete?“ fragte sie plöß­ Hch, den Kopf lebhaft emporhebend. * ‚Das würde völlig vergeblich sein. Er will­ dich nicht kennen lernen und­ würde Dich vielleicht nicht einmal »ort lassen. Nein, damit it's nichts. Das einzige Mittel bleibt noch, daß ich Di heimführe, ohne ihn zu fragen. Die Ein­willigung meiner Mutter erhalte ich, Deim sie liebt mich über alles, hat aber leider zu wenig Einfluß auf meinen Vater. Zur Erledigung der geieglichen Formalitäten bedarf ich übrigens seiner elterlichen Genehmigung mehr, ich bin sehsundzwanzig Jahre alt und völlig Herr meiner Entschlüsse. Wenn du also damit einverstanden bist .“ „Nein, nein!“ unterbrach ihn das schöne, junge Mädchen. „Du bst zwar mündig, aber noch nicht selbständig. Roc bedarfst du der Unterstükung dei­­nes Vaters, wenn du d­ich in deiner Stellung behaupten willst. M Würdest du­­ einen solchen Schritt tun, so stelltest du deine ganze Zukunft in Frage. Warten wir «also.Tieber noch) ein paar Jahre, bis Du einen Boten errungen hast, der uns­sere Verbindung ermöglicht.“ Franz drückte einen zärtlichen Ruß auf ihre Lippen. „Immer dieselbe,“ sprach er weich, „immer gut und edel! Ach, Aanes, wie töricht sind Doch die Menschen. Nur weil du arm bit, Halt dich die Welt dem Sohne des reichen Kaufmanns nit für ebenbürtig. Gold st eben der einzige Makstab der Achtung, welche mein Bas­ter­en Menschen zolft.“ Agnes nichte: „Er it eben wie die meisten Leute. Im übrigen fan­n er ja auch nichts an mir auszujegen Haben, meine Familie kann sich wohl mit der feinen messen. Mein Großvater war nicht nur ein angesehener, sondern galt auch als ein wohlhabender Mann und auch mein Vater stand Doch als Land­­schaftsmaler in gutem Ruf.“ sch­wei, mein Lieb. Schade, wa dir von dem Reichtum deines Groß­vaters nichts geblieben it. Wo mag der alte Herr sein Geld nur hingebracht haben?“ „Sa, wer das wühlte. Er büßte, wie du weikt, in der Revolution Das Lachen ein. Nach seinem Tode fand man selt­­samermweise von barem Gelde vv. Wert sahen seine Spur, obgleich er wenige Tage vorher seine Wertpapiere aus dem Depot seines Bankiers abgeholt hatte. Mein Vater behauptete immer, der Großvater müsse die Sachen an irgendeiner Stelle unseres Reichtums vergraben haben.“ „Hat denn dein Vater nie Yarnad gejuht?“ „Do­r lange und häufig. Der Gedanke daran verfolgte ihn sogar bis in seine Texten Augenblicke. Aber ge­­funden hat er ni­s.” Das war ja auf der Grund, weshalb er sich von den alten Büchern Dort nit trennen wollte. Sie fanden ich im Nachlak meines Großvaters, sie waren dessen Liebstes Eigentum, er soll Tag ud Nicht im seiner Bibliothek angebracht: haben zwis­chen seinen Büchern und Sammlun­gen. Mein Vater koff­e nun, daß mich Großvater in ihnen oder an einem an­deren Orte irgendeine Nachricht über den Verbleib des Geldes hinterlegt habe.“ Jang war­ einer Bhf auf die zahe reichen alten Schriften und Bilder. Die in ziemlicher Urorderung in einem alten Bücherschranke, der an der hinteren Hand des Zimmers stand, aufgestapelt tagen. Damit bemerkte er: „Eie und auch interessant a’mug, ich habe selbst schon stundenlang mit Vergnügen, darin umhergeblättert. Shadz­, das die Samm­­lungen der Feuchtigkeit und Insekten "zum größten Teil zerstört worden sind. Mas nun allerdings das Geld deiner­­­ Großvaters anbelangt, so glaube ich nicht, daß darüber irgendwelcher Nachh­weis er zitiert.“ Damit wandte si der junge Mar den alten Schranfe zu, Dessen Inhalt Ion oft sein lebhaftes Interesse made gerufen hatte, Ranzs aber beugte ich, nach einem innigen Blide auf den Ge­­liebten, angelegentlich über ihre Arbeit. Franz war der Sohn des angesehenen Kaufmanns Heimbold, Nanes Wolf die Tochter eines zwar talentvollen, aber wenig vom Gi­if begünstigten Land­­schaftsmalers, welcher gestorben war, als das Mädchen kaum das dreizehnte Jahr erreicht hatte. Entfernte Ver­wandte nahmen sich, da die Mutter dem Pater im Tode vorausgegangen war, der völlig und demitterten Waise an, in deren Hause hatte fir bisher gelebt,­­ die gutmütigen Pfleger, wie die je seine Kinder hatten, in ihrem Pub­geschäft nach Kräften unterstütt. Das junge Mädchen wer seht einundzwanzig Jahre alt und beraf eine gute Geistes-­ und Herzensbildung. Pyranz hatte sie ichon als Student kennen gelernt und ihon damals im Laufe ihrer Pflege­eltern verfehrt; seitdem hatten si die jungen Leute innig aneinander age­schlosfen, und Franz war, seit er sein Allesiorexamen gemaccht hatte, ein häufi­­ger und gern gesehener Gast in der bes­cheidenen Wohnung. (Tortregung folgt.) 3

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