Oedenburger Zeitung, Juni 1935 (Jahrgang 68, nr. 124-146)

1935-06-01 / nr. 124

—W"W.·si,x«"s-«-dew»Es-»Mi-«s- IIIllllllllllllllllllllllIlllllllllnstlllsllli Verwaltung:Oedenburg,Veåkplatz56,Unruf:19. AnzeigensundUbonnementSsAnnahtne.Bezugspreisx Monatlich2.801)engö(fathustellungin5Haus). Solge 124. Jahre. 68. nunvljångiaeznolitlimex Tnuvltmflllulleölåavc Samstag, 1. guni 1935. , Schriftleitung:Oedenburg,Deåkplatz56,2lntuf:19. GelangtmitUuSnahmEevonSonnsund-Feiertagen täglich nachmittags 5 Uhr (15 Uhr) zur Ausgabe, Einzelblatt: 12 Heller. Nüdktrittdes franz. Sinanzminiiters PRaris, 31. Mai. Nahi einen auf regenden Rammerfigung hat Minijterprä­­fivent $landin geitern abend mitge­­teilt, daß Finangminiiter Germain- Martin ihm jeinen Rüdtritt angebo­­ten habe. Der Yinanzminijter glaube fich zu diefem Schritt bereihtigt, weil er die Ueberzeugung gewonnen habe, dan allein feine Berjon die Annahme der Ermädti­­gungsgejege verhindere. Der Minijterpräfident erklärte, dag er unten diejen Umjtänden vorläufig das Fi­­nangminijterium jelbit zufammen mit der Minijterpräfidentichaft übernehmen werde. * Der Generalprofurator der Republif und Den Chef der Finanzjeftion der Staatsanwaltichaft Haben eventuelle ge­­rihtliche Maknahmen gegen Sranfenipe­­fulationen ins Auge gefaßt. Was wird aus unierer Jugend? Sit SJugendbewegung ein Schlagwort oder eine Tat? Bewegt fi die heutige Jugend? Wohin marihiert fie? Das find die Lebensfragen der Neuzeit, dia die Jugend — Die Lebensfrage der Nation ift. Bisher war die Jugend die Freude alternder Eltern, heute bildet fie deren hödite Corge. Anitatt die Eltern erhalten und pilegen, müjjen dieje für die ISugend noch immer jorgen und arbeiten. Welche enorme Aufopferung, welche Unficherheit in ihren alten Tagen! Ein guten Staatsmann ift, der jeine Nation erzieht? Werden wir erzogen? Heute erzieht man die Mafje und vergikt in ihr der Jugend. Heute will man über­­all Führer und Yahmänner jchaffen. Doc wie joll aus dem Lehrling Yahmann werden, wenn en nach Ablauf der Lehr­­zeit jahrelang feine Beihäftigung findet, wie joll aus dem Diplomierten ein ganzer Mann, eventuell ein Führer werden, wenn der Ingenieur gezwungen ijt, als Strakenbahnichaffner fein Brot zu verdie­­nen (und da ij er noch glüdlich), oder jahrelang in einer Schreibitube Brief­­umjchläge adrejfieren und zuffeben? Was wird aus diefer Tugend? Sede Tugend hat eine Seele. Auch die Sugend der Neuzeit. Doch hat die Tugend der Neuzeit feine Formen, wo fie dieje Seele einförpern fann. Unjere Jugend hat feine Richtlinien, fie Hat feine Philo­­fophie. Unfere Väter. haben jtarre For­­men, doch Feine pailende Geele, ihre MWeltanihauung, ihre Philofophie Hat dur den Weltkrieg Schiifbruc; gelitten. Mir leben in einem Zeitalter der Sy­­iteme, den Experimente. Bald wird auf der ganzen Welt mit verichiedenen Gpite­­men Berfuchi gemadt. NRukland, Italien, Deutihland und die U.6.W. find die Hauptkeifeln im diefer nolitiichen Heren­­fühe. Iedes Pand will feine Grundige­­danken, feine Snititutionen, fein ganzes Syitem den anderen aufzwingen. Der Ihaurige Zulammenprall dem verichtedenen Auffaflungen in verichiedenen Spitemen beunruhigt die manze Welt. Dabei ver­­gikt man, dak diefe Syiteme nun Teil- Töjungen find. Der Menich fann im der Gejellihaft Frei oder gebunden Iehen. In der itaatlichen Gejellihaft, wo den Mienic relativ frei Tebt, nennt man diejes ©y­­item: Individualismus, wo en gebunden it, Ipriht man von Sozialismus. Ya: ichismus, Boljchewismus, Hitlerismus find nur -Abjtufungen der Brüde zwilden So­­sialismus und ISndividualismus. Der. Unterjchiedi zwilchen diejen neuen Syite­­men ijt, da in dem einen der Menjch freier, in dem anderen gebundener Iebt, da hier der Eingelne wirtihaftet, even» tuell unten geringerer oder größerer Itaatlicher Aufjicht, dort der Staat jelbit. Do ftimmen alle diefe Syiteme in der Pilege und Erziehung der Iugend über­­ein. Sie jehen ein, da das Los der Na­­tion in der Jugend liegt. Darum wollen fie ihre eigene Weltanjhauung der her­­anwadijenden Jugend aufzwingen. Der ipringende PBunft bleibt, ob diefe Philo­­jophie ihrer Weltaufchauung mit der jeeli­­ichen Struftun der Iugend übereinjtimmt. Heute will man überall reformieren, doch Fragt man niemals, db man dieje Reformen benötigt. Man reformiert dort, wo man nicht joll, und man drüdt das Auge zu, wo die Reformierung brennend it. lendalten Wahrheiten aus dem Bergwerk den Weltflugheit vergejien zu haben. Gie fürdten diefe Wahrheiten. Lieber erfin­­den fie ein neues Ideal, als das alte aus­­zuprobieren, lieber reiten fie auf einem Widder, als auf dem Rüden des erpvob­­ten Ramels durch die Wüfte des Lebens. Alles dreht fih, überall wird erperi­­mentiert. Und im diefem jchaurigen Rhythmus der Zeit gärt das Problem der Jugend, die den Anbruch eines neuen Zeitalters mit Hungriger Sehnjuht er= wartet, Diejes Zeitalten wird Wifjfen und Mut fennzeihnen, diefe beiden Eigen- Ichaften werden diejen. Wbichnitt Der Ge- Ihichte unjterblich machen, da Willen und Mut jelbjit unjterblich find. Denn ein Menih ohne Kenntnijje it wie ein Menjd ohne Sonne. Mas wollen aber wir bis dahin tun? Beller mit allen ein Nare als allein geicheit zu jein, jagen politiiche Röpfe. Sit es jo wichtig, dem Strom zu folgen? Oft beiteht das größte Wifien im Nichtwilfen, man muß mit den übrigen leben und die Unwiljenden find in der Mehrzahl. Doc müfjen wir traten, jagen zu fFönnen, bejjer mit den Mebrigen geicheit, als allein ‚ein Narr zu Tein. Die Menichen jcheinen die jahrtaus Originalität follen wir nie in Wunderlichkeit juhen! Mir müjfen die Hauptfehler unjerer Büter, unjerer Zeit erforjchen und dieje austotten. Wir müllen Herrn über uns felbit werden, win müfen uns gründlich fennen. Erjt nad der Bekämpfung unies rer Unvollfommenheit fünnen wie hans deln. Mir müfen die Augen beizeiten öffnen und uns nicht dem eriten Eindrud hingeben, nicht gänzlich eine Tauben­­natun haben, jondern jchlau wie Die Shlange und ohne Yalichheit wie die Taube jein. Als fluger Mann gleich an­­fangs Das tun, was der Dumme am Ende tut. Aloe nicht mit dem anfangen, womit man es zu beichliegen hätte. Erit die Mühe, dann die Erholung. Mir müfjen niht tätig jeheinen, jondern jein, wir müjjen arbeiten mit Kopf und Herz, denn Verjtand allein tut es nicht, auch Gemüt gehört dazu. Mir müffen unjeren Geift mit Hilfe der Natur und Kunit zw erneuern ver­­itehen, um zur Vollendung zu fommen. Wir müllen flug in Worten, und weile in Iaten jein. Wenn wir diefen Pfad des Lebens betreten, jo werden win eine bal­­dige gejunde Wiedergeburt der Menich­­­­heit, ein alüdliches Alter unjerer Jugend erhoffen fünnen. Dr. Iojef Freiberger, Mandorf. deiterreichs Heziehungen zudenNachbaritanten Wien, 31. Mai. Bundestanzler Dof­­tor Shujhnigg hielt Mittwoch im Bundestag die angefündigte innen- und außenpolitiihe Nede, die durch Radio übertragen und in allen Ländern Europas angehört wurde. Nachdem der Bundes­­fanzler über den fortihreitenden Neuauf­­bau Defterreihs, über Handelspolitiiche Grfolge, über die Wrbeitsanleihe, über die militärische Gleichberedtigung und Wehrpflicht geiprochen Hatte, fam er auf die Beziehungen : zu den Nahbaritaaten zu jpreihen, wobei er erwähnte, Daß Deiterreihs Verhältnis zu Ungarn durd) die gegenjeitigen Gefühle tuaditioneller Sreundidaftt und Chikjalsgemeinichaft Havakterijiert ift und der beiderjeits ehr­­lich empfundenen Tatjache entipriht, dah die beiden Länder in wirtichaftlichen Hin­­fiht aufeinander angewiejen find. Ausgezeihnet Haben fich die Beziehun­­gen zw dem beiden weitlihen Großmäditen Sranfreih und England entwidelt. Ein wirflih freundnachbarlihes Verhältnis, welches wir bejtrebt find, weiter aufrecht: zuerhalten und zu vertiefen, bejteht zwi­­ichen Dejterreih, der Tihechojlowatiichen Republif, dem Königreich Tugojlamwien und insbejondere natürlich der benadbar­­ten Schweizeriihen Eidgenofjenicdaft. Gu­­tes Einvernehmen beiteht auch mit den Staaten, die nicht unmittelbar an Deiter­­reich, grenzen. ‚Nah wie vor verbinden uns insbe­­fondere die freundihaftliditen Beziehun­­gen mit dem benadbarten Italien, bei dem Deiterreih auf wirtihaftlichem und fulturellem Gebiet verjtändnisvolles Ent­­gegenfommen findet.“ Den öjterreihiihen Nationaljozialis­­mus bezeichnete den Bundeskanzler als eine inneröiterreihiihe Angelegenheit, Dann jpradı er auch über das Verhältnis zum Deutihen Reich und führte u. a. aus: „SH Fann über die Beziehungen zum Deutjchen Reich nur das wiederholen, was Dollfug ununterbrogen in aller Oeffent- Tichfeit jagte: „Die von uns weiß Gott nicht gewollte Spannung erfüllt uns mit ehrlier Trauer; fie hat feit über zwei Sahren das friedliche und eripriekliche Nebeneinanderleben der beiden Ddeutichen Staaten, wie wir es jeit Iahren gewohnt waren, auf das empfindlicdite zu jtören vermodht.“ Wenn wir au die tragijche­­iten diefer Momente niemals zw vergejlen vermögen, jo find wir Defterreicher no feineswegs nadhträgerifch und jedermann gegenüben jtets gern bereit, in eine uns gebotene Friedenshand ehrlih einzu. Ichlagen. Die natürlihe und unverrüfbare Vor­­ausjegung für eine Normalifierung diejes | Verhältniifes ijt und bleibt für die Bun­­desregierung und die gejchlojjene Mehr­­heit der friedliebenden und deutichfühlen­­den Bevölkerung Dejterreihs die rüdkhalt- Iofe Anerfennung derderehtigung Deiter­­reichs über jein Schiefal jelbit Frei und ohne offene oder veritedte Einflußnahme von Faktoren oder Strömungen außerhalb feiner Grenze entiheiden zu fönnen. Vor einigen Tagen hat Reichstanzler Hitler in feiner großen Rede zu den Pro- blemen Stellung genommen, die die Welt bewegen. Was der Hemm Reichskanzler über die Notwendigkeit der Aufrechter­­haltung des Friedens jagte, wind matür- Tich aud) unjererjeits reitlos unterihrieben. Die Erflänrung des Herrn Reichstanz­­fers, dah Deutjchland weder die Abficht noch den Willen Habe, fi im die inneren öjterteichijchen Verhältnijie einzumengen, Dejterreih etwa zu anneftieren oder an­­zuihliegen, dieje Erklärung nehmen wir mit Berriedigung und Genugtuung jun Kenntnis. Ebenjo die grundfäßliche Be­­reitihaft, internationalen Vereinbarun­­gen zuzuftimmen, die in wirffamer Weile alle Verjuche einer Einmifhung von außen in andere Staaten unterbinden und uns möglicd, machen.“ Shlieglid jtellte der Bundesfanzlen auf politiihem Gebiet nacdhfolgendes For­­derungsprogramm Dejterreids auf: „Was Dejterreich für fich fordert und glaubt, mit Recht für fi Fordern zu fün­­nen ijt: eritens die grundjäßlihe gleiche Behandlung, zweitens die Zuerfennung grundiäglih des gleichen Rechtes und drittens die Anerfennung der gleichen Chre! Weber alles andere fann man mit den Dejterreihern reden, über dieje drei Bunfte niemals,“ %* Berlin und die Berliner Filmwelt. Borttag des Vireftors des Städtiihen Mozi Karl griedrid, Dedenburg, 31. Mai. Bei vollem Hauje hielt der Direktor des Städtiihen Mozi Kal Friedrid, der fürzlich auf einen Studienreije in Ber­­lin weilte, Mittwoch abend unter dem Titel „Berlin und Berlinen Filmwelt“ einen jajt zweijtündigen Vortrag, der weit über die übliche Erör­­terung einfacher Reijeeindrüfe Hinaus­­wuhs. Nicht nur das Thema an und für fih war Höchft interejjant, Direktor Karl Sriedrich veritand es, dem Vortrag duch eine anziehende und wohldurhdachte Vortragsweile eine bejondere Note zw geben. Die Fülle des Stoffes war eine derart enorme, da es wohl unmöglich ift, im Rahmen eines Zeitungsberidhtes all dejjen in ausführlicher Weije zu gedenken, was den gediegenen VBortragsabend ause füllte. — Dabei wirfte aber das große Programm nicht im geringjten ermüdend, Denn Hier zeigte Direfton Kriedrid ebenfalls, wie man durch geichidtes An­­einanderreihen der einzelnen Gejcehnijje eine interefjante und padende Abwedhj­­lung in das Gange bringen und damit dem Zujhauer und Zuhörer immer wie der etwas Neues und Anziehendes auf­­tiihen fan. Das ijt eben eine Kunit, die auch einen ganzen Mann erfordert, Direftor Yriedrih jprah üben Reijeeindrüde, Berliner Erlebnifie, über Ausflüge nah Wannjee, Potsdam und Sansjouci. Ungemein großes SInterejie Löten die eingehenden Erörterungen Di­­vefton Friedrihs über die ungeheure Leijtungsfähigkeit der Berliner „Ufe- Univerfum Film 4-6.“ aus, deren Betrieb in Neubabelsberg einen ganzen Stadtteil bildet. Es it dies eine Welt für fih, wo ein KAulturgut der Menjchheif mit ungeheurem Kojtenaufwand und mit Einjegung der denkbar größten Energie auf immer höhere Stufe gebradt wird. Was hier geihaffen wird, das ijt wohl als Höchjitleiftung auf dem Gebiete ver Direftov Karl ı Silmtechnif anzuipreden. .

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