Pannonia, 1879 (nr. 2-148)

1879-05-04 / nr. 54

Seite 2 Kasehau, Sonntag „PANNONIA“ 4. Mai 1879. Nr. 54 Ein Deputirter ist nur Gott und seinem Gewissen verant­ Nur mit Mühe gelang es der Polizei, die Ruhe herzu­­­ wäre. No< einem anderen Bewohner Spremberg’8 passirte wörtlich. stellen. Als Anführer der Excessirenden nennt man uns den Ge- | dasselbe. Ob hier ein Act von Made, Muthwille oder was Des un geachtet haben. fich die Bürger Kaschau's der Hoff­ | meinen Johann Steff, vom 6. Regiment, immer vorliegt, ist bis heute unaufgeklärt. Die Person des nung hingegeben, daß ihnen der Deputirte Kaschau's ein Zei­­chen der Achtung geben wird, indem trittes seinen Wählern erklären werde," er die Motive seines Aus­­[Verkehrsstörung.] Auf der Eisenbahn - Strece zwischen Miskolcz und Budapest ist eine Brücke eingestürzt, in Folge dessen der Verkehr auf dieser Linie eingestellt ist. Die vorgestern Abends fällige Post ist erst gestern Mittags ange­­langt. Man erzählt, daß die fragliche Brüde einige Minuten später einstürzte, nachdem der Zug dieselbe passirt hatte. In anderen Städten pflegen die Stationsvorstände das Publicum durch die Presse von derlei Verkehrsstörungen zu ver­­ständigen. In Kaschau sind wir in dieser Beziehung weit zurück. Wir werden es indeß mit einer Beschwerde bei der Di­­­ection versuchen. Vielleicht wird es dann besser werden ! [Zur Schwurgerichts-Verhandlung.] In unserem Berichte über die Schwurgerichtsverhandlung haben sich mehrere Fehler eingeschlichen, die wohl nicht zu vermeiden wa­­ren, da es uns darum zu thun war, das Resultat der Ver­­handlung, welche um 11 Uhr Nachts endete, in der den folgen­­den Tag Morgens erscheinenden Nummer zu bringen. Nament­­lich war der Schluß des Berichtes mangelhaft, so daß wir uns veranlaßt fühlen, denselben im Nachfolgenden richtig zu stellen . Die Geschworenen hatten 11 Fragen zu beantworten. Die ersten 6 enthielten die Fragen, in welcher Eigenschaft der Postmeister Carl Gömöry und dessen Gattin beleidigt wur­­den, ob als Privatpersonen, oder in ihrer Eigenschaft als amt­­liche Personen. Von den Geschworenen fanden 4 in dem­ Artikel keine Beleidigung­­ gegen die Privatperson der Kläger, wogegen Alle einig darin waren, daß der Artikel eine Beleidigung gegen die amtliche Eigenschaft der Kläger enthielt. Die 7. Frage, ob Paul Gömöry der Verfasser des ins­criminirten Artikels sei, wurde einstimmig bejaht. Die 4 folgenden Fragen, ob Paul Gömöry eines Preß­­vergehens sich schuldig gemacht hatte, wurde bezüglich der Ehe­­leute als amtliche Persönlichkeiten einstimmig, hingegen als Private mit 8 Stimmen gegen 4 bejaht. [Wichtig für Assekuranzen.] Vom Kascauer Bürgermeisteramte werden alle Versicherungs-Anstalten, resp. die Agentschaften derselben aufgefordert, wegen Sicherstellung der Versicherung sämmtlicher zum Eigenthume der Stadt gehörenden Gebäude gegen Feuersläden auf , nacheinander folgende Jahre ihre diesbezüglichen Offerte bis 30. Mai i. J. an das obige Bürgermeisteramt einzureihen. Später eingereichte Offerte fin­­den keine Berücksichtigung. [Das Comité der Kaschauer Kornhalle] hat sich gestern constituirt und wählte mit Acclamation , Balthasar Did zum Präses, Emil Weiß Vicepräses, Julius Fuchs Secretär und Theodor Holländer Cassier. [Der Circus] wird nicht, wie projectirt, am Glacis, sondern am Hauptplatz erbaut, da der Boden am Glacis durch den anhaltenden Regen zu sehr aufgeweicht wurde. [Halbe Arbeit.] Endlich hat es die „städtische “Be­­hörde für angezeigt befunden, die Allee am untern und mittle­­ren Glacis mit einem Holzgeländer zu umgeben. Indem wir dies mit Genugthuung constatiren, knüpfen wir daran die Bitte, gleichzeitig die dort abgelagerten Misthau­­fen plank­en zu lassen. Was ein Haden werden soll, krümmt sich bei Zeiten.­ Borgestern überraschte ein Polizist drei kleine Burschen, wie sie mittelst eines gabelförmigen Stäbchens aus den Sammelbüchsen auf dem Kalvarienberge die Peters­­pfennige escamotirten. [Der Kellner Julius Legard,] , der von seinem Dienstherrn 50 Gulden gestohlen hatte, wurde nicht festgenom­­men, wie wir dies in der vorigen Nummer berichteten, sondern ist durchgegangen und konnte sein Aufenthaltsort bis zur Stunde nicht erub­t werden. [E­x­c­e­p.] Der Calvarienberg war vorgestern der Schau­­platz eines Excesses, der nicht ungerügt bleiben darf. Ungefähr 60 Husaren tranken dort vor dem Zelte des Gastwirthes Josef Czernik Bier, welches von dem angeheiterten Wirthe mit 2 kr. das Glas ausgeschenkt wurde. Die Marss­öhne wurden bald guter Laune und trieben dann mit den zum Ablaß gekommenen Weibern allerlei Unfug. Hierauf begaben sie sich in die Capelle, wo sie zum all­gemeinen Aergerniß bosnische Lieder sangen. [Eine goldene Uhr] wurde gestern von dem Uhr­­macher Th. Holländer einem Bauern Namens Georg Beres aus Kozma (Zempliner Comitat) abgenommen und bei der Stadthauptmannschaft deponirt. Der Bauer gab an, die Uhr von dem Lehrer Edmund Zavoda mit dem Auftrage erhalten zu haben, dieselbe bestens zu verwerthen. [Gefunden] wurde ein Gebinde Schaffelle, welches mit M. K. 3 bezeichnet, einem hier zu Markte gewesenen (muih­­maßlic Eperieser) Productenhändler bei seinem Abgange von hier vom Wagen herabgerollt sein dürfte. Der Verlustträger kann benannten Gegenstand im hiesigen Stadthauptmannamte erheben. [Selbstmord aus unglüclicher Liebe] Wir haben jüngst über einen Selbstmord aus Tokaj berichtet. Heute liegen uns in dieser Angelegenheit folgende Daten vor : Am 28. April ging der Canzlist des Tokajer Bezirksgerietes, Julius Sajto, wie gewöhnlich, des Morgens in­ s Amt, beschäftigte sich jedoch nicht mit seinen Acten, sondern schrieb einen Brief an seine Geliebte, M. P. Wie es sich später herausstellte, war dieser Brief ein Abschiedsbrief. Als das Schreiben beendet war, trug er es zu seinem Freunde Pekari, ging dann auf den Berg, auf welchem die Finanzwach-Caserne steht, hinauf und schoß sich daselbst eine Kugel in die Brust. Der Vater des Selbstmör­­ders stand in dem verhängnißvollen Augenblike nur wenige Schritte von dem Sohne entfernt. Der Tod erfolgte augen­­blickich und wurde der jugendliche Selbstmörder, den unglück­­liche Liebe zu dem verhängnißvollen Schritte getrieben, am 30. April unter großer Theilnahme des Publicums bestattet. [Jagd-Abenteuer] Am vorigen Sonntag, Nach­­mittags, waren einige Jagdliebhaber von Rosenau, (Gömör) nach dem nicht weit von der Stadt gelegenen „Teufelsstein" hinausgegangen, um auf Schwarzwild zu jagen. Darunter be­­fand sich auch der Nosenauer Festrichter. Als dieser, von einem Freunde begleitet, der ohne Waffen war, aber einen Jagdhund mit sich hatte, auf dem ihm angewiesenen Standort angelangt war und si­eben die Tabakpfeife anzünden wollte, hörte er hinter sich ein­­ebrumme Sich ummendend, erbliche er in einer Entfernung von 30 Schritten einen großen Bären heran­­kommen. Er feuerte sogleich einen Schuß auf Meister Petz ab, der hierauf die Flucht ergriff. Der Forstmeister schi>te ihm noch eine Kugel nach, welche diesmal in­s Herz traf. Die Beiden fanden, nacheilend, das mächtige Thier in einer Entfernung von 150 Schritten bereits verendet. [Aus dem bhauerlichen frembmwörter- Berwechsler.] Herrn Wursthubers Vater war Dämonen- Rath, soll aus fatamorganischer Ehe entsprossen sein und eine dunkle Subsistenz haben. Sonst war er, abgerechnet einige Marmotten, ein ovaler Mann. Seine Lieblingsspeisen waren: Carneol, Complot, Cavour und drgl. Er hielt Equipagen und guillotinirte Bedienten, wohnte in der Prell-Etage und fuhr im Coupon I. Classe. Aepfel­­­­e em wam mammut nn en — — beendigen, denn ihr scheint schon Alle etwas schläfrig. — Nach­dem ich mich bei meinem Schwiegervater installirt hatte, begann ich wieder die Nachforschungen über den Aufenthaltsort meiner Eltern. Ja ergriff zu diesem­ Zweck um so eher jedes mög­­liche und denkbare Mittel, als mein Verhältniß zu Anna immer reníter und tiefer wurde und mir die heilige Verpflichtung ob­­lag, ihr seiner Zeit nicht allein einen Gatten, sondern auch einen Namen zu geben. Allmäls gewann ich an hinreichenden Muth, um meinem Principalen die Geschichte meines Lebens mitzutheilen und ihn zu bitten, er möge als erfahrener und­influßreicher Mann mir mit seinem Rathe . und­ seiner Unter­­tagung zur Seite stehen. Natürlich vers­ wieg ich dabei, daß die Feststellung meiner Herkunft und meiner Eltern auch seine Familie sehr interessiren werde; den­n ich befürchtete, damit Alles zu verderben; ohnehin erwarb ich mir meine Gattin nicht in leichtem Wege; aus der Geschichte unserer Verbindung könnte man einen Roman gestalten. Do< kehren wir zur Sache um­>. Mein Principal betrieb denn mit wirklichem Eifer meine Angelegenheit. Zuerst verlangten wir erneuerte Currentirung in Abaujer Comitate; dann machte ich mir im nächsten Früh­­ahre selbst auf, um abermals mein Glü> zu versuchen. Mehr 118 zwei Monate brachte ich unterwes zu. Bon Bihar bis So­­nogy und von Pest bis Becskerek dor<kreuzte ich das Land hin nd her. Wenn ich hier oder dort über eine und die andere Familie hörte, deren Kind verscwunden sei, ging ich tagelang­­, nur an Ort und Stelle zu gelangen. Doch wieder war d les vergeblich . Diejenigen, welche ich suchte, waren nirgends uffindbar. Abermals kehrte ig resultatelog und völlig entmu­­tigt zurück. — Aber wie konnte die Currentirung ohne Erfolg blet­­en? — fragte iM verwundert. — Ihre Eltern und Geschwister­önnen doch — Ja, nicht ganz aus dem Lande verscwunden sein, mein Freund, das ist mir ebenfalls bis zum einigen Tage unerfindlich geblieben. Aber die Gabe war e< so. Die damaligen Verhältnisse, sowie die Kommunicationsmittel machten Manches unmöglich, mangelhaften was heute ihr ausführbar ist. Möglic, daß die Currentirung eben ih­­re Aufmerksamkeit entgangen; möglich aug, daß ig da nicht inkam, wohin ig zu gelangen anstrebte ; am wahrscheinlichsten leibt es indeß, daß der florafische Fuhrmann, der mich m­­­otaj an Bögözdi verhandelte, diesem über mir Alles, nur ihr die Wahrheit gesagt hat. Mit einem Wort, das Geheim­­iß meiner Herkunft blieb mit einem dichten Schleier umgeben, der wohl niemals zu lüften sein wird. Aus alle dem kannst Du nun die Lehre ziehen, daß Eltern, welche sie um die Er­­ziehung ihrer Kinder nicht kümmern, diese in solche Verhältnisse treiben können, aus denen sie in ihrem ganzen Leben keine Ret­­tung wieder finden. Wer seine Kinder der Gesellschaft von Dienstboten überläßt, wer nicht in erster Linie sein Augenmerk auf sie richtet, oder wer seine Kinder nur als Sklaven betrach­­tet, die zu tyrannisiren man berechtigt sei, der sammelt mit eige­­ner Hand glühende Kohlen auf sein Haupt, welche durc den Schmerz eines ganzen Lebens nicht wieder gelös­t werden ; der schafft seinen Nachkommen Bitterkeiten, die durc alle Freuden des Lebens nicht wieder versüßt werden, und begeht ein Atten­­tat auf die höchste Würde, auf die Elternwürde ; ein forder­n, kann vor Gott und Menschen niemals auf Verzeihung rechnen. J4 meinerseits habe meinen unglücklichen Eltern verziehen und bitte zum lieben Gott, er möge ihnen auch vergeben. Nur das schmerzt mich, daß ich sie hievon nicht persönlich über­­zeugen kann und daß ich ihnen keine Gelegenheit zu bieten ver­­mag, ihren Sohn achten zu lernen. Hier hielt mein ehrwürdiger Freund inne und versank in tiefes Nachdenken. Die Familie war mit mir zusammen so ins­tig erschüttert, daß keiner von uns den Muth besaß, die Ruhe zu stören. 39 ließ in meinem Innern das kampferfüllte Leben des biedern Alten nor einmal mit aufrichtiger Theil­­­nahme vorüber ziehen und mußte mir gestehen, daß wahrlich keine alltägliche physische und moralisce Kraft erforderlich war, um unter dem Zusammenwirken solch ungünstiger Verhältnisse nicht allein ni<t­ zu Grunde zu gehen, sondern sich zu solch­ ge­­achteter und ehrenhafter Stellung emporzusc­hwingen. Auch bis­­her war ich ein großer Verehrer des alten Herrn, jet wurde ihh­m­ der That sein Bewunderer. 99 würde meinen Gedanken nom weiteren Lauf gelassen haben ; allein Freund P. erhob sich plößlich und gab uns in seiner gewohnten Weise kund, daß seine Erzählung damit be­­endigt sei und wir, dem Wunsche der Hausfrau folgend, uns zu Bette begeben mögen. Auf die Frage seiner Tochter bemerkte er nur noch, daß er niemals Gelegenheit hatte, seinen Pflege­­vater Bögözdi wieder zu sehen. Nach ihrer Trennung war er nur noc ein einziges Mal in seinem Hause und zwar — beim Begräbniß des guten Alten. Aus Nah und Fern. [Neue Schießgewehre.] Ein türkischer Artilleries Major Namens Halil hat ein neues Gewehr erfunden, welches sich von dem Henry Martiniez gftent dur größere Schellig­­keit, Leichtigkeit und Sicherheit auszeichnen soll. Eine vor dem Sultan abgehaltene Probe, im Gebrauch der neuen Waffe, ist so gut ausgefallen, daß der Erfinder mit einem Geschenke von 10.000 Piastern ausgezeichnet wurde. Gleichzeitig hat die kaiserliche Gewehrfabrik in Konstantinopel Auftrag 100 Stüdk des neuen Gewehres zur Probe anzufertigen. erhalten. [Von ganz eigenthümlichen Attentaten] auf die Nasen friedlicr Bürger berichtet ein Reporter : Ein Tuchfabrikant in Spremberg wurde auf von einem freundlichen Herrn angesprochen, seinem Spaziergang, der ihm eine Ta­baksdose mit den Worten: „Prieschen gefällig ?" hinhielt. Der Fabrikant nahm eine Priese, dankte und setzte ruhig seinen Weg fort. Pröglich fühlte er, daß seine Nase furstbar anso woll und er eilte in seiner Angst fpornstreiks zum Arzt. Bei der Ankunft dort war die Nase bereits zu einem unförmligen Fleisc klumpen angesc wollen. Der Arzt war gezwungen, eine Operation vorzunehmen und erklärte, daß, wäre der Patient zehn Minuten später eingetroffen, eine Blutvergiftung eingetreten Gebers der Priese ist bis jezt no nicht festgestellt. [Berurtheilung eines Pfarrers] Aus Par­­is schreibt man vom 27. April: Gestern stand der Msgr. Maret, Kämmerer des Papstes und Pfarrer von Vesinet, zu Billion (Puy du Dome) geboren, 48 Jahre alt, welcher ein no< nicht 13jähriges Mädchen, sein Beichtkind, verführt hatte, vor dem Marseiller Assisenhofe. Die Verhandlungen wurden ge­­heim gehalten und nur eine geringe Anzahl von Advocaten zu­­gelassen. Die Zahl der Zeugen, welche vorgenommen wurden, betrug 49, und die Verhandlungen endeten erst gegen 2 Uhr Nachts. Die Geschworenen erkannten den päpstlichen Kämmerer für schuldig, ließen aber mildernde Umstände zu, so daß er nur zu 10 Jahren Zuchthaus verurtheilt wurde. Hätten die Geschwo­­renen nicht mildernde Umstände angenommen, so hätte den An­­geklagten nach dem Code Napoleon lebenslängliche Zuchthaus­­strafe treffen müssen, da der Verführer zu dem verführtem Kinde in einem Autoritätsverhältnisse gestanden. [Salamoniste Urtheile.] Daß Jemand die Vaterschaft eines Kindes ableugnet, gehört nicht zu den Selten­­­heiten, neu aber­­ dürfte es sein, daß ein Mann, trotz des Wi­­derspruches der Mutter, behauptet, der Vater ihres Kindes zu sein. Vor dem Polizeirichter des Jefferson-Gerichtes in New­ York tritt eine bildhübsche weinende Quadrone, ihr folgt ein fünfunddreißigjähriger Weißer, der in seinen Armen ein­ Kind von unverkennbar afrikanischer Abstammung hält. Ein Polizist fliegt den Aufzug. „Er hat mein Kind gestohlen“, jammert das Mädcen „und ich wollte es zurückholen. . ." =­ „Erzählen Sie, wie sich die Gage verhält," unterbricht sie der Richter. “ „Wir sind nicht verheirathet", sc­hluc­zt sie, „ich habe ihn verlas­­sen, weil er mich mißhandelte, aber ic lernte ihn erst vier Monate vor Geburt des Kindes kennen. Es ist nicht sein Kind. Als ich heute Früh zur Arbeit gegangen war, hat er's aus meiner Wohnung gestohlen. . ." Der Mann aber blieb dabei, daß der Junge ihm gehöre und rief den Richter zum Zeugen darüber an, daß er große Aehnlichkeit mit ihm habe. Das konnte nun der Richter nicht leugnen, als aber die Mutter den­­no< dabei blieb, daß das Kind dem Manne nicht gehöre, daß ein Anderer dessen Vater sei, da trng der Angeklagte in den lauten Ruf aus: „Ja nicht sein Vater ? He? Küsse mich mein Junge“ und dabei herzte er den Jungen und bedeckte ihn mit Liebkosungen. — Der Richter war im Dilemma. Endlich sagte er: „Da das Kind sich bei dem Angeklagten wohl zu befinden scheine, da er es thatsächlich in seinem Besitze habe und da Sie zugegeben, als Mann und Frau mit­einander gelebt zu haben, so müsse er Sie auf den Civilweg verweisen." — Das Mädchen verfiel bei diesem Bescheide nicht in Schreikrämpfe. Mit großen trogenen Augen sah sie den Richter an und verließ den Saal. Fünf Minuten später bewegte sich abermals ein seltsamer Auf­­zug vor dem Richter. Diesmal kam zuerst der Mann, dann das Mädchen, in ihren Armen das Kind haltend, und als Bede>ung abermals der Schukßmann. Die Mutter hatte draußen auf der Strasse wie eine Löwin sich auf den Mann gestürzt, ihm das Kind entrissen und bediente es nun ihrerseits mit Küssen. „Was frägt eine Mutter“ sagte sie, „mach dem Rechte, das ihr ihr Kind entreißt, ic habe gethan, was ich thun mußte.“ Der Richter war perplex. „Warum haben Sie sich das Kind neh­­men lassen ?" = „J“ konnte mich vor ihr nicht flagen", antwortete der Mann. „Nun dann", entschied der weise Richter, „die Sache im Besige; ist jeg gerade umgekehrt. Die Mutter hat das Kind daß sie die Mutter ist, unterliegt keinem Zweifel ; wenn Sie das Kind zurür haben wollen, so schlagen Sie den Weg der Civilklage ein und beweisen Sie, daß Sie der Vater sind. Und nun­­ mal Alle, daß Ihr fortkommt, aber schnell, denn ich habe genug von der Sache." Sprach's und ging zum nächsten Falle über.­­­­­­ Allerlei Buntes, Der Journalist. „Es ist doch merkwürdig, was si diese Journalisten er­­lauben !" — sagte ein Pfarrer in einer großen Gesellschaft, die meist aus Doctoren, Advocaten, Professoren 2c. bestand. „Ueberall führen sie das große Wort, bald gebi­en sie sich als Theologen, bald als Advocaten, bald als Mediciner u. s. w. und das Alles mit einer Kekheit, als ob sie auf jedem Ge­biete zu Hause wären." „Za wohl, mein Herr !" antwortete hierauf ein Jour­­nalist, „wissen Sie denn nicht, woher das kommt ? Ich will es Ihnen erzählen : Die Vertheilung der irdischen Güter dürfte ihnen von Schiller her bekannt sein, weniger bekannt scheint Ihnen die Vertheilung der geistigen Güter zu sein. So hören Sie denn: Und Gott der Herr saß in seiner Bude und ließ die Auf­­forderung an all Diejenigen ergehen, die sich irgend eine Wis­­senschaft holen wollen. Rings um ihn, da waren die mannig­­fachsten Phiolen und in jeder derselben war irgend ein kostbarer Stoff, als da sind: Theologie, Jurisprudenz, Heilwissensc­haft, Mathematik Wenn u. dzgl. auch die Nachfrage nach diesen Artikeln nicht sehr groß war, so kamen dennoch viele arme Schruder, denen bei der Versicherung der irdischen Güter nichts zufiel, um sich et­­was zu holen. Und Gott der Herr gab den Aerzten ein klein wenig Arzneikunde, aufgelöst in einer großen Dosis Charlata­­nerviewasser die Theologen erhielten einen Sad voll Aberglau­­ben, darunter ein Körnlein reine Gotteslehre ; die Advocaten erhielten einen Bund voll Expensnoten und dazu ein Pulver von Jurispudenz ; die Eisenbahn-Ingenieure und Baumeister erhiel­­ten Schabpflaster und technische Pillen ; die Stabsofficiere Zöpfe mit Kriegswissenschaftspuder ; die Diplomaten eine Dosis Lü­­genkunde, aufgelöst in Schauheilwasser u. s. w. Als bereits Alles vertheilt war und Gott der „Herr die Bude sperren wollte, da bemerkte er in einem Winkel einen Mann, der emsig schrieb. . . „Was treibst denn Du und was sagst Du hier ?" fuhr ihn Gott an. Erschroken stand der Mann auf und sprac : „Ich bin Journalist und habe soeben meinen Bericht „Ueber die Vertheilung der geistigen Güter" beendet." Etwas freundlicher machte nun der alte Herr den Mann aufmerksam, daß es an der Zeit wäre, sich zu entfernen, da er die Bude sperren wolle. „Wie 2?" rief der Journalist, „ich soll gehen, ohne Etwas mitzunehmen ? ““ bitte um meinen Antheil." „Bedaure sehr !" antwortete Gott der Herr: „Ich kann Dir nicht­ mehr geben, denn ich habe Alles bereits vertheilt." Da wurde unser Journalist zornig und fluchte, daß der Himmel erzitterte und alle Engel sich vor Furst verstehten. Auch unserem lieben Gott wurde es bange zu Muthe. Er dachte an die spitze Feder der Journalisten und fand es bes­chenklic, denselben ohne jede Gabe zu entlassen, 1.

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