Pester Lloyd, Oktober 1864 (Jahrgang 11, nr. 224-249)

1864-10-14 / nr. 235

PP Die Vorgänge in Nordamerika. Met, 13. Oktober. Es gibt sam­t ein anderes Ereigniß unserer Zeit, welches so viele falsche Propheten zu Tage gefördert hat, als der Krieg in Nordamerika. Wie oft im Verlaufe von vier Jahren glaubte man die Peripetie in dem blutigen Drama, welches sich dort in der neuen Welt abspielt, zu erkennen und die Schlupfata­­strophe herannahen zu sehen, und wie oft hatte sich gleichwohl herausgestellt, daß man noch kaum über das Ende vom Anfang gekommen war. Der Siegesfunde von der einen Seite folgte jedesmal bald der hinfende Bote mit dem Berichte vom Er­­folge des Gegners nach, und in so gleichmäßiger Abwechslung ten das Zünglein an ver­age des Kriegsglückes bald gegen Washington, bald hin nach Richmond auszuschlagen, daß selbst die bedeutendsten Waffenthaten schon fast sein anderes Sinteresse anregten, als : Klage um das in Strömen getroffene Menschen­­blut. Es wäre daher vielleicht gebotene Borsicht, auch die jüngsten Erfolge der Unionisten nur als Episove von der Art aufzunehmen, an die uns dieser langwierige Kampf schon ge­wöhnt hat, und jede weitere daran zu knüpfende Betrachtung mit der einen Frage zurückzumessen,, ob wir nicht demnächst­­an wieder die Bedrohung Washingtons dur­ die Südlichen werden berichten müssen ! Indeß können wir uns doch nicht erwehren, die Erfolge der legten Operation mit größerer Be­­friedigung als sonst zu verzeichnen und, sei’s, daß der Wunsch Baier des Gedankens , den Augenblic­ker Entscheidung näher als bei früheren Siegen zu hoffen. Nach Mobile und Atlanta der große Sieg Grant’s vor Petersburg, dazu das Vorbringen Sherivan’s, das sind Ereig­­nisse, welche wohl geeignet sind, die Stimmung der Freunde der Union zu heben und erfreulichere Erwartungen bezüglich des Ausganges rechtfertigen. Petersburg ist der Zentralpunkt res virginischen Eisenbahnnetes und zugleich die fünliche Bormauer Richmond’s, der Hauptstadt der Konföderation. Die Stellung Grant’s vor Petersburg murbde selbst nach bessen mißglüc­en Bersuchen von fachkundigen Berichterstattern, welche die Opera­­tionen der Unionisten mit pessimistischer Schärfe zu fritisiven pflegen, doch insoferne als werthvoll beurtheilt, als er dadurch Lee und Beauregard dort gebannt hielt und ihnen das Gelüste nach einer Razzia gegen Maryland und Washington benehmen mußte. Schon diese Erwägung mag einen Maßstab für die Bedeutung des in dieser Stellung errungenen effatanten Sie­­nes abgeben, und wenn er, wie zu hoffen, die Bewältigung Petersburgs zur Folge hat, so ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn wir ihn als einen der wichtigsten Wendepunkte im Gange des Krieges bezeichnen. Ob dann, und selbst nach dem Falle Richmond’s, ein sofortiges Erlöschen des Kampfes zu gewärti­­gen ? läßt sich allerdings nicht mit Gewißheit angeben. Daß er mit den Kräften der Konföverivten auf die Neige gehe, scheint sich immer mehr zu bestätigen. Die Ordre der feld­­staatlichen Regierung, welche alle Männer von 17 bis 50 Jah­­ren zu den Waffen ruft, verräth am besten den verzweifelten Stand ihrer Sache, aber freilich auch die Entschlossenheit bis arg Aeuferste auszuharren. Dieser Entschloffenheit mag es gelingen, den rechten Augenblick noch für eine geraume Weile hinauszuschieben, über den Ausgang selber dürfte, falls der Anlauf, den die Dinge bisher genommen, nicht irgend­einen plöglichen Aufenthalt wieder erfährt, nach unseren europäischen Anschauungen sein Zweifel mehr obwalten. — Wir sagen, nach unseren europäischen Begriffen, denn wie die nordamerikanische Republik überhaupt, ihr Staatswesen und all ihre öffentlichen Verhältnisse in Zeiten der inneren Ruhe und des Friedens, so bietet auch Beginn, Gang und Verlauf des Bürgerkrieges so viel des Absonderlichen und den Erfahrungen der alten Welt Ab­weichenden, daß es uns fast an jenem passenden Maßstabe für jene Dinge und Zustände gebricht. Am hellen Tage, unter den Augen des Kongresses und der Zentralregierung wurde während der vorigen Präsident­­schaft die bevorstehende Sezession der Sklavenstaaten diskutirt, und in der nächsten Nähe des Oberhauptes der Republik leb­­ten die Männer, welche den voraussichtlichen Führern der Rebellen Geld, Waffen und befestigte Positionen in die Hände spielten. Und nach Ausbruch des Kampfes! Heeresmassen und blutige Schlachten, welche auf unserem Kontinente das Schic­­sal von Reichen entschieden haben würden ; ein Aufgebot von Zerstörungs- und­­ Vertheidigungsmitten zu Wasser und zu Lande, wie sie ber erfinderischste Geist kaum geahnt hat, und die unstreitig auch in dem Kriegswesen Europa’s eine Umwäl­­zung hervorzubringen berufen sind. Dabei eine eigenthümliche Wahrnehmung. Troß allen Aufwandes an materiellen und gei­­stigen Mitteln, bei aller Hingabe an Geld und Blut und nach vierjährigem Ringen, welches allein genügen müßte, um den Mangel vorhergegangener Kriegserfahrung und militäris­­cher Ausbildung zu erregen, ist mehfwirbiger­weise noch seine jener genialen Persönlichkeiten aufgetaucht, wie wir deren in den großen Kriegen der alten Welt so häufig begegnen, die meteorgleich aus ihrer Umgebung hervorragen, den Sieg an ihre Hahne fesseln und vor Freund und Feind als geborene Feldherren sich legitimiren. Wir sind die Zeugen eines Riesen­­kampfes, geführt mit den foloffalsten Meitteln und der todes­­muthigsten Aufopferung unter Generälen, die man besten Falles nur etwas mehr talentirt nennt, und für Parteien, am deren Seitz wieder Staatsmänner stehen, die nicht mit flammendem Worte zu zünden, noch durch geniale Ireen zu bewältigen vers­mögen. Ja, dem Anscheine nach muß sogar der Preis des mehreren und größeren Talentes in beiden Beziehungen dem Süßen zuerkannt werden. Sadson, Lee und Beauregard über­­ragen, nach dem Urtheile von Fachmännern, ebenso sehr ale bisherigen Generäle der Unionisten an militärischer Begabung, als Jefferson Davis an Esprit mindestens den hausbadenen Abraham Lincoln übertrifft. Sollte aug hierin vielleicht der Genius der nordamerikanischen Republik sich­­ offenbaren, da sie ihre Rettung und Aufrechthaltung nicht den Imbividuen, sondern dem Wolfe im Großen und Ganzen, der See, um welche der Kampf geführt wird, verbanfen müsse? Iun der That, es wäre an dem Tage, wo auf dem siegreichen Banner der wieder vereinigten Staaten die Sterne wieder vollzählig glänzen würden, wer Triumph ein um so glorreicherer, wenn Sieger und Besiegte gestehen müßten, daß der Triumph nicht Personen, sondern der Sache zu Theil geworben. Um die Sache, nur um die Person wird es sich auch bei der im nächsten Monate stattfindenden Präsidentenwahl im Norden handeln. Nicht über den Namen heffen, der die näch­­sten vier Jahre das Weiche Haus bewohnen soll, sondern über Sieg oder schmählichen Frieden , über Union oder Trennung soll diesmal entschieden werden. Die hohe Wichtigkeit des diesmaligen Wahlaftes anerkennend und im patriotischen Hin- Hin auf die Sache hat Fremont in seinem von uns bereits mitgetheilten Schreiben seine Kandidatur zu Gunsten der Wie­­derwahl Pincolm’s zurücgezogen. Fremont, ein General von gutem ufe, war schon bei der verlegten Wahl im 3. 1856, als noch seine Seele Lincoln gekannt, Präsidentschaftskandidat der republikanischen Partei, welche damals gegen den­­ Demo­­kraten Buchanan unterlag. Seinem Wiederauftreten als Kar­dinat würde zu jeder andere­n Zeit Niemand die Berechtigung absprechen. Heute entsagt er , um die Wiederwahl ‚Vincon’s, über die er persönlich nicht zum Besten spricht, zu fördern. Seit zweirund­reißig Jahren ist sein Präsident der nord­­amerikanischen Republik der Ehre einer Wiederwahl theilhaftig geworden. Der alte Ladson war der Letzer, den die Nation zweimal mit der höchsten Würde beffeidete. Alle seine Nach­folger, von Ban Buren BIS auf Buchanan , gaben dem Ge­danken an nochmalige Kandidatur nicht einmal ernstlich Raum. Abraham Lincoln, den man sich nach allen Schilderungen mehr als einfachen Bürger und sehlichten Hausvater, dem­ als ehr­­geizigen Staatsmann vorzustellen berechtigt ist, wiss wieder ge­­wählt werden und die Partei, welche ihn vor vier Jahren in das Weiße Haus berufen hat, will ihn für die nächsten vier Jahre darin erhalten. Er selber hat die Erklärung dieser Er­­scheinung in den etwas trivial klingenden, aber recht treffenden Worten gegeben : „Der Augenblic , in dem man einen Fluß passiren will, is nicht geeignet, Pferde zu mwechseln." — Sehen wir uns jedoch G Stellung der Bartelen und Charakter des Kampfes etwas genauer an, um die Lage besser würdigen zu können. Seit Jahrzehnten begegnen wir in den Vereinigten Staa­­ten zwei Parteien, welche sich die eine die demokratische, die andere die republikanische genannt. Jene verficht die unweiteste Selbstständigkeit der Einzelstaaten und deren lodersten Zusam­­menhang mit der Zentralgewalt, biete die volle Souveränetät des SKtangriffes der gesammten Union gegenüber den einzelnen Staaten. Wir müssen aber hinzufügen, daß dieser Konflikt nicht im europäischen Sinne genommen werden darf. Nicht das Selfgovernment oder Weberi­uchern der. Zentralgemalt, wie wir es hier verstehen, war da im Spiele, sondern der Stern, der hinter all dem sich barg, hieß Sklaverei oder freie Arbeit. Obwohl von der Konstitution der Vereinigten Staaten aner­­kannt und gefehntt, mußte die Sklaverei nach dem natürlichen Berlanfe­ver Dinge ihrem wenn auch späten, aber noch sichern Ende entgegengehen. Der wunderbare Aufschwung, welchen der Europäer an der jungen Republik beiwunderte, war zumeist in den freien Staaten wahrzunehmen. Hier gebieten Industrie und Aderbau, hier mehrten sic Neichthümer, hier entfaltete sich der riesigste Erfindungsgeist, während der vom Schweiß des Negers prüfjende Süden an Bevölkerung und Wohlstand täglich zurückging. Auch mehrte sich das Sternenbanner durch die Neubildung und den Zuwachs von Staaten, die nicht mit dem Schwarzen Fled der Sklaverei gebrandmarkt waren. Damit wuchs die Zahl der Vertreter freier Staaten in beiden Hin­­fern des Kongresses und der Lüven sah sich bald in der Mi­­norität. Den Sklavenstaaten konnte es nicht genügen, vor unmittelbaren Schritten zur Abolition der Sklaverei gesichert zu sein. Sie sahen ihr Interesse nur dann gewahrt, wenn sie entweder im Kongreß dominirten, um Sklavenjagdgelege durchzufegen und Neubildung von Sklavenstaaten zu fordern, oder falls dies nicht anginge den Kongreß sich so fern hiel­­ten, daß ja sein Lichtstrahl aus den freien Staaten in die Die Vorgänger Lincoln’s gehörten Hütte des Negers falle. bent Güben ott oder waren durch Unterstütung des lektern zur Bräsiventschaft gelangt ; diese konnten demnach ihren Dant nicht besser als durch zärtliche Unterftügung der erorbitantesten Ansprüche der Sklavenhalter beweisen. Erst Lincoln’s Wahl war das ausschließliche Teil des freien Nervens und jenes Theiles in diesem, welcher, ohne die Emanzipation mit Gewalt durchlegen zu wollen, doc jedes Entgegenkommen von Gelüsten der Sklavenhalter gegenüber für V­ersündigung gegen die Größe und das Wohl der Nepublik erkannte. Lincolns Wahl gab dennach dem Süden das Signal zu Trennung und Kampf. Ger­isfe Parteien in Europa, welche entweder aus na­­tionaler Abneigung gegen die bedrohliche Nivalität der empor­­blühenden Union, oder instinktmäßig mit dem Süden sympathi­­siren , wollten dem abschwebenden Kam­pfe jede imoralische Grundlage absprechen und in den süblichen die Gentlemen, die für ihre heimathlichen Yaren blutenden Patrizier gegenüber den Rotariers des Nordens erblichen. Wir brauchen, zum Be­­weise, daß es sich um die Sklaverei­ vor Allem handelt, nur an die verschiedenen Meantfeste der Sezessionisten vor und nach dem Ausbruche des Krieges zu­ erinnern ; an die Resolutionen vom 1. März 1860, welche Dan­ts dem Senat in Washing­­ton unterbreitete, worin die Sklaverei der Schwarzen als ein wichtiger Bestandtheil der von den Büűtern ererbten Institutio­­nen der 15 Staaten erklärt wurde , an die gleichzeitige Rede Letcher’s, des Gouverneurs von Birginien, welcher die Oppo­­sition gegen die Ausbreitung der Sklaverei als einen Eingriff der nördlichen Staaten in die Nechte der südlichen beklagte­­­n das Meanifest Süß-Carolinas vom Dezember 1860, worin gesagt wird : „Die nördlichen Staaten bekämpfen seit lange schon unsere Spezialinstitution, die Sklaverei, als eine Sünde mit unversöhnlichem Fanatismus, während wir dieselbe für eine göttliche Einrichtung halten sc. sc." ; endlich an die Konstitu­­tion der Sezessionisten vom Jahre 1861 und die Worte ihres Vizepräsidenten Stephens , wonach „den Grund- und Edstein dieser Berfaffung die große Wahrheit bildet, daß der Neger nicht dem Meißen gleichgestellt sein könne, daß die Sklaverei der normale und natürliche Zustand der Schwarzen sei." — Die Schritte, welche seitdem in Washington zur Emanzipation der Schwarzen gethan worden, mögen freilich mehr Waffe im Kampfe als ursprüngliche Absicht von Seite des Nordens gewesen sein. Dieser hätte bald nach Ausbruch des Krieges sich vielleicht zur Transaktion mit bedeutenden Zugeständnissen gegen den Süden herbeigelassen. Das verm­­ischt aber nicht den Grundzug des vierjährigen und noch älteren Streites , weffen Charakter nach den eigenen Worten der Konföderirten unbestreitbar ist und bleibt : Kampf für und gegen Sklaverei. Diesen Charakter offenbaren auch alle Friedensbestrebun­­gen und alle Agitationen für die bevorstehende Präsidenten­wahl. Den Krieg um des Krieges willen wiünscht sein ehrlicher Men auf beiden Seiten. Solch Langer brudermörderischer Kampf muß nothwendig Friedensrufe laut werden lassen. Aber er fragt sich, ob Friede mit oder ohne Union , ob Union nach Belieben der Sklavenstaaten oder im Geiste freier Entwicklung, ob — mit einem Worte — die Humberttausende Menschenle­­ben und die Milliarden Gottes für Nichts oder Eimwas ge­­opfert worden. Freunde der Sklavenstaaten aus Güb und Nord haben, wie bekannt, in Chicago vor einiger Zeit Mac Elellan als Kandidaten aufgestellt. Das sollte nach ihrem ursprünglichen Sinne Frieden um jeden Preis, auch mit Auf­­opferung der Union, heißen. Der Designirte hat in seiner Er- Hörung , Aufrechthaltung der Union" als seine Devise ausge­­sprochen. Anfänglich darüber gereizt, haben jene Urheber des Programms von Chicago fi­ doch wieder um ihn geschaart und wollen seinen Anspruch weiter untersrügen. Wie das genom­­men ? Darüber verlauten verschiedene Ansichten. Nach den Einen ist das Programm von Chicago nicht aufgegeben , und rechnen die Parteigänger Mac Clellan’s darauf, daß dieser, als Präsident, von dem Friedensbedü­rfnisse gedrängt, die „Union“ werde fallen lassen. Nach den Anvesen würde Mac­Blellan die Wiederherstellung der Union und den Frieden mit schmähli­­chen Konzessionen gegen die Sklavenstaaten erlaufen , und sei daraus der Beitritt des Konventes von Chicago erklärlich. Allenfalls bedeutet, demnach die Kandidatur Mac Clellan’s, wenn nicht Aufgebung der Union, je doch Hingebung versehlen an die Sklavenstaaten, Unterstügung und Stärkung der Sklaverei. Dieser Kandidatur gegenüber stand die L­incolms und Fremont’s Beide wollen die Union retten, um jeden Preis an Blut und Leben, um jeden Preis, der des Opfers werth gerieten. Beide­ waren und sind Feinde der Sklaverei. Vremont wollte gleich zu Anfang des Kampfes die Emanzipa­­tion mit einem Schlage aussprechen . Lincoln, der aktive P­rä­­sident, hatte die Konstitution mit ihren Schranfen im Auge, und mochte nur der unumgänglichen Nothwendigkeit weichenn, im längeren Verlaufe des Kampfes zu Spezialmaßregeln, welche dem Buchstaben der Verfassung zuwider­laufen, seine Zustim­­mung geben. Beide Namen sind identisch mit Kampf bis zum Siege, mit Union ohne Sklaverei. Offizieller Repräsentant gleichsam dieses Programms it aber der Bürger Abraham Lincoln, dessen Gelangung zur Präsidentschaft das Signal zum Kampfe gegeben, unter dessen oberster Leitung der Krieg mitt vier Jahre gedauert, und dem man gewissermaßen der Beruf obliegt, den Kampf zu Ende zu führen. Die Gegner Lincoln’s in der eigenen, republikanischen Partei haben zahlreiche Rügen gegen sein Haupt geschleudert. Yäffige, nicht genug energische Kriegführung, Schwansen in Entschlüffen, ungeschiehte Wahl seiner exekutiven Organe, Ber Sschleuderung und allerlei Mig­brauch von Seite dieser Vetteren, das sind Vorwürfe, bezüglich welcher schwer zu entscheiden ist, in­wie­ferne sie in den nord­­amerikanischen Verhältnissen überhaupt begründet sind oder auf eigene Rechnung Lincolns kommen. Unleugbar ist es, daß der ob seiner „Mittelmäßigkeit" verschriene Lincoln als Ehrenmann im vollsten Sinne des Wortes die Präsident­­schaft geführt, daß er die große Last in der schweren Krise mit Muth und Beharrlichkeit getragen, daß er seinen Augenblick an der Sache seiner Republik verzweifelt, begangene Fehler offen gestand und willig gut gemacht, bat er dem Norden Armee und Flotte im riesigen Maßstabe geschaffen, Staaten wie Mary­­land, Termessee, Ken­­edy, Missouri, Yonisiana u. A. m. von der Konföderation Losgelöst und der Union wieder zugeführt hat, daß unter ihm die Dinge auf einen Punkt gesbiehen sind, wo er nur noch einer legten Anstrengung zur Wiederherstellung der Republis bedarf. Diese Erfolge sind erreicht unter einem schlichten Bürger, wer seine Diktatur geübt und nur da über den Buchstaben der Verfassung hinausgegangen, wo der unab­­­weichbare Drang der Ausnahmsverhältnisse es ohne Aufschub geboten hat. — Wir finden es daher mir ganz natürlich, wenn die kompatte Masse der republikanischen Partei sich wieder für Lincoln erklärt. Fremont aber, wenn es ihm ernst um die Sache seiner Partei zu thun gewesen, unb wenn er diese nicht durch Zersplitterung gefährdet sehen wollte, konnte und durfte nicht patriotischer und Enger handeln als indem er zurüdtrat. So wird demnach der nächte Wahlk­­mpf nur zwei Geg­­ner finden : Clellan, der die Union dem Frieden üder die Schwarzen der Union opfern soll, und Lincoln, der Verfechter einer großen freien Union. Das Votum für Senen bedeutet die Demüthigung des Nordens, ewige Erhaltung der Sklaverei, Zersplitterung der großen Republik,­­ das Votum für Lincoln bedeutet die Union und die Freiheit. Miüffen wir es noch sagen, wen der Sieg zu wünschen ? MEETS Lasse Zur Tagesgeschichte. Mpest, 13. Oktober. Der Vertrag vom 15. September ist ganz der name­liche, welchen Cabeur kurz vor seinem QTobe beabsichtigte, nur war damals die Anzahl der Truppen des Papstes auf 12.000 firirt, während dieselbe­fekt freigestellt ist. Webrigens hat die­se des großen Ministers nicht allein in den diplomatischen Verhandlungen gesiegt, täglich ebnen sich die Hindernisse, welche der präfit­gen Durchführung entgegen standen. Was die Opposition gegen den Beitrag in den Kammern betrifft , so hatte Nattazzi eine mehrstündige Konferenz mit dem neuen Mi­­nister des Innern, Herrn Janza , die zu einem vollkomme­­nen Einverständniß z­wischen beiden geführt haben soll. Rattazzi wird jeit gleichfalls ein günstiges Votum für die Konvention abgeben, so hak nur etwa 50 Stimmen Minorität übrig blei­­ben. In Beziehung auf die auswärtigen Mächte wird aus Paris versichert, Kaiser Aleran­der bilfige die Konvention und Graf Rechberg werde sie unerörtert lassen, übrigens haben wir über die passive Haltung Oesterreichs bereits andere zuperlässige Nachrichten. Doc glauben wir bei der entschei­­enden Wichtigkeit, die man dem Vorgehen Oesterreichs zu­schreiben muß, als der einzigen Macht, welche die Ausführung der Konvention vom 15. September ernstlich verhindern kann, noch die Regierung eines in Paris weilenden Diplomaten in dieser Richtung anführen zu sollen, die wir in der Korrespon­­denz eines Wiener Journales finden. Man schreibt bei "N.­­ B." aus Paris : Ein fatholiter Diplomat (kein Italiener), welcher zu den beit­ unterrichteten und umfin­gsten Politikern zählt, hat mir aus Anlaß einiger Bemerkungen, die ich mir erlaubt, seine Anfigt über die Trag­­weite dieses Ereignisses in Bezug auf Oesterreich mitgetheilt, und ich vente, er wird für Sie von Sm­erefje sein, zu erfahren, wie Männer denken, die zumeilen in der Lage sind, Minie zu geben, melde beach­­tenswerth sind, man mag nun ihre Anschauung theilen oder nit. Al Oesterreich — so begann der fragliche Diplomat — ein wenig gegen Erwarten Napoleon’, in die — Friedensbedingungen von Billafranca eingewilligt hatte, sagte der Kaiser zu seinem Vetter, dem Prinzen Napoleon: „Wir werden das Drama in zwei Akten abspielen, statt in Einem.” Indem ich an diesen Ausspruch erinnere, will ic zugleic andeuten, daß auch nach meiner Weberzeugung der Kaiser der Sianzosen niemals die Absicht aufgegeben hat, das, was er seine Mis­­fon in Italien nennt, ganz zu erfüllen, d. h. ihm zur Beseitigung jeder Fremdherrschaft vaselbst zu verhelfen. Aber ich glaube nit, daß der Kaiser einen zweiten Krieg mit Oesterreich wünsche, er wird sich zwischen die beiden Gegner Stellen, so lange als viele unversöhnli­chd neberden, aber er wird auch jede Gelegenheit wahrnehmen, die ihm geeignet scheint, eine friedliche Aus­leihung zwischen Italien und Oester­­reich zu bewerkstelligen Darum ist es auch nicht zulässig, wenn man von der Griltenz geheimer Klauseln spr­t, die sich auf Venetien oder Kerlet beziehen. Frankreich wird seine Verpflichtungen übernehmen, für die es seine Gegenleistung zu erwarten hat, und Italien kann ihm seine Entschädigung gewähren. Die Abtretung von Ligurien ist eine Unmögligkeit nach zwei Richtungen hin; denn einmal fann Viktor risks empirisch fin men r­en neue en ann ng en een er nern: epnteszmm Englifde Zigeuner II. Die G­eschichte, Die i­ auschen vor mir anggedreiteten Büchern fopitete, war, wie bemerkt, die Erzählung „von­­ unserem guten Kö­­nig Georg.” Sie mögen hier folgen : „Dieser König Georg, den sie nennen den Dritten, von glück­­lichem Angebenfen, der sein Soll und seinen Gott mehr liebte, als Könige im Allgemeinen zu thun gewohnt sind , erfreute sich mitunter der Jagd. So ritt er einst, seinem Gefolge weit voraus, dur­ den dichten Wald bei dem Fleden, melden man nennt „the Oaks" (die Eichen) unweit London. Da glaubte er eine fragende Menschenstimme zu hören — ganz nahe bei : „DO , Mutter ! Meine Mutter! Gott er­­barme dich meiner Mutter!" Neugier und Theilnahme leitete den Monarchen zu der Stelle, von wo die Klage erlente. 63 war ein Heiner grüner Rasenpfad, halb vom Walde eingerahmt, und auf dem Grafe lag, ruft unter dem Schatten eines weitreichenden Eichenastes, ein Strohlager ausgebreitet , halb verborgen von den alten eines Zeltes. Einige Körbe und zusammengeschnürte Bündel waren daneben aufgehäuft. Vor dem Strohlager kniete ein kleines, braunes Mädchen, mit gefalteten Händen und die Thränen rollten ihr über die Wangen. Auf Beilagen schluhäte sie — „Meine sterbende Mutter !” Und so war es. Eine stille tiefverhüllte Gestalt ruhte fast regungslos auf dem Strohlager. Nur ihre Augen lebten noch , die sie fest auf den Frem­­den richtete — die Lippen verweigerten das Sprechen. In demselben Augenblicke kam ein älteres Mädchen hastig dur den Wald gelaufen und rief mit erfticlter Stimme : „Ich war in Windsor und bettelte um Medizin und um einen Prediger, um mit die zu beten, Mutter ! Aber keinen konnte ich rühren, mit mir zu kommen !" Und die Kranke seufzte tief und die Kinder jammerten. Da sagte der König : „Ich bin ein Diener des Allmächtigen und er hat mich hierher geführt, eure Mutter zu trösten.” Und dann feßte er sich auf eines der Bündel und nahm die Hand der sterbenden alten Eigeumerin und sprac zu ihr von der Sündenvergebung und von dem Grieser. Und er legte seinen Arm unter ihren Kopf, weil ihre Augen ängstlich nach dem Lichte des Himmels ruhren und sie lächelte noch einmal. Dan war Alles vor­­über. Bald kamen die Gefährten des Königs, die ihn gesucht und Cord 8. sprach sein Bedauern aus, daß Se. Majestät so belästigt wor­­den, aber der gute König Georg drücte Gold in die Hände der mei­nenden Kinder umd wendete sich zu dem Lord : „Mer, mein Lord, glaubt Ihr, war einst bieser ein Nächster !" Do waren viele andere Heine Erzählungen, alle einen beru­higten Geist des Friedens at­wend. Ich dachte an die Brüder dieses romantischen Wolfestam­mnes, wie sie auf den Pußten Ungarns leben, voll Gesang und Mufti und wanderseliger Unruhe, die Geigen zum raushenden Rakóczymarihe beseligend, das Nabenhaar vom Abendmunde durch­meht, mit Begeisterung begrüßt in der toll­­lustigen Näuberfcenfe­e und hier , im­ Norven, in Schottland ein biblisch-stilles Hauslehen. Und dennoch war ich mitten in einer Zigeunerstadt, in der Wohnung der Familie eines verstorbe­­nen Zigeunerhäuptlings. Aber ebenso wie jener schottische Kö­­nigebrief sie mit einem gerade so stichhaltigen Adelspatent versehen, wie irgend ein altdeutscher Gaugraf sein eigen nennen konnte, hat die Zivilisation des neunzehnten Jahrhunderts auch, diese räthsel­­haften Söhne des alten Egyiptens zu Stantebürgern gezähmt, na­­türlich cum granso salis, denn die „Menge, die weit zerstreute hat bis heute nicht von den alten Gewohnheiten des Nomadenvol­­kes­ abgelassen. Was mein Auge zunächst überraschte, war eine Legende, überschrieben : „Wo wir her­ommen." CS war offenbar eine ver­­dorbene Lesart biblischer Traditionen. Sie lautete : „Da war ein großer König in Egypten und sein Name war Vharao. Er hatte große Heere, mit denen er alle Länder befliegte und Alle besiegte. Und als er die ganze Welt unterwvorfen, wurde er trau­­rig und in Sorgen, denn, da er solche Freude am Kriege gefunden, mußte er nicht mehr, womit sich zu beschäftigen. Endlich verfiel er auf den Gedanken, gegen Gott Krieg zu füh­­ren, und er sandte eine Herausforderung an Gott, daß Er möge her­­absteigen aus dem Himmel mit seinen Engeln und streiten mit Pharao und seinen Heeren. Aber Gott sprach : Ich will nicht messen meine Stärke mit der eines Menschen. Aber Gott war erzürnt über Bharao und beschloh ihn zu züchtigen. Und er öffnete eine Höhle in der Seite eines ungeheuren Ber­­ges und er erhob einen wüthenden Wind und trieb vor ihm bei Pha­­rao und seine Heere bis in die Höhle. Und der Abgrund verschlang sie und der Berg Idok fi zu über ihnen. Mer aber zu jenem Berge’ geht in der Nacht von Gt.­Sohan­­nis , kann er hören, wie Pharao und seine Heere darinnen singen und geh­en. Und es ereignete sich, als Pharao und seine Heere verschwunden waren, daß alle die Könige und Wölfer, die Egypten überwunden hatte, gegen Egypten aufstanden, das seinen König und seine Heere verloren. So war es ganz ohne Schule, und sie machten Krieg gegen das Land und kamen über es mit vielen Siegen und mit Macht. Und ergriffen das Bolt und trieben e3 von dannen und zer­­streuten e3 über die ganze Welt. Das geschah in Chat, Chabos oder Chal, wie sie heißen Egypten." Ein anderes Buch der Heinen Bibliothek war Walter Scott’ Roman „Guy Mannering", Noten enthaltend über diese alte Zi­­geuneransievelung zu Delholm. Ein bides Fragezeichen , offenbar von einem zigenmerischen Leser herrlicrend stand am Ende der folgenden Notiz : 34 Habe immer gehört, dag die Metholmer sehr abergläubisch sind, und sorgfältig auf die Bildung der Wolfen, den Flug besonderer Bögel und den „Gefang“ des Windes Acht ge­ben, ehe sie etwas unternehmen." Darunter fand Das englische Wort „Sudge“ gefriert, das so viel bedeutet wie ein verächtliches Eine eigenthimliche Brobe zigeunerischen National ir Unsinn !" gefühles. Inzwischen hatte das Gemurmel der alten Majestät aufge­­hört und ich fragte sie, ob sie selber diese literarischen Schäße be­­nüße. Und das ernste Gesicht erheiterte sich in einem kurzen Lachen. „Das it die „Brinceg Ro­yal! — Zibe Anna — die diese Bücher Tieft. Das eine mit dem Goldschnitt ist „Prinz William’s". Beide „Hoheiten" waren für mich noch unbekannte Größen. Um mich über die Lektüre des „Prinzen Willem“ nit im Un- Haren zu lasfen, öffnete ich ein zierliches Bändchen — Novellen. 34 glaube, sie ruhen nach Vazzioli, wenn mich mein Geruchssinn ‚ nicht täuschte. Liebesgeschichten — und Eroberungen in High Life (in der vornehmen Welt) Seitens galanter Zigeunerchefs schienen den Hauptinhalt zu bilden, wenigstens figurirte Darin die bekannte und thatsächlich wahre Geschichte von Lady St—Hy, der Earlstoch­­ter, welche in den zwanziger Jahren unseres Säculums aus dem­ elterlichen Palast zu London floh und si zu einer in der Nähe­­ von Windsor haufenden Zigeunerbande gesellte und ein hochroman­­tisches Leben mit einem wahren Ausbund von Zigeunerhof führte. Alle Befunche ihrer Fam­ilie, die Berichte zurückzuführen, blieben fruchtlos, obwohl es sein Geheimmniß war, daß der durch ihre Lei­­denschaft ausgezeichnete Gipht sie in den Stunden, die er Baccus weihte, im rohester Weise mißhandelte. ") Mir fiel unwillkürlich jene Anefoote ein, nac) in welcher eine deutsche Hofräthin in einer Heinen Nesidenz eine Ehescheidung erzielte, weil der Herr Gemahl in ein nicht „s Standesgemäßes Handgemenge mit der Gnädigen” gerathen. Fortuna’s Laune fügte es, daß dieselbe Dame später sich in einen an ihrem Hause beschäftigten Anstreicher verliebte und, dem Hohmuthe bieser Welt Balet jagend , denselben heirathete. Um es aber auch in diesem Verhältnisse uninteressieter Aufopferung zu groben Püffen kam, wollte sie, die schon einmal eine Scheidung probat gefunden, von Neuem die Themis zu Hilfe rufen. Aber — bittere Täuschung — denn mit der wohlmobhendsten Miene von der Welt versicherte ihr die Göttin der Gerechtigkeit durch ihr Dorafel, den Herrn G Stadtrichter, daß, was für einen Hofrath eine Sünde, für einen Anstreicher ein Medht „gelinder Züchtigung" wäre. Und Lab) St—n verfragte wohlweislich ihren zottellodigen Balpfönig nie vor einem englischen Gerichtshofe, der nur „barba­­rische und blutige” Grausamkeit als eine Sache erkennt, die über den Spaß hinausgehe, — — Old King Cole Was a merry old soul And a merry old soul was he! fasl es plöglich vor dem fenster, das in einen Heinen Garten +) Md in G. Kohl’s „Heifen in England“ wird dieser Histos rie erwähnt, und nach der Lehmigen, ungebflasterten Straße blickte. E83 war eine frische, übermüthige Stimme, die von Neuem anhob : Old King Cole Was a merry old soul And a merry old soul was he! He called for his pipe And he called for his wife And he called for his fiddlers three! *) 90) fuhr erschroden zusammen. Das Lied hatte entfeßliche Erinnerungen für mich. Es ist ein geselliger Rundgesang, der namentlich an M Weihnachtsabenden inmitten eines Haufens lieber­verwandten von dem­ jüngeren Bölfchen angestimmt wird und in nie endlosen Charivari von Brummbaß- und Fievelbogenzwitschern zu enden­ pflegt. Ich hatte einst unter Engländern eilf Stunden auf einem und vemselben Stuhle figen müssen, vor einem glüh­­heißen Kaminfeuer — und alle die Labied und Gentlemen, die mit mir einen Halbfress vor dem Feuer bildeten und sich nicht rückten und rührten, aber sehr viel Weihnachtsgetränk behlüderten, vermochten es eilf Stunden hindurch fast ohne Pause Nundgesänge in den falschesten der falschen Noten anzustimmen, worunter „Kö­­nig Cole" nicht weniger als ein Dugend Mal wiederholt wurde. Seitdem fliehe ich um Weihnachten immer auf das Land — und habe dort eine Art Winterfrühling in Thal und Feld, denn meist wehen warme linke Lüfte noch im Dezember über die füpfichen Landschaften Englands. König Cole, die alte lnstige Seele, ist mir seitdem unvergeglich im Ohre geblieben — das Lied von ihm begegnete mir immer als die Bravourarie aller verstimmten Singorgane. Damit will ich dem Andenken beg „urfivelen" Zigeunerkönigs Cole nicht wehe thun. Er war eine brave alte Seele, ein taderer Barmer zugleich,, der alle Welt um sich bei guter Laune zu erhal­­ten wußte und bag ist ein D Verdienst, das Gold aufwiegt in unse­­rem verdrieglichen Jahrhunderte, wo alte Köpfe auf jungen Schul­­tern wachen. Wer mehr von King Cole missen will, sefe die ersten Kapitel des Bulwer’schen Romanes „der Berstoffene" nach), wo der "alten Seele" ein Denkmal gefeßt worden. Und zum dritten Mal jobelte er : Old King Cole Was a merry old soul ! — „Das ist Williem !" rief die Alte in heiterster Laune. — „Das ist Prinz Williem ?“" — ergänzte ich fast mit Bitterfell und trat an das T Fenster. — Er war in Kelso zur Parlamentswahl mit zehn ander­­en von den Freeholders von Pelholm, belehrte mich Ihre Majer­ität weiter. ( Hi­t 1 : *) Der alte König Cole war eine huft’ge alte Seele Und 'ne luft'ge alte Seel’ war er Er rief nach ie Afelle es Und er rief nach seinem Weibe Und er rief seine drei Fiedler herbei, nenn tn

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