Pester Lloyd, Juni 1912 (Jahrgang 59, nr. 129-141)
1912-06-01 / nr. 129
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Abendblatt in Budapest 6 Heller, in der Provinz 8 Heller, Redaktion und Administration : V., Maria Valeria-utexa12. — Manuskripte werden in keinem Falle zurückgestellt. — Unfrankierte Briefe werden nicht angenommen Nr. 129. Budapest, Samsung, 1. Juni 1912 Budapest, 31. Mai. Die Details der Heute vormittags von den Führer der Dopposition beschlossenen und in den abendlichen Konferenzen ihrer Parteien sanktionierten Abmachungen werden zwar offiziell noch geheimgehalten, aber sie sind längst sein Geheimnis mehr. Die Teilnehmer an der oppositionellen Haupt- und Staatsaktion müßten nicht Menschen sein, wenn sie nicht im Gefühle ihrer momentanen Wichtigkeit so manches über Die Beischlüffe hätten verlauten lassen, was man sich auch ohne übergroße Kombinationsgabe zum vollen Bild abrunden künnte, und so wird der Sprecher der vereinigten Opposition ‘Stanz stofflich in der morgigen Cibung des Abgeordnetenhauses der aufhorkhenden Zuhörerschaft Faun etwas Neues und Ueberraschendes mitzuteilen in der Lage sein. Wenn wir uns diesen leichten Spott über die Geheimnistuerei gestatten. Die den Herren beliebt hat, so wollen wir damit die Tatsache des endgültigen Zusammenschlusses der oppositionellen Fraktionen nicht bagatellisieren. Es it ohne ‚Zweifel eine nicht zu unterschagende Tatsache, mit der die Spolitik der Mehrheit zu rechnen hat. Versuche, die Parteien, Die sich jett vereinigt haben, voneinander taktisch zu trennen, würden sich, wollte man sie überhaupt unternehmen, in der Heutigen Situation als erfolglos erweisen. Er steht denn für den ganzen weiteren Verlauf der Angelegenheit der Wehr und der Wahlreform der Regierung eine taktisch einheitliche und jedenfalls recht ansehnliche Dopposition gegenüber, die, insbesondere im Falle der Stampf fortgefeßt werden muß, kein gering zu schäsender Gegner ist. Der Fall, daß der Kampf fortgefeßt werden muß, it mun allerdings wieder in hohem Grade wahrscheinlich geworden. "Denn so ziemlich alles, was von den Abmachungn der Opposition bekannt ist, muß‘ als umnammehnbar, zum Teil kaum als Disfutabel bezeichnet werden. Was den M Wahlreformentwurf anbelangt, so haben wir uns darüber in Diesen Tagen zur Genüge ausgesprochen und wollen nicht schon Gejagtes wiederholen. Aber eines sei doch nochmals festgestellt: in oberflächlicherer, leichtfertigerer und unaufrietigerer Weise hat man bei uns noch, fan jemals eine in. Das Leben unserer Nation und Iap Staates tief eingcneidende große Reform in Angriff zu nehmen versucht, als es jets von der Opposition gegenüber der Wahlreform geschehen it. Die es getan haben, sind zwar nicht mit der Verantiwortlichkeit Teiten der Staatsmänner belastet. Aber "das entschuldigt in diesem Falle nichts, wo der Vorschlag der Minorität mit dem Anspruch, auftrilt, die Grundlage von Verhandlungen zu bilden. Die einerseits zur Herstellung der parlamentarischen Ordnung, andererseits zur tatsächen Schaffung der Wahlreform führen sollen. Angesichts des Ernstes dieser selbstgestellten Aufgabe haben es die Herren über fi vermocht, in aller Eile die Grundzüge eines Wahlgesebentwurfes zusammenzustoppeln, der den notwendigen breiten Unterbaues statistischen Datenmaterials ebenso entbehrt, wie des Klarenieberbildes über die konkreten Wirkungen einzelner Bestimmungen. Daneben finden wie aber auch die deutlichen Spuren dessen, Daß auf ‚gewisse Wirkungen, die sich ergeben würden, mit großer Schlauheit spekuliert wird, esst in Diesen Blatt Schon daruf Hingewiesen worden, daß die Städte einfach dem Ansturne der Sozialdemokraten preisgegeben werden, während für die Erhaltung der Landbezirke alle nötige Vorsorge getroffen wird. Im übrigen aber wird mit der vollen Unbesonnenheit der Unverantwortlichen der Sprung in das Dunkte gewagt. Als ob die Berfaffer des Entwurfes nichts davon müßten, mit welcher unendlichen Behutsamkeit alle Kulturländer Europas von dem Tag an, wo das große Einlagswort des suffrage universel entstanden it, bis zu dieser Stunde an das Problem des Wahlrechts herangetreten sind, im wie vorsichtigen Etappen ein Gladstone vorwärtsgeschritten it, wie heute noch Frankreich, Italien, die Niederlande und andere Staaten immer wieder etwas daran zu verbessern finden und wie wenig es bisher gelungen it, das vollkommene Wahlrecht zu konsteuieren. Wahrhaftig, wenn man diese Punktationen über die Wahlreform durchlieft,ann man sie des Ver dachtes nire Schwer erwehren, als ob es ihren Urhebern weniger darum zu tunn gebeten wäre, etwas Brauchbares und praktisch Wertvolles zur Schaffen, als vielmehr darum, sich den Nimbus der demokratischen Gesinnung zu sichern, im übrigen aber der Regierung und ihrer Partei Die Verantwortung für Die Annahme oder das Daium der Ablehnung des oppositionellen Wahlrechtsentwurfes zu überlassen. € 3st auch kaum möglich, den auf die Wehrreformfrage bezüglichen Abmachungen volle Gutgläubigkeit zuzuerkennen. Die Opposition stellt die Alternative auf: entweder diejebige Wehrvorlage als Definitivum, aber mit Weglassung dessen, was sie als nationale Gravamina zu bezeichnen pflegt, oder ein vier- bis fünfjähriges Provisorium. Alles an dieser Alternative it fach und es it undenkbar, hat die Führer Der Opposition. fi! Helfen nicht bewußt sein sollten. Sie fennen Die unübenwindlichen Scchtwierigkeiten allgegend,‘ Die sich der gewintschtent Uenderungen ait der jenigen Wehrvorlage entgegenstellen. Sie wisse so gut wie wir, dass’der Text der Vorlage auf einen mühsam zustande gekommtenen Kompromiß der Reierungen von Ungarn und Oesterreich beruht und Hak jede von dem einen Teil angestrebte Aenderung des Textes dem andern das Medr gibt, auch seinerseits mit Sonderwünschen hervorzutreten. Und was das Provisorium anbelangt, so it Hinter Der Ausstedung des Termin auf vier bis Fünf Jahre unverkennbar eine Spekulation von höchster Unaufrichtigkeit verborgen. In vier bis fünf Jahren sind Die beiden Staaten unnserer Monarchie vor ganz andere Aufgaben von großer Tragweite gestellt. Zu dieser Zeit werden nicht nur mit jüntlichen europäischen Staaten die Zoll und Handelsverträge zu erneuern sein, sondern vor allem ist dann wieder der wirtschaftliche Ausgleich zwischen Ungarn und den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern aktuell. Es wäre unverantwortlich, gerade für diesen Termin, der Arbeit in Mederfülle schafft und der nicht verschiebbar it, auch die endgültige Herstellung der Wehrreform anzuregen, um so. den Stoff zu Schwierigkeitenmd Vermdlungen ins Unermeßliche zu steigern. Dolite den vielgewandten und geschäftsfundigen Parlamentariern, die bei diesen Verhandlungen der oppositionellen Parteien die führende Rolle innehatten, die geseßgebungstechnische Abssurdität einer solchen Häufung, von Aufgaben ersten Ranges wirklich nicht zum Bewußtsein gekommen sein? Oder glaubten sie vielleicht, daßs die Regierung die Falle nicht merken werde, in die man sie mit diesem raffiniert ausgeflügelten Termin für das Provisorium Hineinladen will? Und weshalb überhaupt ein Provisorium, das sein ernster Faktor will, nachdem ein definitive Wehrgejeb seit länger als einem Jahrzehnt auf der Tagesordnung steht? Nun, wenn dieser zweite Teil der oppositionellen Punktationen auf der Vorauslegung aufgebaut hat, daß die Regierung, sich Derartige, allen Ernstes entbehrende Vorschläge bieten Lasse, so wird die Enttäuschung nicht lange auf si warten Waffen. Die Negierung und die Mehrheit stehen auf der vollen Höhe ihrer Aufgaben. Sie werden die ihnen morgen zu unterbreitenden Vorschläge der Opposition prüfen. Sobald sich erteilt, was nach der bisherigen Kenntnis der oppositionellen Abmachungen allerdings mit nur allzu großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden muß, daß nicht ernst und aufrichtig gesteinte Versuche einer wirklichen Lösung der fcjiebenden Probleme vorliegen, sondern lediglich ein unaufrichtiges Spiel tastischer Chadhzüge, tot wird, Röte wir fest überzeugt sind, die Regierung es für ihre Pflicht ansehen müssen, auch nicht vierundzwanzig Stunden lang die Opposition und das Land darüber in Ungezwißheit zu erhalten, dass sie ein solches Spiel nicht mitzumachen gedenkt, und die Vorschläge der vereinigten Opposition rundweg ablehnen. Ei krankes Parlament. — un Huferem Korrespondenten — Wien, 31. Mai. ; Feuilleton. Der junge Constable. Bon Theodor Tagger. ‚., ein Bater besaß, eine Kluge und, brave Fraut, drei Söhne und drei Töchter und außerdem zwei Windmühlen und zwei Wassermühlen. .. Das alles in der Nachbarschaft von East-Bergholt, welches in Suffolt liegt. Und sein zweiter Sohn John blieb, obgleich er viele große Reisen machte und oft für längere Zeit nach London fuhr, immer in einer gewissen Nachbarschaft von ast- Bergholt stehen. Seine Bilder verraten das, Landschaften, die ganz, wo anders liegen sollen und immer East- Bergholz darstellen. Und wenn er Herden malt, so haben die Kühe nie Hörner, Denn die Cuffolfer Kaffe: Hat feine Hörner, Mit einer so warmen Treue zur Heimat zeichnete er immer Diese, wenn er auch vor anderen Landschaften steht. East Bernholt, two die Wiesen weit und offen sind, das ganze Land mild und einfach, ohne jede Romantik der großen Gesten, entsprach nicht nur der ‚Liebe ‘seiner Augen, nicht minder auch den Landschaften seines Herzens, das gleichfalls weit und offen war, mild , einfach und so ganz ohne jede Romantik der großen Gesten. Nun lernen wir ihr und sein Herz noch genauer tennem aus einen vor kurzem bei Paul Caffirer, Berlin, erschienenen Bande, der die von Mr. Leslie gesammelten Briefe Constables enthält. Die Gesamtheit dieser Briefe gibt sich uns als ein Bilderbuch der Heiterkeiten. Man könnte beinahe sagen, daß jeder Brief ein anderes frohes Gesicht hat, und was alles diese lustigen Gesichter gleichgeben, sind Die beiden großen, stillen Augen, die aus ihnen hexoortschauen. Das frohe Gerücht schmeidet: nie Grimassen und legt ih nie die Maske einer übertriebenen, gewollten ‚Zustigkeit auf. Auch seine Narrenschellen bindet er sichh um den Hals. „Denn, das Heitere in Constables elen it ruhig, und mohlerzogen, als wenn er eine Stinderstube gehabt hätte. East-Bergholt mit seiner Nachbarschaft hat ihn exit in die Träumereien hineingewwiegt und hat später wie eine gescheite und gütige Lehrerin - seine geborener Vornehmbheit. Als aber Bonstable in die große Welt der anderen Ländereien und der Hauptstadt ging, stürzte er sie doch nicht in diesen neuen Strom hinein, obgleich ex dem Bunten und Biergestaltigen als ein Neuling gegenüberstand, den n immt er, auch aus den wildesten Berworrenheiten des Lebens heraus, sah er East-Bergholt dahinter durchlächeln. Deswegen Darf man wohl sagen, daß er während seines ganzen Lebens in, Dieser gewissen Nachbarschaft blieb, wie ein vertrauliches Kind, das gern nach bei seiner Erzieherin bleibt, nachdem es schon sozusagen ausgelernt hat. (Allerdings hängt das alles nir nur von dem vertraulichen Kind ab, sondern wohl auch und in erster Linie von der Erzieherin. Die kann nur so starre Wirkungen der Treue erreichen, wenn sie onsequent bleibt und doch gütig, wen sie in geheilten Punkten nicht nachgiebig ist und in vielen anderen sehr, wenn sie nicht nur Hartes und Klares wie das Sonnenlicht in ihren Unterricht bringt, sondern auch Mildes wie den Mond, wenn sie ermste Augen hat, die wohl auch zu lächeln willen, wenn sie also wie die Nachbarschaft von East-Bergholt ist, das in Suffolk liegt... .) Sieben Diesent Dorfe wohnte auch, nicht weit von Bonstables Haus, der verständige Bleigießer und Glaser Sohn Dunthorne, der im feinen umfangreichen Mußestunden Landschaftsbilder malte. Hier gingen dem jungen Bonstable die Augen auf und ent wollte Maler werden. Doch der Vater war jeder dagegen, daß Fok einen von jenen Berufen ergreife, die in seinen zeitgemäßen Augen Feine sind. Der Vater entschied vielmehr, John für die Kirche ausbilden zu lassen, und versprach sich mit Einfall und gutem Herzen viel davon. Doc ließ er im Miller werden, da es sich inzwischen herausgestellt hatte, daß John im Lateinischen nicht eben große Fortschritte machte. Ein Jahr lang war er denn auch Miller und diese Zeit hat seiner Entwicklung viel gewüßt... Er lernte die Mechanik und Rhythmik der Mühlen genau kennen, was allen seinen späteren Bildern, die ja fast nie ohne Mühlen sind, eine sachliche Wahrheit gab.. „Wenn ich eine ‚von Sohn gemalte Mühle betrachte, so jede ich, daß sie sich dreht,“ regte Sir Georg Beaumont, und diesem Manne it es wohl schließlich zu verdanken, daß sich Vater Golding doch entschloß, den Sohn zur Ausbildung nach Condon zur Schuden. Mit dieser Reife beginnt die Briefsammlung. 29 Der Bleigießer und Glaser ist sein Freund geblieben. Ihm, schreibt er die ersten Briefe. Erst wird diese voll Bewunderung. Aber ganz langsam, mit jede viel Zeit, wird er Kritiker.Cs it Köstlich, aus den Briefen zu verfolgen, wie sie seine Ehen nur jeher langsam ablegt, bis er doch erbdlich dem Bleigießer und Glaser sein Herz ganz plöglich aufzeigt: „In der Kunstausstellung ist nichts oder pal, a was wert wäre, den Eid darauf zu richten. Es ist also Raum genug für einen Maler der Natur“, und das ununterstreicht er zwei- oder Dreimal mit höchstem Nachdruch und nicht ohne Begeisterung. Und ist doch schon sechsundzwanzig Jahre alt, während er über den „sichersten Weg, etwas Großes zu werden“, nachdenkt. . Plöglich aber ‚nahm ihn eine ganz andere Sorge in Anspruc, und zwar war das sein Ereignis der Liebe. Die Briefe, die er an die Mil Maria Bidwell fünf Jahre lang richtete, und auch die Briefe, die Mit Maria Bidnell fünf Jahre lang schrieb und beschloß, keinesfalls abzusenden ich immer absandte: dieser Kranz von verliebten, zaghaften, pedantischen und klugen Blättern ist Das rührendste der vielen himmelblauen Dinge, Dieds und die Gestalt des John Constable wanfen, die wie Legenden anmuten und doch Wahres sind. Den fünf Jahre merkte er warten. Zwar Hatte — wie es fi später herausstellte — der Vater, Admiralitätsrat Charles Bidwell, ist allgemeiner wenig gegen die Heirat, seiner Tochter einzuwenden. Aber da war noch im besonderen der Dr. Ruddhe, Parrer und außerdem noch Großvater der Kleinen Mr. Und der war dagegen. Hauptsächlich also, weil er, wie gesagt, dagegen war, doc dann nebenbei auch noch, weil er und nur er sehr reich war und etwas grimmig von einer Enterbung seiner Enkelin sprach, zeigte si Der Baker, Admiralitätsrat Charles Bicnell, sehr streng und überhaupt so zu seinem Nachgeben bereit, wie das von einen Bater nicht anders zu erwarten, der aus reichlich eigener Leberlegung ganz und gar nicht einverstanden ist. In Jahre lang müssen die Hoczeiter Briefe screiben, . a Re ER IE ER