Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1938. január (85. évfolyam, 1-24. szám)
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WoUzeile 1L Administration jede Verantwortung ab, hlattanWochentagenlB fillér, an Sonn- MORGENBLATT C j /O und^Druckeret*11110* tagen 32 tillér: Abendblatt 10 Miiét . i S/ I Sj VL EStvBa-urea 12 ln Osterralo'i i hioigenblatt an Wochen- vl* “"W-ucea U Ueen 30 |fíe'ndab%“<T 40 06 A______________________________________________________________________T alaphon i 112— 850. 85. Jahrgang*. Budapest, Samstag, 1. Januar 1938. Nr. 1 Der Beruf des Pester Lloyd. Vom Oberhausmitglied Dr. AUREL v. EGRY, Präsidenten der Pester Lloyd-Gesellschaft. Weitzielende Schöpfungen begabter Menschen, ln denen sich nüchterne Voraussicht mit intuitiver Vorausahnung paart, weisen im Laufe der Zeiten fast immer die Erscheinung auf, die Walter Rathenau mit dem einprägsamen Worte „Substitution des Grundes“ gekennzeichnet hat. Der Urstoff des anfänglich gesetzten Zieles bleibt, wenngleich oft mit einer veränderten Tönung des Kolorits und der Klangfarbe, aufrecht, doch kann das Ziel durch den Wandel der Zeiten auch kleinere oder größere Verschiebungen und Erweiterungen erfahren. Das Gleiche gilt für die Instrumentalität, die am Anfänge geschaffen wurde. Die Probe auf die Begabung der Schöpfer ergibt sich daraus, ob Endziel und Instrument bei vernünftiger Wartung durch die Nachfahren sich im Wesen als zeilbesländig erweisen. Vor etwa fünfundachtzig Jahren, also in einem Zeitpunkte, wo der Kapitalismus, zumal in diesem Teile Europas, noch in den Kinderschuhen gesteckt und der Kochkapitalismus noch lange nicht begonnen hat, haben die führenden Köpfe der ungarischen Kaufmannschaft und der ungarischen Industrie die Pester Lloyd-Gesellsohaft geschaffen. Als ihr Zweck wurde in den Satzungen „die Förderung der Interessen des ungarländischen. Handels, Industriegewerbes und Ackerbaues“ angegeben. Als Mittel war die Schaffung eines Kasinos als Treffpunktes, die Beobachtung und Diskutiert’ng .der wichtigen wirtschaftlichen Ereignisse dps Leides und die Herausgabe einer oder mehrerer periodischer Druckschriften bezeichne!. Viele Jahrzehnte hindurch hat die Pester Lloyd-Gesellschaft, als damals fast einzige Organisation der einschlägigen Bestrebungen, alle d'ie&e Mittel mit annähernd gleicher Intensität zur Anwendung gebracht. Zum wichtigsten der Instrumente wurde aber sehr bald das Blatt der Gesellschaft: der Pester Lloyd. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Differenzierung des Landes hat sodann eine Reihe von anderen Treffpunkten und von besonderen Interessenvertretungen hervorgerufen: ein gesunder Prozeß, den die Pester Lloyd-Gesellschaft gefördert hat, wiewohl sie sich dessen bewußt war, daß damit ihre Monopolstellung eine sehr wesentliche und fortgesetzte Einschränkung erfahren muß. Diese Bereitwilligkeit zur teilweisen Selbstentäußerung ist der stärkste Beweis dafür, daß der Geist dieser Gesellschaft immer ein wirklich altruistischer, auf das Gemeinwohl gerichteter gewesen ist. Darin hat sich übrigens wieder jene Weisheit kundgetan, die dazu geführt hat, daß Kaufleute und Industrielle der vergangenen Jahrhundertmitte erkannt und zum Ausdruck gebracht haben, daß sie durch ihre Schöpfungen nicht nur den Handel und die Industrie, sondern auch die Landwirlschaft fördern müssen. Die vorhandenen großen, geistigen und moralischen Kräfte haben sich sohin, bei Aufrechterhaltung des Treffpunktes sozusagen als geographischer Basis der Mitglieder, mehr und mehr auf das Zeitungsorgan verlagert. Diese Zeitung hat nun offenbar mehr gehalten, als ihre Schöpfer versprochen hatten. Sie hat längst aufgehört nur „die Interessen des ungarischen Handels, Industriegewerbes und Ackerbaues zu fördern“, ist vielmehr unter der Leitung gut und glücklich ausgewählter Talente und bei Beobachtung des der Paster LIoyd-Gesellsohoft begrifflich innewohnenden Hanges zum konservativen Fortschritt auch ein über aus wichtiges Organ il r ungarischen Innen und Außenpolitik geworden. In de; alten Monarchie waren diese zwei Gebiete zufolge unseres Verhältnisses zu Österreich in eigenartiger Weise verflöchten. Haben wir ja innerhalb der Monarchie in unseren Beziehungen zu Österreich, die nach außenbin als Innenpolitik auifgeschienen sind, in Wirklichkeit auch eine Art von auswärtiger Politik zu führen gehabt..Diese heikle Aufgabe ist vom Pester Lloyd in vorbildlich taktvoller, diplomatischer .und dabei nationallbewußter Weise gehandhabt worden. Der Pester Lloyd stand seit 1867 unentwegt auf dem Boden des Ausgleichs, also des harmonischen Zusammenwirkens mit der Dynastie und mit Österreich. Nichtsdestoweniger hat er die Rechte Ungarns niemals preisgegeben, und wenn die Gefahr von Übergriffen drohte, hat der Pester Lloyd ipehr als einmal darauf hingewiesen, daß gewisse Maßnahmen dahin führen könnten, daß der Tag, an dem sie ergriffen werden, ganz Ungarn im Lager der Achtundvierziger Partei vereinigen würde. Das hohe Ansehen und die bekannte Loyalität des Blattes, nicht zuletzt auch der Umstand, daß dieses Blatt zur täglichen Lektüre des Monarchen gehört hat, haben derart ganz' sicher manches abgewendet, was zur Lockerung des Gefüges • der Monarchie geführt hätte, deren kraftvolles Auf rech tbleiben der Pester Lloyd als entscheidendes ungarisches Natipnalinteresse erkannt hat, wie er auf der anderen Seite die Respektierung der ungarischen Verfassung als entscheidendes Löbensinteresse der Monarchie und Österreichs betrachtete. . Was ist nun unter den heute so grundstürzend und..so schmerzlich gewandelten politischen Verhältnissen der Beruf des Pester Lloyd und welches sind die Mittel, durch die er diesen Beruf zu erfüllen vermag? Ich glaube diesbezüglich zwischen der auswärtigen und der inneren Politik unterscheidein zu müssen. In der auswärtigen Politik gilt für eine verantwortungsbewußte Zeitung der Grundsatz: right or wrong my country. Dieses Prinzip ist auch in großen, mächtigen Ländern das einzig angebrachte und wird von der Presse der westlichen Demokratien fast ausnahmslos getreulich befolgt. Das fließt aus der Erkenntnis, .daß der entschiedenste Gegner innerhalb der eigenen Nation jedem von uns, wenn es hart auf .hart geht, näher verbunden ist, als ein noch so sympathischer Fremder. Für die Presse eines kleinen, geschwächten Landes ergibt sich aber in auswärtigen Fragen die weitere Norm, in der Kritik der diplomatischen Aktionen der eigenen Regierung äußerste Vorsicht und Zurückhaltung ztl üben. Dies aus zwei Gründen. Der erste: niemand, dem der Einblick in das jeweilige Getriebe des diplomatischen Räderwerks verschlossen ist, kann pflichtbewußt überprüfen, ob seine Kritik wirklich Feuilleton« Das „romanfisebe Ungarn“. Von DEZSŐ v. KERESZTURY. Es ist bekannt, daß das Gedächtnis der Massen die Einzelheiten bald fallen läßt und nur die gröbsten Umrisse, die eindrucksvollsten Farbenflecke bewahrt. Die öffentliche Meinung braucht die großen Linien, um sich in der Vielfältigkeit und Wandelbarkeit der Erscheinungen zurechtfinden zu können. Die Frage, ob man in den einzelnen Kulturen die Objektivationen einheitlicher, sich lebend entwickelnder und verwirklichender geistiger Welten erblicken oder sie als vergängliche, zerbröckelnde Schöpfungen historisch bedingter, menschlicher, wirtschaftlicher und politischer Kräfte betrachten soll, steht noch offen. Sicher ist aber, daß die öffentliche Meinung sich Anhaltspunkte schaffen m®. Sie wird also auf eine Völkertypologie nie verzichten können. Und wenn sie ihre eigenartige Bildergalerie von Zeit zu Zeit der sich wandelnden Wirklichkeit auch anzupassen bestrebt ist, so wird sie den hergebrachten, durch Überlieferung und Brauchbarkeit erprobten und befestigten Stil ihrer Völkerporträts kaum wesentlich ändern. Sie braucht solche Bilder, die mit wenigen Zügen charakterisieren können, die abgerundet, klar und leicht einzuprägen sind, die gewisse Stimmungsund Gefühlswerte in sich tragen, die Abneigungen und Zuneigungen der Massen zum Ausdruck bringen oder gestaltend beeinflussen können, die zwar die Illusion der Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit zu erwecken imstande sind, von den sich widersprechenden Tatsachen jedoch nur ganz leicht berührt werden, mit denen ein jeder auch seine eigenen Erfahrungen zu deuten und in die er seine eigenen Erlebnisse hineinzuprojizieren vermag; kurz: $ie braucht Bilder, die stilisierte, sich zwar von der Wirklichkeit entfernende, aber von dieser nie ganz trennende Schöpfungen der Phantasie der_ Massen sind Die Züge eines ähnlichen Volksporträts zeigt auch das Bild vom „romantischen Ungarn“. Man begegnet ihm oft und überall in der Welt. Es ist so tief in das Bewußtsein der Kulturmenschheit eingeprägt, daß man leicht Gefahr läuft zu denken, es handle sich hier um eine uralte, bis zu den Anfängen der europäischen Geschichte der Ungarn zurückreichende Überlieferung. In Wirklichkeit steht die Sache anders. Die Gesamtvorstellung vom „romantischen Ungarn“ bewahrt zwar einige blasse Motive der alten Überlieferung, im wesentlichen ist sie aber kaum älter als hundert Jahre. Die europäische, hauptsächlich die deutsche Romantik hatte sie angebahnt, Biedermeier, Vormärz und poetischer Realismus haben sie ansgefüllt, durch die Kolportageliteratur und die Operette der Jahrhundertwende wurde sie verbreitet, Film- und Fremdenverkehrspropaganda flößen ihr in unseren Tagen neues Leben ein. Durch Jahrhunderte des Mittelalters und der Neuzeit hindurch erscheint das Ungartum im Bewußtsein der europäischen Völker fast ausschließlich als feindliche otjer freundliche,.aber immer nur im Zeichen der europäisch wichtigen Ereignisse betrachtete politische Macht. Seine volle Persönlichkeit wird durch die historische Rolle, die es spielt, verdeckt oder verzeichnet. Zur Zeit der Landnahme drängt es sich als ein schwer zu ertragender Fremdkörper, als Erbe der Hunnen auf. Die Nachrichten von der Christianisierung des Volkes, der Ruhm ungarischer Heiligen und die Gebete frommer Pilgerscharen besänftigen zwar die ersten grauenvollen Vorstellungen, aber auch um das Bild des mächtigen christlichen Königreiches lauert immer noch etwas Dunkles, Geheimnisvolles — der Magier Klingsor hätte darüber reden können. Der engere Kreis der Elitehumanisten — der die nationale Differenzierung Europas zuerst bewußt zu charakterisieren versucht — beginnt zwar auch das ungarische Geheimnis zu enträtseln, die Enge des europäischen Bewußtseins wird aber erst durch die drohende Türkengefahr durchbrochen. Nun erscheint »Ungarn als Bollwerk des Christentums.' Aber auch .ni -n_rjp ioiivry iin,lux: ui ____________: 'a nur als Scliildwache, im Zeichen der scharfen Schwerter, der guten Pferde und des wilden Soldatentums. Und als dann, der Türke auf den Balkan zürückgedrängt wird, was bleibt dann zurück? Dumpf schweigende Kriegsschauplätze, Sümpfe und Unkultur; ein Land der Seuchen, ein Nest der Vampyren. Schon Martin Opitz spricht von einem „horror Hungáriáé“ und noch in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts stellt man dem Wagemutigen, der eine Reise nach Ungarn unternimmt, oft die Frage: „Was wollen Sie dort, hinter Gottes Rücken?“ Trotzdem beginnt die Ungarnreise um diese Zeit eine europäische Mode zu werden. Die Voraussetzungen sind allgemein europäischer Art. Die humanistische Bestrebung nach einer differenzierteren und lebendigeren Erfassung der Volkspersönlichkeiten und Kulturen der Erde verzeichnet immer größere Erfolge und zieht immer weitere Kreise in ihren Bann. Die Entwicklung führt von der Kulturschau, der Humanisten über die Staatsidee der Aufklärung und über Herders Verkündigung vom Volksgeiste folgerichtig zu Tajnes Milieutheorie und zu den Lehren Nadlers über die Stämme und Landschaften. Um die Wende des 18.—19. Jahrhunderts setzt die Herdersche Strömung ein. Man möchte auch das Wort des Ungartums aus den „Stimmen der Völker“ heraushören. Geographen, Botaniker und Geologen bereisen das Land (Beudant, Korahjnsky, Csaplovics), Sagen und Volksmärchen werden gesammelt und dem westlichen Publikum zugänglich gemacht (Gaal, Gr. Mayláth), Sprachforscher interessieren sich für das eigenartige, unbekannte Idiom (W. v. Humboldt), die Geschichte des Ungartums wird, in moderner, schönliterarisch beeinflußter Form auch breiteren Kreisen zugänglich gemacht (Feßler). Zu diesem mehr wissenschaftlich gerichteten Interesse kommt die allmählich immer mehr ansteigende Reisebegeisterung hinzu. Von dér gewohnten, durch lange Erfahrung vorgeschriebenen Reiseroute der Grand Tour (Paris—Turin—Florenz— Neapel—Venedig—Wien—Rheingebiet —Niederland) biegen immer mehr Außenseiter ab; der;