Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1943. november (90. évfolyam, 248-271. szám)
1943-11-03 / 248. szám
' • '■ 1 1 / 90. Jahrgang Budapest, Mittwoch. 3. November 1948________________________ IVr. 248 rsr prcUD 7 f iron «... fJjjlfifl, IiIApI II MORGENBLATT \ Berlin erblickt in den Moskauer Beschüssen einen Erfolg der Sowjetdiplomatie Die Ausführungen über die Nachkriegsordnung „unklar und verschwommen“ Telephonische Meldung: unseres Berliner Mitarbeiters Berlin, 2. November In der Moskauer Verlautbarung über die Ergebnisse der Alliiertenkonferenz sieht man in Berlin eine Bestätigung für die Beurteilung, die der Staatsmännerzusammenkunft der alliierten Mächte auf deutscher Seite von Anfang an gegeben wurde. Erwartungsgemäß hat die militärische Frage, wie auch aus dem offiziellen Schlußkommuniqué hervorgeht, im Mittelpunkt der Besprechungen gestanden, während nach deutschem Eindruck in Moskau zwar auch die politischen Probleme erörtert worden sind, ohne daß sie aber in dem Manifest über die Ergebnisse auch nur im entferntesten konkretisiert worden wären. Wenn der militärische Teil1 der Moskauer Konferenz in der offiziellen Verlautbarung nur ganz allgemein einen Niederschlag findet, ohne daß das Verhandlungsergebnis präzisiert wird, so erscheint diese Zurückhaltung in Berlin natürlich, da die kriegführenden Parteien selbstverständlich ihre militärischen Absichten zu verbergen suchten. Man ist daher in Deutschland auch keineswegs geneigt, das rein militärische Ergebnis der Moskauer Konferenz zu ignorieren. In diesem Zusammenhang wird vielmehr neuerlich versichert, daß alle Ever.: 'Hüten, die sich aus einer neuen Initiative der gegnerischen Kriegsführung ergeben konnten, längst vom deutschen Generalstab in Rechnung gesetzt worden seien. Für das öffentliche Interesse steht jedoch der politische Teil der Moskauer Verlautbarung mehr im Vordergrund. Der Text ist zweifellos an den zuständigen deutschen Stellen sehr sorgfältig gelesen worden, um einen Eindruck von den innenpolitischen Tendenzen der Beratungen im Kreml zu j gewinnen. Wenn auch vorerst eine ausführliche deutsche Stellungnahme noch nicht zu verzeichnen ist, so lassen die bisherigen Verlautbarungen jedoch erkennen, daß man in Berlin in der Moskauer Verlautbarung eher einen Erfolg der Diplomatie des Kremls sehen will. Schon vor Beginn der Moskauer Beratungen hatte man in deutschen diplomatischen Kreisen keinen Zweifel, daß Stalin sich einer ernsthaften Erörterung der die politischen Ambitionen der Sowjetregierung berührenden Fragen versagen würde. Nach deutscher Ansicht enthält jedenfalls das offizielle Kommuniqué nicht den geringsten Hinweis darauf, daß die angelsächsischen Bemühungen um Klärung der territorialen Frage Erfolg gehabt hätten. Die Einsetzung von Ausschüssen wird von deutschen Beobachtern als Verlegenheitslösung beurteilt, da sich offenbar eine Übereinstimmung über die Begrenzung der territorialen Ansprüche der russischen Regierung nicht habe erzielen lassen. Die Berliner Polemik gipfelt in der Behauptung, daß sich der Kreml in keiner Weise hat binden lassen, während Großbritannien und die USA neuerlich die von ihnen feierlich verkündeten Grundsätze einer Friedensordnung in Moskau hätten verleugnen müssen. Daraus wird der Schluß gezogen, daß die dem europäischen Kontinent nach deutscher Ansicht durch den Bolschewismus drohende Gefahr nicht durch die angelsächsischen Mächte, sondern nur durch Deutschland und seine Verbündeten gebannt werden könnte. F'ür die deutsche Beurteilung steht fest, daß die Engländer und Amerikaner also in dieser entscheidenden Frage mit leeren Händen die Heimreise aus Moskau antreten mußten. Die in der Moskauer Verlautbarung enthaltenen Ausführungen über die Nachkriegsordnung werden in Berlin als unklar und verschwommen bezeichnet. Für Berlin ist es eine abgemachte Sache, daß über 'die Zukunft der kleinen europäischen Staaten und Völker in Moskau eine reale Einigung nicht erzielt worden ist. Es wird betont, daß in dem alliierten Kommuniqué die konkreten Anliegen der europäischen Nationen mit Stillschweigen übergangen worden seien. Weder die Zukunft Polens, noch der f baltischen Staaten, noch der südosteuropäischen Völker und der neutralen Mächte seien darin angesprochen worden. Eine Ausnahme davon bildet die Erwähnung Österreichs, was nach deutscher Ansicht aber nur erfolgt sei, um eine grundsätzliche Stellungnahme zur Frage nach der Zukunft der kleinen Staaten in Europa zu vermeiden. In einem deutschen Kommentar wird behauptet, daß die angelsächsischen Mächte, die im Grunde genommen die Zukunft der kleinen Staaten längst auf dem Altar ihres Bündnisses mit der Sowjetunion geopfert hätten, jetzt nur noch den Schein ihrer Atlantik Charta zu wahren suchten. Ihr mit dem Kreml ausgetauschtes Versprechen, auch nach dem Kriege zum Zwecke der Organisierung und Sicherung des Friedens zusaifimenzuarbeiten, ruft in den deutschen Kommentaren lebhafte Kritik hervor. 'Dabei wird betont, daß für den Begriff der „friedliebenden Nationen“ ebensowenig objektive Merkmale angegeben worden seien wie für den völkerrechtlich neuen Begriff der „souveränen Qualität“. Die Moskauer Beschlüsse in dieser Richtung werden als Versuch der alliierten Mächte gedeutet, sich für die Zukunft ein absolutes politisches _.J militärisches Monopol zu verschal' ,rn weitgehend die Souveränität nicht .mi uer bisherigen Kriegsgegner, sondern aller anderen Völker überhaupt einzuschränken. Und schließlich bleibt auf deutscher .Seite nicht unwidersprochen, daß die alliierten Staatsmänner in Moskau sich den Anschein gegeben hätten, als ob für sie der Krieg bereits gewonnen sei und sie über das Schicksal des europäischen Kontinents verfügen könnten, obwohl die Kriegsentscheidung noch längst nicht gefallen sei. Ernst Lemmcr Schweizer Beurteilung der Moskauer Beschlüsse Heikle peHtfsehe Fragen unerledigt geblieben Telephonischer Bericht unseres Korrespondenten Genf, 2. November Der Wochenbeginn brachte Ereignisse von überragender Wichtigkeit, die die Schweizer Presse in fast gleichem Ausmaße dermaßen beschäftigen, daß jetzt im Endergebnis die Nationalratswahlen von vorgestern, die doch für die nächsten vier Jahre der Zukunft der Schweiz ihren Stempel verleihen werden, kein Vorrang in den Zeitungen eingeräumt werden konnte und auch nicht der wichtigen Tatsache, daß die Sozialdemokraten entgegen allen Erwartungen sehr stark vorgedrungen sind und heute die weitaus stärkste oppositionelle Partei bilden. Allerdings haben sie nur genau die Hälfte der Anzahl der Sitze der aus drei Parteien bestehenden Regierungskoalition. Selbstverständlich wird dabei auch das Kommuniqué aus Moskau sehr eingehend erörtert. Es wird zunächs verzeichnet, daß es wohl keine Anhaltspunkte für die Beurteilung der weiteren militärischen Pläne biete, aber in politischer Hinsicht weit mehr enthalte, als die seit einigen Jahren in den beiden Lagern üblich gewordenen Abfassungen. Von den zahlreichen wichli gen Punkten greifen die Zeitungen heule morgen vor allem die Nachkriegspläne heraus, die sie aber als etwas unklar bezeichnen, wogegen es nicht unwichtig ist, daß die Konferenz sich überraschenderweise durch die Heranziehung Chinas von einer Dreier- in eine Vierer-Besprechung erweitert hat. Wohl vermerkt die Gazette de Lausanne, daß im Kommuniqué Worte wie Japan und Ostasien nicht einmal erwähnt werden, was beweist, daß Rußland seine Neutralität Japan gegenüber auch weiter zu wahren wünsche. Aber andererseits meint der redaktionelle 'Kommentar der Neuen Zürcher Zeitung, daß die Heranziehung Chinas, das ansonsten an euro päischen Angelegenheiten nicht interessiert ist, einen Beweis dafür bilde, daß es den Angelsachsen dennoch gelungen ist, Rußland für die Gesamtheit der ungeregelten Probleme in eine gemeinsame Front einzuspannen. Die von vielen Seiten angedeutete Möglichkeit, daß nach Beendigung des Krieges in Europa die Russen sich mit Japan gegen die Angelsachsen stellen könn-1 ten scheint somit zu entfallen. Die , Schaffung eines ständigen Ausschusses mit Sitz in London wurde mir gegenüber von einer für die Bildung der öffentlichen Meinung sehr maßgeblichen Persönlichkeit als „kluge Verschiebung“ bezeichnet, da nach Ansicht dieser Persönlichkeit eine genauere Behandlung der Materie bei zahlreichen Fragen unüberbrückbare Meinungsunterschiede heraufbeschworen hätte, die aber die Angelsachsen und Russen vor Beendigung des Krieges nicht wirksam werden lassen dürfen. Die Nationalzeitung bringt in ihrem Abendblatt einen Eigenbericht aus Londoner und Washingtoner Quelle, wonach man in beiden angelsächsischen Hauptstädten mit dem Kommuniqué als ersten Eindruck zufrieden ist. In den skandinavischen Ländern hat das Kommuniqué nach dem Stockholmer Eigenbericht, der ebenfalls im Abendblatt erscheinen wird, einen starken Eindruck hervorgerufen. In den militärischen Punkten scheint Einigkeit erzielt worden zu sein. Man hält es in Washington für bezeichnend, daß das Kommuniqué über verschiedene Gebiete Europas spricht, aber die^Randstaaten an der Ostsee und auch Polen nicht erwähnt. Das gleiche ist mit der Tscheftjo-Slowakei der Fall. Man legt dies in Washington so aus, daß Rußland „keines dieser Länder gefordert habe“. Ferner ist es in London aufgefallen, daß das Wort „Atlantik Charta“ im Kommuniqué überhaupt nicht vorkommt. Jedenfalls blieben laut Londoner Auffassung viele wichtige politische Fragen für die weitere Fühlungnahme offen und es dürfte einer Zusammenkunft Churchill—Roosevelt—Stalin Vorbehalten bleiben, diese zu regeln. Aber hierüber enthält das Koinmuniniqué keine weiteren Angaben J. F. K. Die Wsllieimslrafle: Bas Kommniripé mehr eine Proklanastion der Gegensätze als der Gemeinsamkeiten zwischen den Alliierten Berlin, 2. November (INB) Die eingehendere Analyse des ungewöhnlich langen Moskauer Kommuniques und die ersten wenig zündenden anglo-amerikanischen Kommentare haben in der Wilhelmstraße den ersten Eindruck bestätigt und eine gelassene Befriedigung aysgelöst. Was zunächst den auf 'den Wunsch der Bolschewiken an die erste Stelle gerückten militärischen Punkt anlangt, so legt man liier die äußerst gewundene Erklärung folgendermaßen aus: die Molotow bei seinem ersten Besuch in London vor zwei Jahren zugesagte zweite Front wird von den Engländern endlich vorbereitet. Aber erst, wenn sie eingeleitet sein wird, wird eine vollständige militärische Zusammenarbeit von den Bolschewiken mitgemacht werden. Es scheint zwar,'daß der Hauptwunsch der Bolschewiken, den Krieg durch erhöhte Anstrengungen der Anglo-Amerikaner abzukürzen, von den Anglo-Amerikanern anerkannt wurde, ohne daß von ihnen aber auch die Anerkennung der Bolschewiken erzielt werden konnte, daß solche kriegverkürzen'de Aktionen bereits im Gange sind. Hinter diesem nun schon zwei volle Jahre im Gang befindlichen Tauziehen wird die Sorge der Bolschewiken sichtbar, daß der Raubbau an ihren Kräften keiner entscheidenden Steigerung mehr fähig ist. Was die lange Liste der politischen Themen anlangt, die das Kommuniqué aufzählt, so fällt nach den Kommentaren der Wilhelmstraße vor allem auf, daß die Liste der Gegenstände, die nicht erwähnt sind, noch vief länger ist als die Aufzählung der Punkte, über die man sich zu gemeinsamen Erklärungen geeinigt hat. Die längere Liste der nicht genannten Probleme enthält überdies mit seiner nahezu erdrückenden Vollständigkeit alle jene Streitfragen, die nicht nur für die Anglo-Amerikaner selber, sondern für 'die gesamte Weltöffentlichkeit von weit größerem Interesse sind als jene Dinge, über die eine gewisse, allerdings auch unverbindliche Einigkeit erzielt wurde. Es fällt kein Wort über Finnland, über die baltischen Staaten, über Polen, Rumänien, den Balkan und den Zugang zum Mittelmeer, lauter Lokalitäten, wo nicht nur die von den Anglo-Amerikanern verkündeten Prinzipien der Kriegsführung, sondern auch ihre realen Interessen sich mit denen der Bolschewiken berühren. Bei dem in dem Kommuniqué zutage tretenden Bestreben, alles, was sich irgend über eine Gemeinsamkeit zwischen den Alliierten sagen läßt, so breit wie möglich zu behandeln, muß man also annehmen, daß man in allem, was nicht in dem Kommuniqué behandelt wird, eine ziemlich umfassende Proklamation aller Streitfragen zwischen den Alliierten vor sich hat. Auch das, was ausführlich als Marschroute für die künftig zu erzielende Einigkeit aufgeführt wird, die Wiederaufwärniung der kollektiven Siclieiheit, ein neuer Völkerbund, die Einführung der Volksfront in Italien, die Behandlung Österreichs und der Kriegsverbrecher — ist verhältnismäßig unverbindlich nebeneinander geschriebeli und beweist im großen und ganzen, daß die Bolschewiken durchaus am Zuge sind, während die Anglo- Amerikaner nur einige Agitationsthesen für den inneren Bedarf mit nach Hause bringen und dabei ist Hull noch glücklicher gefahren als Eden, denn Eden hat sich mehr als einmal im Laufe dieses Krieges ausdrücklich gegen den Völkerbund ausgesprochen und einer Auffrischung der kollektiven Sicherheit mit sehr viel Nachdruck ein internationales Polizeistatut vorgezogen. Aber auch Cordell Hull ist insofern nicht unbeschädigt geblieben, als die J Preis 20 Fillér