Prager Volkszeitung, duben-červen 1972 (XXII/14-26)
1972-06-23 / No. 25
AUSZUG AUS DER REDE DES GENOSSEN G. HUSAK AUF DEM VIII. ALLGEWERKSCHAFTSKONGRESS IN PRAG Alle Kräfte für die Entfaltung des Sozialismus Auf dem VIII. Allgewerkschaftskongreß ergriff — wie wir bereits berichteten — der Leiter der Partei- und Regierungsdelegation, der Generalsekretär des ZK der KPTsch Genosse Gustav Husäk das Wort. Aus seinen umfassenden Ausführungen bringen wir nachstehend einige der wichtigsten Gedanken: Nach der Begrüßung des Kongresses bezeichnete es Gen. Husäk als charakteristisch für die Vorbereitung, daß die breiten Massen der Werktätigen das Programm und die Politik der KPTsch voll unterstützen und dies durch die außerordentliche Arbeitsinitiative in der Zeit der Vorbereitung des Kongresses bewiesen haben. Er sprach dann über die revolutionäre Tradition der Gewerkschaftsbewegung bei uns und in der Welt, über die internationale Solidarität der Arbeiterklasse, die sich stolz zur Idee des proletarischen Internationalismus bekennt. Zum Thema der Verantwortung der Gewerkschaften für die Gegenwart und Zukunft sowie der Teilnahme der Werktätigen an der Leitung der Wirtschaft sagte Genosse G. Husak wörtlich: „Es gibt in diesem Staate praktisch keine Frage, zu der die Gewerkschaftsorgane auf dem Arbeitsplatz oder im Zentrum nicht ihre Meinung sagen könnten. Von Fragen der Wirtschaft, der Technik über die Fürsorge für die Menschen, ihre Stellung, ihre Rechte, bis zu Fragen des Gesundheitswesens, des Schulwesens, der Körpererziehung usw. Zu allen Fragen können und sollen sich die Werktätigen auf allen Abschnitten aussprechen. Die große Aufgabe, die vor uns steht, ist, zu erreichen, daß alle Gewerkschaftsorgane richtig in diesem Sinne tätig sind.“ Genosse G. Husak wertete dann die Zeit seit dem XIV. Parteitag der KPTsch und die erzielten wirtschaftlichen Erfolge. Er betonte, daß in unserem Staat die sozialistische Demokratie gefestigt wurde. Zu Fragen der organisatorischen und Erziehungsarbeit sagte Genosse G. Husak: „Die weitere Entwicklung und der erfolgreiche Weg vorwärts wird in wesentlichem Maße vom Niveau und der Wirksamkeit der organisatorischen und Leitungsarbeit auf allen Stufen abhängen. Diese Frage wird in gewissem Maße zu einer Schlüsselfrage. Das Zentralkomitee der Partei hat sowohl im Feber wie im April die hohen Ansprüche an die Menschen, an ihr Verantwortungsbewußtsein und ihre Disziplin hervorgehoben. In der Wirtschaft geschehen keine Wunder, noch weniger in einem Tag oder einem Monat. Das ist ein langer Prozeß, ein Kampf. Uns handelt es sich um eine schrittweise Verbesserung, ein allmähliches Erreichen von Zielen, darum, daß die Entwicklungstendenz ansteigt. Darauf müssen wir unsere ganzen Bemühungen konzentrieren. Wir wissen, daß es genug Leute gibt, die sich ihre Arbeit vereinfachen möchten, sich das Leben leichter machen wollen; kürzlich hat in der Fernsehübertragung eines Unterhaltungsprogramms aus der DDR ein Schauspieler im Scherz ein Wort gebraucht, das mir gefallen hat. Er sagte, sein größtes Problem sei, wie er sich seine Freizeit in der Arbeitszeit organisieren solle. Wieviel Menschen gibt es noch bei uns, die sehr erfolgreich ihre Freizeit während der Arbeitszeit organisieren? Wieviel Zeit wird vertrödelt? Die Hand wird ausgestreckt, sie nimmt das Maximum, aber wenn sie den Gegenwert geben soll, dann wird auf allen möglichen Seitenwegen ausgewichen. Ich denke nicht nur an die Betriebe und die Arbeiter. Je höher, desto größer ist die Verantwortung und desto höher müssen auch die Ansprüche sein. Die Gewerkschaftsbewegung kann Bequemlichkeit, übersehen von Mängeln, Bummelet, Schlendrian usw. nicht unterstützen. Nicht die bourgeoisie These ist wahr, daß „wer nicht stiehlt, seine Familie bestiehlt“, sondern das Gegenteil: wer sozialistisches Eigentum stiehlt, wer den Betrieb bestiehlt usw., der bestiehlt seine nächsten Mitarbeiter, bestiehlt seine Nächsten. Und nicht nur, wenn er Sachwerte stiehlt, sondern auch durch Schlendrian und Bummelei bestiehlt er die sozialistische Gesellschaft und seine Nächsten. Und wir sollen da weiter ruhig zusehen? Wenn auf den einzelnen Abschnitten die Planaufgaben gestellt werden, dann gibt es Hunderte Ausflüchte, das sei schwer, die Aufgaben seien zu hoch, seien unreal u. ä. Wir müssen lernen — und viele haben bereits diese Stufe erreicht — anders an die Dinge heranzugehen. Wenn es Probleme gibt, dann nicht jammern, sondern sie lösen. Es gibt Dinge, die können im Betrieb, auf dem Arbeitsplatz gelöst werden, aber auch andere Dinge, die eine höhere wirtschaftliche oder Regierungsinstanz benötigen. In jedem Fall ist es unrichtig, die Lösung aufzuschieben, auf der Stelle zu treten, einem anderen den schwarzen Peter zuzuspielen. Wir brauchen kühne wirtschaftliche und politische Leiter, die sich nicht vor Verantwortung und Problemen fürchten, die um deren Lösung kämpfen; solche Menschen wollen wir erziehen und die werden wir unterstützen. Die kurze Bilanz, die ich gemacht habe, zeigt, daß der Weg, den der XIV. Parteitag und der Fünfjahrplan bestimmt hat, real ist. Darum müssen wir ihn konsequent fortsetzen. An die Parteiund Gewerkschaftsorgane, an die Staats und Wirtschaftsorgane und allen Organisationen der Nationalen Front stellt das sehr anspruchsvolle Aufgaben. Wir haben ein gemeinsames Ziel. Nun ist es notwendig, die Kräfte der Partei-, der Gewerkschafts- und Wirtschaftsorgane auf die gleiche Linie zu konzentrieren, die in der letzten Zeit beglaubigt wurde und richtig ist, und sie in die Tat umzusetzen. Ich möchte mich auch mit einer so wichtigen Frage beschäftigen, wie es die politische und fachliche Erziehung des werktätigen Menschen ist. Die Aufgaben, vor denen ein Staat mit hochentwickelter Wirtschaft, wie die Tschechoslowakei, steht und die im Zusammenhang mit der wissenschaftlich-technischen Revolution in den siebziger Jahren vor uns stehen, stellen hohe Ansprüche an das politische Bewußtsein und an die professionelle Tüchtigkeit des werktätigen Menschen. Wir sprechen von der Teilnahme der Werktätigen an der Leitung, von der Initiative der arbeitenden Menschen, von der Rolle der Gewerkschaften auf diesem Gebiet. Die politische Erziehungsarbeit ist eine der Voraussetzungen, daß es uns gelingt, auch die übrigen Aufgaben zu erfüllen. Im letzten Zeitabschnitt ist auf diesem Gebiet viel getan worden. Viel vom Standpunkt des Zustands in den Jahren 1968/69. Aber wenig von dem Gesichtspunkt, was uns noch auf dem Gebiet der Erziehung des klassenmäßig und politisch bewußten werktätigen Menschen erwartet. Uns ist nicht gleichgültig, ob uns dies gelingt oder nicht und auf vielcher Stufe es uns gelingt, unsere politischerzieherischen Ziele zu erreichen. Ich habe bereits negative Erscheinungen erwähnt, die auch auf diesem Gebiet auftreten. Die überwiegende Mehrheit der werktätigen Menschen erfüllt aufopfernd ihre Arbeitsaufgaben im Beruf, aber es gibt noch eine Zahl von Leuten, die sich an ein Parasitentum und an Schlendrian gewöhnt haben. Es gibt sogar Menschen, die man nicht anders nennen kann, als asoziale Elemente. Auch dem ist in unserer Arbeit Aufmerksamkeit zu widmen. Unsere Öffentlichkeit hat der rohe Mord an einem Angehörigen des Nationalen Sicherheitskorps sehr erregt, der seine Pflicht ausübte und ein Automobil kontrollierte. Die Leute sind durch den rohen Mord an einem Piloten erregt, der seine schwere, verantwortungsvolle Arbeit versah, und der Banditen, Piraten, Abenteurern und arbeitsscheuen Elementen zum Opfer fiel, die das Flugzeug entführten. Doch das sind nur die brutalsten Fälle. Es gibt aber mehr asoziale Erscheinungen und jeder von Euch könnte aus seiner Umgebung, auf seinem Arbeitsplatz auf eine Reihe solcher Fälle hinweisen. Zu diesen Dingen dürfen wir nicht gleichgültig bleiben. Dort, wo das Gesetz verletzt wird, werden gegen asoziale Elemente strenge gesetzliche Maßnahmen ergriffen. Soweit es sich um solche Auswüchse handelt, werden wir uns mit der Verschärfung des gesetzlichen Maßnahmen gegen Parasiten und arbeitsscheue Elemente befassen müssen. Für die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der übrigen ehrlichen Menschen ist es notwendig, ich möchte sagen gewisse vorbeugende, prophylaktische Maßnahmen gegen halbstarke und parasitäre Elemente zu ergreifen. Die andere Seite der Sache ist das erzieherische Einwirken im Alltagsleben und in der Arbeit. Wir haben in den letzten Jahren bereits allerhand überwunden und werden uns nun auch über das Niveau der sozialistischen Moral und der gegenseitigen Beziehungen. Über Probleme der Familie, der Erziehung von Kindern und Jugend Gedanken machen müssen. Wir alle wissen, daß diese Probleme existieren. Oft gehen wir gleichgültig daran vorbei und dann entstehen Ansteckungsherde. Aus einem Menschen, der sich hätte ganz gut entwickeln können, aber nicht rechtzeitig belehrt oder richtig beeinflußt wurde, wird dann ein asoziales Element. Über diese Dinge muß überall, auch in den Gewerkschaftsorganisationen, nachgedacht werden und wir dürfen ihnen nicht gleichgültig gegenüberstehen. Für die Erziehung der Kinder, der jungen Generation, sind die Eltern verantwortlich, die Schule und die Gesellschaft sowie die Gesellschaftsorganisationen. Alle hören wir von verschiedenen konkreten Beispielen. So waren z. B. unter der Bande, die das Flugzeug entführte und den Piloten — den Vater dreier Kinder — erschoß, auch zwei Kinder aus sog. hochgestellten Familien. Und das sind keine vereinzelten Fälle. Wir sprechen von der politischen Massenarbeit der Kommunisten, Gewerkschafter und der übrigen. Man muß sich fragen: Wie kannst du, lieber Genosse, ob du nun Kommunist bist oder nicht, jemanden gewinnen, wenn du deine eigenen Kinder nicht normal erziehen und sie für unseren sozialistischen Staat gewinnen kannst? Gute, menschlich, fachlich und politisch erzogene Kinder — das ist die erste Visitenkarte. Man kann nicht generalisieren, aber Ausnahme bleibt Ausnahme und die Regel bleibt die Regel. In der Partei und in den Gewerkschaften werden wir uns mit diesen Fragen beschäftigen müssen, damit wir die negativen Einflüsse maximal einschränken, die manche junge und manchmal auch ältere Menschen betreffen, damit wir sie abwehren und die Menschen auch zur Verantwortung rufen können. Das ist unsere Pflicht gegenüber der Gesellschaft. Jeder von uns kommt täglich unter Leute, sieht Gutes und Schlechtes. Doch viele schweigen zu diesem und zu jenem, sie scheinen also zuzustimmen. Es kann weder der Grundsatz eines Kommunisten noch eines Mitglieds der revolutionären Gewerkschaftsbewegung sein, gleichgültig zum Bösen zu sein, zur Amoral und zu Defekten aller Art. Wir dürfen sie nicht tolerieren, ob es sich schon um einen einfachen Menschen, um einen Direktor oder um einen noch so hohen Herrn handelt. Es ist uns gelungen, unsere Gesellschaft, die Partei und die Gewerkschaften soweit zu heben, daß wir nun versuchen können, auf allen Arbeitsplätzen, in den Schulen und in den Familien eine Atmosphäre zu schaffen, die die guten Eigenschaften der Menschen unterstützen wird, die sie zur Achtung vor ehrlicher Arbeit, zu einer aufrichtigen Haltung gegen die Menschen und zum sozialistischen Staat erzieht und nicht mehr tolerieren wird, was den widerspricht. Die Menschen sind nicht schwarz oder weiß. Es geht darum, welche Eigenschaften wir unterstützen, wie wir sie beeinflussen und entfalten, was wir unterdrücken und was wir verwehren. der Der Marxismus ist ein Anhänger positiven Entwicklungstendenzen in der menschlichen Gesellschaft. Es geht darum, wie wir auf die Entwicklung des Menschen einwirken, womit wir zu ihr beitragen. Wir müssen in den Partei-, Gewerkschafts- und Jugendorganisationen eine Atmosphäre der kritischen Einschätzung der Menschen und der Fähigkeit schaffen, den Menschen rechtzeitig zu helfen. Das ist ein überaus wichtiges Erziehungsmittel. Schulungen, Seminare und andere Dinge, die wir veranstalten, sind wichtig, doch die alltägliche Schule des Lebens auf dem Arbeitsplatz, in der Familie und anderswo ist schließlich für den Charakter des Menschen, für die Entfaltung positiver Eigenschaften des sozialistischen Menschen entscheidend. Ich wiederhole — die Zeit ist gekommen, wo wir diesen Fragen überall viel größere Aufmerksamkeit widmen müssen — in den Schulen, in der Familie und in den Gesellschaftsorganisationen. Die Fünfeinhalb-Millionenarmee der Gewerkschaftsbewegung hat auf allen Gebieten unermeßliche Aufgaben. Die Tätigkeit der Gewerkschaften ist eine hochpolitische Arbeit, ist die Arbeit mit dem Menschen, mit seiner Seele, seinem Verstand, seinen Gefühlen und Erfahrungen. Das ist eine hochqualifizierte Arbeit. Und so müssen wir auch an sie herantreten. Es geht uns darum, jeden werktätigen Menschen für die Idee des Sozialismus zu gewinnen, für die Dinge, von denen wir gesprochen haben und die wir in unserer Alltagsarbeit verwirklichen. Und das erfordert eine intensive politische und organisatorische Arbeit, die Die Gewerkschaftsbewegung hat organisatorische Zersetzung und die politische Ansteckung überwunden, die im Verlauf der Jahre in ihre Reihen eingedrungen ist. Heute sind wir schon fähig, uns auf die Hauptaufgaben zu konzentrieren und Wege und Formen zu ihrer Lösung zu suchen. Dafür gibt es keine Schablone. Weder die Statuten noch irgendwelche zehn Gebote erschöpfen alles. Jeder Mensch hat viele verschiedene Eigenschaften, lebt in einer unterschiedlichen Umgebung usw. Auf diesem Gebiet stehen vor uns auch viele konzeptionelle Fragen, im Tätigkeitsbericht wird z. B. vom Problem der Freizeit gesprochen. Bei uns haben die Menschen, wenn wir die Zahl der Arbeitstage nehmen, praktisch fast ein Drittel der Tage des Jahres frei. Wir wollen nicht vorschreiben, was wer mit seiner Freizeit anfangen soll, aber es liegt uns daran, daß die Art der Freizeitgestaltung zur Stärkung der physischen Gesundheit des Menschen und zu seinem geistigen und kulturellen Wachstum beiträgt. Daran muß uns liegen und dafür können wir auch so manches tun und organisieren. Der Arbeitsplatz — das ist nicht nur eine Wirtschaftseinheit, die das oder jenes produziert. Er ist gleichzeitig auch ein sozialer Organismus. Hunderte, Tausende oder Zehntausende Menschen leben miteinander — je nach der Größe des Betriebs, sie beeinflussen einander gegenseitig im Guten und Schlechten, gemeinsam formen sie das Profil des Menschen. Diese Fragen müssen bedacht werden, damit wir den Sinn des menschlichen Lebens in unserer Gesellschaft erfüllen und — ich möchte sagen — eine höhere Qualität des Lebens erreichen.“ Genosse G. Husak sprach dann über die Erfolge der Friedenspolitik und die historische Bedeutung der Ratifikation der Verträge zwischen der UdSSR, Polen und der BRD. Jede Linderung der Spannung in Europa begrüßen wir als den Weg zu einem friedlichen Leben. In diesem Zusammenhang tritt auch die Frage der Normalisierung der Beziehungen zwischen der CSSR und der BRD in den Vordergrund. Die Tschechoslowakei — sagte Gen. G. Husák — ist bereit, mit Westdeutschland einen Vertrag über die Lösung der Probleme abzuschließen und hat Interesse an gutnachbarlichen Beziehungen und einer Grenze des Friedens. Natürlich können wir den schmachvollen Münchner Vertrag nicht übergehen, als sei nichts geschehen. Wir hoffen, daß dies auch die Partner in Westdeutschland begreifen und daß wir in den weiteren Verhandlungen, die Ende Juni in Prag fortgesetzt werden sollen, eine beiderseitig annehmbare Lösung auf dieser strittigen Fragen finden werden, damit die Möglichkeit einer wirklich friedlichen Zusammenarbeit entsteht. Abschließend würdigte Genosse G. Husak die Tätigkeit der Gewerkschaften als Beitrag zur Konsolidierung und versprach ihnen die volle Unterstützung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei.