Prager Volkszeitung, duben-červen 1973 (XXIII/14-26)

1973-06-08 / No. 23

PRAGER DAS WOCHENBLATT DER DEUTSCHEN WERKTÄTIGEfd­ SPOER £ SSR 8. JUNI 1­973 # JAHRGANG XXIII. #­­KCS 1,50 l lMWlll­T, 23 Kampf den Illusionen „Wir rufen dazu auf, die blutige Ver­gangenheit Europas zu überwinden — nicht um sie zu vergessen, sondern da­mit sie sich nicht wiederholt." (S. 1. Breschnew am 1. Mai 1973) Der Film Dny zrady (Tage des Verra­tes), der eben in unseren Kinos läuft, zeigt dokumentarisch das für das tsche­choslowakische Volk so tragische Jahr 1938 mit dem dramatischen Ablauf der Ereignisse vor 35 Jahren, besonders in den Wochen vor München. Worum ging es 1938? Ging es denn 1938 wirklich um die in die Welt hinaus­gebrüllte ultimative Forderung nach der „Befreiung der Sudetendeutschen”? Ganz und gar nichts Hitler hat im Sep­tember 1938 im Führerkreis erklärt, daß ihn die „Sudetendeutschen gar nicht interessieren”, daß es ihm nur um die Liquidierung der Tschechoslowakei gehe. Konrad Henlein hat nach 1938 wieder­ Josef Lenk­ holt öffentlich geprahlt, daß das wirkli­che Ziel seiner Bewegung die Vernich­tung der Tschechoslowakischen Repu­blik gewesen sei. Z. B. erklärte Henlein 1941: „Um uns vor tschechischer Einmischung zu schützen, waren wir gezwungen zu lügen und unsere Ergebenheit für die Sache des Nationalsozialismus zu leug­nen. Lieber hätten wir uns offen zum Nationalsozialismus bekannt. Es ist je­doch eine Frage, ob wir dann imstande gewesen wären, unsere Aufgabe zu er­füllen , die Tschechoslowakei zu ver­nichten." Hätte Henlein unsere Deutschen offen über das Ziel seiner Partei informiert und gesagt, wohin er die „Sudetendeutschen" führen will, niemals hätten ihm 90 Pro­zent der tschechoslowakischen Deut­schen „Gefolgschaft” geleistet. Das wußte natürlich die faschistische Führer­garnitur diesseits und jenseits der Gren­ze. Deshalb also wurde die Masse belo­gen, betrogen und in die historisch reaktionäre Rolle eines Werkzeuges des Faschismus, in ein Werkzeug des inter­nationalen Imperialismus manipuliert. Tausende von Bürgern deutscher Natio­nalität — vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten — erkannten, dank der ständigen Analysen der politischen Lage durch die KPTsch, das hohe Spiel, der internationalen Reaktion, erkannten klar die traurige Rolle, die den „Sude­tendeutschen“ zugedacht war, sahen die Kriegsgefahr. Sie warnten unermüdlich „Henlein ist Hitler und Hitler ist Krieg”. Aber gegen die damalige nationale Hysterie waren sie nahezu machtlos. Die Frage, warum und wieso die Masse der Deutschen in der CSR ver­hältnismäßig leicht eine Beute des Fa­schismus wurde, kann hier nicht er­­­schöpfend behandelt werden. Es gibt hierfür mehrere Gründe und Ursachen (wie z. B. ökonomische, soziale u. a.), Wurzeln, die nicht nur bei Hitler und Henlein zu finden sind, sondern, in viel früherer Vergangenheit. Heute will ich nur eine Art von Wurzeln, allerdings sehr gefährliche Giftwurzeln, bloßlegen; es sind dies Mythos, Romantik und Illusio­nen, Erscheinungen, die die Geschichte der deutschen Nation oft tragisch be­einflußten. Das begann bereits am Ende des Mittelalters mit den verschiedenen romantischen Kaiser-Sagen, es sei hier nur an den deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa erinnert, von dem die Sage berichtet, daß er im Kyffhäuser mit sei­nen Mannen schläft und wartet, bis, ich zitiere Heinrich Heine: „dann schlag’ ich los und befreie mein Vaterland, mein deutsches Volk, das meiner harret mit Treue.“ Mit der Entstehung des deutschen Imperialismus wurden die Illusionen inten­siver und „moderner“ gepflegt. In den letzten hundert Jahren wurde ein My­thos, eine Illusion nach der anderen unter das Volk geworfen: Reich, Kaiser, Führer, Übermensch, Rassenseele, Blut und Boden, Volk ohne Raum, Drang nach Osten, Recht auf Heimat usw usw. Alle diese nationalen­­ Illusionen, die stets eindeutig, großdeutschen, rassischen und antislawischen Charakter hatten, strahlten intensiv auch auf die Deutschen in den böhmischen Ländern aus. Die Kapitalisten und Imperialisten versuch­ten durch verschiedene Organisationen, durch Parteien, Zeitungen, später auch durch Rundfunk Illusionen zu erzeugen. Sie erzeugten Illusionen, um ihre Klassen­ziele durchsetzen zu können, belogen das eigene Volk. Sie versuchten ihre Klasseninteressen als Interessen des ganzen Volk­es darzustellen. Sie ver­suchten die Massen der Wirklichkeit zu entrücken und mit Hilfe einer raffinier­ten Verwirrungsregie die Gedanken der Menschen in ein Wunschdenken zu len­ken, in eine Welt, die nicht den Reali­­­täten entsprach. Die Menschen folgten Hitler und Henlein, weil deren Verspre­chungen ihren durch politische Tricks manipulierten und schon entsprachen, suggerierten Wün­Illusionen wurden mit den eigenen wirklichen Interessen verwechselt und so kam es, daß diese Menschen statt für ihre Interessen zu kämpfen in romantischer Verblendung Illusionen nachjagten. Hysterischer, künst­lich entfachter Nationalismus siegte und der Appell an die Vernunft wurde ver­ächtlich in die Winde geschlagen. Aber das Leben ist stärker als Lügen, stärker als Illusionen, die stets, und wenn sie auch noch so farbenprächtig schil­lern, wie Seifenblasen zerplatzen, Illusio­nen verschwinden und Tatsachen blei­ben. Mit den Tatsachen muß man leben und sich mit ihnen beschäftigen. Die Zeit lehrt, daß auch oft bittere Wahr­heiten immer besser sind als süße Illu­sionen. Erinnern wir uns an unsere jüngste Vergangenheit. War die Zeit 1968/1969 nicht eine Zeit, in der die Konterrevolu­tion mit raffiniertesten Illusionen das Volk betäuben, einlullen wollte, um dann ihre Absichten leicht verwirklichen zu können? Sie sprachen von Verbesserun­gen des Sozialismus, von einem neuen Sozialismus made in Czechoslovakia und dann .. . nachher in der Emigration bekennen sie offen, daß es ihnen gar nicht um die Verbesserung des Sozia­lismus ging, sondern um seine Liquidie­rung. Wir sind auch Zeugen des kläglichen blamablen Zusammenbruches einer lang gehegten Illusion, die darin bestand, daß die alten reaktionären Kräfte in der Bundesrepublik die Existenz eines zwei­ten deutschen Staates, der Deutschen Demokratischen Republik, nicht zur Kenntnis nehmen wollten. Nahezu ein Vierteljahrhundert existierte die DDR — und bei manchen geistig minderbemittel­ten Politikern noch heute — nur unter Anführungszeichen als „DDR” oder Ost­zone­ udgl. Um nicht sehen zu müssen was man nicht sehen will, stecken man­che Politiker den Kopf in den Sand. Zufällig nennt man nicht nur in Bayern solche Politik eine (Vogel-)­Strauss-Po­­litik. Und was ist aus der „unveränderli­chen” Hallstein-Doktrin geworden, die vor allem das Alleinvertretungsrecht für ganz Deutschland nur für die Bundes­republik lautstark beanspruchte? Vorbei sind die Wunschträume von der Liquidie­rung der „Ostzone" oder gar ihr An­schluß an die BRD. Realitäten sind eben stets stärker als Wünsche und Illusionen. Der Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR ist ein handfester Beweis. Kein Wunder daß heute in manchen Kreisen der CDU und besonders der CSU, von den Berufsrevanchisten gar nicht zu sprechen, Katzenjammer herrscht. Und dieser Katzenjammer ist aber keine Illusion, sondern echt. Natürlich gibt es auch bei und da und dort noch Illusionen. Sie gedeihen aber schlecht, ein sozialistischer Staat und das sozialistische Bewußtsein seiner Bürger ist ein sehr schlechter Nährbo­den für Illusionen. Deshalb müssen sie importiert werden, aus dem Westen, legal und illegal, über Rundfunk und Fernsehen, durch Briefe, über Touristen und „Freunde”, kurz mit allen Mitteln der Propaganda. Und das Ziel dieser Propaganda? An die Reste des Alten anknüpfend soll Unruhe, Zweifel, Unzu­friedenheit und ideologisches Schwan­ken hervorgerufen werden. Der Wider­stand gegen westliche, bürgerliche Ein­flüsse soll geschwächt und das soziali­stische Bewusstsein unterwühlt werden. Und das alles, um neue Illusionen zu wecken! Die Parteikonferenzen der letzten Wochen haben fühlbare Erfolge auch in unserer ideologischen Arbeit feststellen können. Aber auch hier darf es keine Selbstzufriedenheit geben! Die außen­politische Lage ist oft sehr kompliziert, neue ideologische Fragen kommen an uns heran. Unsere Aufgabe ist es, die Qualität und damit die Effektivität unse­rer politischen Erziehungsarbeit zu ver­stärken um — wie es Genosse Husak nannte — immun zu werden gegen jeden bürgerlichen Einfluß. Illusionen gehören zu den gefährlich­sten Waffen unserer Klassenfeinde. Die Sicherheit unserer sozialistischen Zu­kunft, die Erhaltung des Friedens und auch unsere Verantwortung verpflichten uns zu einem pausenlosen Kampf gegen Illusionen aller Art. Unsere Grundsätze sind: keine Kompromisse und keine Zugeständnisse in­ ideologischen Fragen. Alles deutlich beim richtigen Namen nennen, kein Ausweichen vor Unklarhei­ten und Widersprüchen, die im Denken noch manchmal bestehen. Alle Hinder­nisse, die einen Klärungsprozeß verzö­gern könnten, beseitigen. Ziel unseres Kampfes: Erziehung der Menschen zu sozialistischem Bewusstsein, denn der Marxismus-Leninismus ist die erfolg­reichste Waffe gegen Illusionen. Das Rathaus mit dem Turm aus dem 16. Jah­r. Jahrhundert in der polnischen Bezi­ksstadt CTK — CAF

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