Schul- und Kirchenbote, 1907 (Jahrgang 42, nr. 1-24)

1907-09-15 / nr. 18

267 und notdürftig auszuquetschen, die andern aber fißen still und stumm da und verlieren das Interesse am Unterricht. Und diese Erscheinung ist nicht bloß in den untern Schuljahren zu beobachten. Schreiber dieser Zeilen unter­­richtete in einer 7=-klassigen Schule einer Landgemeinde das fünfte Schuljahr, also in V­erhältnissen, wie man sie nur in wenigen unserer fächsischen Dörfer findet. Es erinnert sie aber noch fehr lebhaft daran, wie der ganze Unter­­richt in den meisten Fächern oft und­­ oft. lahingelegt war dadurch, daß die Schüler mit dem deutschen Ausdruck­ kämpften und nicht in der Lage waren, ihre Gedanken in a­ Deutsch auszudrücken. Schüler und Lehrer litten jede darunter. Daß die Verhältnisse in weniger reich gegliederten Schulen noch ungünstiger liegen, wird man kaum in Abrede stellen können. Wie oft muß aus diesen Gründen der Lehrer sich darauf beschränken, den Kindern feststehende Texte einzupaufen. Die bei uns noch häufig auftretende Erschein­­ung, daß in manchen Gegenständen, wie z. B. Religion, Geschichte u.­­. f. so viel mechanisches Auswen­diglernen anzutreffen ist, mag in erster Linie darauf zurückzuführen sein, daß die Schüler einfach nicht in der Lage sind, sie hoch­­deutsch selbständig und korrekt auszudrücken, und der Lehrer, falls er über­­haupt etwas erreichen will, gezwungen ist, doch fortwährendes Nacherzählen­­lassen die Schüler soweit zu bringen, Dag Der Durchgenommene Lehrstoff auch in seiner äußern Form, der Ausdruckweise 2c, fest im Gedächtnis haften bleibt. In den meisten unserer Landschulen wird bloß in den legten Schul­­jahren etwa die Hälfte der Schüler in der Lage sein, sich notdürftig, ohne immer am Gängelband­ des Lehrers Stüße suchen zu müssen, hochdeutsch auszudrücken. Die andere Hälfte­ wird es aber auch jeit nur in unge­nügenden Maße im Stande sein. Wieviel ist doch an ihnen allen versäumt worden! Wir meinen, daß diese Erwägung allein schon genügt, um die Forderung nach Unterricht in sächsischer Mundart gerechtfertigt zu finden. Wir meinen geradezu, daß er — und heute mehr, dem je — eine Pflicht für uns werden wird, den Volksschulunterricht, wenigstens in unsern Landgemeinden, in diesem Gimme unzugestalten. Man wende ja nicht ein, unsere Bauern würden dann bald nicht mehr hochdeutsch sprechen künnen. Sie lernen es auch heute nur zum geringsten Teil in der Schule. Das Leben, Verieht und Geschäft, das Lesen in Büchern und Zeitungen lehrt sie es. Wir stehen deshalb nicht an zu jagen. Unterrichtet unsere Kinder in den Landschulen wenigstens bis zum 6. Schuljahr ausschließlich jährlich. CS ist genügend, wenn im deutschen Leseunterricht die hoch­deutsche Umgangss­prache geübt wird. Ihr erreicht dadurch Doppeltes in der Hälfte der bisherigen Zeit. Die Kinder können dann von allem Anfang an ich selbsttätig am Unterricht beteiligen. Sie werden nicht mundtot und dadurch geistig Stumpf und schwerfällig gemacht, sondern sie können jederzeit mit aller Strafe und mit vollem Interesse dem Unterricht folgen und ohne Schwierigkeit auf gestellte Fragen antworten und den durchgenommenen Lehrstoff wiedergeben Er wäre außerordentlich lehrreich und interessant, die Stimmen der Kollegen vom Lande zu diesem Gegenstand zu vernehmen. Wir glauben, da die hier kurz aufgetworfene Frage wichtig und ernsthaft genug it, um genau nach allen Seiten bin beleuchtet und erörtert zu werden. Gerade in der Ge­genwart, da durch das V­oltsschulgesäß der Unterrichtserfolg unserer deutschen Boltsschulen auf ein Mindestmaß herabgedrückt werden wird, sollten wir sein

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