Német evangélikus gimnázium, Segesvár, 1905

»Meine Gasträatheorie und auch meine Klassifikation der vier Gastrulaformen ist jetzt — nach langen Kämpfen — von den Embryo­logen allgemein akzeptiert.« (Ernst Haeckel, 13. April 1906.) In dem ersten Teil seiner Arbeit über die „Homologie der beiden primären Keim­blätter“ hat der Verfasser klarzulegen versucht, dass sich sowohl die palingenetische Archigastrula als auch deren cenogenetische Modifikation, die Amphigastrul a bei so vielen Vertretern aller Metazoenstämme nach demselben Prinzip, nämlich durch Einstülpung oder Invagination des Blasenkeims entwickelt, und dass darum beide Entwickelungsformen und die sie zusammensetzenden Keimblätter einander morphologisch gleich oder homolog sind. Wie nun das Endprodukt der inäqualen Furchung, die Haubengastrula durch eine zusammenhängende Reihe von vermittelnden Zwischenformen mit der Glockengastrula, als der „Endstation“ der ursprünglichen Segmentation verbunden ist und sich aus ihr phylogenetisch ableiten lässt, so führt uns auch das vorletzte Glied in der Kette der Erscheinungen des hochinteressanten Gastrulationsprozesses, die Disco- oder Sch eibengas trula in lücken­losem Zusammenhang auf ihre ontogenetische Vorgängerin zurück. Indem sich bei ersterer der Nahrungsdotter, das Deutoplasma, an Volumen vergrössert und dadurch teilungsunfähig wird, beschränkt sich die Eifurchung bloss auf die Umgebung des animalen Eipoles, den der Bildungsdotter, das eigentliche Protoplasma der Zelle kennzeichnet, und aus dieser Furchung, der discoidalen, resultiert als Endprodukt derselben eine dorsale Keim­scheibe, die Disco- oder Scheibengastrula. Wodurch unterscheidet sich nun diese Gastrulaform von den beiden ihr vorausge­henden Formen? Wie bei der Amphigastrula, so wird auch bei der Discogastrula die, diese Keimform charakterisierende cenogenetische Modifikation des palingenetischen Becherkeims hervorgerufen durch eine Veränderung in der Ernährung des Eies und die damit zusammen­hängende Bildung einer Proviantkammer, des aus Eiweiss und Fettkörnern bestehenden Nahrungsdotters. Dieser Vitellus nutritivus (Deutoplasma) ist in allen Tiereiern vorhanden und dient überall dem Keim auf den ersten Stadien seiner Entwicklung als Nahrungsmaterial. Während er bei allen archiblastischen Eiern in winzig kleinen Körnchen gleichmässig im Protoplasma der Zelle verteilt ist und die totale (äquale) Furchung des­selben nicht im geringsten stört, hat er sich bei der weitaus grössten Mehrzahl der Tiereier in geringerer oder grösserer Menge angehäuft und dadurch die Eizelle polar differenziert. An letzterer tritt eine vertikale Achse auf, deren unteren, vegetalen Pol der passive, träge Nahrungs dotier einnimmt, während ihr oberer, animaler Pol vom aktiven, sich lebhaft kontra­hierenden Bildungsdotter, dem Protoplasma, Vitellus formativus gekennzeichnet wird. Indem bei den amphiblastischen Eiern mit totaler Furchung die Kontraktionen des Proto­plasmas noch so stark sind, dass die Zellen desselben sich rasch, die Zellen des Deuto­­plasmas dagegen nur langsam teilen — was zur Folge hat, dass erstere zahlreich und

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