Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1884. September (Jahrgang 11, nr. 3258-3283)

1884-09-19 / nr. 3274

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Bon Zeit zu Zeit ist auch der Gründer der sich Liberale Partei nennenden Schaar parlamentarischer Safager genötigt, der zweifelnden Welt darzuthun, daß er auch weitere politische Absichten hat, als sich am Ruder zu erhalten, und nach nahezu zehnjähriger Herrschaft den starf ver­­­blüffenden Nimbus seines Namens durch irgend­­eine markante Enunziation neu aufzufin­hen. Das hat er nun, nachdem sich die Hochgehenden Wogen der für ihn siegreich beendeten Wahlkampagne einigermaßen ‚geglättet, be­­­kanntlich vor seinen Großwardeiner Wählern in einer jedenfalls sensatio­­­nellen Rede gethan. Im derselben hat der­ allmächtige Kabinetschef die nächsten Ziele seiner parlamentarischen Arion Hang nachdem wenige Tage vorher sein Bruder, Graf Ludwig Tipa, in dem siebenbü­rgischen Nottenborough Dicsö-Szt.-Marton, dessen Mandat er aufgiebt, um das ihm von der Stadt Szegedin übertragene zu behalten, eine vorbereitende Nati­­o­­n vorausgerichtet hatte. Der offizielle „Nemet“ erklärt zwar, die Betonung und Bethätigung des Liberalismus und der Gleichberechtigung seitens des Ministerpräsidenten in dieser Zeit reaktionärer Strömungen­­ei ein Verdienst, welches nicht der Anerkennung der ungarischen Opposition bedarf, vielmehr nicht blog von der ungarischen Nation, sondern von der ganzen gebildeten Welt gewürdigt wird, wie Dies binnen wenigen Tagen die europäische Presse bezeugen wird; allein wer nicht blos die Excerpte und Stoffen der offiziösen Preßbureau’s, sondern den Tert der Nede Lieft, muß gewahr werden, daß die einleitende Verherrlichung des Liberalismus mit den bezüglich einiger Tonfreien Fragen geäußerten Absichten des Hauptes der Negierung in schroffstem Widerspruch steht. Wenn Tipa die Notwendigkeit betont, der Negierung gegen die Nationa­­­lität Magitation, gegen die antisemitische Hege und gegen anarchistische Be­­­strebungen ausgedehnte Gewalten in die Hand zu geben, und insbesondere auch die Preßfreiheit nach dieser Richtung zu beschränken, so kann das vom Standpunkt der Waffenpolitik aus als angebliche, staatliche Notwendigkeit motiviert, al Liberalismus kann es aber nimmer mehr bezeichnet werden. Wenn sich Tipa für Verlängerung der Wahlperioden ausspricht, um dem Rande die Aufregungen und Ertesge alle drei Jahre widerfehrender Wahlen zu ersparen, so fanı jedermann, der da weiß, daß die meisten korrum­­­pierenden Wirkungen der legten Wahlen vornehmlich der amtlichen Pression und der Bestechung der Regierung zu verdanken sind, sich gewiß nicht dem Gedanken verschließen, daß es sie dem Minister weit mehr um noch zweifellosere Sicherung seiner Majorität, als um Bewahrung der Be­­­völkerung vor den im konstitutionellen Leben unausbleiblichen politischen Aufregungen und deren bösen Folgen handelt. Mit vollem echt beschuldigt die oppositionelle Vresse den Chef der sich so nennenden liberalen Partei ausgesprochen rrea­tionärer Ziele; nur einige ultramontane Organe, die sonst dem Protestanten Tipa nicht grün sind, erklären sie mit dem Inhalte der Rede einverstanden. Die in Ungarn bis­ heute uneingeschränkt Herrschende, wenn auch von Auswüchsen nicht freie PVreffreiheit ist eben das legte Palladium der ungarischen Nation, das sie sich ungeschmälert aus den Errungenschaften des Jahres 1848 bewahrt hat. Die antisemitischen Ausschreitungen sind dem Ministerpräsidenten ein will­­­kommener Vorwand, auf dessen Wirksamkeit von der öffentlichen Meinung Europas er sicher rechnet, um jede gegen die Fortdauer seiner Herrschaft gerichtete Opposition zu entwaffnen. Dem magyarischen Chauvinismus Hin­­­wieder sucht er seine Absicht durch den Hinweis auf die notwendige Ein­­­dämmung der Agitationen der Nationalitäten plausi­bel zu machen. Den nichtmagyarischen Landesbürgern soll also fortan auch die Klage über ihre sostematische Hintanregung, über die Unterdrückung ihrer Sprache und Kultur, e3 soll ihnen der legale Kampf in der Presse um ihre Gleichberechtigung, wenn auch nicht ganz unmöglich gemacht, so doch möglichst exrichiert werden. Wenn von der Agitation der nichtmagyarischen Nationalitäten gegen den ungarischen Staat die Rede ist, während es sich Doch nur um die wohl­­­begründete Verteidigung gegen Uebergriffe handelt, so muß jedem Unbe­­­fangenen die Fabel vom Lamme einfallen, das dem flußaufwärts befind­­­lichen Wolfe das Waller getrübt haben sollte. Vor wenigen Tagen noch hat das romänische Blatt „Bistorius“ schlagend nachgewiesen, daß gegen den jenigen Zustand der Rechtsungleichheit, in welchem sich die Domänen be­­­finden, gegen die gegenwärtige politische Ordnung, welche ihnen die Ent­­­wiclung ihrer nationalen Existenz unmöglich­ macht, der Kampf nicht auf­­­hören künne. Und dieses Blatt ist nicht etwa ein Organ der rumänisch­­­nationalen Opposition, sondern wird von rumänischen Abgeordneten der Regierungspartei herausgegeben und inspiriert. Ausgedehnteren Gewalten, wie sie Tipa fordert, wü­rden vermutlich auch die Loyalsten Kundgebungen nichtmagyarischen Nationalbewußtseins zum Opfer fallen, und ein solches Ausnahmegeiet wäre eine Handhabe für die Regierung zur Hintanhaltung verschiedenster ihr unbequemer Negungen. Sogar der an Liebedienerei gewöhnte „Beiter Lloyd“ geht bei Be­­­sprechung der Tipa’schen Nede auf den heißten Punkt nicht näher ein, sondern meint, die etwaigen Ausnahmsmaßregeln gegenüber der Presse seien in­ der Nede kaum obenhin gestreift und nur so verschwo­mmen angedeutet, daß­ es mehr al Leichtsinn wäre, darüber heute ein Urteil abgeben zu wollen. Das „Petit Naplo", ein doch sonst ehr chauvinistisches Blatt, verwirft die Beschränkung der Preßfreiheit selbst den nationalistischen Agitationen gegen­­­über, die natürlich­ sofort als staatsfeindlich bezeichnet werden. Freilich meint dieses Blatt, daß man blos die Geschworenengerichtsbezirke so ein­­­teilen müsse, wie die Interessen des Staates es verlangen, d. h. daß ü­berall die magyarischen Gesch­worenen ausschlaggebend sein sollen. Richtiger sagt das Blatt, in Ungarn gebe es seine Anarchisten, und es Tiefe sich auch seine Jury denken, welche solche, wenn sie sich doch finden sollten, nicht verurteilen würde. Bezüglich des Antisemitismus wird Tipa seine frühere Unthätigkeit vorgeworfen und er geradezu beschuldigt, daß er die bereits erlöschenden Agitationen wieder anfache, indem er die Juden als Lin­­­denböde hinstellt, um derentwillen die Nation eines ihrer­ wichtigsten konsti­­­tutionellen Rechte beraubt werden soll. „Traurig, sehr traurig ist es“, ruft das genannte Blatt aus, „daß die große Gewalt, welche die Nation bei den Wahlen dem Ministerium Tipe gegeben hat, von diesem gegen die Freiheit und den Fortschritt gebraucht wird.“ Die nächsten Monate werden darü­ber Aufklärung bringen, ob die Befürchtungen der Opposition ganz oder nur zum Teile begründet waren. Bemerkenswert ist es, und wird von den Offizieren auch entsprechend herbergehoben, daß auch die :„Nordd. Allg. Ztg.“, die doch eben so wenig wie ihre Inspiratoren dem Verdachte, l iberal gesinnt zu sein, ausgeregt ist, sich sehr befriedigt, wenn auch nur in allgemeinen Ausdrüüken und vornemlich vom Standpunkt der Erhaltung des europäischen Friedens zustimmend über die Rede des ungarischen Ministerpräsidenten ausspricht. Nun ist der Parlamentarier, welcher als der gefü­rc­tetste Gegner Koloman Tipa’s betrachtet werden muß, nämlich Graf Albert Apponyi, dem Ministerpräsidenten die Antwort nicht schuldig geblieben. Von seinen Saßberenger Wählern ebenso enthusiastisch empfangen, wie der Regierungs­­­chef von seinen Großwardeinern, hat er die Nede Tipa’s, beziehungsweise die von legterem geäußerten Absichten einer scharfen Kritik unterzogen. Was er, ohne die Verlängerung der Mandatsdauer auf fünf Jahre geradezu zu verwerfen, ü­ber die Notwendigkeit der Reform des ganzen Wahlgejeges und über die von Seite der Regierung geduldeten und zum Teil verur­­­sachten Mißbräuche bei den Wahlen gejagt, ist ab­er wahrhaft unabhängig Denkenden aus der Seele gesprochen. Ebenso ist die Entschiedenheit, mit welcher Graf Apponyi der Forderung nach außergewöhnlichen Vollmachten und Beschränkung der Preßfreiheit entgegengetreten ist, anerkennenswert. Das Duell, das der Tipa’sche Pseudoliberalismus mit der wahren poli­­­tischen Freiheit im ungarischen Parlamente auszufechten haben wird, ist nun noch vor Eröffnung des Reichstages eröffnet. Da wird sich auch der wahre Genius der magyarischen Nation zeigen künnen,­­­ Prämumerationen und Inferate übernehmen außer­­dem Hauptbureau, Heltauergasse Nr. 28, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresz­­­wandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz Fr. Wachsmann Nr. 187, Sächs.­Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Laufmann, Broos Paul Battoni, Lehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Moriz Stern, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Pest A. V. Goldberger, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile kostet beim einmaligen Einraden 7 fr., das z­weitemal je 6 fr., das drittemal je 5 kr. ö. W. exclusive der Stempelgebühr von je 30 Kr. 1884, politische Nebersicht. Hermannstadt, 18. September. Die eben im Zuge befindlichen Landtagswahlen in Kroatien scheinen das bisherige Parteienverhältnis im froatischen Landtage wenig zu alterieren. Bisher ist das Resultat aus 31 Bezirken bekannt. Von den Gewählten sind 23 Mitglieder der Nationalpartei, 3 Unabhängige, 1 Wilder und 3 Mitglieder der Rechtspartei. In einem Bezirke ist eine Stich­­­wahl nötig. Im böhmischen Landtage stellte Dr. Herbst namens der deutschen Abgeordneten folgenden Antrag : „In Erwägung, daß, wenn auch im Königreiche Böhmen der weitaus größte Teil der Gerichts- und der damit zusammenfallenden Vertretungsbezirke den nationalen Verhältnissen entsprechend abgegrenzt ist und nur aus Gemein­­­den einer und derselben Nationalität besteht, doch noch immer eine nicht ganz unbedeutende Zahl von Bezirken nicht in dieser Weise abgegrenzt, sondern aus Gemeinden verschiedener Nationalität zusammengefegt ist; daß jedoch auch die­ feiterwähnten Bezirke, sei e8 durch Ausscheidung einzelner Gemeinden und Beweisung derselben zu anderen Bezirken, sei e8 durch Teilung und Bildung neuer Bezirke, ohne Schwierigkeit mit wenigen und ganz unbedeutenden Aus­­­nahmen in national gleichartige Bezirke umgewandelt werden künnen ; in Er­­­wägung ferner, daß die Bezirksvertretungen mit wichtigen Aufgaben der auto­­­nomen Verwaltung betraut und zu Verfügungen von unweittragender Bedeutung für die materiellen Interessen der verschiedenen Teile ihres Bezirkes berufen sind und daher Schon aus diesem Grunde für das friedliche Nebeneinander­­­leben der beiden Bolfsstämme von höchster Wichtigkeit ist, die mit den Ver­­­tretungsbezirken zusammenfallenden Gerichtsbezirke so­­­weit nur i­mmer möglich national gleichartig zu gestalten, und daß eben deshalb das Bedürfnis einer Regu­­­lierung der Bezirksgrenzen in diesem Sinne seit jeher allgemein anerkannt wurde ; in Erwägung endlich, daß eine solche Gestaltung der Bezirke die Vorauslegung für die entsprechende Abgrenzung der Land - Wahlbezirke, n­ie für die Er­­­füllung des längst bestehenden, durch die Aufregung aber, welche die Erlassung und das Hortbestehen der Sprachenverordnung Hervorrief, immer lebhafter und dringender gewordenen Verlangens der deutschen Bevölkerung Böhmens bildet, er solle die Administration Böhmens nach sprachlich thunlichst gleich­­­artigen V­erwaltungs- und Gerichtsbezirfen und mit einer dieser Sonderung entsprechenden Organisation der bestehenden zweiten Instanzen geordnet werden —— stellen die Gefertigten den Antrag: „Der hohe Landtag wolle beschließen : Die kaiserliche Regierung, wird aufgefordert, dem Landtage in der nächsten Session Entwürfe vorzulegen, wonach die Bezirke, welche derzeit noch aus Gemeinden verschiedener Nationalität bestehen, durch Ausscheidung einzelner Gemeinden und Hinweisung derselben zu anderen Bezirken oder auch Trennung bestehender und Bildung neuer Bezirke, soweit nur immer möglich, in solche Bezirke umgestaltet werden, welche nur aus Gemeinden derselben Nationalität bestehen. Zur Vorberatung dieses Antrages werde ein Ausschuß von fünfzehn Mitgliedern bestellt.” — Der Antrag wurde der geschäfts­­­ordnungsmäßigen Behandlung unterzogen. Das glänzende Schauspiel der Drei-Kaiser-Zusammenkunft in Stier­­­niemwicz eilt vorüber. Kaiser Franz Josef und Kaiser Wilhelm sind wieder in ihre Residenzen heimgekührt; nur die Bärenfamilie weilt noch in dem vnrsische polnischen Landstädtchen. Ueber die Kaiserbegegnung tragen wir noch folgende Berichte nach: Sfierniewicze, 16. September. Gestern fand nach dem Diner im Schlosse im intimen Kreise ein Thee statt, an welchem die drei Monarchen, die Kaiserin, die Großfürstin, die Großfürstin Maria Pawlowna, First Bigmard, Graf Kalnoky und Herr v. Giers teilnahmen. Heute um 1 Uhr nachmittags begaben in die drei Monarchen in prachtvollen Biererzügen nach dem Tierpark von Hwierzynice auf die Jagd von Damwild. Stierniewicze, 16. September. Im großen Schloßgarten, un­­­mittelbar vor der Hauptfront des Schlosses, fand um 12 Uhr eine Militär- Revue statt. Die beiden ersten Bataillone der Regimenter, deren Inhaber 1 , SFenilleton. Der Auswanderer. Roman von Karl Zastrom. (15.Fortsetzung.) „Lassen Sie nur Red machen“, rief der Neger Hastig, „der Ned ist nicht umsonst ein halbes Jahr lang Diener in einem Krankenhause gebesen. Die Wunde ist tief, ‚scheint aber sonst nicht gefährlich”, fuhr er fort, indem er die Kleider mit geüibter Hand entfernte und das Blut sorgfältig abzumwaschen begann. Dann zerriß er rasch sein Taschentuch. Auch der Fremde gab das feine Her und in fürzester Srift war ein sunstgerechter Berband angelegt. Man rief einen vorüberführenden Fraser an, hob den Verwundeten hinein »Das ist der arme Deutsche«,murmelten­,indem er sein langes Haar zurückstrich,welches ihm,da er den Hut abgenommen in das Gesicht gefallen war,­erscheint schwer verwundet und hat doch bei der ganzen Geschichte die wenigste Schuld.Wer weiß,unter welchen trüben Verhältnissen er in diese Spelunke gekommen ist-Was fange ich nur mit ihm an.Ohne Hülfe möchte ich den Unglücklichen nicht gern lassen.He,guter Freund!«redete er einen Neger an, der mit einer zertrümmerten Geige in der rechten Hand eilig vorüberschreiten wollte: „Habt Ihe nicht einige Minuten Zeit übrig, um mit mir vereint diesem armen Manne hier beizustehen ?” „2. Sir! der große Gott sei gelobt, daß ich meinen a­­len Maria Borrmann wieder habe”, rief der Neger erfreut, „o, Du grumdgstiger Himmel! was sehe ich? er ist verwundet, vielleicht gar tot!” Und mit sichtlicher Angst in den erregten Zügen suchte er in dem blaffen, starren Antlig des V­erwun­­­deten zu forschen. Dann schüttelte er plößlich den Kopf, sprang hastig auf und rannte wie ber offen nach dem nächsten Straßen­brunnen, von wo er gleich darauf mit kaltem frischen Wasser, das er in seinen Hut geschöpft, zurückkehrte, „Lasfen Sie uns vor allen Dingen den Branfen in seine Wohnung Schaffen”, nahm der junge Mann das Wort. „Es ist nötig, daß sofort ein Verband angelegt wird. Der Blutverlust muß ihn bereits sehr angegriffen aben.“ und wies den Kutscher an, so schnell als möglich nach dem von dem Deutschen­­­ gemieteten Logis zu fahren. Eine halbe Stunde später lag Borrmann in seinem Bette, vor demselben saß Red, mit liebevoller Teilnahme jede Negung in dem blassen Antlig des Kranken, der in einen tiefen Schlaf gefallen war, überwachend. Der Arzt, welchen der junge Mann, nachdem er sich von den beiden verabschiedet, herbei­­gerufen, hatte die Wunde für nicht gefährlich erklärt, jedoch die größte Ruhe und Sorgfalt empfohlen. Unterdem schritt der menschenfreundliche Füngling, welcher dem Deutschen bei dem Unfalle zuerst Hilfe geleistet hatte, mit walchen Schritten einem statt­­­lichen Hause in der Douanestreet entgegen. Ein stilles Lächeln lag auf seinem Antlig, die Befriedigung verratend, welche er über seine gute That empfinden mochte. Vor dem Hause angekommen, 309 er hastig die Glocke. Die Thür flog, da der Morgen bereits zu grauen begann, sogleich auf. Er sprang in atemloser Haft fünf Treppen hinan und stand endlich verschnaufend in einem kleinen Dachstübchen, das eben­­so originell wie geschmackvoll eingerichtet war. Von der zierlich getäfelten Dede des Zimmers hing eine mattweiße Ampel herab, in der ein kleines Sparlämpchert brannte, das ein phantastisches Licht über alle Gegenstände warf. Blaßrote, mit Goldfarbe du­­chzogene Ta­­­peten bedecken die Wände, an denen dunkle Mahagoni- Möbel aufgestellt waren. Eine zweite Thür, welche in das Schlafkabinet zu führen schien, war durch eine schwere buntgewirkte Woll-Bartiste verhüllt. Am Fenster stand eine Staffelei, vor welcher sich ein Drehstuhl befand. Ein angefangenes Bild, das eine romantische Gebirgslandschaft darstellte, sowie mehrere andere auf den Stühlen liegende Delgemälde liefen sofort darauf schließen, daß man sich in dem Atelier eines Malers befand. Der junge Mann begab sich gleich nach seinem Eintritt an den kleinen, vor dem Sopha stehenden Tifch, zündete schnell ein zweites Licht an und zog dann ein zusammengerrolltes Papier aus der Tasche. Hastig rollte er es auf und versenkte sich mit glänzenden Augen in die auf die weiße Fläche einge­­­tworfene Bleistiftsfizze, welche ihm die eben Durchlebte Wirtshausszene noch einmal vergegenwärtigte. „AH!“ rief er dann, tief Atem schöpfend, „das ist ein herrlicher Entwurf für einen Maler. So etwas Originelles, effektvoll Lebendiges wird einem nicht alle Tage geboten. Ha! dieser Schwarze Baßtiger mit dem grimmigen Antliß! Sit es nicht gerade, al wolle er mit der mäch­­­tigen Baßgeige alles zerschmettern, was ihm in den Wurf kommt? Und nun erst dieser wütende Mulatte — Fib, glaubte ich, nannten sie ihn — wie er mit feinem Storchschnabel in den Haufen hineinpiet, und der wahnsinnige Flötenbläser, welcher sein sanftes Instrument als Knittel bewüht und wie toll auf die Köpfe von Freund und Feind loshämmert. hahaha­­­da ist ja auch der Tuftige Trompeter, eben im Begriff, feine Messing-Brädel zu verschlingen ! 0, Herrlich! Herrlich! und welch’ eine Welt von wutglühenden Gesichtern, wie sie mit Dolch und Revolvern drohen, dazmwischen das entreßte blasse Antlig des armen Deutschen, der im gedrüdter Haltung den Ausgang zu erreichen sucht! Sa, ehe ich es vergeffe. —" Er ergriff einen Bleistift und zeichnete noch einige Linien in das Ge­­­sicht, welches ihn zuleßt beschäftigt hatte. Dann hielt er das Papier mit der­­­ linken Hand von sich und betrachtete es aus einiger Entfernung; „hm, hm“, brummte ex, „er hat ein so ehrliches und dabei kluges Gesicht, dieser Deutsche. Interessiert mich! möchte wohl wissen, wie der eigentlich unter diese Horde gekommen ist. Er muß viel, sehr viel gelitten haben, das muß auch einer, der nicht Maler ist, auf den ersten Efi­ sehen. Num, ich werde ihn ja noch näher fennen lernen. V­orläufig habe ich ein vortreffliches Bild, das meinen Namen berü­ämt machen wird. Freue Dich, Anton Goldberg. Dein Glück ist gemacht. Ach, wenn ich es doch erst fir und fertig auf der Leinwand sähe.“ In freudiger Aufregung ging der junge Künstler in seinem Heinen Stübchen auf und ab, wobei er si die glänzenden Erfolge ausmalte, die seiner Meinung nach das neue Bild haben müßte. Schon mischte sich die Morgendämmerung mit dem fahlen Lichtglanz der Ampel, als er erst daran dachte, in einem Filzen Schlummer die nötigen Kräfte für das neue Werk zu suchen. Aber schon nach zwei Stunden war er wieder in seinem Atelier, in welches die Morgensonne bereits hell und freundlich ihre Strahlen warf, rücte die Staffelei in das beste Licht, spannte eine neue Leinwand in den Rahmen und begann die wichtige Arbeit mit Ernst und Eifer. Seine alte Haushälterin, welche ihm das Frühstüc brachte und die Ordnung allmorgent­­­lich herzustellen hatte, wurde für heute bedeutet, das Aufräumen zu unter­­­lassen. Er konnte sich nicht entschließen, die Staffelei auch nur eine Viertel­­­stunde zu verlassen. «· -

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