Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1892. Januar (Jahrgang 19, nr. 5492-5516)

1892-01-14 / nr. 5501

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Wachsmann, Sächsisch-Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Zehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danne­­­berg, Pest A. V. Goldberger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co., Hamburg Adolf Steiner, Karoly­­n Liebmann. Insertionspreis : Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fostet beim einmaligen Einraden 7 fr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. ö. W. ex­­­clusive der Stempelgebühr von je 30 Br. 1892. Noch etwas von den Haiffeisen’schen Spar- und Borfäuß- Vereinen. (Schuß.) , Die Nachbarschaften gewähren ihren Mitgliedern auch materielle Hilfe, sie helfen jedem,,Nachbarn bei dem Bau von Häusern,Scheunen,Schöpfen, sodaß er­ m­anch große Bauarbeit ohne bedeutenden Geldaufwand leicht zustandebringt.Sie gewähren,soweit ihre vorhandenen Geldmittel reichen, ihren Mitgliedern selbst kleine Darlehen.Diese eng begrenzte soziale Selbsthilfe unserer Landleute reichte wohl aus in früheren Zeiten vorherrschender Naturals­­wirtschaft,sie reichte aus für seite,womit viel Frucht und wenig Geld ,jahraug jahreinguthauszuhalten war;sie reicht aber nicht mehr aus in unserer neuen Zeit,wo jeder Todesfall,jede Erbschaft,jeder größere Besitz­­­wechsel,jedes bedeutendere Rechtsgeschäft,wo Steuerzahlung und Straßen­­­konkurrenz-Ablösung und unzähliges andere Geld und immer wieder Geld ohne Ende erfordert,und der Landmann öfter als früher für nahe Zahlungst­­termine zur Bereithaltung namhafter Barschaften angewiesen ist.»Mehr Geld,öfter Geld!«ist heute auch für ihn die Losung,wenn er nicht schwere Strafen,zuletzt selbst seinen Grundbesitz riskieren will.Seine Landwirtschaft gewährt aber nicht immer rechtzeitig das erforderliche Geld.Er ist auf Kredit und rasche Gewährung von Gelddarlehen angewiesen,nicht nur einer oder zwei in einer Nachbarschaft während eines Jahres,wie vordem,sondern viele,viele,jahraus,jahrein,auf solange,bis er ein Viehftück oder die ent­­­behrliche Frucht zu Geld machen und das Darlehen ratenweise wieder abzahlen kann.Solch umfassen den Kredit,solch häufige Gelddarlehen zu gewähren, dazu ist die Nachbarschaft nun zu primitiv,zu arm an Mitteln,zu beschränkt und schwerfällig.Daher genügt sie alle in diesem Zeitbedürfnis in unseren Dorfsgemeinden nicht mehr. Aehnlich verhält es sich mit den Ortspresbyteriew ihnen ist unter anderen kirchlichen und christlichen Gelegenheiten auch die Armen-und Sittenpflege zugewiesen.«Ein begeisterter Diener des Evangeliums Christi und ein hochsinniger Diener seiner Gemeinde kann wohl,wo die Verhältnisse nicht zu spröde und widerspenstig sind,aus diesem Beruf vielmachenzer kann die Presbyterialen dafür zu gewinnen streben,daß sie als echte Väter der Gemeinde nicht nur der eigentlich Elenden, der durch Alter, Gebrechen, Unglück, Krankheit, Hilflosen, sondern auch der Resigenden aber wirtschaftlich Kämpfenden, oder sittlich und ökonomisch Gefährdeten — sich moralisch an­­­nehmen! Doch wird auch der strebsame Geistliche hiebei alsbald in den rag Amtsperfoiren, in den Kirchenmitteln unübersteigliche Schranzen nden. Die Presbyterialen, die Kirchenväter haben auf dem Dorf, da sie meist gleichzeitig bürgerliche Amtleute sind, so vielfache Geschäfte, so vielerlei Sorgen und Anliegen, daß sie neben Besorgung der kirchlichen Gebäude und der äußeren kirchlichen Vermögensverwaltung, neben den Geschäften des Hannen, Dorfskaffiers, Steuersammlers, Feldhüters und sonstigen Kommunalaufgaben weder Zeit, noch Kraft, noch ausreichende Neigung für das stillere Wirken christlicher Armenobhut und brüderlicher Teilnahme an den Hilfsbedürftigen erübrigen. Aber selbst wenn innerhalb unserer Dorfspresbyterien geeignete und ge­­­nügende Kräfte dazu vorhanden wären, um nicht nur den eigentlich „Armen“, sondern auch der weit größeren Zahl wirtschaftlich und sittlich Bedrängter teilnehmende und hilfreiche Fürsorge zu widmen — und sie sind ja wohl an vielen Orten in denjenigen Mitgliedern, die nicht zugleich politische Amtleute sind, thatsächlich vorhanden und bedürfen zumeist nur der rechten Anweisung und Aneiferung, um für solches Wirken erwärmt zu werden — so steht doch die Mittellosigkeit unserer Presbyterien einer thatsächlichen, ausreichenden, wirksamen Entfaltung dringend gebotener Wolfshilfe als hemmende Schrante im Wege! Das öffentliche evangelische Kirchen- und Schulvermögen kann und darf nicht dem ihm fremden Zweck der Kredit- und Darlehensgewährung für Private dienstbar gemacht werden, und bietet daher dem gesteigerten Kreditbedürfnis unserer Landleute seine Abhilfe. Fehlt aber der äußere Lebensnerv, das Geld, so fehlt al die Hilfe, so muß auch der ernste Rat, die wohlmeinende Mahnung und der freundliche Zuspruch gegenüber dem wirtschaftlich und sittlich Gefährdeten oft ver­­­stummen ! Hier versagt eben unsere eigentliche kirchliche Gemeindeorganisation ! &3 kann ja auch nicht ihres Amtes sein, den Leuten in regelmäßiger Art äußere Hilfen, wie Gelddarlehen, zu verschaffen. Ihre Aufgabe ist die Aufrecht- und Gesunderhaltung und Entwicklung des religiös-sittlichen Lebens­­­geistes in der Familie, in der Schule und Jugenderziehung, in der Gesellschaft und Gemeinde, die Förderung jener tief befriedigenden und beseligenden Lebens­­­ordnung, die sie „dag­­eich Gottes“ nennt. E 3 ist nicht der evang. Kirche und nicht des evang. Geistlichen Amt und Beruf, ständige Instanz der Geldvermittlung für ihre Pflegebefohlenen zu sein, aber ihr Charakter oder die innere Natur und der Geist ihres Berufes schließt auch solche Hilfeleistung seineswegs aus. 3 gilt von dem evang. Kirchen- und Predigeramt: „alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes“. Dies „alles“ natürlich nur das Gute, Sittlichreine, Liebreiche, Göttliche in fi fallend, ist es möglich, ein Geldvermittlungsinstitut nach dem Bedürfnis der Zeit und der Gemeinde auf streng sittlicher, christlicher Basis zu errichten, so sol auch der Kirchendiener sich nicht scheuen, sondern sich beeilen, es ins Leben zu rufen. Ist es ihm möglich, ohne Versäumnis oder Beeinträchtigung seiner eigentlichen A­mtspflicht, an der uneigennügigen Gründung, Leitung oder son­­­stigen Arbeit eines solchen Institutes thatkräftigen Anteil zu nehmen, so ist es ihm nicht verwehrt, sondern sogar Gewissenspflicht, sich auch diesem Dienst des öffentlichen Wohles seiner Gemeinde mit Freude zu unterziehen, nach dem Grundlag seines Hören und­­­ Vorbildes: „das ist meine Speise, daß es thue den Willen — den ganzen mir bewußten und möglichen Willen — des Vaters im Himmel“. Die Raiffeisen’schen Spar- und Vorschußvereine sind nun solche Insti­­­tute, die 1. unseren Nachbarschaften, unseren Presbyterien in der Richtung der Unterfrügung wirtschaftlich und sittlich bedrängter Gemeindeglieder wirfam er­­gänzend an die Geite treten, 2. eine wichtige Seite der Sulze’schen evang. Gemeindeideale und Ge­­­meindelebeng, nämlich die gründliche, w­irtschaftlich und sittlich fordernde mas­­terielle Hilfeleistung für den Bedrängten, unter Lernhaltung des Wuchers, der Mederschuldung und sonstiger schädlicher Wirkungen, verwirklichen, 3. dem evang. Geistlichen seine hohe Aufgabe erleichtern, in s chriftlicher, sittlicher und auch materieller Zusammenfassung der Kräfte seiner Gemeinde dahin zu wirken, „daß allen geholfen werde und sie in einem wohlgeord­­­neten Wirtschafts- und häuslichen Leben immer tiefer und freudiger zur Er­­­kenntnis der den Menschen wohlwollenden, göttlichen Wahrheit kommen“. Die genannten Spar- und Vorschußvereine zahlen keine Dividenden vom Neingewinn an die einzelnen Mitglieder, sondern verwenden donselben zu ge­­­meinsamen, genossenschaftlichen Zwecken. Sie fließen jeden über die Zinsen des angelegten Kapitalesg der Mitglieder hinausgehenden Nebengewinn und damit auch alle übertriebene Geschäftsausbreitung zur möglichsten Gemwinnes­­­­teigerung, alles, was zu leichtsinnigem Schuldenmachen verleiten kann, grund­­­jäßlich aus. Daher und um bei einfachen und billigen Schuldscheindarlehen möglichst sicher zu gehen, beschränkt sich jeder derselben auf das Gebiet einer Dorf­­­­­­­­­­gemeinde, innerhalb welcher jeder Darlehenswerber den Darlehensverleihern genau benannt, seine Kreditfähigkeit und Würdigkeit und die Art der Verwen­­­dung der Darlehen fast offenkundig ist. Daher gewähren sie ihre Kredite bloß zu wirtschaftlichen Zwecken, nur auf begrenzte Restperioden und nötigen den Kreditnehmer zu ratenm weiter K­api­­­talgrundzahlung, um ihn zur Sparsamkeit und Ordnung zu verhalten.da Sie erwecken den Sparsinn, bringen mit Vorliebe kleinere Spareinlagen vieler­ Beteiligter zusammen und bilden so aus der Vereinigung der zersplitterten Geldkräfte innerhalb der Gemeinde einen Sammelfond zur Unterstügung der Se Das ist s­­chriftliche Gemeinde - Selbsthilfe in pefuniärer Hinsicht! Wer aber über Geldkredit zu verfügen hat, heißt offenbar mehr Ein­­­fluß als der, dem nur moralische Einwirkung zu Gebote steht. So fünnen auch unsere evangelisch-kirchlichen Gemeindeleitungen entschieden eingreifender und nach vielen Richtungen erfolgreicher wirken, wenn sie nicht nur gute Worte, sondern pfreditwürdigen und­­­ bedürftigen Bürgern auch billige, bare Darlehen, ohne große Kosten und Menschen, ohne Ausbeutung und Schädi­­­gung geben künnen ! Dann erst man auch das mahnende und bessernde Wort der Moral bes herzter laut werden, dann erst kommt auch die eigentliche Seelsorge zu einer vollkräftigen, freudigen und sicheren Wirksamkeit. Die Familien der Gemeinde besuchen, um sie im Guten aufzumuntern, im Unglück zu besänftigen, im Schmerze zu trösten, auf s­chiefer Bahn zu warnen und aufzuhalten, im schwachen Zustande zu stngen und aufzurichten, im Schön und ersprießlich; aber das alles hat doch ein ganz anderes Gewicht und eine mächtigere Wirkung, wenn gleichzeitig gesagt werden kann: „Um das Geld zum Erlag des umgestandenen Zugochsen, oder zur Auslösung der ver­­­pfändeten Wiese, oder zur Tilgung der Erb- oder Hofschuld, oder zum Haus­­­oder Scheunenbau, oder zur Entrichtung der Erbgebühr, oder zur Bezahlung der Krankenkosten für den verstorbenen Vater, Gatten oder sonst ein teueres Famu­lienglied — kümmert euch nicht! Der Spar- und Vorschußverein gewährt jedem fleißigen und braven M­enschen in der Gemeinde gegen zwei einfache Sr das nötige Geld auf Zeit. Schreitet darum ein, so wird euch ge­­­offen.“ E 3 ist daher eine äußerst förderliche Verbindung, wenn das geistliche Amt auf dem Dorfe der Gründung eines Raiffeisen’schen Spar- und Vorschuß­­­vereines sich annimmt und mit Hilfe desselben wirtschaftlich und sittlich, geistig und materiell zugleich an dem ungeschwächten Fortbestand der Familien arbeitet. Es kann daher nur mit freudigem Dank begrüßt werden, daß die Spar­­­tafialeitung in Hermannstadt duch Ausarbeitung und Druck der Statuten und des gesamten Zugehörs an Schriften und Büchern, ferner durch allseitige Atte­­leitung und Unterfrügung die Gründung solcher Vereine überaus erleichtert hat und deren richtige Gebarung der Organisierung eines „Verbandes länd­­­licher Spar- und Vorschußvereine”, sowie durch Entsendung von Revisoren fort und fort zu sichern sucht. Wie die Sulze’sche Gemeindeorganisation dem dringenden Reitbedürfnis der evangelischen Bevölkerungen in den Großstädten Deutschlands heilsame Ab­­­hilfe zu gewähren berufen ist, so scheint der „Naiffeisenische Spar- und Borr­­schußverein“ recht geeignet, auf unseren Dörfern eine fühlbare Lüde in den Veranstaltungen für Seelsorge und Bolfserhaltung auszufüllen. Wohl sind diese Spar- und Vorschußvereine seine kirchlichen Institute und können und sollen durch „weltliche Kräfte” gebildet und getragen werden, daß aber evang. Seelsorger alle Ursache haben, sie al Höchst willkommene Hilfsanstalten der Kirche, als mächtige Förderungsmittel s christlichen Gemeindes­­lebens zu begrüßen und sich ihrer nach Kräften freudig anzunehmen und zu bedienen, das wollte durch diese Erörterung nachgewiesen werden. 1. 2. Annalen meines Lebens, von Karl von Hase. Herausgegeben von Karl Alfred von Hase. Leipzig. Breitlopf & Härtel, 1891. 8 °, 356 ©. Preis 7 Mark 50 Pfennig. Gebunden. In friedloser Zeit die Anzeige eines Buches, über dem der Hau wunderbarsten Friedens schwebt. Wer Karl von Hase bei seinem Leben je in das glänzende Auge gesehen, das geistvolle Antlig so voll Frieden, so tiefsinnig und so offen geschaut, der wird von vorne überzeugt sein, daß ein Buch von ihm über sich selbst das Höchste und Tiefte bieten werde, was Aufzeichnungen eines edlen Mannes bieten können. Das vorliegende Buch enthält, vom Sohne des Verstorbenen heraus­­­gegeben, Aufzeichnungen Hafes vom 30. Jahre bis zu seinem Tode, hin und, wieder Briefe eingeschoben, besonders aus Italien, so daß der Leser ein Lebens­­­bild mit des Meisters eigenen Worten erhält u. zw. ein Lebensbild, das nicht abgeblaßt in späten Tagen erst verfaßt wurde, s sondern den ganzen Bauber unmittelbarsten Empfinden an sich trägt. Das Buch charakterisieren hieße darum den ganzen Menschen charakterisieren., Nun, Vielen von uns ist sein reiches Leben vertraut, noch mehreren soll es durch dieses Buch vertraut erden. Die Aufzeichnungen beginnen mit dem Aufenthalt in Jena, dem neuen Leben und Wirken im neuen Arbeitskreis. Allen Jenaer Studenten aus den Beiten 1830 bis 1890 wird dabei das Herz aufgehen. Das Leben in der Steinstadt, die allmählig eine andere wird, mit dem luftigen­­­ Studentenwolf, das sein Bier zuweilen auf dem Baum oben wirft und auf offener Gasse sommertiert, und dem tief ergreifenden Ernst der ruhig strebenden Wissenschaft, es spiegelt sich in diesen Blättern gar freundlich ab. Am Beginn der Auf­­­zeichnungen steht der Besuch bei Goethe (21. August 1830), dem der junge Professor seine Aufwartung malt. Der Eindruch ist streng und imposant, „wie eine großartige Ruine“. „Mir blieb ein schmerzlicher Eindruch verwaltend, indem ich bedachte, daß dieser alte Mann, wo nicht der größte, Doc der glücklichste M­ensch des Zeitalter sei und doc hatte auch er dem Schicsal seine Schuld bezahlt, niemals des Hauses stiles Glück empfunden, wohl selbst nie die Seligkeit oder den Schmerz einer hohen, feiner würdigen Liebe, und nun steht er vereinsamt unter einem entfremdeten Geschlecht und denkt an die Herr­­­lichkeit seiner Jugend. DO daß ich ihn jung gefannt hätte!” Zwei Jahre später wagt seine junge Frau (Pauline geb. Härtel) einen Besuch, bei Goethe, den sie in anmutig geistvoller Weise erzählt, „man hat unendliche Ehrfurcht für ihn, Vertrauen und Liebe”. Fünfzehn Tage später sehen sie ihn wieder — ala Toten! Zu den schönsten Partien des Buches gehören alle jene Aufzeichnungen, die das Verhältnis zur Frau erkennen lassen. Das ist so tief und innig, wie es schöner nicht gedacht werden kan­r. So fest und treu, ganz so einander und mit­­einander leben künnen nur geistesverwandte Naturen, die das Schöne im Leben im edelsten Sinn zu genießen im Stande sind und das Leid, das es bringt, gläubig Hinnehmen zur eigenen Läuterung und Vertiefung. Am 30. Geburtstag schreibt der junge Professor in sein Tagebuch: „Ich habe Gott gebeten, er möge dich nur segnen, du Neine und Holde, und jede Freude, die er mir geben wolle, geben durch dich. Und was hat er mir nicht gegeben in diesem Jahr, die beiden großen Wiünsche, die dich meine ganze Jugend ziehen, sind erfüllt, Italien und die Geliebte.“ Im Jahre 1831 führt er die geliebte Frau heim. Was sie ihm gewesen, klingt aus den Aufzeichnungen immer wieder ergreifend heraus. Sie hatte dem Mann u. a. ein großes Vermögen mitgebracht, da g­­edelften Lebensgenuß ermöglichte. Hase sprach es öfter dankbar aus, daß er solches seiner Frau verdanke: „Ein frommer Öriebe oder Römer in alter guter Zeit würde gesagt haben: Laßt und den Göttern danfen und heimgekehrt ihnen reiche Opfer bringen, daß sie uns vergönnt haben, frei von der Angst des alltäglichen Bedürfnisses das Haupt zu ergeben und gelegentlich durch die Anschauung des Schönsten, was die Erde bietet, und zu erfrischen und zu stärken auch für die Pflicht und das Glück des alltäglichen Lebens. Ich sehe nicht ein, warum ich nicht Ähnliches bei mir sprechen sollte in meiner Sprache, und zu dir, durch welche die Himmlischen es verliehen haben“ — und ein ander Mal: „Oft erfreue ich mich doch auch an dem­ freien irdischen Standpunkt, den ein von der Liebe mitgebrachter irdischer Reichtum verleiht. Es ist in anderer Weise nur dasselbe Gefühl, das mich aus der Zeitung erhob, als ich nichts mehr zu verlieren hatte!" Die Aufzeichnungen sind reich auch an Selbstbetrachtungen : „Daß ich mein Leben nicht einer Sache widmen konnte, ohne liebevolle Begeisterung dafür, dies versteht si von selbst von mir. Wenn ich aber die s chriftliche Frömmigkeit in ihrem eigentümlichen geschichtlichen Charakter nehme als das alleinige Hängen am Ewigen, eine überirdische Sehnsucht, der das Erdenleben nur eine Pilgerschaft zum Himmel ist, so verstehe ich wohl eine solche Stimmung recht gut und meiß sie zu achten, wie alles, wo Eins nur tüchtig gewollt und Eins über alles geliebt wird, aber in mir selbst ist doch auch ein gutes Stüd Heidentum, das die Welt lieb hat, in ihre Schönheit und in ihren Schmerz sich Hineintaucht und zwar nicht, wie es die Srommen insgemein auch thun, unwillfürlich, halb mit bösem Gewissen, sondern ohne Neue, absichtlich und besonnen, weil ich das Gegenteil für eine Einseitigkeit halte, wie erhaben sie auch oft ge­wesen sei. Wäre ich einst in Athen geboren, ich hätte mich sicher zu Themistokles und Alfibiades gesellt; im Zeitalter der Apostel hätte ich mich hoffentlich auch nicht gescheut, um die Palme des Märtyrertums zu werben, aber in unseren Reiten, meine ich, künne nur die Vereinigung des alt- De und des christlichen Sinnes zur Lebensschönheit und Einheit übten.* &3 ist das so recht charakteristisch für Hafe. Ein freier Geist, der allem Leben ein wunderbares Verständnis entgegenbrachte, bei jeder Lebensäußerung nach ihrem tiefen Kern fragte und ihn zu finden im Stande war! So ist ihm die Kunst in ihren verschiedenen Formen —— er liebte das Theater sehr — ebenso vertraut wie die Natur, die Wissenschaft mit ihren tiefsten Fragen so wie das menschliche Gemüt. Die wissenschaftlichen Arbeiten kann man in den Annalen verfolgen. Sie sollen hier nicht aufgezählt werden; es giebt sein Gebiet der Theologie, das nicht seine fruchtbaren Anregungen empfunden hätte. Der­­­ 66jährige Mann zeichnet seine Stellung in der Wissenschaft also: „Was von Naturgaben in mir war, hat sich unter der Gunst friedlicher Verhältnisse entwickelt, nur der Renner ist etwas zurückgeblieben. Für eine wissenschaftliche Betrachtung des Lebens Sejn Habe ich die Bahn gebrochen und bin der weiteren Entwickklung selbständig gefolgt. Für die Kirchengeschichte habe ich einen reicheren Inhalt, eine edle Form und freie Anschauung angegeben, und darin am ersten auch Nachfolger gehabt. In der Glaubenslehre habe ich eine Schule nicht gegründet und feiner der herrschenden Parteien angehört. Daher war ich nie von einer Partei getragen, aber mit Einzelnen aus allen drei theologischen Hauptparteien in freundlichem Verkehr, und nicht Wenige sind aus meiner Schule hervor­­­gegangen, oder durch mich angeregt worden, welche christliche Begeisterung, freies Denken und moderne Bildung vereinten. Als Schriftsteller habe ich wohl großen Einfluß geübt, als mündlicher Lehrer war ich fast nur auf Lena beschränft und habe da auch gedrückte H Zeiten durchlebt. Große Ereignisse, denen ich vielleicht gewachsen wäre, sind nicht an mich gekommen zur Ent­­­wickklung verborgener Kräfte. Dem christlichen Glauben in seiner Auffassung EEEEEEEESSSSEERSE EEE '

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