Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1892. Mai (Jahrgang 19, nr. 5591-5615)

1892-05-01 / nr. 5591

Seite 424 Hermannstadt, Sonntag Siebenbürgisch-Bentsches Tageblatt, fortdauern. Während aber die Mitglieder der österreichischen Armee einen or­­­ganischen Ausbau dieses trefflichen Heeres dringend urgieren, bringe die „N. Allg. Ztg.” unerklärliche Auslassungen. Die „Kreuzzeitung“ bemerkt gegenüber der „Norddeutschen“, es stehe ziffermäßig fest, daß nicht die gesamte Wolfskraft herangezogen sei. Die Dithy­­­rambe der „Norddeutschen“ sei unzutreffend und verderblich; man stehe vor Rätseln, die umso weniger lösbar, als die Verhältnisse Italiens für Deutsch­­­land alle Veranlassung geben müßten, auf einen vollständigen Ausbau der Österreichischen Wehrkraft mit allen zulässigen Mitteln zu dringen. Die „Nationalliberale Korrespondenz“ bestätigt neuerdings zuverlässig, daß für den Herbst eine große deutsche Militärvorlage vorbereitet wird. Die Gerüchte von dem Nücktritte des Kriegsministers seien damit im Zusammen­­­hange. Die Dementis hätten nur eine augenblickliche Bedeutung. Die „Kölnische Ztg." meldet, in Paris sei, obwohl äußerlich von der Herrschenden Erregung nicht viel zu sehen ist, in einzelnen Bevölkerungs- Haffen, besonders unter den Hausbesigern, vollständige Panik ausgebrochen. Auch im Hause, wo der Verhaftete Anarchist Francois gewohnt hat, brach eine Panik aus, welche nur durch die Erklärung der Frau Francois beschwichtigt “wurde, daß sie, so lange sie selbst das Haus bemohne, die Sicherheit derselben verbürge. Die „Kölnische Big.” fügt Hinzu, das gegen Francois und andere in den legten Tagen verhaftete vorliegende Bew­eismaterial ruhe auf schwachen Füßen. Die Polizei nehme Verhaftungen vor, nur um nicht unthätig zu er­­­einen. Bemerkenswert sind die Neuerungen, die der Ministerpräsident Loubet anläßlich des Prozesses gegen Ravaho­ einem­­nterviewer gegenüber gethan hat; er sagte u. a.:­­­ Am Montag­ abends erfuhr ich, daß die Anarchisten einen Anschlag vorbe­­­reiten. Sofort telephonierte ich dem Polizeipräfekten. Herr Loze bestätigte die Nachricht. Er habe, meldete er, schon alle von Richtern bewohnte Häuser unter schärfere Bewachung gestellt. Wenige Sekunden nach unserem Telephongespräche erfolgte die Explosion. Wir müssen diesen fjchredlichen Verbrechen gegenüber faires Blut bewahren. Wir dürfen die Ruhe nicht verlieren. Leider ernten wir, was andere täten, ohne sich davon Rechenschaft zu geben. Wir erleiden die Folgen alter Fehler, die nicht wir begingen. Seit einigen Jahren ließ man alles sagen, alles thun. Man glaubte der Sache der Freiheit dadurch zu nügen.” Für den 1. Mai fürchtet Loubet nichts. Frankreich wird an diesem Tag das ruhigste Land Europas sein. „In Paris“, sagte er, „sind unsere Bors­­bereitungen getroffen, sogar reichlich getroffen.“ Die Geshwornen im Prozesse Ravahol waren, wie berichtet wird, zuerst einstimmig der Ansicht, für den Angeklagten seine mildernden Umstände zuzu­­­lassen. Als aber nach der Beratung die Abstimmung folgte, änderten sieben von zwölf ihre Meinung. Brei von den standhaft gebliebenen fünf Ges­­icht womnen wollten daraufhin nicht in den Saal zurückkehren. Die „Suffice“ schiebt die Schuld an der Schwäche der Geschtwornen der Polizei und dem Generalprokurator zu. Die „Autoritee“ sagt, wenn die Regierung stark genug wäre, den Geschtwornen ihre Sicherheit zu verbürgen, so hätten diese sich weiter gezeigt. Der „Lied­e“ schreibt, Paris war von dem Verdikt verblüfft, welches einem N­avachor mildernde Umstände bewilligt und drei seiner Mitschuldigen freispricht. Sollten die Anarchisten da Recht haben, wenn sie behaupten, daß etwas faul sei im unserer einst so standhaften, tapferen Bourgeoisie? Das Journal des Debats sagt, das, was sich am Mittwoch im Justizpalast abspielte, ist das Symptom einer Gesellsschaft, welche sich selbst ausgiebt und sich nicht mehr zu verteidigen versteht. Hat es an Mut oder Intelligenz gefehlt? Wahr­­­­­­scheinlich an beiden. Für diesen Wahlspruch giebt es keine Entschuldigung. Das wollen wir uns nicht verhehlen.“ bezüglich der Abstimmung über die einzelnen Fragen nicht die erforderliche Klarheit ge­wesen. Sollte das Endergebnis der Lösung dieser Frage dasselbe sein, wie es von der Mehrheit dieser Enquete ausgesprochen wurde, so dürfte man nicht mit großem Vertrauen an die Zukunft unserer Mittelschulen denken. Hoffen wir, daß die Landesfirchenversammlung in erster Reihe Rücksicht nehmen werde auf den unhaltbaren Notstand im den Lehrer kreisen und ebenso den Willen, zu helfen, haben werde, als sie die richtigen Wege finden wird, die notwendigen Mittel aufzubringen. Karl Albrich jun., Realschulfehrer. 1. Mai 1892, Nr. 5591 zur Gehaltsfrage der Mittelschulfehrer. Die zwei Tage der Enquete in Angelegenheit der Mittelschulfehrergehalte sind vorüber, und da muß sich wohl jedem die Frage aufdrängen: Was ist erreicht worden? Hat die Versammlung die Interessen der Schule und ihrer Lehrer — wozu sie doch berufen war — in entsprechender Weise gewahrt? Die Antwort darauf lautet: Die von der Mehrheit der Versammlung abgegebene Erklärung ist, von einer Heinen geringfügigen Uenderung abgesehen, die allerdings in den Orten, wo die Verhältnisse der Mittelschullehrer bisher unbeschreiblich Hägliche waren, wie in Mediath, Schäßburg und Mühlbach, einen Heinen Fortschritt bezeichnen — geradezu eine Stabilisierung der Verhält­­­nisse, wie sie in Kronstadt und Hermannstadt seit den Texten Gehaltsregu­­­lierungen bestehen und die längst nicht nur von jedem Lehrer als unerträglich empfunden, sondern auch von jedem anderen Billigdenkenden als unhaltbar erkannt werden. Nach der Mehrheitserklärung können dort, two die figierten Minima bereits erreicht sind und wo doc die allgemeinen Lebensverhältnisse anders geartet sind, die alten, absolut unzureichenden B Verhältnisse auch fernerhin be­­­stehen. Nicht durch Anstreben einer geweglichen Regelung sollen die Kirchen­­gemeinden zu einer höheren Anstrengung angespornt werden, sondern ihrem guten Willen ist es überlassen, ob und was sie mehr thun wollen. Das wäre denn doch ein großer Schaden zunächst für die Schule­­elbst, denn gegenwärtig ist fast feiner unserer Mittelschullehrer im feinem Beruf allein beschäftigt, sondern, wenn er nicht über Privatvermögen verfügt, ge­­­zzwungen, auch ein Nebenamt zu verwalten. Wer wollte wagen, zu behaupten, daß dies den Interessen der Schule zuträglich sei? Wenn­ auch nicht jeder Mittelschullehrer eine Leuchte der Wisenschaft sein fan, von dem Vorrat, den er von der Universität mitbringt, kann er nicht sein Leben lang zehren ; er ist im Gegenteil seine Verpflichtung, mit der Wissenschaft fortzuschreiten. Das erhält ihn jung, wie er sein muß, wenn er auf die Jugend wirken sol­ dag macht ihn zu einem begeisterten Versündiger des Willens, welches er seinen Schülern vermitteln sol. Statt­­dessen zwingen ihn unsere Verhältnisse zu Baer Nebenarbeit, so daß er nicht selten schon müde in die Schule­­ommt. Wer Gelegenheit gehabt hat, österreichische und deutsche Anstalten kennen zu lernen, wird sie deffen mit voller Deutlichkeit bewußt, welcher Abstand zwischen ihren und unseren Leistungen besteht, und nicht die geringste Ursache "davon ist die mißliche materielle Stellung der Lehrer. Schädlich­ würde aber das Fortbestehen der bisherigen Verhältnisse auch­ auf das moralische Bewußtsein der Lehrer wirken. Wie häufig müssen sie sich sagen, daß sie bei aller Pflichttreue der Schule nicht das sind, was sie ihr sein könnten, wenn sie die ganze Kraft ihr und der Wissenschaft widmeten. Diese Gesichtspunkte, die auch in der Enquete von mehreren Rednern betont wurden, find­­en, unter welchen die Angelegenheit hätte entschieden werden müssen, und das der Standpunkt, auf dem doch wenigstens die Lehrer entschieden stehen müßten. Die Mehrheit der Mitglieder der Versammlung aber hat fi, wie es scheint, weniger dies, als die Schwierigkeiten vor Augen gehalten, die einer Besseiung der Lage entgegenstehen und si von ihnen bei Beantwortung der gestellten Lagen leiten lassen. Schuld an dieser Verschiebung des richtigen Standpunktes trug vor allem die Zusammenlegung der Enquete, in der das konservative Element überwog. Auch die geistlichen Abgeordneten der Bezirks- Tonsistorien sind wohl im allgemeinen nicht in der Lage, in dieser Sache ein unbeeinflußtes Urteil an den Tag zu legen, da sie einerseits unter ganz an­­­deren Lebensverhältnissen als Lehrer gewirkt haben und andererseits gerade ihnen die Schwierigkeiten, die mit der Beschaffung von Geldmitteln verknüpft sind (Umlagen), im ungünstigsten Lichte erscheinen. " Dazu kom­mt noch, daß das Landeskonsistorium — wollte er die in Lehrer­­­freifen herrschende Meinung über die Gehaltsfrage hören — sich nicht in der Art, wie es geschehen ist, an den Verhandlungen beteiligen durfte, da durch energisches Eintreten mehrerer seiner Mitglieder, obwohl sie nur ihre eigene Meinung vertraten, manche zaghafte Natur eingeschüchtert worden sein mag. Vielleicht ist auch bei dem einen und anderen Mitglied der Versammlung Ein Bademekium für den Stadsingenieur. Mit Recht nennen die fliegenden Ethnographen Hermannstadt ein ‚interessantes Städtchen‘. Weit entfernt davon in Heinstädtischem übersch­wäng­­­lichen: Lokalpatriotiq mag alles was hier ist für vernünftig, zweckmäßig oder schön zu Halten, kann man daß mit gutem Gewissen jagen, daß unsere Vaterstadt so manches Sehenswerte bietet. Das alte Hermannstadt zeigte sich meist von seiner Historische interessanten Seite, und Liebhaber Landschaftlicher Schönheit fanden im seiner Umgebung viel Netzendes und Originellee. Das gegen fanden die Wertheu­fer und die Freunde wirtschaftlichen Fortschrittes vieles an unserer Vaterstadt auszufegen. In allerneuester Zeit sind auch in den beiden rechten Richtungen Anläße zum Aufschwunge zu bemerken. An verschiedenen Punkten erheben sich stattliche und auch dem vorgeschrittenen Kunstgeschmack entsprechende Gebäude; hier steigen gewaltige Schlote einer neuen Fabrikanlage in die Lüfte empor, dort wiederum schneidet ein neuer Schienenstrang in die weite Ebene hinein, um Hermannstadt doch einmal mit der Hauptstadt des türkischen Reic­es zu verbinden. Hier bietet ein Komplex größerer Gebäude der Leidenden Menschheit aus Nah und Fern ohne Rücksicht auf Nation und Konfession Linderung und Heilung und an anderer Stelle lagen in reizvoller Gegend die freundlichen Mauern einer auf der Höhe der Zeit stehenden Unterrichtsanstalt. Ein Hochgestellter Gönner unseres Volkes und unserer Vaterstadt äußerte einmal, daß man der Physiognomie Hermannstadts ansehe, daß es sein that­­­kräftiges technisches Organ habe. Die Kenntnisse des verewigten Stadt­­­ingenieurs sind unbestritten, und das Musikvereinsgebäude, dessen geschmackvolle und zwecmäßige Ausführung allgemein anerkannt werden, ist ein bleibender Zeuge seiner Fachtüchtigkeit. Es ist zu beklagen, daß Individualität und Umstände den Verstorbenen nicht immer dort zu Worte kommen ließen, wo es nötig gewesen wäre. Seinem Nachfolger geht nicht nur der Ruf eines tüchtigen Technikers, sondern auch der eines energischen Mannes voraus. Darum bewüßen wir diesen Anlaß, um sein scharfes Auge auf einige dunkle Punkte unseres Städtchens zu richten; und zwar thun wir die­ses im guten Glauben, daß man si, troß unserer engen Verhältnisse, doch einmal aufraffen werde, in den Anregungen und Kundgebungen der Presse nicht immer und immer nur den Pferdefuß irgend­­einer persönlichen Gehäfsigkeit oder übereifriger Wichtig­­­thuerei zu erbliden. Eine solche Auffassung ist nämlich geeignet nicht nur den Widerstand und die Gereiztheit der ‚Betroffenen‘ zu erhöhnen, sondern sie vergiftet sogar den gesellschaftlichen Verkehr. Nebenbei bemerkt sind so manche gutgemeinte Anregungen und Winde, die leicht zu berücksichtigen geweten wären, völlig wirkungslos verhallt, und wir haben uns bald daran gewöhnt, wie unsere Streitgenossen im deutschen Reiche von Bismarck, von anderer Seite wie Druderschwärze auf Papier gewürdigt zu werden. Man fragt bei ung stets nicht nach dem Anhalt eines Auffages, sondern nach dem Bei­­­faffer. Daraus ist es auch zu erklären, daß ein engherziger Autoritäten­­­glauben in vielfacher Richtung jede freie Meinungsäußerung zu unterdrücen si bemüht, oder wenn sich schon jemand, der nach dem Taufschein noch sein Recht dazu hat, zu einem freien Worte aufschwingt, er in den Wind gesprochen zu haben gemärtig sein kann. Doch nun zurück zum Hauptthema, zu jenen vielen kleinen Weberständen, die aber der Stadt nit zur Bierde ge­­­reichen, sondern auch geeignet sind, Unfälle zu verursachen, wie der jüngste Unglückstal im Kanal der Schneidmühle beweist, wo vor einigen Tagen ein feines Kind ertrunken ist. Wer vom Bahnhofe über die Promenade und an der Hallerbastei vorbei — die Frafer wählen lieber diesen Weg troß der regulierten Bahngasse — in die Stadt einfahren will, hat da, wo der längs des Spitals führende Weg rechts auf die Rampe einmündet einen Heinen Uebergang zu passieren, der über dem­ ziemlich tiefen Straßengraben angebracht is. Da nun unsere Rofselenker nicht immer Künstler in ihrem Fache sind, liegt die Gefahr nahe, auf jenem, etwas primitiv hergestellten und geländerlosen MWedergang umgeworfen und in den Graben befördert zu werden. Wer glücklich gefallen ist und nicht gleich in das benachbarte Spital wandern muß, mag denn, Frafer und Stadtverwaltung verwünschend, weiter fahren. Aber in dem dur die städtische Neu­schule und das bekannte, in die stille Reitschulgasse führende Edhaus gebildeten Engpasse lauert eine neue Gefahr. Bekanntlich hat hier das Rinnsal ein ziemlich weites Flußbett und das Straßenpflaster läßt au Hier an grotesken Bildungen nichts zu wünschen übrig; außerdem steigt das Terrain zu beiden Seiten des N­innjals etwas jäh an, so daß die Begegnung z­­eier Fuhrwerte leicht zu Zusammenstößen führen kan. Sehr malerisch ist auch­ der über die brausenden Wasserfluten errichtete Fußsteg. Da­ diese­­r Verkehrshindernisse einer Stadt wie Hermannstadt nur nur unw­ürdig, sondern auch gefährlich sind, kann eine hiesige angesehene Familie bezeugen, die das Vergnügen gehabt hat, von einem Zifser auf das scheußliche Pflaster jeher unsanft gebettet zu werden. Wer als Fremder nach diesen an­­­genehmen Eindrücken auch die übrigen mittelalterlichen Reste Hermannstadts zu genießen wünscht, der mag den Weg ins Hotel zu Fuße „Hinter der Mauer“ bis auf den Hermannsplag fortlegen. Die Aussicht auf die Regulierung des Hermannsplages eröffnet eine reizende Aussicht in die Zukunft. Man wente sich zunächst die Bretter­­­promenade dadurch verschönt, daß auch der andere Flügel des Habermann’schen Heinshauses ausgebaut wird, und die häßliche Ede — das Absteigequartier fahrender Künstler niedrigster Ordnung — für immer verschwindet!*) Dann wäre die Herstellung eines gepflasterten Lehmweges eine Frage der kürzesten Zeit. An dem längs der Promenade sich einziehenden Fahrweg müßte die Reihung abgegraben und dieser erhöhte Fahrweg mit Bäumen bepflanzt werden. Damit wäre auch für Hermannstadt der Weg der Hauptstraße nach der Richtung Hin gefunden, in der sich die Stadt naturgemäß erweitert. Diesem Fahrweg müßte sich ein Reitweg anschließen, die beide als Verbindung mit der Erlenpromenade über den Grund des Stadtwirtschaftsamtes im Expro­­­priationswege hergestellt werden. Die Planierung und Bepflasterung des Hermannsplaßes wäre eine Auf­­­gabe, die nicht nur von der Wefthe­it, sondern auch von der Zweckmäßigkeit gefordert wird. Die Herstellung einer Hauptheerstraße, wie die angedeutete, für eine so große Garnison, wie Hermannstadt hat, wäre eine passende Anlage. Die Befeitigung des häßlichsten Fledes und Hauptseuchenheerdes unserer Stadt, der Heltauerthor-Bigam­e, ist schon ins Auge gefaßt worden und unseres Wissens nah im Stadium kommissioneller Beratung. Hoffentlich ist ihr Schiksal nicht das der Wasserleitung, die in den Sümpfen des Schewisthales verlaufen zu sein scheint. Auch die Ansiedelung auf der Hallerwiese eröffnet unserer Stadt ein neues Ausdehnungsgebiet. Der prachtvolle Grund hat eine Zukunft; vorläufig vollzieht sich der Ansiedelungsprozeß nur langsam, da alles nach den Gründen der Jofefstadt strebt. Die Rotenturmbahn wird der Hallerwiese eine be­­­deutendere Zugkraft verleihen. ‚ Eine Wanderung in die Josefstadt macht uns mit bedeutenden Schatten­­­festen unserer städtischen Topographie bekannt. Dieser freundliche, von unwohl« Habenden Bürgern bewohnte Stadtteil erinnert in der Tiefe und Betriffenheit seiner Straßengräben lebhaft an die Gemeinde Kastenholz, und nicht selten büßen die Suhrleute ihre Ungeschiclichkeit durch unfreiwilliges Abladen ihres Wageninhaltes in die Tiefe. Sehr­ drühend macht es hier der Mangel des Pflasters und insbesondere eines geregelten Wasserabflusses geltend. Da der Spülwasserwagen nicht einmal zur Winterzeit durch den genannten Stadtteil fährt, wird in allen Jahreszeiten der Spüllihht in die Straßengräben ausge­­­leert. Im Hochsommer entstehen nun im stagnierenden Schmugwasser Miasmen, die die gute Luft im genannten Viertel weithin verpeften. Auf wiederholte Klagen der Bewohner um Abhilfe hat man diesen geraten, vorläufig durch Ausgrabung eines entsprechend tiefen Loches in jedem Hofe, beziehungsweise Garten einen Ausgußort für den Spülicht herzustellen. Das ist indessen nicht überall durchführbar und erst recht ein zweifelhaftes Experiment. Die Her­­­stellung eines geregelten Abflusses oder die vorläufige Abhilfe durch den Spül­­­wasserwagen, die Abstellung des hier wieder sichtbaren Jauceabflusses auf die Gafse, erweist sich demnach aus sanitären Rücsichten als notwendig.) In dieser Beziehung dürften die Berwohner der übrigen Vorstädte besser daran sein. Wohin man aber immer gehen mag, überall drängt es einem der Mangel an Einheitlichkeit, Sauberkeit und Geichmad oft in der abstoßendsten Form auf. Ueber den Geichmad läßt sich schließlich streiten, und vor groben Verstößen nach dieser Seite Hin jcitigt selbst die gediegenste twissenschaftliche Bildung nid. Aber die Pflege der Ordnung und Reinlichkeit ist wesentlich der Behörde in die Hände gegeben, und darum ist es die höchste Zeit, daß für Hermanns­­stadt ein Niveauplan und ein Straßenregulierungsoperat festgestellt und zur Genehmigung am kompetenten Orte vorgelegt und diesem gemäß vorges gangen werde, um der hier Herrschenden Willkür und Geschmacklosigkeit bei Ausführung den Bauwerken jeder Art ein wirksames Gegengewicht zu halten. Der Schönheitssinn der in diesem Falle so wesentlich an der äußern Entwicklung unfer Stadt beteiligt ist, muß freilich zu Hause und in der Schule anerzogen werden. Bei diesem Anlaß bringen wir einen U­ebelstand zur Sprache, der je länger, desto mehr sich fühlbar macht, obwohl man gerechterweise die Abstellung desselben nicht von dem Stadtingenieur, sondern nur von den Bauherren ver­­­langen kann. u Hermannstadt wird neuestens viel gebaut, aber die Miet­­wohnungen, namentlich in der Oberstadt, werden fast ausnahmslos mit Rücksicht auf die relativ reichen Leute eingerichtet. Die Bauherren lieben aus Bequeme­­lichkeit und der höheren Rente wegen Wohnungen von 4—6 Zimmern nebst Zubehör für Mietparteien bauen zu lassen, Quartiere also, die hoch gestellte Militärs und Beamten, Dank ihrer großen Quartiergelderbezüge, auch wohl gestellte Rentner bezahlen können, die aber für den mittleren und kleineren Beamten selbstverständlich unerreichbar sind. Nun sind aber gerade die Schwächer besoldeten Beamten und Lehrer die theurer als­ um 150—300 fl. jährlich nach nationalökonomischen Gefegen nicht wohnen künnen und dürfen, hier wie überall in der großen Mehrzahl. Wohnungen dieser Art sind aber in Hermannstadt äußert selten und werden bei Neubauten in den besseren und gesundenen Vierteln der Stadt fast nie gebaut. Haben aber diese von der Vorsehung minder begüterten Miet­­­nehmer mit ihren Familien nicht auch einen Anspruch auf eine gesunde Woh­­­nung? Natürlich kann es niemanden einfallen, den Bauherren aus philan­­­thropischen Gründen den Bau von Wohnungen für das Bedürfnis der kleineren Leute zuzumuten und die Rentabilität wird auch für die Spitald­­­anlage in Häuserbauten das oberste Geiet sein. Aber wir meinen, zwei Woh­­­nungen zum Mietzing von je 200 fl. und 300 fl. erfordern nicht mehr Anlagekapital als eine größere Wohnung mit dem Jahresmietzing von 500 fl. und können in jedem Fall auf sichere Abnehmer rechnen. Wir sind unter dem Eindruckk dieser Reihe von V­orschlägen oder „Schmerzen” wie der ortsübliche bureaufrau­iche Ausdruck lautet, auf den zum Teil wohl gewiß begründeten Einwurf gefaßt, daß die finanziellen Verhältnisse unseres städtischen Gemein­wesens die Ausführung von ästhetischen Luftschlöffeln, (wie die Regulierung des Hermannsplates, Verbindung dieses mit der Extenpromenade) für längere Zeit nicht gestatten. Es Liegt uns indessen ferne unsere Vorschläge und Wünsche etwa in der nächssten Situng der Stadtvertretung in Form einer Legion von „Anträgen“ auf einmal vorzubringen. Dieser Vorgang wäre der sichere Tod aller dieser Lebensfähigen Pläne. Unser Zmwed ist allein der­ unserem Herrn Stadtingenieur ein Art Programm zu ent­wickeln und ihm bei diesem Anlasse auch anzudeuten, daß einige dieser Anregungen schon von unseren Stadtverschönerern beantragt, seither jedoch in Vergessenheit geraten sind und sich nur noch in der möbelhaften Form von frommen Wünschen in den Kreisen unserer Bewohnerschaft erhalten haben, und nur bei einem so akuten Anla­­ß, wie es die Wahl eines neuen Stadtingenieurs ist, fläche wagen­ sich wieder auf die Ober » Ei *) In der Spiefstadt macht sich der Mangel der Be doppelt fühlbar; es ist tief zu beklagen, daß jene in unsern Verhältnisssen oft bewährte Ein­­­richtung einfach aus der Welt geschafft worden ist, ohne daß bisher der Versuch­ ge­­­macht worden ist, sie zu erregen. *) Wie wir vernehmen steht die Ausführung dieses Planes in nicht allzus weiter Verne. Stimmen aus dem Publikum. Oeffentlicher Dant. Aus Anlaß der Auflösung der Löblichen Sporergasse-Nachbarschaft hat dieselbe den Betrag von 50 fl. dem Frauenverein zur Unterstüßung der evang. Mädchenschule in Hermannstadt gewidmet. In dieser freundlichen Spende, welche mit bestem Danke hiemit quittiert wird, erkennt der Verein mit großer Freude eine Würdigung und Billigung seiner bisherigen Bestrebungen ! Hermannstadt, 28. April 1892. Josefine Bielz, Vereins-Vorsteherin. Lokal- und Tages-Chronist. (Das 25jährige Jubiläum der Krönung Sr. Majestät des Königs) wird in den Tagen vom 7. bis 10. Juni unter großartigen F­est­­­lichkeiten vom ganzen Lande gefeiert werden. Wie die „Buddapester Korr.” meldet, wird im Parlament der Antrag gestellt werden, daß die Mitglieder der beiden Häuser des Reichstages korporativ bei Sr. Majestät erscheinen und ihre Huldigung darbringen mögen. Der Empfang des Reichstages in der Hofburg wird so voraussichtlich glänzend gestalten. Bei der Jubiläumsfeier werden die gesamten Munizipien des Landes vertreten sein. (Erzherzog Wilhelm.) Ueber den Aufenthalt Sr. E. und I. Hoheit des Erzherzog Wilhelm in Klausenburg wird unter dem 28. dv. Mts. gemeldet: Erzhherzog Wilhelm begab si Heute um Halb 10 Uhr vormittags­ in Begleitung des Korpskommandanten Baron Szveteney auf den Exerzierplag., t wo er die gesamte Staufenburger Artillerie inspizierte. Se. Hoheit drühte über die vorgenommenen Webungen seine volle Zufriedenheit aus. Um 5 Uhr fand im Hotel „Hungaria” ein Diner statt, zu welchen auch Obergespan Graf Beldy, Bürgermeister Albach und Stadthauptmann Deak geladen waren. Während der Revue war schönes Wetter, als der Erzherzog von dieser zurückkehrte, fing es a regnen an. Beim Diner spielte nebst der Militärkapelle auch eine Zigeuner­­­anda. — .e. Ef. und E. Hoheit Erzherzog Wilhelm traf Freitag mit dem Abendzug hier ein. Zum Empfang waren Korpskommandant Baron Anton Szdveteney, Obergespan Gustav Thalmann, Generalstabschef Oberst v. Guiessch, Bürgermeister v. Hochmeister und Stadthauptmann Robert Simonich erschienen. Se.­­f. und E. Hoheit verließ sofort nach Halten des Zuges den Salonwagen, begrüßte die erschienenen Herren und unterhielt sich kurze Zeit mit denselben, um dann ins Hotel „Neurihrer“ zu fahren. Da­­­ e. E. und f. Hoheit von der Neffe etwas ermüdet war, nahm hoch dieselbe den Thee im Bett.

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