Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1892. Mai (Jahrgang 19, nr. 5591-5615)

1892-05-04 / nr. 5593

z RedakttonundYdministraiion Heltauergasse23. crscheint mit Ausnahme des auf gsoims und Feiertage folgenden s sochentagesinglich. grbonnement fü­r Her­manstadt monatlich 85kr.,vierteljährlich 2fl.:'­0kr.,halb­­­jährigöfl.,ganzjährig 10fl.ohn­e Zustellu­ng in’s Haus,mit Zustellung 1 fl.,3fl.,6fl.,12fl. Ybonnement mitxiestversendung Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 fl., halbjährig 7 fl., ganz­ jährig 14 fl. Für das Ausland: vierteljährig 7 ARM. oder 10 Fres., halbjährig 14 AM. oder 20 Fres., ganzjährig 28 RM. oder 40 Frea. Unfransicte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgestellt. Wre. 5593. XIX. Jahrgang Siebenbürgisch-Deutsches Hermannstadt, Mittwoch 4 Mai Pränumerationen und Anferafe Bistritz &. Wachsmann, Sächsisch-Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Battoni, Zehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danno­­­berg, Pest A. V. Goldberger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G: L. Daube & Co., Hamburg Adolf Steiner, Karoly & Liebmann. Infsrtionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmonbreite fortet beim einmaligen Einrücen 7 fr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. ö. W. ex­­­clusive der Stempelgebühr von je 30 Er. 1892, übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauer­­­gasse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresswandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann,­­­ Volitische Treibereien. Die Gegner des Ministeriumsd Szaparty arbeiten dermalen in der Presse mit Effekten und Schlagworten, wie sie zu Beginn der sechziger Jahre im Schwang waren, um den nationalen Widerstand gegen die österreichische Zen­­­tralisation in Atem zu erhalten. Man Yieft die Schlagworte „Petschumwin­d- Regierung“, schwarz-gelb­, „Gesamtmonarchie“ und der E. u. f. Doppeladler wird von fliege- und beutelustigen Journalisten der nationalen und unab­­­hängigen Opposition täglich aufs Korn genommen. Der uneingeweihte Leser müßte nach solchen Preßstimmen auf den Gedanken kommen, daß die magya­­­rische Nation gegenwärtig unter dem unerträgligen Jod einer verhaßten Fremdherrschaft schmachte. Auf die Frage: wann war Ungarn groß? ant­­­wortet „Ellenzet“, das SMlausenburger Organ der Ugron’schen 1848er (in Nr. 98 vom 30. April): „Damals, als er ein nationaler und selbständiger Staat war. Al in seinen Söhnen das nationale Gefühl kräftig war und als im Herzen aller das Feuer des Patriotismus brannte. Damals war es groß, als man dieses zwischen den Bergen der Sarpathen liegende schöne Land Ungarn nicht nur nannte, sondern als er dies auch thatsächlich war, sowohl im staatsrechtlichen, als geographischen Sinne. Damals war es groß, als die feine Geschlte Leitenden Männer vom Scheitel bis zur Sohle Magyaren und Patrioten waren. Damals war er groß, als Oesterreich und Wien nur sein Rahbar und nichts anderes war. Damals war Ungarn groß, als er im europäischen Konzert an ein besonderer Staat seinem Ansehen Geltung zu­­­ verschaffen wußte — auch ohne das schwarz-gelbe Portesepee. Damals war es groß, als die sein Geil reitenden Männer in Patrio­­­tismus und nicht in der Hyperloyalität sich gegenseitig zu übertreffen strebten.” Und nun malt „Ellenzer“ in Schwarzen Farben den politischen und mo­­­ralischen Niedergang Ungarns, der natürlich nur die Folge „der unglückeligen Negierungspolitik und ihres derzeitigen Haupthelden, die Grafen „Julius Szapary” sei. „Oft hat der Schöpfer den Magyaren heimgesucht, aber noch­ nie so schwer geschlagen, wie damals, als er Szapary der Nation auf den Namen fegte.“ In dieser Tonart wird täglich gegen die Regierung und ihr derzeitiges Oberhaupt gehebt. Die Regierung und ihre Organe bewahren bisher Tak­es Blut und be­­­haupten sich in der Defensive, nicht ohne Hin und wieder mit seinen Kon­­­zessionen den rasenden See zu beschwichtigen. Natürlich fannen die Opfer ge­­wöhnlich nur auf Kosten der nichtmagyarischen Nationalitäten und der gemein­­­samen Angelegenheiten gebracht werden. Anders wird die neue Agitation in der nichtmagyarischen Presse beurteilt. So schreibt das „Agramer Tagblatt“ über die „Spektakel im Budapester A­b­­­geordnetenhause” (Nr. 99 vom 30. April): „Das ungarische Abgeordnetenhaus hat in der abgelaufenen Woche wieder einmal seine Ereignisse gehabt. Bei der Verhandlung des Budgets des Mini­­­steriums des Innern kam wieder einmal die schwarz-gelbe Trage aufs Tapet, und die Opposition aller Abstufungen entregte sich in fürchterlicher Weise dar­­­über, daß die magyarische Staatsidee durch sch­warz-gelbe Passepoils in den Säbelgurten der F. ung. Gendarmerie, beeinträchtigt werde. Wir begreifen im allgemeinen die Eifersucht der magyarischen Patrioten ganz gut, mit welcher diese selbst die geringfügigsten Merkmale der staatlichen Selbständigkeit Ungarns zu frngen bestrebt sind, denn in solchen Dingen pflegt eben das eine das andere mit sich zu bringen und man kann da angesichts der auf allen Seiten dauernden Lüsternheit niemals vorsichtig genug sein, niemand­ auf die Wach­­­samkeit und Empfindlichkeit des Volkes energisch genug einwirken, wenn man es nicht riskieren will, durch fortgefeßte Nachgiebigkeit in nebensächlichen Ans­­gelegenheiten, schließlich auch die Hauptsache selbst zu gefährden. Aber dieser Furor der magyarischen Opposition, so oft es­­st auch nur um die geringste nationale Ambition und Berechtigung handelt, berührt uns doch stets mit einigem Widerwillen und ist in dem speziell jet vorliegenden Falle auch nicht ganz frei von einem gewisen Fomifchen Beigeic­madhe. Einen Anspruch auf die Achtung ihrer Rechte hat nämlich nur diejenige Nation, die auch die Rechte anderer zu respektieren gemilst ist, wie es aber in dieser Beziehung das Mas­­charentum hält, davon wissen wir Kroaten ein Liedchen zu singen. Anderer­­seits erinnert man sich aber angesichts der Höhe den Gendarmerie-Borte­ epees gegenüber der Thatsache, daß diese schon seit zehn Jahren den sch­warz-gelben Einschlag haben, ohne daß es der magyarischen Opposition bisher eingefallen wäre, sich darüber zu entrüsten. Der heilige patriotische Zorn wird deshalb auch dieses Mal wohl nicht ganz frei sein von ein­­­em­ wenig Nancine dem Ministerpräsidenten Grafen Szapary gegenüber, den man nun einmal ent­ ichlosfen scheint, alle nur irgendwie aufbringbaren glühenden Kohlen auf das sorgenvolle Haupt zu streuen.“ Aber die Schicsale der P­erson des Ministerpräsidenten einreden in dem „Agramer Tagblatt” nur geringes Bedauern. „Was uns betrifft — so jeßt das Blatt seine Bemerkungen fort — so macht er es, wie e3 die übrigen vor ihm gemacht haben, und wie er vermut­­­lich an die übrigen nach ihm machen werden, so lange die internationale Konstellation so freundlich ist, den magyarischen Staatsmännern die schiere Arbeit des Nachdenkung über eine vernünftige, dauernde Erfolge verheißende innere Politik zu ersparen. Aber wenn­­­ auch für uns einstweilen noch so ziemlich alles eins ist, ob der oder jener an der Soige der ungarischen Re­­­gierung steht, so haben wir doch einiges Interesse daran, daß nicht jedes zweite dritte Jahr ein anderer dort stehe, sondern daß in Ungarn. Soweit in einem konstitutionell regierten Staate überhaupt die Rede davon sein fan. Konsoli­­­dierte Negierungsverhältnisse plaßgreifen. Wir sagen dies, obwohl wir damit von unserem Standpunkte vielleicht einen taktlichen Vorteil hintan fegen, in der ferne nämlich die Frage immerhin erwogen zu werden verdient, ob zerfahrene politische Verhältnisse in Ungarn der Geltendmachung unserer Rechte nicht besser zu statten kommen, als solche mit starken, gefestigten Regierungen ? Wir sind jedoch nicht engherzig und egoistisch genug, über unsere eigenen Interessen, diejenigen der Gesamtmonarchie zu vergessen, und für diese kann es, zumal unter der gegenwärtigen Unsicherheit der internationalen politischen Lage, und angesichts des in Angriff zu nehmenden großen Werkes der Valutaregulierung, seineswegs ers­rießlich sein, wenn Ungarn aus den parlamentarischen und Re­­­gierungsfrisen gar nicht mehr Heraus zu kommen scheint. Andererseits dürfen wir und da aber wohl auch der Anekdote mit dem asiatischen Staatsmanne erinnern, den sein Herrscher aus Strafe mit Honig überstreichen und an einen P­fahl binden Tief. „Warum mehrst du die Bienen nicht ab, die dich ja so sehr quälen ?" fragte der orientalische Zürst seinen so exemplarisch bestraften Minister. „Was würde es mir nügen?” gab dieser weise zurück. „An Stelle der Fortgejagten, kämen andere, noch Hungrigere und thäten mir noch mehr wehe.“ Meüffen nicht auch wir befürchten, das auch jeder neue ungarische Ministerpräsident der Versuchung anheim fallen würde, uns die Moral dieser Anekdote empfinden zu lassen und sich immer wieder einen neuen Kranz der so wohlfeilen Kroatischen Lorbeeren um die patriotische Süirne zu winden?! „Wie es den Anschein hat, dürften aber unter den derzeitigen Disposi­­­tionen der politischen Kreise Ungarns, die so sehr wünschenswerten konsolidierten Verhältnisse nicht gar so bald zu erwarten sein, denn man dort der parlamen­­­tarischen Sachlage das kennzeichnende Merkmal verleiht, das ist im Grunde genommen, wenn man von den Tendenzen der Kossuth-Partei absieht, wenig mehr, als die persönliche Ambition. Heute schreit Graf Albert Apponyi: „Hebe dich hinweg, damit ich mich an deine Stelle fege“, und morgen wird dasselbe Herr Gabriel Ugron, oder irgend ein anderer Schreien. Es geht den Magyaren eben zu gut. Sie haben si eine Position errungen innerhalb der Monarchie, und damit auch in Europa, wie sie eine solche gar niemals zuvor eingenommen haben, nicht einmal in den Zeiten ihrer ruhmreichsten nationalen Könige. Und wenn es zu gut geht, der pflegt bekanntlich aufs Eis tanzen zu gehen. Sie, die eigentlich kaum den sechsten Teil der Bevölkerung der Monarchie ausmachen, die nicht einmal im eigenen Lande die absolute Majorität repräsentieren und sicherlich seine fünfzehn Prozent der gemeinsamen Geld- und Blutsteuer tragen, sie führen heute das entscheidende Wort in Oesterreich-Ungarn. Sie machen zu Hause, was sie wollen; ihr Einfluß auf die inneren Angelegenheiten der österreichischen Reichshälfte ist nicht in Abrede zu stellen, und was die aus­­­wärtige Politik anbelangt, so vermöchte dieselbe wohl auch der inkarnierteste magyarische Chauvin ist sich nicht anders zu unwünschen, als sie ist. Darf man si da darüber hindern, wenn Hans im Glüce die Kontenance verliert und übermütig wird? Es wäre ja beinahe unnatürlich, wen diese unsere Freunde bei einer solchen Ueberfülle von Glückkgaben nicht aus dem Häuschen geraten yieden. Aber­­­ noch feinen sah ich fröhlich enden, auf den mit immer vollen Händen, die Götter ihre Gaben streun! Das sollten wohl auch unsere magya­­­rischen Verbündeten bedenken. Denn wenn sie es auch vielleicht selbst zu glauben geneigt t­ären, so glaubt er deshalb doch niemand anderer, daß sie ihre heutige Machitelung nur den eigenen nationalen Vorzügen und Tugenden verdanfen. Der Schlüssel zu der heutigen Position des Magyarentums ist vielmehr in erster Reihe in Oesterreich zu suchen. Die Schwäche der dortigen innerpolis­­tischen Verhältnisse, Hand in Hand mit der Desorganisation und politischen Unbeholfenheit der Nationalitäten in Ungarn bedeutet die Stärke der Magyaren und wenn man auch anerkennen muß, daß sie es in sehr geschickter Weise ver­­­stehen, diese Vorbedingungen für ihre Hegemonie herbei zu führen und aufs recht zu erhalten, so darf man sich doch sagen, daß dieses nicht immer so an­ gehen werde. Wie stürmisch auch die politische Oberfläche in Oesterreich fich­­te — sie ist bereits im Glätten begriffen. Das erleidet feinen weifel. “ Politische Hebersicht. Hermannstadt, 3. Mai. Ein hervorragender, ehrwürdiger, von allen Parteien gleichermaßen vers­­ehrter Mann des öffentlichen Lebens Ungarns feierte in diesen Tagen sein 90. Geburtstagsfest. Baron Nikolaus Bay, der Kronhüter und Präsident des ungarischen Magnatenhauses, gehört zu denjenigen, immer seltener werdenden, Vertretern der alten politischen Schule, die nicht im heißblütigem Aufturn und sinnlosen Chauvinismus, sondern­­­ in unweiler Mäßigung, Gerechtigkeit und unwandelbarer Treue gegen Thron und Gejeß ihren lauteren Patriotismus bethätigen. Am 29. d. M. Hat Se. Majestät in einem ungewöhnlich warn gehaltenen Glückwunschtelegramme Akt von dem seltenen Fest des greisen Staats- Mannes genommen: Der Kaiser ımd Slönig an Se, Erzellenz den ungarischen Kronhüter und Präsidenten des Magnatenhauses Nikolaus Freiherrn von Bay in Buden­­peit, „Hotel zur Königin von England,“ Empfangen Sie anläßlich der 90. Jahreswende Ihres Lebens Meine aus der Tiefe Meines Herzens stammenden Glündwünsche. Geachtet und geliebt vom ganzen Lande, Fannen Sie an diesem, durch die Gnade der göttlichen Fürsorge in vollkommen körperlicher und geistiger Kraft erreichten Freudentage mit Stolz auf die vielseitigen ausgezeichneten Dienste zurückligen, welche Sie auf Ihrer verdienstreichen Lebensbahn Mir und dem Lande geleistet haben. Der Allmächtige möge Sie noch viele Jahre zu Meiner Freude, zum Wohle des Baterlandes glück­ch und gesund erhalten, dranz Josef. Im ganzen Lande und überall, wo wahrhaft staa­tsmännische Tugenden und Verdienste geschäßt werden, wird dieser von höchster Stelle ausgesprochene Slücwunsch Tebgarten Widerhall erwecken. Am 29. April wurde im preußischen Ageordnetenhause die erste Beratung über die Nachtragsforderung für den Gehalt des Minister- Präsidenten abgeschlossen und schließlich die Forderung dem Budgetausschusse überwiesen. Die Debatte drehte si, wie am Vortage um die Volksschulfrage, welche den Anstoß zur Veränderung innerhalb des preußischen Staatsministeriums gegeben hat. Der Abgeordnete Lieber vom Zentrum hielt eine heftige Rede gegen die Regierung. Im Lande sei der Ausgang des Kampfes um das Schul­­­gejeg als eine Niederlage des Christentums verstanden worden. „Die Bahn, die Sie (Links) gehen, führt rettungslos zur Sozialdemokratie. (Gelächter Yinis,) Wir im Zentrum stehen fest auf dem Boden der Mederzeugung und sind voller Benilleton. . Stürmische Zeiten. Eine Stadtgeschichte aus dem Nordosten des siebenbürgischen Sachsenlandes im 17. Jahr­­­hundert von ©. Daihendt. (12. Fortlegung.) Die allzeit heitere Frau schien über Gerhards Benehmen betroffen, doch kannte sie den Nachbarssohn von früheren Jahren her: Oft war er stürmisch davongeeilt mit den zornigen Worten, mit Dore wolle er sein Leben lang au­s Per zu schaffen Haben, Freilich jegt . . . Was mochte e8 nur gegeben Dorothea warf si schluchzend an der Mutter Brust. Und als sich die Aufregung gelegt Hatte, der Erstaunten den Sachverhalt. Sie schüttelte gedankenschwer ihr Haupt, tröstete die Tochter und wußte nur zu gut, daß mit der stattgehabten Szene ein langgehegter Lieblingswunsch ihres Gatten zu Wasser geworden. Was der Mönch nur gewollt? Was Gerhard verbrochen hatte? Wie schwer mochte es Dore ge­wesen sein, wochenlang schon das Geheimnis de Briefes zu wahren. Sie selbst fühlte eher eine freudige Empfindung, daß es sich so gefügt, denn Gerhard Tugenden — 0, sie hatte als besorgte Mutter, einen klaren Eid — sein ganzes Aussehen, sein Auge — waren für sie der Spiegel ge­­wesen, daß der Leichtsinn des jungen Mannes bereits zum Versinsen — — „Nicht allzuviel darüber gesprochen“, dachte si die liebende Mutter. „Mit sich selbst kommt man, wenn man sich erst einmal ausgesprochen hat, am besten zurecht.” Und als ob nichts unangenehmes vorgefallen, ging die Zunft­­meisterin ihrer Hänglichkeit nach. Dorothea versuchte weiter zu arbeiten. Unfähig dazu starrte sie in das fladernde Licht der Kerze. Wie die Flamme derselben so suchten auch ihre verschiedenartigen Gedanken durch ihr Inneres, bis 8 fi in ihr Far empor­­­rang, daß sie an Gerhard Eyben gefettet unglücklich für ihr Leben gewesen. Er wollte si die Freude auf ihre Wangen drängen. Etwas tauchte beglühend in ihrer Seele auf — «8 nahm die Gestalt von fesselnden braunen Augen an — da wurde die Stubenthüre geöffnet und Lene Kühlmar eilte auf Dore zu. Die beiden Mädchen umarmten sich in der Freude des Wiedersehens. Seit den Tagen des Oktober hatte man ich nicht mehr gesehen. Es war in den sonnigen Tagen des Oktober gewesen, da die beiden Familien zusammen einen Ausflug nach dem Schieferberg unter­­­nommen hatten. Hans und Gerhard hatten die Jun­gfrauen begleitet. Seit der Zeit waren ungünstige Witterung und Krankheitssäle die hindernden Ursachen der Trennung gewesen. „Da ist es denn doch gut­, meinte die Zunftmeisterin, wenn man solch’ gewwichtigen Boten, twie deinen Pathen, senden Fan. Der richtet es schon aus, daß wir auch ein Anrecht auf unser P­athen sind Haben.“ „Chyrurgus Sandel“, meinte Lene, erlaubte uns den Austritt aus dem Hause nicht, obzwar Andreas nur die unechten Blattern gehabt, sonst wäre ich früher schon gekommen, wohin es mich so gerne zieht.“ Lene ergriff freudig die beiden Hände ihrer Freundin. In der Sopha­­­ee fanden die beiden Mädchen, nachdem Dorotheas Mutter das Bm­mer verlassen hatte, ein trautes Plauderplägchen. So saßen sie beide Hand in Hand. Welch ein lieblicher Anblick, die beiden Freundinnen, in ihren leisen Mitteilungen. ihre Köpfchen gegeneinander gelehnt, erzählten sie sie die Er­­­lebnisse der legten Wochen. „Und die Huldigungen Konrads“, sprach Lene, „Kann ich nachgerade nicht mehr ausstehen. Auf Schritt und Tritt werde ich von ihm verfolgt. Mir wäre es Schon Lieb, er verschonte mich mit feinem Ritter-Minnedienst.“ „Das nimmt mich Wunder“, sprach Dorothea , „du stelltest dich doch Konrad Robau nicht eben spröde entgegen, wenn wir in der Spinnstube oder bei anderer Gelegenheit ung mit Pfänderspielen ergößten. War es es nicht stets, den du zu deiner Erlösung liefest?“ „Du toirst doch wahrlich nicht im Ernste meinen, ich hätte Konrad jemals irgend­­eine Berechtigung gegeben, mich derart zu belästigen? Bei der nächsten Gelegenheit werde ich ihm den Unterschied zwischen den Grenzen des Spieles und der Wirklichkeit Ear Iegen, ihm begreiflich machen, daß die Meisterstochter für einen Gesellen aus der Fremde nicht die Bierscheibe seiner verliebten Blice abgeben künne. E3 sol ihm vergehen, ferner mich .“ ws „Du bist ja förmlich erregt, Lenchen”, fiel Dore der Sprecherin besorgt in die Rede. „Was hat e3 denn zwischen eich beiden gegeben ? du bist ihm ja völlig gram geworden.” „Was e3 gegeben hat? Nichts!" erwiderte Lene, „Vielleicht, daß er meine Freundlichkeit falsch gedeutet.“ „Ich will offen sein, Lene“, sprach Dorothea. „Du selbst hast wiederholt Konrads Vorzüge gepriesen und ihn mit diesen blauen Aeuglein da mehr als nötig herausgefordert. Ob er deinerseits nur ein Spiel twar, ob du es unbewußt gethan, dag wirst du am besten wissen.“ « " Lene war verstummt.Dann sprach sie halbtrotzig: »Es gefiel mir,den vernarrten Menschen am Gängelbande zu leiten. IH glaube, er brächte mir die Sterne vom Himmel, wenn ich er forderte. Daß er mir aber niemals nur den geringsten Widerstand entgegenfeßte, das macht ihn in meinen Augen verachtungswürdig. Ein Mann und­ sich so gängeln lassen!“ „Das mag ein Zeichen seiner großen Liebe zu dir sein“, bemerkte Dorothea.­­­ „Mag fein“, entgegnete Lene. „ALS ich aber neulich sah, wie Konrad unseren Lehrling Jakob mißhandelte, da ist er mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Wie nur konnte ich so lange mich mit einem solchen rohen Menschen abgeben? Seit der Zeit habe ich es vermieden, ihm auch um die kleinste Gefälligkeit mehr anzusprechen.” „So hat auch­ bei dir ein Augenblick entschieden, ein dir häftiges Ver­­­hältnis zu Töten.“ ALS Dore ihrer Freundin mitgeteilt, daß sie mit Gerhard gebrochen, konnte leßtere nicht ,umbin ihr zu sagen, wie oft es ihre Eltern bedauernd ausgesprochen, daß sie an dem Liderlichen Senatorssohn gebunden werden solle. Das Gespräch stodte eine Weile, dann fragte Lene Hartig, ob Dore Rudolf Rohrbach bereits fenne. Sie war voll Lob über die Höflichkeit, Bescheidenheit und das feine Benehmen desselben. Dorothea teilte der Freundin mit, daß sie frz vorher seine Bekanntschaft gemacht; sie erzählte ihr lachend die fomische Situation und konnte es nicht unterlassen, die feine Art des jungen Mannes ebenfalls hervorzuheben. „Er kann getrost sich mit den Zünglingen aus unseren besten Häusern im feinen Anstand und Unterhaltungsgabe messen“, schloß sie ihren Bericht, aben­­­ erzählte sie Ein unbestimmtes

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