Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1893. März (Jahrgang 20, nr. 5844-5869)

1893-03-01 / nr. 5844

Seite 208 Hermannstadt, Mittwoch) die Interessenten in allen Blättern auf, sich zu melden, da der Staat geneigt sei, brach liegende Gründe zur Beholzung anzulaufen. Nun haben sich im ganzen sechs Leute gemeldet, und aus der am meisten liagenden Gegend sein einziger. Ich nehme alle guten Ratschläge gern an, aber wie das Erxempel zeigt, sind nit alle praktisch durchführbar. « Hinsichtlich der Obstkultur wünsche auch ich,so wie mein geehrter Freund, eine systematische Aktion,und er wird aus der Vorlage über die Feldpolizei eksehen könnem daß wir bestrebt sind,dahinzuwirken,daß jede Gemeinde eine Baumschule und einen entsprechenden Manipulanten für dieselbe haben soll.(Zustimmung.)Was möglich war,habe ich auch schon bisher gethan,und es giebt schon in verschiedenen Teilen des Landes gut geleitete staatliche Baum­­schule,welche überall billige und für die Gegend angepaßte Setzlinge bieten. Für die obere Gegend,wo die klimatischen Verhältnisse Schwierigkeiten der Obstkultur bieten,habe ich schwedische und russische Aepfelgattungen züchten lassen,welche eine sichere Ernte versprechen.(Allgemeine Zustimmung.) Mein geehrter Freund Graf Alexander Karolyi hat mein Budget mit größtem Wohlwollen kritisiert.Aber trotzdem wir hinsichtlich der Details im allgemeinen übereinstimmen,hat er das Budget meines Ressorts dennoch abge­­lehnt,weil der Minister des Innern nicht seine Wünsche hinsichtlich der Ein­­wanderung der russischen Juden erfüllt,weil der Justizminister keine Vorlage hinsichtlich der Kommas­ation einreicht, und weil der Handelsminister nicht das, was bisher in sein Ressort gehörte, meinem Ressort zumies. Hinsichtlich meines Refsorts brachte er nur die Frage der Regeneration der Nebenkultur vor, welche Frage auch von den geehrten Herren Abgeordneten Bela Bernat und Sulius Litz zur Sprache gebracht worden ist. Man beschuldigte die Regierung des systemlosen Umhertappens, daß sie nicht genug Geld auf diese Sache ver­­wendet, und daß von der Regierung mehr erwartet wird. ch will darüber nicht streiten. Wenn die Frage nur auf diesem Wege gelöst werden kann, ist allerdings direkte Staatshilfe nötig. Man darf jedoch hiebei das Beispiel des Auslandes nicht aus den Augen verlieren. In Frankreich thut die Regierung in dem Sinne, wie es hier gefordert wird, fast gar nichts. Sie beschränkt sich dort bloß auf Versuche und verwendet bloß 100.000 fl. auf Subventionen. Dort helfen sich die Interessenten und die Genossenschaften selber. In Detters­reich wurden 1892 im Ganzen 700.000 Stüd Reben verteilt, während wir im Vorjahre 7 und jet gar 9 Millionen Reben verteilen. In Deutschland beschränkt sich die Regierung auf die bloße Ausrottung. Dort fügt man sich aber so sehr den behördlichen Verfügungen, daß es gelungen ist, das Uebel zu isolieren. Obzwar nun auch ich wünschen wide, über größere Geldmittel für die Hilfsaktion zu verfügen, möchte ich Boch nicht so weit gehen, wie mein geehrter Freund Bela Bernard. Er fordert, man möge den zu Grunde ge­­gangenen Weinbauern zur Regenerierung ihrer Gärten staatliche Darlehen ge­­währen. Zweimal wurde darüber beraten, ob man 300 fl. oder 500 fl. per Soc geben soi, aber selbst wenn man das Mittel, 400 fl. geben würde, so möchte, um ein Beispiel anzuführen, die Stadt Wericheg allein 6—8 Millionen beanspruchen. Im ganzen würde es si da also um 100—200 Millionen handeln. (Widerspruch Linf.) » Dementgegen bewährt sich die von mir befolgte Methode.Die Gemeinde­­genossenschaften,welche amerikanische Anlagen erhalten,vermehren sich bedeutend. Während es vor drei Jahren kaum 70 gab,existieren jetzt schon ungefähr 700.Gerade für die Tokajer Gegend war­ hauptsächlich auf Initiative des Herrn Abgeordneten­—die Regierung am freigebigsten in der Unter­­stützung der Genossenschaften.Das ist auch die zweckmäßigste Methode der N Regenerierung. Alljährlich wird Fund gemacht, daß jede Gemeinde, die beim Ministerium darum ansucht, gratis Neben erhält. Soweit als möglich er­­halten die Betreffenden auch Geldhilfe, und es kann behauptet werden, daß nr geeignete Leute die Sache in die Hand genommen haben, sie auch von Erfolg begleitet war. (Bestimmung rechts.) In Hinkunft werden wir ung icon vollständig vom Auslande emanzipieren können, da wir so viele ameri­­kanische Neben produzieren, daß unser Bedarf gedecht ist. (Bestimmung rechts.) So muß auch noch die vom Abgeordneten Lit3 gegen mein Ressort vorgebrachte Klage beantworten. Er sagte, ich möge nicht bloß stets beraten und planen, sondern auch etwas schaffen. Ich muß jedoch bei meinen Ber­­atungen bleiben und kann auch ihm das nur empfehlen, damit er in Hin- Eunft, nicht so wie jegt, offene Türen einrennt. Ich meine hiemit das eld­­polizeigefeg. Ich zeigte, daß die Aktion in der Phyllogerafrage Feinesswegs ein Herumtappen ist, sondern von Erfolg begleitet ist, da feßt alle Gegenden mit Wanderlehreren versehen sind, die ihre Aufgaben mit Eifer und Ver­­ständnis erfüllen. (Bestimmung rechts.) Der Herr Abgeordnete forderte auch, man möge einer Gemeinde Zuchtschweine schenken und daß Diese Ge­­meinde nur seche Tiere bekommen hat, und zwar zu spät und zu teuer. Nun fehlte damals die von jener Gemeinde geforderte Qualität und deshalb konnte man ihr bloß jechs Tiere geben. Wenn man auf der einen Seite fordert, ich solle jene Tiere billig hergeben, und andererseits fragt, daß jene Gestüts­­güter zu wenig tragen, muß ich wohl den Mittelweg einschlagen. Auch habe ich infolge des Impulses meines geehrten Freundes Verfügung getroffen, daß in diesem Jahre ungefähr 300 Zuchtpferde zu billigen Preisen für Die Ge­­meinden zur Verfügung gehalten werden sollen. (Allgemeine Zustimmung.) Was die Ueberlassung ausgemusterter Stuten für Landwirte betrifft, bin ich mit meinem geehrten Freunde nicht ganz einverstanden, denn Die ausge­musterten Stuten bilden zwar vortreffliches Nähmaterial, aber als Zuchtmaterial bestehen sie nicht die Kritik, da sie eines Konstitutionsfehlers oder ihres Alters wegen ausgemustert werden. Julius Lits: Ich Sprach von vierjährigen Stuten ! (Schluß folgt.) msnsnerE Em verficht auch überzeugt, Graf Ayned werden si versöhnen Lassen, beschloß er, sie ohne des Vetters Einwilligung zu vermählen. Graf Wolfred, dem Ein­ Huß seiner Gemahlin folgend, zeigte si einverstanden. Auch er legte dem Widerspruch Graf Nyneds zu wenig Gewicht bei. Derselbe verlegte ihn, denn was konnte man der lieblichen Baroneß Tint wohl anderes nachjagen, als daß eine, daß sie arm sei? Und was hatte dies für den einstigen Erben von Drochlowig zu bedeuten?! An Karl Reichenburg in solchem Hinblick in die Zukunft zu denken, lag schon lange außer dem Bereich der Möglichkeit. Zudem — Boenko war der Sohn der älteren­­ Vatersichweiter des Herrn auf Drohlowig und somit wohl berechtigt zur Erbfolge. Die Vermählung der beiden Liebenden fand statt. Da Graf Guido schwer erkrankt war und der Butritt zu ihm sich als unmöglich erwies, hatte der zum Rittmeister aufgerüd­e junge Gatte, der gleich­­zeitig nach Ungarn kommandiert wurde, mit seiner Gemahlin die Gegend ver­­lassen, ohne seinen Vetter noch einmal zu sehen. Dieser erholte sie von der schwersten Enttäuschung seines Lebens nicht­­ wieder, dieselbe Hatte seinem schwachen Körper den Todesstoß verlegt. Noch einmal fladerte das jümmerliche Lebensflämmchen auf zu einem einzigen Ent­­schluß. Dies war in jener Stunde, in welcher der Graf seinen Sachverwalter kommen ließ und ihm seine Befehle betreffs seines Nachlasses kundgab. Ein neues Testament ward abgefaßt, das vor Jahren entworfene, t welches Ebenso zum Erben einfeßte, vernichtet. Wenige Wochen darauf, nachdem er der Mit­­teilung Boenkos, daß ihm ein Töchterchen, Octavie, geboren worden sei, mit vollständigem Stillschweigen begegnet war, endete der Tod dies jammervolle Dasein. Niemand beweinte dessen Erlöschen. Die beiden Vettern eilten aus ihren entfernten Garnisonen herbei, um dem Verstorbenen die legte Ehre zu erweisen. Nach dessen Beilegung fand die Teftamentseröffnung ftatt. Guidos legter Wille Tautete: « »Nur im Hinblick auf ein altes Gesetz unseres Hauses nehme Ich Abs stand von meinem Vorhaben,die Söhne der Schwestern meines Vaters, Karl Graf­­ Reichenburg und Zdenko Graf Slansky gänzlich und für alle Zeit von dem Antritt meines Nachlasses auszuschließen. 3 habe während meines Lebens von denselben nur Böses erfahren und seinerlei Ursache, mich ihrer in Güte und Wohlwollen zu erinnern. Nein, ich gedenke ihrer in Haß. (Fortlegung folgt.) Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt. Nr. 5844 Bules Ferry Wahl zum Senatspräsidenten der fran­­zösischen Republik. Ein unerwartete Ereignis erregt in Frankreich außerordentliches Aufsehen: Fules Ferry ist zum Präsidenten des Senates ge­­wählt worden. Dieser Erfolg des verhaßten „Tonkrnesen“ ist nach zwei Richtungen hin von Wichtigkeit: Erstens als eine­ gegen Carnot gerichtete Kundgebung, zweitens als Wiederholung der Wahl Ferrys auf einen der ersten Pläne im Rate der französischen Republik. Als eine Kundgebung gegen Carnot? Ya, das bleibt die Wahl, troß der Auslegung, die der Fluge Ferry der ihm gewordenen Auszeichnung geben läßt, denn der Präsident der Republik hatte, wie nicht geheim geblieben tvar, die Kandidatur seines Freundes Magnin, des Gouverneurs der Bank von Frankreich, lebhaft unterstüßt. Da diese seine Stellung für Magnin ein Hindernis der Uebernahme des neuen Amtes gewesen wäre, so hatte sich derselbe bereit erklärt, seinen Bosten an der Seite der Bank aufzue­geben, und schon waren bei Zoubet, einem andern Freunde Carnots, Schritte gethan worden, ihn zum Eintreten in die von Magnin zu verlassende Stellung zu bewegen. Auch der Ministerpräsident Ribot war ein eifriger Gegner der Kandidatur Ferrys, aber trog dem, oder vielleicht gerade deshalb, fiel die Wahl eben auf diesen. Schon im ersten Wahlgang bei der V­orabstimmung innerhalb der republikanischen Gruppen erhielt Jules Ferry die große Mehrheit: 70 Stimmen, während auf Magnin 44, auf Challenel-Lacour 23 fielen; die übrigen zersplitterten sich. Beim zweiten Wahlgang wuchsen die Stimmen Ferry auf 87, diejenigen Magninz nur auf 53. Damit war denn der Sieg des ersteren in der Hauptwahl entschieden. So kfehrt also dieser bedeutende Mann auf die politische Bühne zurück, von der ihn am 30. März 1885 eine gewaltige Entrüstung der öffentlichen Meinung und der Kammer, wie es damals schien, für immer, Hin­weggefegt hatte. „Le ZTonkinois” nannte man ihn, aber der richtige Name, der den ganzen gegen ihn fi aufbäumenden Haß erklärte, war: „le Bruffien“. Er hatte es, nachdem er am 21. Februar 1883 an die Sorge eines neuen opportunistischen Kabinett getreten war, gef­ragt, mit Deutschland freundlichere Beziehungen zu suchen, um die europäischen und mittelbar die französischen Interessen in Egypten sowie in Westafrika zu wahren. Das war sein Verbrechen — viel mehr, als die Niederlage der französischen Truppen in Tonsin März­ 1885, für die er als Sündenbod her­­halten mußte. Daß er die ganze Kraft Frankreich nach Hinterindien lenkte und sogar vor einem Kriege mit China nicht zurückscheute, statt nach dem „Loch in den Vogesen“ zu schauen, das konnte man ihm nicht verzeihen, au) dann nicht, als sein damaliges Vorgehen in den Thatsachen seine Rechtfertigung gefunden hatte. Kurze Zeit nach seinem Sturze zeigte er si, daß er mit China einen für Frankreich günstigen Frieden vorbereitet hatte; auch sind die Franzosen bs auf den heutigen Tag in Zonkin in den Zupftapfen des „Zonkinefen“ geblieben. Und wie steht es in Egypten? Hätte man sie von den Grundlagen Jules Ferrys in der auswärtigen Politik leiten lassen, so wäre Frankreich sicherlich nicht vollständig an dem Nillande verdrängt worden. Aber Ferry mußte weichen, und mit ihm gingen seine auf Egypten gerichteten Bestrebungen verloren. Die Folgen dieser politischen Verblendung sind erst vor kurzem wieder Kar zu Tage getreten, al Frankreich sich überzeugen mußte, daß alle Versuche, neben England von neuem einen maßgebenden Einfluß in Kairo zu erlangen, aussichtslos geworden sind. Obgleich­ man also inzwischen reichlich Gelegenheit gehabt hat, der staatsmännlschen Weisheit Verzug — dem man ja auch Tunis verdankt — Anerkennung zu zollen, so bleibt doch nach wie vor dieser Mann vielen Politikern ein Dorn im Auge. Die chauvinistischen und radikalen Blätter wüten gegen ihn und nennen seine Wahl eine Heraus­­forderung der öffentlichen Meinung. Auch die Konservativen haben Ferry stets mit ihrer Feindschaft bedacht, weil sie ihm den Artikel 7 des Schulgefeges und die Ausweitung der Sesuiten nicht vergessen künnen. So vereinigten si­che Angriffe und­­ Verleumdungen der Rechten und der äußersten Linken, den Namen Ferrys verhaßt zu machen, und es war so weit gekommen, daß man ihn in öffentlichen Verhandlungen gar nicht mehr an­zusprechen wagte. Dieser Bann ist sehr gebrochen, der lange verschollen gebesene tritt von neuem in den Vordergrund, auf eine Stelle, die, mag sie unter jeder anderen Person nicht sehr einflußreich sein, sofort hohes Ansehen gewinnt, wenn ein Ferry sie betritt. Das Ereignis ist von umso größerer Bedeutung, als es sie in einer Zeit vollzieht, t wo der Banamaflandal viele der bisherigen Führer der Republikaner gestürzt, andere wenigstens für lange Zeit gelähmt hat, Unionsfr­agen bereitet werden dürfte. Die radikale Storthing-Mehrheit be­­reitet in geheimen Ligungen, so viel duch die Mauern in die Oeffentlichkeit dringt, eine Aktion in der Konsulats-Frage vor. Sie beabsichtigt nämlich, bei der Debatte über die Thronrede durch eine betreffende Anfrage das Kabinet Steen zu drängen, die königliche Gutheißung des Storthing-Beischlusses vom 10. Juni dv. 3. wegen Einführung eines eigenen norwegischen Konsulatswesens möglichst rasch herbeizuführen. Gelingt dies dem Ministerium nicht,­­ dann sol e3 zurüctreten. Der Ernst der Lage spiegelt sich bereit, in den Blättern wieder. So heißt es in dem radikalen Dagbladet: „Unser Land ist jegt besser gestellt, wie im vorigen Sommer. Unsere Verteidigung ist verbessert, so daß wir und fest mit größerer Kraft gegen Ueberraschungen wehren können.“ Und der Storthings-Präsident Ullmann schreibt in einem anderen Blatte: „In Wirt­­lichkeit leben wir auf einem Vulkan, und eines schönen Tages wird ein Auge­bruch kommen, der das Jahr 1893 sicherlich zu einem Merkjahre in der neueren Geschichte Norwegens machen wird.“ Die Gegen-Homerule-Bewegung in Ulster ist in vollem Gange, obwohl die großen Kundgebungen e­rst für Anfang April erwartet werden. Am 4. April (Osterdienstag) wird nämlich Lord Salisbury in Irland eintreffen, um Tags darauf in einem Belfaster Massen-Meeting seine erste Rede zu halten, auf welche weitere Reden in den anderen Städten Nord-Irlands folgen sollen. Mittlerweile treibt die Berichterstattung über die in Ulster herrschende Stimmung wunderliche Blüten. Ein Korrespondent will von geheimen Waffenlieferungen und einem angeblich geplanten bewaffneten Widerstand gegen Homerule erfahren haben, welcher mit dem jüngsten Aufrufe der Belfaster im Widerspruch stünde, während ein­ zweiter eine U­lfter-Deputation von fünftausend Köpfen auf eigene Kosten nach London reisen läßt, um von Gladstone zu verlangen, daß Ulfter nicht ohne Einwilligung der Bewohner von dem Neid­e getrennt werde. Politische Uebersicht. Hermannstadt, 28. Februar. Der Berliner Korrespondent der „N. fr. Vreffe“ hat auf einen inter­­essanten offiziösen Brief der „Hamburger K­orrespondenz“ hingewiesen, in dem entschieden bestritten wird, daß das Sesuitengeleg zum Kompensationsobjekt für die Bestimmung des Zentrums zur Militärfrage gemacht werden könnte. In jenem Briefe heißt es: Die Reichsregierung habe bisher nicht­ in Fehde mit dem Zentrum gelebt, könne daher au­­f ein Bedürfnis nach einem Frieden sichluffe haben. Ob es bei den bisherigen nicht unfreundlichen Ver­­hältnissen bleiben soll Hänge von dem Verhalten des Zentrums, namentlich in der Militärvorlage, ab. Von kulturkämpferischen Neigungen würden die Männer des neuen Kurses sicherlich nicht erfaßt werden, auch wenn das Zentrum die Militärvorlage in diesem Reichstage zum Scheitern bringen sollte; aber von einer Negierung, die, wie kürzlich der­­ Reichskanzler sagte, „Beftigkeit“ auf ihr Programm geschrieben habe, wäre dann zu erwarten, daß sie das Zentrum mit den in ihm Herrschenden demokratischen Elementen als politische Oppo­­sitionspartei betrachten und behandeln werde. In der Jesuitenfrage habe sich seit der Erklärung des damaligen Ministerpräsidenten Grafen Caprivi in der Situng des Abgeordnetenhauses vom 29. Januar 1892, daß die preußische Regierung gegen die Wiederzulassung der Jesuiten im Bundesrate stimmen werde, nichts geändert. Das Zentrum sei davon unterrichtet, daß die Regierung auf irgend­welches Handelsgeschäft bei Behandlung der Militärvorlage nicht eingehe, und es dürfe auch anerkannt werden, daß das Zentrum seinen Ber­­­uch gemacht habe, die Militärfrage und die Jesuitensache miteinander zu ver quiden. Warum aber trotdem das Zentrum begriffen ist, seinen Antrag auf Aufhebung des Jesuitengesäßes schon in einer der nächsten Mittwochssigungen des deutschen Reichstages zur Diskussion zu bringen, darüber weiß der offiziöse Briefschreiber nichts auszusagen. Die rufsische Preffe zieht augenblickich­ehr milde Saiten gegen Deutschland auf. So betont das leitende Petersburger Organ, die „Nowoje Wremja“, aus Anlas des im Reichstag erwähnten rechten Ausfalles der „Kreuzzeitung“ gegen Rußland, daß aus der rufsischen Presfe seit längerer Zeit der scharfe Ton Deutschland gegenüber volständig geschwunden sei. Ob irgend jemand die deutsche Presse zu feindseliger Haltung anrege, will die „Nomoje Wremja“ nicht wissen, auch interessiere sie es nicht. Das einzige, womit die russische Journalistin rechne, seien die Neden des Kaisers Wilhelm und seiner Meinister. In diesen finde man — und man freue sich darüber — Kennzeichen der Friedensliebe und der internationalen Freundschaft, was die rufsische Presse und das rufsische Vort nach Gebühr zu würdigen wüßten. Zum Schluß bemerkt das Blatt, daß die deutsche Diplomatie in den Kreis der Polemik in russischen Zeitungen gezogen worden sei — eine überraschende Bemerkung, deren freund­­liche Tendenz aber nicht zu verkemnen ist. Allem Anscheine nach geht Norwegen einer bedenklichen Zukunft ent­­gegen, welche dem Lande durch den demnächst zu erwartenden Kampf über 1. März 1893. Aus der Hermannstädter Stadtkommunität. Hermannstadt, 27. Februar. Die heutige Kommunitätsfigung war zahlreicher besucht als ihre Vor­­gängerinnen, so daß auch zwei schon seit längerer Zeit in Schmwede befindliche Gegenstände (Verkauf eines Waldteiles im Stolzenburger „Branich“ und Kauf zweier Eigeunerhäuschen in der Heltauerthorvorstadt), zu deren endgültiger Er­­ledigung die Zustimmung der absoluten Majorität der Stadtvertretung er­­forderlich ist, in Verhandlung gezogen werden konnten. E3 ist ein eigenes Zeichen der Zeit, daß zahlreicher besuchte Sigungen unserer Vertretungskörper immer seltener werden und daß e3 immer als Ereignis anzusehen ist, wenn einmal, wie heute, knapp die Hälfte der zum Erscheinen Berufenen wirklich anwesend ist. — Daß dabei unter der fehlenden Hälfte der Vertreter auch eine ganze Neihe der unlängst neugewählten Stadt­­väter sich befand, ist — wenn die heutige Tagesordnung auch seine besonderen Ereignisse versprach und so manchen zum unwegbleiben einlud — doch immerhin bemerkenswert. Die Sagung wurde nach 4 Uhr vom Vorfigenden, Bürgermeister W. v. Hohmeister eröffnet, worauf nach Bestellung der Kommission zur Verifi­­zierung des Protokolles (8. Fritih, 3. Bonn und W. Grohmann) zur Tages­­ordnung übergegangen wurde. Der Geschäftsbericht und das Exponsar des Stadtfisiald pro 1892 über die Vertretung der Stadt und des Beamtenpensionsfondes und über die­­ Ver­­tretung des Weinverzehrungssteuerfondes (Punkt 1) dient zur Kenntnis und e8 N die nachgewiesenen Barauslagen zur Auszahlung an denselben flüssig gemacht. Den vom Wirtschaftsamt empfehlend vorgelegten Ansuchen (Punkt 2) des %. Dreßler, Pächter eines Grundes bei der Wafenmeisterei, des Gabriel Bitai, Pächters des städtischen Hauses Waffengasse 1, und der Friedericle Nußbächer, Pächterin der städtischen „Zehntscheune" im der Langgasse um Verlängerung ihres mit 1. April L. 3. zu Ende gehenden Pachtes auf weitere drei Jahre ohne Abhaltung einer Lizitation wird Folge gegeben, bezüglich einer Wohnung im Hofparterre des blauen Stadthauses aber die Abhaltung einer Lizitation angeordnet. Die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung, zu deren Verhandlung, wie erwähnt, die Antretenheit der Hälfte der Vertreter durch das Gesäß gefordert wird, werden bis zur Erledigung der übrigen Verhandlungsgegenstände vertagt, da fest noch etwas weniger als die Hälfte der Mitglieder anwefend sind. Ein der Stadtkapelle im Jahre 1875 von der Kommunität zur Ans­chaffung neuer Musikinstrumente gegen Erfab aus den einfließenden Musik­­geldern der Stapelle erteilter Borihuß von 350 fl. (Punkt 5) wird der Stadt­kapelle erlassen und in Abschreibung gebracht. Dem Ansuchen des Fakt Archer, Pächter eines Geschäftslokales im Korps­­kommandogebäude (Punkt 6), um pachtweise Wederlassung eines Teiles des an­ sein Geschäft angrenzenden Zwischenganges, den Gesuchsteller auf eigene Kosten durch eine Glaswand abgrenzen will, wird nicht Folge gegeben, da hiedurch die Beleuchtung des übrigen Gangteiles behindert würde. Bei­­ diesem Punkt tritt Dr. ©. Neugeboren für Ueberlassung dieses Gangteileds an den bei früherer Gelegenheit darum eingeschrittenen Kaffeehauspächter R. Moeferdt ein, während Referent, Senator Sigerus, für den die Abweisung des vor­­liegenden Gesuches empfehlenden Ausschußantrag spricht, dessen Motive auch eine Ueberlassung des Ganges zu Zwecken des Kaffeehauses ausschließen — und &. Lindede, ebenfalls für den Ausschußantrag Sprechend, darauf Hinmeist, daß Alcher entgegen dem Vertrage auch außerhalb des Schaufensters an die Thüre und auf die Gasse Waren aushängt, worauf Vorfiger erklärt, die Ein­­haltung auch dieser Vertragsbestimmung zu veranlassen. Der Antrag auf Verpachtung eines Teiles des Hauses Armbrustergasse Nr. 1 (die sieben ersten Parterrezimmer und die vier Teßten Zimmer im 1. Stod) an dag f. u. Finanzärar zu Archivzwecken af drei Jahre (Punkt 7) für jährlich 700 fl. wird ohne Bemerkung angenommen ; ebenso der Antrag auf Erteilung eines Nachtragskredites von 1500 fl. für öffentliche Waffenreinigung pro 1893 (außer den für außerordentliche Stadtreinigung budgetmäßig präliminierten 400 fl.) zu Lasten der außerge­­wöhnlichen Ausgaben (Punkt 8) und gleichzeitig die von diesen 1500 fl. bis 22. d. Mtl. bereit erfolgte, durch den schneereichen Winter verursachte Aus­­gabe von 978 fl. 25 fl. nachträglich genehmigt. Gleichfals ohne Bemerkung­­ werden genehmigt die von der Stadt Jaffa vorgelegten und von der Buchhaltung und der heimischen Rechnungsprüfungs­­kommission geprüften und richtig befundenen rechnungsmäßigen Ausweise über die Bilanz der Hermannstädter singulären Waffenraffa und den Aktivstand des Reservefondes der Waffenkaffa pro 1892. Schließlich werden bei Anwesenheit der beschlußfähigen Anzahl von Vertretern die für den Schluß der Tagesordnung vorbehaltenen­­ Vertrags­­entwürfe über den Verkauf der im Stolzenburger Branischwald gelegenen 20 Zoch großen Waldparzelle „Blongu“, an der die Stadt nur das Holz nüßungsrecht hat, für 3000 fl. an die Gemeinde Stolzenburg (Punkt 3) und über den Ankauf der Häuschen Nr. 37 und 52 in der Heltauerthorziganie (Punkt 4) für 200 und 800 fl. in Verhandlung genommen und nach Aufs lufung der Verträge bei namentlicher Abstimmung einhellig angenommen — worauf der Vorfigende die Sigung nach vollständiger Erledigung der Tages­­ordnung nach 5 Uhr schließt. Korrespondenzen. Budapest, 26. Februar. ch schrieb gestern, daß die Multkonferenz der Liberalen höchstens die Frage der katholischen Autonomie streifen werde. Auch dies ist nicht geschehen. Es ist nun nicht ausgeschlossen, daß Montag diese und dann auch die Frage der Zivilmatrikeln berührt wird; aber gewiß ist’s nicht. Und nicht nur die allwärts zugestandene Beschiebung der Haupt­­frage, d. i. der Bivilehe, wäre wünschenswert. Das Wie und das Wie weit

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