Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1893. April (Jahrgang 20, nr. 5870-5894)

1893-04-01 / nr. 5870

\ Redaktion und Adminifirafion Heltauergafje 28. Er scheint mit Ausnahme des auf Honn- und Leiertage folgenden Wochentages täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fl., vierteljährlich 2 fl. 50 Er., halb­­jährig 5 fl, ganzjährig 10 fl. ohne Zustellung in’s Haus, mit Zustellung 1 fl., 3 fl., 6 ST, 128. Abonnement mit Postversendung:­­ Für das Inland: Vierteljägrig 3 fl. 50 fr., Halbjährig 7 fl., ganz­jährig 14 fl. Für das Ausland: erteljährig 7 RM. oder 10 Frcs., halbjährig 14 RM. oder 20 Be­nn 28 dar oder 1c Eine einzelne Nummer Postet 5fl. 5. W. Unfraniicte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgestellt. Nr. 5870. XX. Jahrgang ii Siefinburgisch-Deutsches Pränumerationen und Anferate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauer­­gasse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresswandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz G. 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(Hermannstadt, Heltanergasse Nr. 23.) 1895. Die Kirchenpolitischen Fragen. In Bet wurde der heutige Vortragszyklus der protestantischen littera­­rischen Gesellsshaft am Samstag abends abgeschlossen. Den sethten Vortrag hielt der reformierte Bischof Karl Szak, der die sozialen und schließlich die kirchen­­politischen Fragen vom Standpunkte seiner Kirche beleuchtete. Wir heben aus seinem Vortrage die folgenden, auf die kirchenpolitischen Fragen bezüglichen Stellen hervor, die nicht uninteressant sind: Wir legen auf die in der Form der Rezeption vorzunehmenden Sparti­­fulierung des Rechtes der freien Religionsausübung der die bürgerlichen Rechte schon seit 1867 besigenden Suden so großes Gewicht, daß mir dem gegenüber selost unsere vielleicht noch vorhandenen religiösen Bedenken zum Schweigen bringen. Wir haben das Fieber des Antisemitismus glücklich überwunden, der ebenso unsinnig und unwi­ftlich war, als er dem Liberalismus zur Schande gereichte. Wir erachten es ihnen und uns gegenüber gleichmäßig als eine pa­­triotische und menschliche Pflicht, die patriotische, ich magyarisierende Juden­­schaft durch das Band der Religionsfreiheit wo enger an das Vaterland und an unsere Nation zu knüpfen. Ebenso entgegenkommend sprach sich Bischof Szaß über die Katholiken- Autonomie aus. Es sei auffallend, daß bei uns selbst die Juden zur Autonomie gelangt sind, daß aber die an Seelenzahl stärkste und noch immer mächtigste Kirche, die katholische, seine Autonomie besigt. Dies sei jedoch einerseits Die natürliche Folge der Thatsache, daß die katholische Kirche bei uns durch 800 Jahre die herrschende Staatskirche und mit der Staatsgewalt so eng verbunden war, daß si die Autonomie nicht entwickeln konnte, andererseits die Folge des Umstandes, daß die bischöfliche, hierarchissche Organisation der katholischen Kirche den Einfluß der weltlichen ausschlug und die Autonomie, die Selbst­­verwaltung, unmöglich machte. Diese Gründe sind auch Heute noch vorhanden, weshalb manche die Katholiken-Autonomie für eine contradietio in adjecto, für einen Widersinn halten. Willein der Redner würde, da er als Protestant die Segnungen der Autonomie genießt, mit uneigennügigen brüderlichen Ge­­fühlen die Katholiten-Autonomie als eine der mächtigsten Quellen der natio­­nalen Einheit und Kraft begrüßen. Dann besprach der Renner die obligatorische Zivilehe. Er führte aus, daß die Protestanten die Zivilehe nicht verlangten, sich ihr aber auch nicht widerjeßen, weil sie bedingungslos das Recht des Staates anerkennen, in betreff der Eheangelegenheiten unter Berücsichtigung seiner Interessen Verfügungen zu treffen. Die katholische Kirche würde gegen jede Form der Zivilehe Stellung nehmen. E83 wäre daher nicht zuweckmäßig, erst die Notzivilehe, später die fa­­fultative und schließlich die obligatorische Zivilehe einzuführen, denn dieses Vorgehen würde die Neigungen zwischen den Konfessionen, die fortwährenden Hader erzeugende Einmischung des Einflusses der Geistlichen in das Familien­­leben permanent machen, vielleicht die Vera der Reversalien neuerdings ins eben rufen. Al eine unvermeidliche Folge der Einführung der Bivilehe betrachtet Bischof Staß die Verstaatlichung der Matrikelführung. Er zieht das unbedingte Net des Staates, solche Matrikeln einzuführen, die der Staat ausschließlich als authentisch anerkennt, nicht einen Augenblick in Zweifel, doch sollte diese Verfügung erst dann getroffen werden, wenn deren Notwendigkeit eintritt. Diese Notwendigkeit werde Hinsichtlich der Tranungsmatrifeln bei der Ein­­führung der Bi­ilehe, Hinsichtlich der Zaufmatrifeln aber dann eintreten, wenn der Februarerlaß oder im Falle der Zurückziehung desselben der $ 12 des 53. Gefegartikel vom Jahre 1868 zur Geltung gelangen soi. Dieser Not­­wendigkeit künne der Staat nicht ausweichen, wenn er nicht wolle, daß die Religionsstreitigkeiten, welche 300 Jahre lang währten, neuerdings aufs leben sollen. Der Vortrag des Bild­es? Szaß wird in der „Protestans Szemle“ demnächst vollinhaltlich veröffentlich werden. Bu dieser sei Hinzugefügt die Protestversammlung der romänischen Wähler des Bistrig-Napoder Komitates in Bistrik, über die wir schon in unserer gestrigen Nummer einiges berichtet haben. Der Versammlungsort, der Saal des städtischen Gasthofes, erwies sich für die von nan und fern Erschienenen als zu klein, so daß auch die äußeren Räumlichkeiten neben dem Saale über­­füllt waren. Antwesend zwar die gesamte romanische Intelligenz und die bäuer­­lichen Wähler des Szamosch- und Borgothales und die von Bistrich. Die Ver­­handlungen wurden von Bifar Yoan Pop aus Nakod eröffnet. Nach Kon­­stituierung des Bureaus ergriff Pfarrer Gerafin Domide das Wort, um den versammelten die beabsichtigten kirchenpolitischen Gefege der Negierung im all­­gemeinen auseinander zu legen. Der nächste Redner, Dr. Gabriel Tripon, be­­leuchtete in volkstümlich und teil­weise Humoristisch-ernst gehaltener­­ Rede die Bivilmatrikelführung und die obligatorische Hom­­lehe. Diese Rede erzielte bei den Zuhörern durch blitähnliche, treffende „Schlager“ einen großen Erfolg. — Der nächste Redner, Pfarrer Ioan Berjan, sprach gegen die Re­­zeption der Juden in fachgemäßer Weise. Nun stellte Advokat Demeter Ciuta den Antrag, die Versammlung möchte beschlußweise durch Absendung eines schriftlichen Protestes gegen die kirchenpolitischen Gelegentwürfe Stellung nehmen; der gleichzeitig vorgelesene Entwurf wurde einstimmig angenommen. Eo wurde ferner über Antrag des leitenden Bureau nach vorheriger Verlesung in ro­­manischer Sprache ein gleichlautendes Telegramm im deutscher Sprache unter begeisterten „Se treasca“-Rufen an Se. Majestät abzusenden beschlossen. Den Wortlaut des Telegrammes haben wir ebenfalls gestern mitgeteilt. Als Yechter Redner Sprach Pfarrer Simeon Monda. Er hat die Ber­­sammelten, die hier gehörten Worte bei ihrer Heimkehr, gleich wie der Gärtner den Samen der Erde übergebe, unter ihren Angehörigen und Wolfsgenossen zu verbreiten. Der Vortigende, Vitar Joan Pop, schloß die Versammlung mit würdigen Worten und beantragte, ein Hoch auf den anmwesenden Vertreter der Regierung, Polizeihauptmann Köpegvar­, auszubringen, was seitens der V­er­­sammlung aus geschah. Dann ging diese, in allen ihren Zeilen würdig und ernst verlaufene Versammlung ruhig auseinander, Gla­dstones Stellung. Gladstone hat, als er mit einer gesicherten Mehrheit von 40 Stimmen die Regierung antrat, schwerlich gedacht, daß ihm die Opposition das Negieren so sauer machen werde. Von Entmutigung zeigt er freilich seine Spur, für seinen unbeugsamen Willen und seine parlamentarische Erfahrung giebt er seine unüberwindlichen Schwierigkeiten, und vor einigen Tagen hielt er mit seinen Getreuen eine Art Kriegsrat, wie den systema­tischen Hemmungsversuchen der Opposition zu begegnen und bei der vorgerückten Ta­­gung die no übrigen Geschäfte abzumicteln, vor allem Homerule unter Dach zu bringen sei. Die Agitation gegen das Gefäß, das Irland die Selbständigkeit verleihen sol, gewinnt an Stärke und Ausdehnung. Nicht bloß in Ulster, all in den anderen Provinzen Ielands regen sich die Anhänger der Rechtseinheit, Protestanten und Katholiken, und zeigen auf alle Weise ihren Widerstand gegen einen Plan, der ihren Gefühlen mit ihren Interessen widerstreitet. In Ulster selbst begnügt man sich nicht mit Kundgebungen und Beischlüffen, man bereitet so vielmehr vor, von Worten zu Thaten zu schreiten. Eine Schoßung der kriegstüchtigen Mannschaften wird vorgenommen, Waffen und Munitionen werden angefauft. Schon fest sollen die Drangisten 25 Millionen in ihren Waffen haben. Einzelne Engländer haben bis zu 1 Million Mark in die K­iegd- Wafje gegeben und in den Kolonien ist der Eifer nicht weniger groß. Wenn­ man si erinnert, hab­e es bei den Iren leicht zum Blutvergießen kommt und in Belfast Straßenkämpfe etwas gewöhnliches sind, so muß man annehmen, daß die Drohungen der Drangisten nicht eitel Vrahlerei sind. Allein der Bürger­­krieg sol erst losgehen, wenn die vollendete Thatsache geschaffen und Homerufe zum Geiäß geworden ist, und bis dahin ist allem A­nscheine nach noch ein weiter Weg. Zunächst hat die Agitation eine moralische Wirkung, die für Gladstone nicht gleichgiltig sein kann, während in England selbst feine Gehege gegen die Staatsfliche und gegen den freien Verkauf der geistigen Getränke, durch die so­manche Interessen verlegt werden, von den Gegnern der G Selbständigkeit Irlands geschidt ausgebeutet werden. Begreiflicherweise lag deshalb Gladitone daran, die Behandlung seiner Lieblingsbis möglichst zu beschleunigen. Hat er die zweite Lesung glücklich Hinter sich, so kann er der feindlichen Agitation mit größerem Nachdruch begegnen. Gladstone wünschte deshalb die zweite Lesung noch vor Ostern vorgenommen zu sehen, mußte aber darauf verzichten, weil die Opposition ihm nicht den Gefallen b­at, ihren Nedeeifer einzuschränken, und weil der Brite ungemein empfindlich ist gegen alles, wo wie eine Beeinträch­­tigung des freien Wortes aussieht. Um so mehr drängt nun Gladstone darauf, daß wenigstend nach Döffern seine Zeit mehr verloren und daß durch Abfegen anderweitigen Geschäftstoffes Raum geschafft werde für das Hauptgeschäft. Der Beratung, wie das zu machen sei, galt die jüngste Versammlung im aus­wär­­tigen Amte. Es wurde beschlossen, daß die Osterferien bis zum 5. April dauern, am 6. April sofort die zweite Lesung der Homerulebill beginne, und außer den üblichen Tagen auch Dienstag und Mittwoch den Regierungsge­­schäften eingeräumt werden, wobei der Homerulebill stets der Vorrang gesichert sein sol. &s ist bei solcher Bevorzugung der Homerulebill unerläßlich, daß die einzelnen Fraktionen der Mehrheit 1i Opfer auferlegen, indem sie auf die Er­­füllung von Lieblingswünschen für diese Tagung verzichten. Außerdem war noch der Stein hinwegzuräumen, den Balfour als Führer der Opposition dem Ministerium in den Weg gewälzt hatte: der Tadeldantrag wegen der Amnestierung eines irischen Dynamitverbrechers. Die Debatte endete mit einem glänzenden Sieg des Ministeriums, das diesmal eine Mehrheit von 49 Stimmen Hinter fi hatte, ein angenehmer Schluß der Geschäfte vor dem Beginn der kurzen DOfferferien. Wenn Gladstone die zweite Lesung seiner Bil durchgefegt hat, so wird er freilich erst den kleineren und leichteren Teil seiner Aufgabe erfüll haben. Da er den Widerstand des Oberhauses nicht wird brechen können, wird er noch einmal die Entscheidung allgemeiner Wahlen anrufen müssen, und Dies­­mal unter weniger günstigen Umständen. Denn fest handelt es sic nicht mehr um eine Theorie, um einen nebelhaften Plan, sondern um einen ausgearbeiteten Gelegentwurf, der in seinen Einzelheiten der Kritik sich darbietet und der das näc­hstemal auch nicht mehr verquict sein wird mit der Reihe von Reformen, die eigentlich das Liberale Programm bei den vorjährigen Wahlen gebildet haben. Daß Gladstone bei den Schwierigkeiten, die es ihm entgegentürmen, über Müdigkeit des Alters sagt, wie er seinen Freunden gegenüber gethan hat, ist begreiflich. Um so mehr muß man die eiserne Willenskraft bewundern, mit der er seine Partei zusammenhält und das große Reich einem unerhörten Wag­­nis entgegenführt. Benilleron. WBolfsek. Roman von 8. Bollbrecht. — (31. Fortlegung.) Da seine Eltern Ottavie und ihrer Mutter sehr zugethan waren und sie oft zu sich einluden, Gräfin Stanzty mit wahrhaften Vergnügen und ihre Tochter gezwungen diesem Wunsche Folge leisteten, führte dies zu peinlichen, aber unvermeidlichen Begegnungen. Octavie und Adalbert waren dann genötigt, in verbindlichster Weise über Allerweitsbegebenheiten zu konversieren, während ihre Gedanken­zeit abschweiften und sie sich ob der gesellsschaftlichen, ihnen aufgedrängten Lüge Schämten. Ferry Dazwischentreten ward von ihnen jeder­­zeit mit ungetrübter Freude begrüßt. Ein Nachmittag im August. Seit ihrem Aufgang hat die Sonne ihre sengenden Strahlen auf die richzende Erde herabgesandt. Seit vierzehn Tagen hat es nicht geregnet. Die gelben Stoppelfelder zeigen Eaffende Riffe; das Zaubwerk der Bäume sieht fahl und vermweift aus und träumt von frühzeitigem Sterben. Der kurze, dürftige Rasentwuchs trägt dürre, verbrannte Stellen. Breit - fi­chder Staub auf der Farbenpracht der schmachtenden Vegetation gel­agert. Ueber den Fußweg, der von Ronow nach Wolfreb führt, schreitet flüch­­tigen Fußes eine weibliche Gestalt. Die drühende Schwüle scheint ihr nichts anzuhaben, und für das ausgetrocknete Bett des Bächleins unter den Weiden hat sie kaum einen teilnehmenden Blick. Sie trägt einen Kranz aus weißen Altern und gedenkt ihn auf den Sarg ihres Kindes niederzulegen. Wie lange s­chon Hat Gabriele diesen Augenblic herbeigesehnt, wie zug e8 sie mit zwingender Gewalt nach der stillen Gruft, in welcher der Kleine schläft! Und Heute soll ihr Sehnen sich erfüllen. Die Offiziere in N. feiern Heute ein Liebesmahl. Auch Baron Detlef war dazu eingeladen und lehnte ab, um einer Begegnung mit dem Schwieger­­sohne auszu­weichen. Er weiß, daß Ferry bei dergleichen heiteren Zusammen­­fünften jederzeit als willkommener Gast erscheint. Auch Gabriele ist dessen f­eingeben. Am frühen Morgen Son pflügt sie Blumen. Ohne Scheu begiebt sie sich auf den Weg. Niemand wird ihr begegnen. Gabriele entfernt sich unbemerkt vom Hause. Der Baron hat sich höchst übelgelaunt, da der Verzicht auf die Gesellschaft ihn ein Opfer hottet, auf sein Zimmer zurückgezogen. Die Baronin schläft. Seit zwei Wochen ist die Familie von ihrer Badereife zurücgekührt. Als Gabriele nun plößlich die Türme und Binnen des Schlosses vor sich Liegen sieht, errötet sie tief. Sie schlägt die Augen nieder und wendet si jenem entlegensten Pfad des Parkes zu, der seinen entgegengelegten Ausgang dur ehn P­förtchen findet, welches in die Dorfstraße mündet. Hier steht die Kirche, dicht nebenan, von dunklen Eypressen beschattet, das Erbbegräbnis der Wolfsechs. Die junge Frau trägt den Schlüssel zu demselben bei fi. Immer hat sie ihm bei sich getragen, seit die Thür fi Hinter ihrem Liebling geschlossen hat. Sie tritt ein. Ein Blumenflor sagt ihr, daß man des feinen auf Wolfsed nicht vergessen hat. Weinend sinkt sie auf die Marmortäfelung nieder. hr Schmerz um das Verlorene, die Erinnerung an ihr geborstenes Eheglück zerren und reißen an ihrer Seele. Sa, fie it unglückich, unsagbar unglücklic; allein sein Hauch von Reue gesellt sich zu ihrem Jammer, Ach, aber ihn zu tragen, ist so unendlich schwer ! Nach länger denn einer Stunde verläßt sie das Z Totengewölbe. Das Firmament hatte sich inzwischen verändert. Eine bleigraue Wand, anfangs am Himmel nur als dunkles Wölfchen sichtbar, dann aber zusehends an Umfang gewinnend, schob sich vor die Sonne. Eine Weile noch verkündete das glän­­zende Gestirn sein Dasein, indem es die grotesken Baden des Gewöllees goldig umsäumte. Aber unfreundlich warfen die Lichtfeindlichen Dunstballen diesen Schmut von sich. Dränend schwebte die tiefgehende Wolfenhede über der dürstenden Erde. Sch­walben, ihrer Beute nachfliegend, streifen dicht an Gabrielens Antlit vorüber. Die unheimliche Nähe des Parkes, den sie nun betritt, legt sich be­­ängstigend auf ihre Nerven. Kein Blatt regt sich. Kein Vogel läßt einen Ruf einhalten. Des nahen Ereignisses sicher, harıt die Natur den erfrischenden Regen. Gabriele beschleunigte ihre Schritte. Unmöglich kan sie Nonow vor dem Gewitter erreichen, allein im Schloffe ist für sie sein Obdach. Sie strebt vorwärts, vorwärts. Es donnert dumpf noch in der Zerne. Slüsternd bes­­innen die Gräser des Parkes eine lebhafte Sprache. Pfeifend kommt ein heißer Ödem dahergefegt. Abermals bewegt leichtes Zilb­eln das Gestrüpp, dann seufzt es in den Sträuchern. äh fährt der Orkan im bie ächzenden Kronen der Bäume. Abgestorbene Blätter, dürre Heste fliegen zu Boden, Faulend, heulend bemächtigt ei das entfesselte Element seiner Beute. Es peitscht den See und schüttelt die Baumriesen wie Spielzeug mit seiner ge­­maltigen Hand. Wild zerrt der Sturm an Gabrielens leid. Er reißt ihr den Hut vom Kopf, Schlägt ihr die entfeffelten Haare ums Gesicht und hemmt ihr den Atem. Taumelnd gewinnt sie den Ausgang des Parks und dort, dort ist Schuß, ein Obdach, die alte Mühle. Von Angst gejagt, erreicht sie die Schwelle. Ihre Hand greift nach dem Bruder, er giebt nach. Sie steht im Hause geborgen. Die Decke des mit roten Riegeln gepflasterten Hausflures läßt sie eingauern. Bek­ommen steigt sie die braune Holzstiege hinan und öffnet die nackte Thür. Dann stößt sie einen Schrei aus, und mit einem Gemisch von Entzüden und tiefstem Seelenschmerz steht sie vor dem in Lebensgröße gemalten Bilde Leos, welches ihr von einer Staffelei entgegenlächelt. Sie rennt «83, dies Tiebe, süße Kindergesicht, wie Ferry es in einem gläcfischen Moment einst photographisch aufgenommen. Und sollte er selbst in der Zeit ihrer Trennung Troft und Berstreuung darin gesucht haben, dies Heine, unscheinbare Lichtbild als Vor­­wurf für dies Porträt zu verwerten? Sie wirft einen schnellen Blff um ji und sieht, daß sie sich nicht in einer Bauernstube, wie sie erwartet hat, befindet, sondern in einem mit modernem Luxus ausgestatteten Atelier. Dar­ Aus­­brechen der Wand und Einfügen eines großen Fensters, dessen unterer Teil verhängt ist, wurde dem Gemach das notwendige Licht zugeführt. Palmen­­gruppen, persische Teppiche, einige bequeme Möbel, gute Gemälde, vortreffliche Nachbildungen der Venus von Milo und des borghesischen Zechters bilden ein malerisches und behagliches Ensemble. In einer Ehe steht ein photographischer Apparat. Das Atelier ist erfüllt vom Duft jener Efsenzen, welche beim Photo­­graphieren unentbehrlich sind. Kein Zweifel, hier ist Zerry einige Stunden des Tages beschäftigt. Wie konnte ihr die Veränderung an der Mühle doch ent

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