Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1893. September (Jahrgang 20, nr. 5997-6022)

1893-09-15 / nr. 6009

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Wachsmann, Sächsisch-Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Zehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Dannen­berg, Budapest A. V. Goldberger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. @. L. Daube & Co., Hamburg Adolf Steiner, Karoly­n Liebmann. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmonbzeile fostet beim einmaligen Einraden 7 kr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­clusive der Stempelgebühr von je 30 fr. 1895 Die Berichte der Handels- und Gewerbekammern für das Jahr 1892. (Sichu.)*) Ausführlich Handelt der Bericht über das 1892er Weingeschäft. Wir führen Hier nur an, daß auf den Hauptstationen des Kronstädter Nammern­bezirkes im Jahre 1892 676 gegen 1212 Wagenladungen Wein & 10.000 Kilogramm im Jahre 1891 aufgegeben worden sind. Nicht uninteressantes statistisches Material wird über das Holzgeschäft und über den Viehhandel dar­­geboten. An diesem Abschnitte wird auch ü­ber die Fleischteuerung in unseren Städten ein Wort gesagt. Es heißt dort, es sei seinem Biweifel unterworfen, daß man es hier nicht etwa mit Manövern der Fleischhauer zu thun hat. Denn die Teuerung ist allgemein und nicht nur bei uns, in dieser oder jener Stadt vorhanden. Die Hohen Preise, die man für das Vieh zahlen muß, spiegeln sich eben in den Detailpreisen, hie und da wohl in vergrößertem Maße stabe wider.­­Zweifellos spielt hier die Zunahme der Viehausfuhr nach dem Weiten mit... . . Die hohen Viehpreise werden übrigens den besten An­­trieb für die Delonomen bilden, sich der Viehzucht mehr als bisher zuzumenden. Freilich, die durch Nachzucht das wünschenswerte Gleichgemischt zwischen An­­gebot und Nachfrage sich Herstellen wird, wird noch manches Jahr vergehen, so daß man ss auf eine dauernde relative Teuerung des Fleisches gefaßt machen muß. „Daß bei der Erwägung der Mittel zur Behebung der Fleifchfeuerung die Frage der Einfuhr von rumänischem Hornvieh eine Rolle spielt, ist be­­greiflich, da es ja nahe liegt, auf dies einfache Mittel zu kommen. Praktisch läßt sich jedoch die Sache aus den schon im 1891er Jahresberichte ent­­twickelten Gründen nicht durchführen. Denn einerseits fehlen die Garantien für die strenge Handhabung der Veterinärpolizei in Rumänien und dann können wir da­rmnfer bestes Negoziationsobjekt bei Bollverhandlungen mit Rumänien ohne gewichtige Konzessionen für unsere Exportindustrie nicht aus der Hand geben.” Unter den tierischen Produkten spielt die Wolle eine bedeutende Rolle. Durch die in der Mitte des Jahres 1891­ eingetretene Aufhebung der Kampf­zöle gegen Rumänien hat sich die Möglichkeit einer stärkeren Einfuhr von ru­­mänischer Schaftwolle wieder ergeben. Nach dem Berichte sind nämlich 1892 8283 g gegen 2492 g im Jahre 1891 und gegen nur Gig im Jahre 1890 an solcher Wolle über die Rollämter des Rammerbezirkes eingeführt worden. Auch in rohen Häuten und Fellen hat die Einfuhr zugenommen. Die Lage der verschiedenen Industriezweige war 1892 selbstverständlich vielfach verschieden. Während die Zucerindustrie eine günstigere­­periode gehabt hat, der Abfat des Bieres aus begreiflichen Gründen noch besser und leichter gewesen ist, ab­ 1891, hat die Spiritusfabrikation ein in mancher Beziehung ungünstigeres Jahr gehabt. Die Handelsmühlen hatten wieder ein folgen­­schweres Jahr. Die Maschinenfabriken bezeichnen 1892 als von seinem Vor­­gänger nicht unwesentlich unterschieden. Wir können hier nir auf alle Branchen eingehen. Das Kleingewerbe hat wieder ein Jahr schweren Kampfes hinter sich; das Bild über die Lage der meisten Handwerkszteige ist trüb und grau in gran gehalten, wie es der Wirklichkeit Leider entspricht. Erwähnenswert ist der Fingerteig, der bei der Besprechung des Schlosser­­gewerbes gegeben wird. Auf Grund eingegangener Berichte wird mitgeteilt, „daß die Schlosfer, überhaupt die Bauhandwerker von Bau­mnternehmern nicht selten geschädigt werden, indem diese ihnen Arbeiten zur Ausführung über­­geben, aber oft sehr spät nach der Ablieferung und Ausführung bezahlen, ja die­ Bezahlung auch ganz schuldig bleiben, wobei es oft sehr schwer und auch unmöglich ist, im Prozeßswege zur Befriedigung zu gelangen. In dieser Hin­­sicht könnte wohl eine Befseiung der Lage herbeigeführt werden. Die tüchtigen Bauhandwerker der verschiedenen Branchen sollten sich zu eigenen Bau unter­­*) Siehe Nr. 6007 der „Siebenb.-Deutsches Tageblatt”. nehmungen zusammenthun und selbst al Unternehmer auftreten. Beispiele hiefür hat es auch bei uns schon gegeben, aber bei dem Mangel an der Fähigkeit, sich in gewisser Beziehung einem anderen unterzuordnen, denn ohne eine Zeitung geht es nicht, ist auf diese Modalität der Besserung wenig Hoffe­nung zu fehen. Ob eine Gb­erstellung der Bauhandwerker für die von ihnen geleistete Arbeit durch die Einräumung eines gefelligen Brandrechtes an dieser Arbeit oder durch eine andere privatrechtliche Verfügung der Gesebgebung er­­reicht werden könnte, sol hier nicht näher untersucht werden.” Im Abschnitte über die Holzindustrie wird der aus Hermannstädter Kreisen geäußerten Beschwerde Ausdruck gegeben, daß im dortigen Garnisons- Arreste, wie auch im dortigen Strafhause Tischlerwaren von je vier bis zehn Mann angefertigt und zu billigsten Preisen abgetet werden. Die Einstellung dieser Strafhausarbeit wird vorgeschlagen. Bei der Wollindustrie wird als sehr erfreulich gemeldet, daß die Heltauer Wollenunweber die Anforderung der Zeit recht begriffen haben. „So hat die Firma Billes und Herbert ihre auf Wasserbetrieb eingerichtete Spinnerei in Fred durch Aufstelung eines Sabes neuer Maschinen, einer verbesserten Pelz- und Vorspinntrempel-Maschine, ferner einer Mule-Jenny-Maschine er­­weitert. Im ähnlicher Weise haben die Wollenweber Thomas Binder und Peter Simonis eine Spinnerei in Croodt errichtet. Peter Fleischer und Johann Klein haben in ihrer Spinnerei und Weberei in Heltau einen Reiß­­wolf, eine verbesserte P­elz- und Vorspinnkrempel-Maschine, eine Mule-Jenny- Spinn-Maschine, vier mechanische Webjtihre u. T. f. eingestelt. Dieser Betrieb it auf Dampf eingerichtet.“ Das Kapitel „Bekleidungsgewerbe“ giebt der Kammer den Anlak zu folgenden Ausführungen, deren Beherzigung gewiß nur sehr münj­ens­­wert wäre: „Mit großer Erbitterung sprechen sich die Beteiligten über die Schädigung aus, die ihnen durch die Sammlung von Bestellungen durch Neifende aus­­wärtiger Konfektionäre erwäh­st. Dazu kommt noch der wirkliche Hausierhandel mit Stoffresten und fertigen Kleidern. E3 drängen sich schon seit einigen Jahren auch in unseren Städten sogenannte Haufierschneider dem Publikum mitunter in unverschämter Zudringlichkeit auf und persundieren e3 zu Ber­stellungen. 3 ist dies eigentlich ein Haufieren mit Bestellungen, das jedoch nach dem Getwerbegehege nicht eingestellt werden kann. &s Täßt ja selbst­­verständlich dagegen nichts eintwenden, wenn ein renommierter Schneidermeister in der Hauptstadt oder einer anderen größeren Stadt an von Kunden aus­­ anderen Orten mit Arbeit bedacht wird; tenn e3 Steht jedermann frei, si von dem befreiden zu lassen, von dem er am besten bebiert zu werden meint. Aber die oben geschilderte Haufterkonkurrenz hat etwas an fi, was sie durchaus in ein schiefes Licht stellt. Die große Zudringlichkeit, die Sucht, das bischen Arbeit dem ortsanfälligen Provinzschneider abfnwendig zu machen, die Gefahr, daß der Hunde übers Ohr gehauen werde, geben dieser Art des Geschäfts­­betriebes den Charakter des Ungesunden und Unangemessenen; sie disqualifizieren ihn in den Mugen derer, denen noch etwas an der Erhaltung des orig» anfälligen, an den Gemeindelasten schwer mittragenden Gewerbestandes liegt. Im Januar 1893 kündigte sich der Reisende eines Wiener Konfektionärs dem Publik­um in Kronstadt mit einer Musterkollektion echt englischer und französischer Herrenstoffe an und sprach in seiner Anzeige davon, er handle si­­ei darum „nunmehr auch die siebenbürgischen Pläne für das altrenommierte Wiener Haus zu gewinnen.“ Der im Berichte mitgeteilten Stetistiz über den Stand der zu indu­­striellen Sweden verwendeten Dampflöffel entnehmen wir, daß im ganzen Kammerbezirk 197 in Verwendung stehen gegen 167 im Jahre 1889. Der Abschnitt „Handel“ enthält unter anderem dem Borschlag, die Ruderverzehrungssteuer aufzuheben, ferner Scharfe Ausführungen: gegen das so­­genannte „vetailreisende Agententum”, gegen die florafischen Hausierer, insofern sie mährische und böhmische Fabrikate statt slorafischer Hausindustrie-Artikel verkaufen, gegen das verliedte Hausieren mit Gold- und Silberwaren und Uhren. Die Einschränkung der Segnungen der Sonntagsruhe beim Handels­­gewerbe dar die Bestimmung, daß die Tabakverschleiße auch Sonntags Nachmittags offen zu haften sind, giebt Anjah, den Wunsch auf Aufhebung der Ausnahmestellung des Tabakverschleiges auszusprechen. Nach dem „Handel“ wird das Bank- und Freditwesen, der Postspars­­affenverkehr, das Versicherungsmesen, der Wortverkehr, der Telegraphenverkehr, das Fernsprechwesen, der Eisenbahnverkehr, die Flußschifffahrt, das Unterrichts­­wesen und der Fremdenverkehr mit vielen statistisi­hen Angaben behandelt. E38 empfiehlt sich kaum, einzelnes daraus herauszureißen; eine ausführlichere Dar­­stellung aber verbietet der Raum. Auf das eine und andere kann später in anderem Zusammenhang zurückgenommen werden. Den Schluß des 118 Oftav­­ierten umfassenden Berichtes bildet eine Zusammenstellung der im Berichte enthaltenen zahlreichen Wünsche, Beschwerden und Vorschläge, sowie ein Ber­­zeichnig der Exportfirmen des Sammerbezirkes. Zum Schluffe möge Hier angeführt werden, was ein angesehener volfs­­wirtsgaftlicher Schriftsteller (Raul Dehn) bei einer kurzen Anzeige des in Rede stehenden Berichtes von der Kronstädter Kammer bemerkt, daß sie „nicht ein Organ kapitalistischer Spekulanten ist, wie gewisse andere Kam­mern, sondern aufrichtig die Jntereffen de Gewerbes wahrnimmt.“ Politische Uebensicht. Hermannstadt, 14. September. "Wie man dem „Fremdenblatt“ aus Stalau mitteilt, gilt in 1u unter­­richteten militärischen Streifen die bevorstehende Ernennung des dortigen kommandierenden Generals und Kommandanten des 1. Korps, ©. d. A. Edmund Edlen v. Krieghhammer, zum Kriegsminister für zweifellos. Man glaubt, daß die Ernennung entweder noch während der Manövertage oder nach denselben erfolgen werde. ©. d. PR. dr. Krieghammer ist Geheimer Rat, Ritter der Eisernen Krone erster Klasse, Inhaber des 100. Infanterie- Regiments und seit 27. Oktober 1891 General der Kavallerie, als welcher er unmittelbar vor dem Minister Grafen Kalnofy rangiert. Er steht im 61. Lebensjahre (geboren in Mähren am 4. Juni 1832), ist der Sohn eines Rittmeisters und hat seine militärische Laufbahn in der Kavallerie zurück gelegt. Als Rittmeister hat er sich bei Solferino besonders ausgezeichnet 1869 kam er als Major und Flügeladjutant an den Hof, kommandierte dann das 10. Dragoner-Regiment, wurde 1878 Generalmajor, 1884 Feldmarschall, Lieutenant. Die Armee kennt ihn als einen ihrer hervorragendsten und that« kräftigsten Generale. Zur Frage der Bewegung des Agramer Erzbistums wird dem „m. Hirado” aus dem reife der Agran­er Magyaren geschrieben, daß die­­ Ungeduld in den Eiechlichen Sreifen des Landes wegen Verzögerung der Er­­nennung de Agramer Erzbischofs immer mehr zunehme. Vor Kurzem beschloß die Geistlichkeit des Pakraczer Distrikts, sämtliche zur Agramer Erzdiözese ge­­hörigen Geistlichen in dieser Angelegenheit im September zu einer Konferenz einzuberufen, aus welcher Petitionen an den König und die Regierung wegen baldiger Belegung des Agramer Erzbistums gerichtet werden sollen. In der am 22. August stattgehabten „Corona“ des Mosk­zaer Dekanatsdistrikts wurde ebenfalls beschlossen, in Adressen an den König und den Papst um die Er­­nermung eines solchen kroatischen Geistlichen zu bitten, der es für seine erste Pflicht hält, für seine Gläubigen mit voller Hingebung zu sorgen. In der legten Zeit wird auch der Dechant- Pfarrer von Dolni-Miholjac, Sofef Kuzmitih, als Kandidat für das Erzbistum genannt. Die Stadt Szatmar hat bekanntlich an das Ministerium des Innern eine Repräsentation gegen den auf die deutschen Zuschriften der Militär­­behörden bezüglichen Erlaß gerichtet. Der Minister hat nun, wie „B. Hirlap” meldet, diese Repräsentation folgendermaßen beantwortet: „Der in Rede stehende Birkularerlaß sichert der Beritung der magya­­rischen Sprache in der Korrespondenz der Militärbehörden einen sowohl die bisherige Praxis, wie die in der Repräsentation zitierte, im $9 des 6. Gefeh­­artikel3 vom Jahre 1840 enthaltene Bestimmung weit überragenden Raum, denn aus den Arten der Neidhstage vom Jahre 1839 und vom Jahre 1840 . Feuilleton. Ein Borurteil. Roman von Doris Freiin d. Spättgen. (13. Fortlegung.) Das Wieversehen war ein jeher unbefangen fröhliches und ver Frau dr. Random schärfer ins Auge gefaßt Hätte, der würde wahrscheinlich den Dantesbird bemerkt haben, in welchem ihr Auge dem dem Gatten begegnete. Mit den Leife zugeflüsterten Worten: „Nun bin ich beruhigt!” Hing sie sich an seinen Arm, und das Ehepaar, gefolgt von beiden Mädchen, eilte jei­der Präsidentin Wohnung zu. Am selben Abend, als man sich bereits gute Nacht gewünsct und zurück­­gezogen, begab Frau dr. Random sich no einmal hinüber in das Zimmer ihres Mannes. Troßdem das Haus mit Kurgästen überfüllt war, hatte die Wirtin in liebenswürdiger Weise ihr eigenes Wohngemach dem alten Herrn eingeräumt, um es ihm möglich zu machen, bei seiner Familie zu bleiben, damit er nicht erst in einem Hotel Unternommen finhen mußte. Den Nachmittag verbrachte man gemeinsam in Mr. Gordons Gesellschaft im Park - Konzert, wodurch Herrn v. Randow die geeignetste Gelegenheit ge­ boten wurde, Mauds Bruder kennen zu lernen und sich zu vergemisteln, in­wie­weit seine Vorurteile sich bestätigten oder ungerechtfertigt ersgienen. Wohl waren, während die junge Welt in heiterster Weise scherzte und plauderte, der besorgten Mutter Blide zuweilen nach den undochdringlich verschlossenen Zügen des Gatten hinübergeflogen; allein ein ungestörtes Wort mit ihm aus­­zutauschen, war der Dame seit seiner Ankunft nicht vergönnt gewesen. Der nächtliche Negen hatte nicht viel Abkühlung geschafft. Die Luft zeigte sich ungeachtet der vorgerückten Abendstunde immer noch drüdend schwül, so daß der Präsident, welcher stets an Echauffement und übersteigender Hilfe litt, bei offenem Senfter und noch dazu in Hemdsärmeln mit auf dem Rüden gekreuzten Armen durch das Zimmer promenierte, auch noch nicht die mindesten Anstalten machte, sich zur Ruhe zu begeben. Beim Eintritt seiner Frau­­ miete er nur, wie innerlich befriedigt, mit dem Kopfe und sagte Herzlich, aber ernst: „Ich wußts wohl, daß du dich noch zu einem ungestörten Plauder­­stündchen einfinden wiürdest, Elsbeth!" Dann Schritt er zum Fenster und schloß vorsorglich beide Flügel. Es war ein s­chöner Zug im Charakter des Präsidenten, daß er in allen, was sein Inneres bewegte, gleichviel, ob Freude oder Schmerz, niemals die Sorge um die teuere Lebensgefährtin auker Acht lied: „Wir wollen doch die Wirkung deiner Bäder doch eine leichtsinnig zugezogene Er­­fällung nicht beeinträchtigen, mein Herz!“ fügte er mit Wärme Hinzu.­­ „Du bist sehr gut, Sich!” ermwiderte Die Dame gedankenvoll und Halb zerstreut, als ob ihr Geist sich mit Dingen beschäftige, die weit abschweiften von der eigenen Petite sante! Dann trat sie ganz nahe an den Gemahl heran und schaute angstvoll fragend in sein unbewegliches Gesicht: „Ich bitte dich dringend, mir jeßt offen und ehrlich deine Ansicht zu sagen über eine Angelegenheit, die mich selbst seit vielen Tagen in Unruhe verlegt. Kenne ich dich und deinen Scharfbild doch viel zu genau, um nicht zu wissen, daß du über alles schon längst im Klaren bist, ja soger schon Ent­­splüsfe gefaßt Haft, Sing !" „Hm — im Klaren — hm!” Herr d. Random, gleichfalls in tiefes Sinnen verloren, stieß diese abgerissenen Worte hervor, indem er nach dem auf einem Stuhle liegenden Node langte und ihn gemächlich wieder anzog. Er war ein Mann von viel zu großen Formen und Rücsichten, als daß er es für schiclich erachtet hätte, irgend einen ernsten, vollgemwichtigen Gegenstand in negligierter Toilette zu verhandeln, mochte auch die ihm gegen­­überstehende Dame immerhin seine eigene Frau sein. Nachdem das geschehen, ergriff er ihren Arm und führte sie nach der von der Thür entferntesten Ehe des Zimmers, wo beide sich niederließen. Diese so gewiß ernste Feierlich­­keit seines Gebahrens ließ der Präsidentin Herz bänglich pocen, „Ich möchte Dich nicht gern unnötig erschreden, Elsbeth!” begann der alte Herr endlich, ruhig ihrem sorgenvollen Blick begegnend. „Aber meiner Meinung nach muß Vera fort — bald fort, und er wird am besten sein, ich nehme sie mit zurück nach Dresden.” „Also Doch!“ war alles, was die Dame darauf zu ant­worten vermochte: „Sa, deine Sorgen, welche du mir brieflich mitteiltest, sind durchaus nit unbegründet, mein Herz! Denn was ich heute nachmittags bei der Auf­­mufit zu beobachten Gelegenheit Hatte, daß bedingt ein rasches, energisches Einschreiten, so daß ich wahrhaftig nicht bereue, nach Franzensbad gekommen zu sein. In folgen Dingen vermag die väterliche Autorität doch wohl mehr, als alle V­orsicht und Diplomatie einer Mutter, d­ bin vielleicht gerade noch zur rechten Zeit eingetroffen, eine große Thorheit — um nicht den Treffen Ausdeud, Unheil, zu gebrauchen — zu verhüten, Veras leidenschaftliches Herz steht in hellen Flammen, und falls wir nicht sofort ein Ende machen, laufen wir Gefahr, daß die Gemüth- und Seelenruhe unseres Kindes arg ge­­schädigt wird.“ „D, mein Gott! Nun machst du mir im stillen gewiß den Vorwurf, über Bera nicht genügend gewacht zu haben! Ich hätte, solch einen intimen Verkehr nicht gestatten — ihn sofort abbrechen sollen.“ Klagte die Präsidentin tief befümmert: „ein, Elsbeth, durchaus nit!" sagte Herr dr. Random liebevoll, indem er mit seiner großen Hand sanft über der Gattin seine Finger strich. „Vergiß nicht, daß du wegen Maud Nachsichten nehmen mußtest. Wo du sie gleich einer Tochter Hältst, konntest du auch ihren Bruder nicht hroff zurückweifen. “3 folgt da immer eins an dem anderen. Und daß jener Umgang für unsere Vera leider verhängnisvol geworden, nimmt mir wohl eigentlich fein Wunder.­ung, feinig — wie sie ist, noch dazu mit folc’ idealer Lebensauffassung die dem Finde eigen ist, bedurfte es bei Mr. Gordons Persönlichkeit wahrlich seiner besonderen Hülfsmittel, das Heine Herz für si­cch sagen zu machen.“ „Du giebt demnach zu, daß der junge Amerikaner etwas sehr Bestechendes an si trägt? fragte die Dame gespannt: „Zweifellos. Er ist schön gleich einem Apoll, ja ich möchte beinahe sagen, von einer so eigenartigen Schönheit, wie ich sie bei einem Manne noch nie gesehen habe. Dabei steht in diesem Kopfe eine Hohe Intelligenz, während sein ganzes Auftreten ohne Frage einen formensicheren, vornehmen Mann kenn­­zeichnet, der, fern jeder Prätension oder Eitelkeit, ganz dazu geschaffen scheint, ein tndrichtes Mädchenherz zu entflammen. Aber... .” der Präsident stockte und starrte einige Sekunden sinnend vor fi Hin. -

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