Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. Juni (Jahrgang 24, nr. 7132-7155)

1897-06-01 / nr. 7132

Meess Demutmstnthiengtag , Bezirke seinen ähnlichen Aufruf zu richten.Insofern sich die Kammer dem Gedanken der gemeinsamen Beratung anschlösse und ein ansehnlicher Teil der heimischen Glasfabriken im wohlaufgefaßten eigene Interesse ihn unterstützte, schlüge sie als Ort der Zusammenkunft die Haupt-und Residenzstadt vor und ersuchte die Budapester Kammer um Einleitung der vorbereitenden Schritte­. Die Vollversammlung beschloß,der Neusohler Kammer zu antworten,daß sie den Gedanken der Zusammerkunst billige und die einzige Glanabrik ihres Bezirkes zur Teilnahme auffordern werden. Zum Schlusse wurden zwei Handelsministerialerlässe verhandelt,mit denen die Kammer aufgefordert wird,über den Marktstandgeldertarif der Gemeinden Großschenk und Mergeln ein Gutachten zu erstatten.Es wurde beschlossen,einige Sätze beider Tarife zu beanstanden,ferner,daß der handelss­minister gebeten werde,ein Muster für die Marktstandgeldertarife festzusetzen. 1. Juni 189 °. Politische Uebersicht. Hermannstadt, 31. Mai. Nach 13tägigem Aufenthalte Hat vorgestern­te. Majestät Kaiser- König Franz Josef die Haupt und Residenzstadt Ungarns verlassen. Samstag mittags machte der Ministerpräsident Baron Banffy seine Abschiedsaufwartung, bei welchem Anlasse er auch über die laufenden Angelegenheiten und wahr­scheinlich auch über die Ausgleichsfrage Vortrag erstattete. vorläufig scheinen die Ausgleichsverhandlungen ruhen zu sollen. Nach einer Budapester Meldung der „N. fr. Pr.“ ist es wahrscheinlich, daß Ministerpräsident Baron Banffy fi unmittelbar vor Pfingsten nach Wien begiebt,­­ sei aber noch zweifelhaft, ob die Wiederaufnahme der Verhand­­lungen an in diesem Zeitpunkte möglich sein wird.­­Selbst in offiziellen Kreisen werde nicht an der Formel festgehalten, daß man noch immer den Versuch einer definitiven Löjtung der Duotenfrage jet unternehmen müsse. Ein einjähriges Provisorium auf Grund des status quo trete als unabweis­­bare Notwendigkeit in den Vordergrund. Wenn es nicht anders möglich sein sollte, werde der ungarische Reichstag on in den ersten Tagen des September wieder zusammentreten, um die hierauf bezughabenden Vorlagen zu ver­­handeln. Die Regierung rechne darauf, den Reichstag Ende Juni vertagen zu können. In den politischen Kreisen Ungarns stehen gegenwärtig die von dem Honvedminister dem Abgeordnetenhause vorgelegten Gefäßentwürfe über die ungarischen Militärbildungsanstalten im Vordergrund des Interesses und beherrschen seit ihrer Ankündigung die Diskussion. Zahl­­reiche Begrüßungstelegramme sind der Regierung zugegangen, darunter gerade aus Städten, in denen die Nationalpartei vorherrscht. Die Regierung hat die Absicht, die Vorlagen in kürzester Zeit zu erledigen. Am 1. und 4. Juni passieren die Gesehentwürfe die Nussschürfe und werden bereit am 5. Juni dem Parlament unterbreitet werden. Der Honvedminister hat die Absicht, wenn die Obstruktion gegen $ 16 der Strafprogeßvorlage größere Dimensionen annehmen sollte, die Vorlage mit Unterbrechung der Verhandlung über den Strafprozeßen­twurf vom Hause erledigen zu lassen, da bereit am 1. Juli mit den Umgestaltungsarbeiten in der Ludovita-Akademie begonnen werden sol. Mehrere ungarische Blätter bringen Interviews mit dem Präsidenten der Nationalpartei, Ferdinand Horansky, und mit dem am 27. Mai in Bett eingetroffenen Grafen Albert Apponyi. Apponpyi erblicht in den Vorlagen große prinzipielle Errungenschaften von bedeutender Tragweite, erklärt jedoch, daß das Verhältnis der National­­partei zu der gegenwärtigen Regierung auf allen anderen «Gebieten, so an in der Duotenfrage, unverändert bleiben werde. , Horansky hält die Gesetzentwürfe für sehr bedeutungsvoll und meint,sie würden es ermöglichen,daß die diesfalle gehegten Wünsche der Nation im Rahmen des ungarischen Staatsrechtes zur Geltung gelangen könnte. Der Präsident der liberalen Partei,Friedrich Podmaniczky, äußerte sich im liberalen Klub,"der Schlüssel der Situation läge heute mehr als je in der Hand des Grafen Apponyi und der Nationalpartei.Er betrachtet eine Fusion als wünschenswert,wenn er auch der Erfüllung dieses Wunsches mit Skepsis entgegensieht Zwischen der österreichischen Regierung und der Rechten des Reichsrates wird über die Entschließungen verhandelt,welche angesichts der Lage im Parlament zu fassen sind.Es handelt sich darum,zu entscheiden, ob die Adreßdebatte zu führen sei oder der Reichsrat bald vertagt werden soll. Die Regierung scheint—wie in politischen Kreisen angenommen wird—die Ansicht zu vertreten,daß der Reichsrat seine Sitzungen so rasch als möglich schließen und gegenwärtig auf die Führung der Adreßdebatte verzichten solle. Was nach Schluß de­ Session zu geschehen hat,ist natürlich noch nicht fests­gestellt,aber es ist ja schon früher bekannt geworden,daß ein neuer Versuch unternommen werden soll,um eine Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen herbeizuführen,­jedoch die Regierung mit ihren Ansichten in der Majorität durchdringen wird,kann natürlich nicht gesagt werden,und so ist das Resultat der Verhandlungen kaum mit irgendeiner Sicherheit vorauszu fehen. Wie wir schon gemeldet haben, ist der preußische Vereinsgefeß­­entmwurf gefallen. S$ebt bleibt noch die dritte Lesung abzuwarten. In Berliner gut unterrichteten reisen betrachtet man übrigens den Miterfolg der Regierung bezüglich des Vereinsgejeges noch keineswegs als feststehendes Endresultat. Man hält vielmehr daran fest, daß doch noch ein Kompromiß auf Grundlage der freikonservativen Anträge, welche dem Geset die Form eines preußischen Sozialistengeseßes gäben, zustande kommen werde, Berlin ficht, und mir alle Tage einen langen Brief schreibt, wie es seinem geliebten Mädchen wohl ergehen mag.“ „Nettelhorn !" Eine flehende Bitte lag in dem einen Wort: „Aber ich werde Ahnen doch nichts messmacen, mien Yütt Deern! Nein, nein, er hatte Sehnsucht nach Ihnen, soviel, daß er selbst kam, daß ich ihm versprechen mußte, Sie nach dem Parke zu bringen —* Nettelhorn stieß plöglich Regina von sich, um spurlos mit fabelhafter Ge­wandtheit Hinter die Bürsche zu verschwinden, — und man sprach der Mann, der sich unbemerkt herangeschlichen hatte, mit zitternder Stimme: „Es war stärker als ich Regina! Ich mußte Sie noch einmal sehen, bevor ich Sie ganz verloren.“­­ Mit einem gellenden Aufschrei, halb Entfegen, halb Jubel fuhr sie erum. „Konrad, Konrad, du! Du kommst? Du Hast mich nicht vergefsen ? Du fannst mir vergeben ?“ „So liebe dich ja, Regina!” Da s­ang so einfach und so Herz­­erschütternd, daß sie mit einem Schluchzen in die Anie fanf.­­ .. Konrad, wie kann ich es dir vergelten! Ich war so elend, so umstridt von Lüge und Sünde .” Er fing sie in feinen Armen auf, preßte sie an die heftig kopfende Brust und füßte ihre bebenden Lippen. „Konrad!“ und fester schmiegte sie sich an sein Herz und so eng­te ihre Arme seinen Naden, ond wolle sie ihn nie wieder freir geben. „Die Schatten sind verflogen, nun umspanne ich dich mit meiner Liebe !“­ gab er zurück und fküßte sie. Die Befragung des deutschen Reichstages auf den 22. Juni hat selbst in Berlin überrascht, wo man sonst über alles Kommende vor« trefflich unterrichtet ist. Als eigentlicher Grund für die außergewöhnlich lange Vertagung gilt die Absicht, dem Bundesrat für die Fertigstellung der Vorlage betreffend die Militärstrafprogeßreform eine weitere Frist zu stehen und nach Wiederaufnahme der Situngen alsdann diese Angelegenheit zu urgieren. Gleichzeitig und im Zusammenhang mit dieser Absicht will man dem Meichd« tage die Möglichkeit offen halten, einer Situationsänderung in der Leitung der Reichspolitik gegenüber, deren Eintritt bis Ende Juni man nicht für unmöglich betrachtet, Stellung zu nehmen, eventuell die Bewilligung der noch augstehenden Geldforderungen, in den Nachtragsetat­ von Erklärungen der Regierung abhängig zu machen. Ein Petersburger Telegramm der „Köln. Big.” versichert entgegen den vor wenigen Wochen sehr bestimmt aufgetretenen Weißerungen maßgebender russischer Kreise, wonach der Gegenbesuch des Präsidenten Saure in diesem Jabre nicht erfolgen würde,­­ verlautet seit der Rückehr des französischen Botschafters Montebello von seiner Pariser Reise aus denselben Kreisen, daß Präsident Faure Mitte Juli auf dem Wasserweg nach Weterhof Tomme, jedoch allein, ohne vom Kammer- oder Senatspräsidenten begleitet zu werden. Im russischen Ministerium des Innern hat er eine für die innere Polität Rußlands bedeutungsvolle Personalveränderung vollzogen. Der­ bisherige Adlatus in diesem Nestort, Geheimrat Dolgo­wo-Saburom, wurde seines Amtes enthoben und dur den Direktor der bäuerlichen Agrar­­bank, Fürsten Obolenskij, erheht. Dolgowo war unter dem Minister Durnomwo die Seele aller rückschrittlichen Neueinführungen, Fürst Alexander Dimitrievitsch- Obolenskij aber ist ein Mann, der den Ruf eines aufgeklärten Verwaltungs­­beamten befigt. Um 27.8 M. Hat die Pforte die Note der Botschafter beantwortet. Die Türkei nimmt daukend die von den Mächten angebotene Friedensvermittlung an, ohne auf die von ihnen gestellten Friedens­­bedingungen und Grundfäße einzugehen, führt jedoch die Notwendigkeit aus, vor dem Beginn der Verhandlungen die terminlose Waffenruhe in einen begrenzten Waffenstilstand umzumandeln und ersucht um­ die Veranlassung, daß griechische Delegierte behufs Feststellung des Termins für den Waffen­­stilstand im türkischen Hauptquartier erscheinen. Nach einer Athener Nachricht hat die griechische Regierung eine ausführliche Note an die Mächte gerichtet, in welcher sie die türkischen Forderungen Punkt für Punkt zurückeis. Das Verlangen nach einer Kriegsentschädigung, heißt es in der Note. Sei deshalb nicht berechtigt, weil nicht Griechenland den Krieg begonnen habe; die Grenzberichtigung sei doch nichts begründet, weil, wie der Krieg bewiesen habe, die griechischen Stellungen durchaus nicht strategisch wächtiger seien, als die türkischen. Durch die Aufhebung der Kapitulationen für die griechischen Unterthanen würden dieselben der türkischen Willkür ausgeliefert werden. Schließlich sei die For­­derung nach einem Auslieferungsvertrag angesichts der Handhabung der Justiz in der Türkei überhaupt nicht diskutierbar. Wie die „Köln. tg.“ schreibt, dürfte diese Note der griechischen Ne­­gierung die sachlichen Erwägungen, von denen die Mächte bei ihren Verhand­­lungen geleitet wurden, schwerlich ändern. Die Großmächte, schreibt das genannte Blatt, wollen Griechenland seinen Befug garantieren. Dieser Schuß soi ihm auch ferner zu Teil werden, so lange er er nicht dem Willen Europas entgegenstemme. Was aber die Kriegskosten anbelangt, so würde das gerade Gegenteil dessen eintreten, was Griechenland beabsichtige. Griechenland­­ müsste eine ansehnliche Kriegsentschädigung zahlen und deshalb sein Friedens­­­heer um 20.000 Mann vermindern. Das Heer sol ausschließlich dem Zweckk der inneren Sicherheit und Ordnung dienen. Die Unterhaltung einer Friegd­­flotte sei für die Zukunft gleichfals ganz ausgeschlossen. Die Mächte haben ein dringendes Ant­reffe, dafür zu sorgen, daß Griechenland nur der En­­­twickklung des eigenen Landes si­ewidme und alles unterlasse, man den euro­­päischen Frieden gefährden könne. Wie aus Wien gemeldet wird, Hat das Memorandum der Athener Regierung in Wien, Petersburg und Berlin den denkbar übelsten Eindruck gemacht und die schärfste Verurteilung erfahren. Die Mächte seien einig, Griechenland, falls es auf dem Wege der Ränfepositit verbleibe, seinem Schidjale zu überlassen. Während die Friedensverhandlungen im langsamsten Tempo fortschreiten, scheinen sich die Dinge in Athen, mit größerer Eile einer dynastischen Krise zu nähern. Nach Athener Meldungen befinden si dher König und dessen Familie in sehr bedenklicher Lage im Palast verbarrifadiert. Die Königsyacht werde zur Abreise bereit gehalten. Die Beziehungen des Königs zu Ralli seien sehr gespannt. Der Kronprinz sol nach dem Abschlusse des Friedens eine Reise ins Ausland unternehmen. Das Gerücht geht sogar dahin, der Kronprinz habe seinem Vater erklärt, er verzichte darauf, über ein so undankbares Wort, wie die Griechen, zu bereichen. „Parlamentarisches Chaos in Westerreich. Die Sikung des österreichischen Neid­drates vom 18. d. M. nahm man bis nun als die stürmischste an. Sie wurde indes vielfach überboten durch die Sigung vom 28. d. M. Daß es nun so genommen, ist nur die Folge früher begangener politischer Fehler. Durch eine Reihe von Fahren, seit dem Kabinet Taaffe. Hat man das Deutschtum in Oesterreich systematisch zurücge­­drängt, die frühere „liberale“ Partei, der man als Köder. Hinhielt, daß sie eine „Staatspartei” sei, die sich zur­ Uebernahme der­ Geschäfte bereit halten müsse, ließ eine Niederlage nach der andern über sich vergehen, bis endlich der Rückschlag eintrat, der auch eintreten mußte, falls das Deutschtum in Oester­­reich sich nicht aufgeben wollte. m Augenblick werden Staat und P­arla­­mentarismus von den Deutschen in den Hintergrund gedrängt. Dies Losungs­­wort ist die Verteidigung des nationalen Besigstandes. Ob dieselben die nötige Zähigkeit auch besigen werden, diesen Kampf auszuhalten und durchzu­­führen, das ist eine andere Frage, die zu beantworten vorderhand schwer ist. Halten sie aber aus, so dürfte der Rückchlag auf die weitere Gestaltung der politischen Verhältnisse in der Monarchie nicht ausbleiben. &s scheint, daß man in maßgebenden Kreisen die Widerstandskraft der Deutschen, wozu freilich ihr bisheriges Verhalten vielfach Anlaß bot, zu gering angeschlagen hat. Dem Berichte der „N. Fr. Pr.” über die Situng des Reichsrates vom 28. d. M. entnehmen wir nun Folgendes: Der Vorfigende, Vizepräsident Abrahbamomicz, forderte den Ab­­geordneten Dr. Shüder auf, das Wort zu ergreifen. In diesem Momente begaben si die Abgeordneten der Rechten ostentativ auf ihre Pläne. Sie verhalten si zunächst volständig ruhig. Dagegen beginnt auf der Linken ein Lärmen, Schreien und Toben. Die Abgeordneten stampfen mit den Füßen und Klopfen mit den Holzdedeln auf die Bulte, sie trommeln mit den Fäusten auf die Tische der Stenographen. Dieser Lärm wiederholt si so oft, als der W­orfigende die Glocke ergreift und sich an den Abge­­ordneten Dr. Schüder mit der Aufforderung werdet, er möge endlich sprechen. In dem unbeschreiblichen Tumult hört man die Rufe: „Abzug Badeni !” Auf den Ministerbänken saßen gerade die Minister Badeni, Bilinski, Glanz, Steispach und Rittner. Immer von neuem erfhallen die Rufe: „Abzug Badens!” „Abzug Ministerium!” „Aufhebung der Sprachenverordnung !” Dr. Schüder steht auf seinem Plane, die Vorlage in der Hand; wenn das Getöte sich einen Moment legt, versucht er zu sprechen, er wird jedesmal von dem Lärm der Linken daran gehindert. Graf Badeni, der eine Weile mit finsterer Miene auf das Treiben gelelict hatte, verläßt plöglich den Saal, begleitet von stürmischem Halloh und Nr. 7132 Händellatschen auf der Linken. Die Rufe: „Hinaus mit Badeni!" erschallen noch lauter wie früher. Nachdem der Ministerpräsident durch die Glasthür des Saales hinau­s­­geschritten war,erhoben sich neuerlich die Rufe:«Abzug Glei­pach!«»Hinaus mit dem deutschen Minister,der die Sprachenverordnung unterschrieben hat« »Zurücknahme der Sprachenverordnungl«Graf Gleispach bleibt ruhig auf seinem Site, Das Toben und Lärmen währt fort, immer von neuem ruft man: „Bur­cknahme der Sprachenverordnung, dann erst Erledigung der Tages­­ordnung !" Während der Borfigende Abrahamomicz mit der Glocke Herum­­fuchtelt, Hört man rufen: „Das Haus auflösen!“ „Gileispach hinaus!“ „Spracenverordnung aufheben!" Dann folgt eine kleine Pause, er tritt ein wenig Ruhe ein. Da mit einem Male läutet der Vorfigende und wieder ertönt das Klopfen und Trommeln auf allen Bänken und Bulten der Linken. Während der Abgeordnete Türk kontinuierlich das Pult mit dem Brettchen bearbeitet, ruft der Zungzicheche Brzeznovsty: „Bravo Türk!“ Schallendes Gelächter folgt, dann tritt für einen Augenblick Ruhe ein. Der Abgeordneter Glödner ruft: „Die Zichechen bekommmen die Sprachen­­verordnung, die Aleritaten den Schulantrag, die Polen was sie wollen!" Da ertönt wieder bad Glockenzeichen und der tosende Lärm geht vor neuem Io8. Mitten in dem furchtbaren Geschrei hebt der Abgeordnete Nowak ein ganzes Paket mit Petitionen in die Höhe, schwingt die Bogen über seinem Kopfe und schreit in den Saal: „Das sind Tauter Petitionen gegen die Sprachenver­­ordnung !“ So währte die Sturmszene eine halbe Stunde lang, sich in kurzen Intervallen mit größerer Intensität erneuernd. Aus dem Lärm, der den Saal durchbrauft, sind nur die Rufe verständlich: „Erst die Geschäftsordnung handhaben!“ „Abzug Ministerium!" „Abzug Gleispach !” . Graf Gleispach hat mittlerweile seinen Fanteuil verschoben­ und wendet der Linken den Rücken.Auf das Pult des Abgeordneten Dr.Schücker, der noch immer nicht begonnen hat,stellt ein Diener eine Tasse mit zwei ges füllten Wassergläsern.Großeheiterkeich Abgeordneter Dr.Vrzorad(Jungtscheche)schreit:»Er macht noch immer keine Anstalten,zu sprechen!Er soll doch sprechen!«Es folgt eine neuerliche Aufforderung des Vorsitzenden an den Abgeordneten Dr.Schücker, seine Rede zu beginnen.Das ist das neuerliche Signal für die Linke,­ven Lärm zu wiederholen und dem Abgeordneten in Schücker jede Möglichkeit zu benehmen,sich vernehmbar zu machen.Vor der Sigreihe des Abgeordneten Schücker steht ein kleines Tischchen für die Stenographen.An diesem haben die Abgeordneten Glöckner und Kittel Platz genommen und trommeln auf demselben,daß er wie eine tief gestimmte Pauke durch den ganzen Saal dröh­t. Mitten in dem Lärm verläßt Vizepräsident Abrahamowicz den Präsidentensitz,den Dr.Kramarz einnimmt.Dieser Wechsel im Vorsitz regt den Sturm auf der Linken nur noch mehr an.Von neuem geht das Trommeln,Klopfen auf die Pulte und der betäubende Lärm los.Die Worte,welche Dr.Kramatz an die Linke richtet,gehen in dem Sturm verl­loren,seine Beschwichtigungsversuche werden durch Oko-Rufe unterbrochen. In diesem wüsten Getöte erklärt der Vorsitzende,er müsse dem Abgeordneten Schücker,da sich derselbe bei seinen eigenen Parteigenossen keine Ruhe ver­­schaffen könne,das Wort entziehen.(Stürmisches händeklatschen recht­, stürmische Ohn Rufe und erneuerter,andauernder Lärm auf der Linken.)Die Worte des Vorsitzenden verhallen in dem ungeheuren Tumulte.Man schließt nur aus seinem Gebärdenspieh daßer dem nächsten eingetragenen Redner, dem Jungtschechen Dr.Pacak,das Wort erteilsthaler.Die Rechte sammelt sich uu den Abgeordneten Pacak,während Dr.Schücker­,den Lärm über­tönend,dem Vorsitzenden zuruft:»Wie kann man mir das Wort entziehen.?.« Der Tumult erreicht seinen Höhepuntt Abgeordneten-Its von der Schönerers Parteischreit:»Jagen wir das Präsidium zum Teufel!«In diesem Augen­­blicke sieht man den Jungtschechen Dr.Dyk von der rechten Seite zum Präsidententi­che eilen und die dort vor dem Vorsitzenden postierten Steno­­graphen zum Platze des Abgeordneten Pacak hinwinken,damit dieselben in der Nähe des Redners trotz des großen Tumultes die Rede aufnehmen können. Man bemerkt diesen Vorgang auf der Linken,­einige Abgeordnete,an ihrer Spitze der Abgeordnete Prade von der deutschennlkspartei stürmen von ihren Plätzen mitten in den Saal,um das Vortreten der Stenographen zu verhindern. Abgeordneter Prade stößt mit der F­aust den Abgeordneten Dyf zurück, und in diesem Augenblicke stürzen von beiden Seiten der Haufe Ab­­geordnete in die Mitte des Saales. Ein Handgemenge droht sich zu entwickeln. Man sieht den Abt Treuinfels zwischen Prade und Dyf treten und die­­selben auseinanderbringen. Vor der Ministerbank entsteht ein Drängen und Schieben, geballte Fäuste sind erhoben, man muß jeden Augenblick erwarten, daß die Abgeordneten handgreiflich werden. Einige Christlich-Soziale machen Miene, der Opposition in den Rüden zu fallen. Der Vorfigende schwingt unausgeseßt die Glodke, deren schrile Töne den wüsten Lärm nur noch ver­­stärken. Seine Worte verhallen ungehört. Man bemerkt nur, wie der Abge­­ordnete Pacak unter fortdauerndem stürmischen Jubel und Händeklau­chen der Rechten einige Säge spricht, welche die Stenographen aufnehmen. Der Ab­­geordnete Dr. Schüder und einige andere Herren der Linken stürmen gegen die Präsidenten-Tribüne, um gegen ein derartiges Vorgehen energisch zu prote­­stieren. Laute Rufe: „Hinaus mit einem solchen Präsidium!” „Singen wir die Wacht am Rhein!" werden vernehmbar, abgeordneter Jro fchreit: „Hutrah Germania irredenta!“ BR Endlich scheint al der Abgeordnete Bacaf mit seiner Mede, die nur die Stenographen vernommen­­ haben, zu Ende zu sein, die Mechte jubelt, Horscht Beifall und der „Redner“ jebt sich nieder. In diesem Momente wird auf der Linken unter höchster Erregung mie rasend auf die Pulte ge­ Hopft, und die Rufe: „Hinaus mit dem Präsidium!” werden stürmisch wiederholt. Der Vorfigende erteilt dem Abgeordneten Pergelt von der deutschen Fortschrittspartei al zweitem Redner gegen die Regierungsvorlage das Wort. Auch er wird von der Linken am Reden gehindert. s AbgeordneterDk­ Schücker protestiert laut gegen das Vorgehen des Präsidiums und schreit,er lasse sich eine solche Behandlung nicht gefallen, das Präsidium habe nicht das Recht,ihm das Wort zu entziehen Aus dem tosenden Lärm hört man die Nate:»Das ist der reinste Betrug!«»Das ist ein RechtsbruchH»hinaus mit den Betr­ügern!«»Hinaud mit dem Präsidium!«Nachdem auch der Abgeordnete Dr.Pergelt vergeblich ver­­suchte,sich Gehör zu verschaffen,entzieht ihm der Vizepräsident das Wort. Der Lärm dauert durch eine volle Stunde.Endlich gelingt es dem Abgeordneten Kaiser von der deutschen Volkspartei,quortzukommen und Schluß der Sitzung zu beantragen.Dieser Antrag wird in namentlicher Abstimmung abgelehnt und gleich darauf von polnischer Seite Schluß der Debatte beantragt und in namentlicher Abstimmung angenommen.Als das Resultat dieser Abstimmung enunziert wurde,erhob die Rechte ein Triumphs­geschrei. Gleich darauf erschien Graf Badeni wieder im Hause.Seine Miene hatte sich aufgeheitert,und er schien mit dem erreichten Erfolge zufrieden. Ruhe konnte im Saale nicht mehr hergestellt werden.Dr.Schücker konnte sich zwar als Generalredner gegen die Regierungsvorlage verständlich macher als aber nach einer Rede vom Abgeordneten Dr.Steinwender nochmals der Schluß der Sitzung beantragt und dem Abgeordneten Dr.Hoffmann v.Wellenhof,welcher die sehns Minutens Pause beantragen wollte,das Wort verweigert wurde,da brach abermals ein fürchterlicher Tumult los. Wieder massierten sich die Abgeordneten um die Ministerbank,die Fäuste wurden drohend gegen das Präsidium geballt und die Opposition verhinderte die namentliche Abstimmung,indem sie bei jedem Namen,welchen der Schrifts­führer aufrief,im Chorus,,Ja«und»Ano«rief.Herr v.Abrahamowicz, "« G Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt.

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