Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. Juli (Jahrgang 24, nr. 7156-7182)

1897-07-01 / nr. 7156

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W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 fr. Aus magyarischen Blättern. Wir teilen den nachstehenden Artikel aus dem „Hazanl” vom 21. d.M., der sich „Der Zusammenbruch der Erziehung“ betitelt, unseren Zeiern mit, der all­ein nicht vereinzelte Beispiel vorpositioneller Kritik charakteristisch it. Das genannte Blatt schreibt: Mit verheerender Wirkung treibt der Kultus der höheren Morallehre der Gesellschaft Hinter den Pforten der Schule sein Unwesen. Noch ein oder zwei Jahre in solchem Geiste weiter und die ehrbaren­­ Eltern werden weinend zusehen können, wie man ihre Kinder geistig vergiftet. Das unterrichtliche Spiegelbild des Milleniumjahres tritt in den diesjährigen Schulresultaten erschredend vor unser Auge und kein künstliches Höherschrauben dadurch, daß man gute Klaffen erz­wingt, — und seine Beschönigung oder Entschuldigung vermag über den Anblick hinwegzutrösfen. Die oberste Klaffe der Mittelschulen zeigt in ihren Ergebnissen eine Erfolglosigkeit der Mühen des Jahres, die Bestürzung erwecken muß. Dort, t wo der Professorenkörper gemissenhaft seines Amtes maltet und das über­­machende Regierungsorgan in seiner Pflicht bewußt ist, müssen zumindestens 50 Prozent von der maturierenden Jugend, als unreif zurückgeh­idt werden. Und das ist gar Fein Wunder. Die Immoralität des vergangenen ahres hat sich wie ein zerstörender Mehltau auf die Denkungsart der Sugend gelegt. Wie sollte der Anblick eines luftschwelgenden Landes die zarten, empfänglichen Herzen nit verderben! Vom Mai bis zum Oktober durchzog Fröhlicher Sarg und sang ganz Ungarn, von Henczida bis Bonczhida (das erstere im Biharer, das septere im St­laufenburger Komitat gelegen. Die Rede) floß der gelbe Traus, mit der Nakoczimreife standen wir auf und mit ihr fegten wir und nieder. D3­ Budavar, Konstantinopel, 22 Orpheums, nahte lebende Statuen, Bauchtanz, spanisches Ballet, schlafende Farb­e, Liedertafeln, Festvorstellungen­­ und unbegrenzte Bantette hafteten hinter­einander der Biß zur Neige menschlichen Lebens. Heuer prangte das Ueberbleibsel in den Schau­­fenstern der Optiker in Gestalt eines Meeres von unsittlichen Bildern und in den gleich dem Unkraut emporgeschosfenen kosmopolitischen Vergnügungsorten ; die moralische Wirkung spielt also kräftig nach. Auf Landeskosten wurden die Slorafen, Rumänen, Serben, Szefler und Sachen hierher gebracht, damit sie sich in der Haupt- und Residenzstadt einmal beträuken, um für ein Glas guten Weines am 28. Oktober dann fröhlicher auf die Kandidaten der Re­­gierung zu stimmen. Zu einem Jugendwettturnen wurden die Kinder aus allen Teilen des Landes zusammengescharrt, damit sie mit der westeuropäischen und kosmopolitischen Zivilisation in den jungfräulichen Vergnügungshallen von D3-Bubavara in Berührung treten und jeden könnten, wie in Budapest das Geld verschleudert wird, von solchen, die es auf ehrliche Weise sich zu er­werben nicht gelernt haben. Die die Jugend ist gelehrig; sie vergißt folgen Anschauungsunterricht nimmer. Die Rechtsprofessoren der Budapester Universität wissen wohl, daß voriges Jahr und Heuer trob der weitgehenden Nachricht ein viel größeres Bruchteil in den Grundprüfungen mußte durchfallen gelassen werden, wie vor­­dem bei der größten Strenge — und in Gymnasien, den Oberrallschulen und höheren Handelsschulen wird jegt die viel fchmäc­er als mittlere Ernte ein­­geführt. Und mit welchem Auf­wande von Schwindel geht auch dies vor si und wo für ein Schwarm von unfähigen, un­wissenden oder nachlässigen Re­­gierungsvertretern ist entsendet worden, damit man nur auch irgend etwas aufweisen künne. Wir wissen von verkauften Themen, die sich die maturierende Jugend vorher verschafft; wir haben Arbeiten gesehen, die in der ganzen Klasse wort­­wörtlich gleichlauten — und der Professor klassifiziert sie mit großer Miene, als ob er an der Schwindelei nicht teil Hätte. Wir haben von einem staat­­lichen Obergymnasium gehört, wo der Oberbireftor die Maturanten während der schriftlichen Arbeiten überraschte und seinen beaufsichtigenden Lehrer zu­­gegen fand; wir haben von einem anderen gehört, wo die bereits einge­­reichten Arbeiten vom Professor korrigiert und wieder Hinausgegeben wurden, um frisch geschrieben zu werden u. s. w. Dann kommen die Konferenzen,in denen um irgendeinen durchfälligen Studio hitzige Kämpfe ausgefochten werd.Vornehmlich die Direktoren halten die „Errettung” für ihren obersten Beruf, damit das teuere Pfropfreis ja nicht zur Wiederholung der Klafje verdammt werde. Der strenge Professor wird boykottiert, dem gemissenlosen bringt man Opationen. Die Professoren­­körper sind lauter Rettungsgesellschaften; man darf darum den armen Jungen nicht untertanfen, zumal wenn er der Sohn vornehmer und reicher Eltern ist. Denn aus diesen Fünglingen werden ja die wahren Stüßen, die Säulen des Baterlandes. Und der ungemissenhafte Anabe, der das ganze Jahr vers­thummelt oder in gänzlicher Unthätigkeit durchfaulenzt hat, rüht mit guten Noten hinauf. Auch der künftigen Generation muß die Lehre von den Eisen­­brüchen aus Holz und den Piombobildern eingeimpft werden und glänzende Beispiele beweisen, daß aus einem ungenügenden Schüler immer noch ein guter Regierungspartei- Abgeordneter merden kann. Die Gegenwart hat alle Schattenseiten des berühmten „Arkadenbarons” unsered genialen Roman­­schreibers Ludwig Tolnai bemahrheitet, die gemilsenlosen, liebedienerischen, tuchlosen Professoren a la Racz Karoly und Rizs Lajos Haben dem Vater­­lande ein schönes Geschlecht erzogen. Aber gemacht während die Krrakenerziehung „auf der ganzen Linie“ der Mittelschulen den Konkurs angesagt hat, steigt Haben der Tag des uweib­­lichen Studiums glänzend herauf. Hüte dich „Magyare“, Schau nicht in die Sonne Hinein, denn du mirst blind — sagt das Sprichwort. Siehe da! Das erste Jahr des Mädchengymnasiums, welch’ wunderbaren Erfolg meist e3 auf: Heute war die Prüfung und die Kreuzerblätter strömen über von Preis und Lob über sie. Die Wunder Lourdes’ sind nichts dagegen; die Mädchen haben im ersten Jahre so wunderbare Resultate erzielt, daß die Angaben solches nicht einmal in fünf Jahren erreichen würden. Ein Universitätsprofessor hat ihnen vielleicht fünf Stunden Unterricht aus Litteraturgeschichte erteilt und Ihon ist aus jeder ein Franz Toldy geworden; ein anderer hat eine einzige Stunde über deutsche Sprache gelesen — und jedes Mädchen kann fast mehr Deutsch, als Goethe, und exit Latein, das ist schon das Wunder aller Wunder. Sie können nicht bloß 60 Fabeln auswendig, die Mädchen, die im Oktober mit dem Latein angefangen haben, sondern überlegen und verstehen auch den Livind, Eutropius und andere Autoren — wundersamer Weise. S­nnerhalb eines Jahres sind sie dahin gelangt, wozu es die Jungen nur in sieben harten Jahren bringen. Sorgend ein sleptischer Vater, dessen Sohn bei aller Fähigkeit in sieben Jahren vielleicht so viel nicht zu erlernen vermag, wide allerdings nicht mit Unrecht der Meinung sein können, daß man den Professor von dort entfernen solle, wo er während sieben Jahren so viel Lehrt, wie hier in einem Jahr, aber solche Skeptiker giebt es eben nicht viele. Die Meisten glauben, der Längst verloren gegangene „Nürnberger Trichter” sei irgendwo in der „Grüne Baumgasse" wiedergefunden worden — und mit seiner Hilfe wurden die Mädchen binnen 24 — d.h. pardon in einer deutschen und fünf­­ Litteraturstunden zu Fachgelehrten gemacht, wodurch dann in Zukunft die Arbeit vieler, böser Jahre und die Nachtwachen ununterbrochenen Lernens aus der Welt geschafft würden und die Zeit dem Fahrrad, Fechten und anderen nüßlichen Dingen gewidmet werden konnte. Kurz­ der Minister mit der glücklichen Hand, der seine kultusministerielle­­ Wirksamkeit mit Dankbriefen an die Orpheum-Damen begann, befindet ei wieder in der angenehmen Lage, seinen einstmaligen Kollegen „im allerhöchst eigenen Namen“ schön gedrechselte Briefe zur Anerkennung ihrer Verdienste schreiben zu fühnen. Was dem Lande an der Knabenerziehung verloren ist, bringt es reichlich durch das weibliche Studium herein, dank dem „Nürn­­berger Tripter” und den einstündigen deutschen und fünfstü­ndigen Litterarischen Kursen. Der reformeifrige Minister könnte nun eine Enquete behufs Um­­mwandlung der Knaben­ in Mädchen-Gymnasten einberufen. Die Oberaufsicht über die leiteren würde Baron Lorand Edtrds für ein drittes Gehalt oder Nähegehalt gerne auf sich nehmen. Der Kultus der höheren Morallehre der Gesellsschaft hat sich bei der Mädchenerziehung glänzend bewährt und unsere Mädcen können triumphend um ein großes goldenes Wlasjics-Denkmal den Siegesreigen tanzen.“ · Politische Uebersicht. Hermannstadt, 30 Juni. Wie die Budapester Blätter mitteilen, beabsichtigt die Opposition, die Volitit der Negierung noch Heftiger zu bekämpfen, als bisher, und wir mit allen Mitteln zu verhindern suchen, daß der Gelegentwurf über die Ein- BE­N der Strafverfahrene mit dem $ 16 trieber auf die Tagesordnung gelange. Auf der anderen Seite sol die Regierung mit aller Macht bestrebt sein, die Willenskraft der unerschrochenen oppositionellen Krieger zu brechen. Bei alledem erhält sich noch immer das Gerücht von Kompromissen. Der Redakteur eines Regierungsblattes sol bereits mit Vermittlungsanträgen an die äußerste Linke herangetreten sein. So meldet wenigstens das oppositionelle „Budapester Tagblatt”. In Oesterreich sind im den legten Tagen zwei Handgebungen an das Tageslicht getreten, die ein Kompromiß zwischen Deutschen und Tschechen in Böhmen vorbereiten wollen. Im „II. Wiener Tgbl.“ macht nämlich einer der bedeutendsten öster­­reichischen Staatsmänner, der zugleich einer der besten Kenner der politischen Verwaltung ist, den V­orschlag, die Wirksamkeit der Sprachenverordnungen zu sistieren und ein Nationalitätengefüg einzubringen. Dieses hätte zu nor­­mieren, daß in den von mehr als einem B Wolfsstamm bewohnten Ländern jeder Volksstamm seine Rechte durch eigens von demselben gewählte und in einer Nationalkammer vereinigte Vertreter geltend machen könne und daß die Wahlordnung für die Nationalkammer sowie die Einrichtung der Iegieren im Wege der Landesgeseßgebung zu erfolgen habe. Die zweite Kundgebung, die in der „N. Fr. Br.” erschienen ist, rührt von dem Führer der Deutschen in Böhmen, dem Oberst - Landmarschalls Stellvertreter Dr. Lippert, her und gipfelt in der Ansicht, den vielleicht nur un­wesentlich zu modifizierenden Inhalt der Sprachenverordnungen auf das tihechische Gebiet einzuschränken. Wie die Tichechen über diesen Vorschlag denken, läßt die „P­olitit“ ers­­ennen, welche meint: „Der Oberst-Landmarschall-Stellvertreter nennt diesen Vorschlag euphe­­mistisch „weitgehende Zugeständnisse”, weiß aber selbst, daß dieselben tschechischer­­seits abgelehnt werden dürften, und darin hat er wohl Recht, denn die An­­nahme seiner V­orschläge würde, von anderen prinzipiellen Einwendungen ab, Henilleton. Schwer gebüßt. Kriminalroman von TH. Schmidt, (1. Kortfegung.) „Den Unmeg um die Stadt durch den Wald mache ich stets”, sagte der Affessor im Weitergehen: „man sieht die Plage, auf denen man als Anabe gespielt hat, immer gern wieder. Erinnern Sie sich no, Sau Baronin, wie wir hier alle Rinder herumgetollt sind ? U, das waren köstliche Zeiten ! Wie oft Haben Sie mich erschreckt, wenn ic von dem Hause meiner Eltern zum Schloß herüber kam, um mit den Rindern des Rentmeisters zu spielen. Sie sprangen dann unvermutet hinter einem Busch oder Baum hervor und wollten sie todlachen, wenn ich bei dem Ueberfall für einen Moment die Sprache verlor. Willen Sie’s noch, gnädige Frau, einmal wurden Sie vermißt und die ganze Dienerschaft wurde ausgeschicht, Sie zu suchen, aber niemand fand Sie. Ich erfuhr dies erst, als der Tag sich seinem Ende zuneigte; troß­­dem machte ich mich sogleich auf den Weg und hatte das Glüd, Sie nach einer Stunde an einer entlegenen Stelle des Waldes zu finden, wo Sie gänzlich erschöpft, mit beschmigtem und zerrissenem Kleidchen unter einer Eiche fest eingeschlafen waren. Ich zählte erst zehn Jahre, war aber für mein Alter kräftig entwickelt. Es fiel mir daher nicht schwer, Sie teile tragend, teile stoßend in Schloß zurückzubringen. War das ein Jubel, als wir beide dort eintrafen. Nun, ich war nicht wenig stolz auf meine That, welche ir Herr Papa dadurch belohnte, das ich von da ab täglich ihr Spielgenosse sein durfte. Aus dieser glückisichen Kinderzeit stammt auch, wie Sie willen, biete Heine Pfeife, welche Sie mir schenkten, und mit welcher ich Sie oft im Wald wieder an meine Seite rief, wenn Sie sich im sorglosen Webermut zu weit von mir entfernt Hatten.” Nach diesen Worten zog der Afjerjor eine kleine, etwa fingerlange silberne Pfeife aus feiner Westentasche und zeigte sie feiner lächelnden Begleiterin. „Gnädige Frau waren als Kind ein rechter Wildfang, aber doch muß ich f­ragen, sobald meine Pfeife ihren warnenden Ruf eifhallen ließ, kamen Sie 1 sogleich zu mir zurück.“ Die Baronin machte Hell auf. „Er verstand aber auch niemand besser als Sie, Herr Affeffer, die haarsträubendsten Räubergeschichten zu erzählen. Do, i­ weiß noch alles so genau. Im Wasler gab es nach Ihrer Behauptung einen sogenannten Wassermann mit langem fßigen Haden, der sollte seine Kinder zu sich herabziehen ; im Kornfelde trafen Roggenmölse, und im Walde wimmelte es nach Ihrer Meinung von Hexen, Waldteufeln, Eigeunern und mie die Ungeheuer alle hießen, mit denen Sie meine Kindliche Phantasie derart erregten, daß ich abends nicht wagte, aus der Thür zur guden, Hübsch war das übrigens nit von Ihnen.” „Haben Sie denn noch lange an die Existenz jener Schredgestalten für Heine Kinder, welche sie beim Spielen der ihnen drohenden Gefahr nicht bewußt werden, geglaubt ?“ fragte der Affessor lachend. „Welche Frage? So etwas wirft man doc mit den Rinderschuhen fort." „Nun, nun, es giebt in den höchsten Gesellschaftskreisen sogar der Reichs­­hauptstadt noch viele Damen, welche an solche Geschichten glauben. Bas Geheimnisvolle spielt in der Frauenwelt eine große Rolle. Wie anders sol man sich sonst das Befragen „weiser Frauen” erklären, welche aus den Karten oder der Hand alles wünschenswerte den Damen erklären sollen. Was daten Sie beispielsweise soeben, als Sie die aus der Kinderzeit bekannten warnenden Töne des „Singus” wahrnahmen und“ — der Afjessor lächelte und sah seiner Begleiterin scharf ins Antlig — „sich von ihnen an die Stelle festbannen ließen ?” Die Baronin blieb die Antwort auf die Nederei schuldig, aber zwischen ihren fein gesch­wungenen Augenbrauen zeigte si eine Falte des Unmillens. Offenbar ärgerte sie si darüber, daß sie, genau so wie einft als Kind, auf den Lochruf der Pfeife gehört Hatte Was mußte der fee Mann an ihrer Seite von ihr denten ? Eine Weile schritten beide, gefolgt von Nero, schzweigend daher, dann wandte sich die Baronin plöglich in fast herbem Ton an ihren Begleiter : „Weshalb bewahren Sie eigentlich die Pfeife noch auf, sie hat doc wenig oder gar feinen Wert, es ist da nur ein Rinderspielzeug ?" „D, Fran Baronin, sagen Sie das nicht — seinen Wert für mich — io darf Sie nur an die geradezu zauberische Wirkung erinnern, die sie vorhin ausübte,” warf der Afjefsor nedend ein. Die Baronin errötete; unmillig kam es jegt über ihre Lippen: „Ein« mal it feinmal, Herr Afefior! Zum zweiten Male wird „Singuf* vergeblich pfeifen.“ Und da beide in diesem Augenblick bei einem Kreuzweg angelangt waren, bei dem si ihre Wege trennten, so bot sie ihrem nach jenen Worten sehr erst dreinschauenden Begleiter kurz die Hand. „Hier müssen sich unsere Wege trennen, dort” — Die Baronin zeigte im der Richtung nach Westen, in der an einem durch Wiesen sich mwindenden Fluß einige Häuser und Fabrik> Schornsteine sichtbar wurden — „dort sehen Sie schon das Haus Ihrer Eltern, Ihre Frau Mama, die ich zu grüßen bitte, wird sich freuen, Sie so unerwartet heimfehren zu sehen!" Nach diesen Worten erfolgte beiderseits eine steife, förmliche Beibeugung, worauf die Baronin si schnell ummandte und auf eine Bucenallee zuschritt, an deren Ende das väterliche Schloß, die „Wolfsburg“, der das grüne Laub der Bäume durchschimmerte, während der Afferser in entgegengelegter Richtung langsam durch wogende Korn- und grüne Seefelder seinen Weg weiter verfolgte. Aus seinem Anflig war plößlich jede Spur des Uebermuts und der frohen Laune gewichen, „Hier müssen si unsere Wege trennen, dort liegt das Haus ihrer Eltern,“ unwiederholte der Affesser: „Ich Thor, daß ich das vergessen konnte. Zum Reitvertreib des Heinen schwächlichen gräflichen Kindes genügtest du einst, du, der Sohn des einfachen Inselmüllers, einer Baronin von Horn, Tochter des Baron von Wolfsburg, aber darfst du Niedriggeborner dich beileibe nicht nähern, sollte das doc nur heißen. So bättest du also doch gelogen, schöne Stolze, als ich dir am Tage vor deiner Hochzeit vor vier Jahren am Arme des alternden Majors begegnete und unsere Blicde fs tief in einander senften. Damals glaubte ich in deinen Augen die stumme Anklage zu lesen: „Warum spracht du nicht? Giehst du denn nicht, wie namenlos elend ich an der Seite diejedg Mannes werden muß?” Wie durchzuchte er mich damals !" (Ortfegung folgt.)

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