Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. August (Jahrgang 24, nr. 7183-7207)

1897-08-05 / nr. 7186

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[A] Während die meisten Kollegen des Grafen Badeni fern von Wien gewiß dnd möglichste thun melden, sich nit seinen Kopf zu zerbrechen, wozu er ja auf seinen galizischen Sommergütern selbst Zeit genug hat, verrät die offiziöse Presse gar nichts von den Plänen ihres Gebieters.­ Die Reise nach Galizien scheint er übrigens durchaus nicht lediglich zu seiner Erholung unter­­nommen zu haben, sondern vornehmlich zu dem Zweck, die Spannung, die zwischen ihm und dem polnischen Klub eingetreten war, und die ihn der Koalition der Mehrheitsparteien gegenüber in eine sehr ungemütliche P­osition gebracht hatte, zu beseitigen und sich wieder der treuen Gefolgschaft seiner gali­­ziischen Landsleute zu versichern. Das sol ihm nach den neuesten Nachrichten auch gelungen sein, wozu der Uebermut der Tschechen jedenfalls sehr viel beigetragen haben wird. Sowohl die jüngste Rede Gregrd an seine Wähler als die Haltung seines Blattes „Barodni Lifty“ läßt die Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen, auf welche nur die Badenische Presse noch zu hoffen sich den Anschein giebt, als nahezu ausgeschlossen erscheinen, da die aufgestellten Bedingungen sich weder in nationaler noch in staatsrechtlicher Beziehung mit den Anschauungen, ja Existenzbedingungen der Deutschen vereinigen lassen. Die Nachricht von der Einberufung des böhmischen Landtages, um dort den Berfuch einer Einigung zwischen Tschechen und Deutschen zu machen, ist rasch dementirt worden. Die Aufhebung des slovenischen Gymnasiums in Billi, welche budgetrechtlich geboten war, da die Verweigerung der betreffenden Post durch eine allerdings zufällige Mehrheit beschlossen worden war, ist auch provisorische Einrichtung von slovenischen Paralleltraffen am deutschen Bilkier Staatsgymnasium zu einem neuen Streitpunkt geworden, indem die sloveni­­fen Abgeordneten in die Opposition zu gehen drohen, wenn nicht definitive Paralleltraffen mit einem besonderen Direktor errichtet werden. Eine solche Utraquisierung der Anstalt perhorreszieren aber die Deutschen als gefährliche Stovenisierungsmaßregel. Einen weiteren Kampf hat Unterrichtsminister Gautich wegen de polnischen Privatgymnasiums in Zeichen auszufechten, für welches das Oeffentlichkeitsrecht als Uebergang zur Verstaatlichung der Anstalt gefordert wird, während die Stadt Teschen, die erst kürzlich der Bevölkerung von Eger ihre Sympathien ausgedrückt hat, wie das täglich von zahlreichen Gemeinde­­vertretungen geschieht, von solcher Reicherung nu­r missen will. Troß aller ihrer Proteste wird sich aber der Parteitag der schlesischen Volen doch in ihrer Stadt versammeln und starken Zuzug von den galizischen Stammesgenossen empfangen. Ebenso ist die Abhaltung der Versammlung tschechischer Bürgermeister nur aufgefhoben, nicht aufgehoben und infolge dessen wird dafür agitiert, daß am gleichen Tage sich auch die deutschböhmischen Bürgermeister in Prag ver­­sammeln sollen, um dagegen zu protestieren, daß die Landeshauptstadt rein tschechisch sei. Heftige Kontroversen ruft die Resolution des Wiener Gemeinderates für Eger und gegen die Sprachenverordnungen hervor, durch welche die Christlich- Sozialen der unabweisbaren Notwendigkeit entsprachen, für ihre deutsche Ges­­innung ein allerdings recht matt ausgefallenes Zeugnis abzulegen, und doch dabei einesteild der Regierung nicht allzumehr zu thun, andernteils aber doc auch den „Sudenliberalen” und Schönerianern etwas um Zeuge zu fliden und wenn irgend möglich, beide mit den Deutschwolflichen auseinander zu bringen. Der frühere Swift bricht eben doch hie und da troß der so dringend gebotenen Einigkeit im deutschen Lager, bei einzelnen Gelegenheiten hervor, so bei dem Freisturnfest in Reichenau, wo allerdings die antisemitischen Anträge in der Minderheit blieben. Die Offizieren ermangeln auch nicht, die be­­stehenden Gegenfäße innerhalb der deutschen Oppositionsparteien, die insbe­­sondere in dem wenig erquidlichen Zwist zwischen „Ostdeutscher Rundschau” und „Deutschen Zeitung” journalistischen Ausdruck finden, nach Kräften zu schüren. Andererseits rufen die österreichischen Alerifaten das Zeugnis der reichsdeutschen ultramontanen Presse für die Ungefährlichkeit der Sprachen­­verordnungen und für „Ungehörigkeit“ der Sympathiekundgebung der deutschen Hochschulprofessoren für ihre Prager Kollegen an, was freilich die Professoren der Freiberger Bergakademie nicht an einer analogen Kundgebung gehindert hat. Den Brotesten gegen reichsberiische Einmischung konnten wirksam die großpolnischen Kundgebungen anläßlich der Lemberger Ausstellung entgegen­­gehalten werden. Sehr unangenehm berühren in Negierungskreisen die sich fortwährend mehrenden Weußerungen der deutschen Presse über die Gefährdung der Allianz zwischen dem Deutschen Reiche und der österreichisch-ungarischen Monarchie, wenn unter dem Schuge derselben die deutsche Bevölkerung den Z Tichechen, Bolen, Südslaven und Magyaren freigegeben wird. Der hingegen ausge­­spielte zweischneidige Trumpf ist das angebliche Bemühen des Grafen Golugomwati, bei seinem Besuche in Paris die österreichisch-russische Entente durch einen engeren Anschlag an Frankreich zu verstärken und so die Position der Monarchie gegenüber „Preußen“ zu kräftigen. Das wäre wohl zu ges­fährliches Spiel. W­irtschaftliche Ziele der d­eutschen Balkonpolitik. Wir haben dieser Tage unserer Anschauung kurz Ausdruck gegeben, wie die deutsche Orientpolitik vorzugs­weise Handels- und ökonomische Ziele im Auge hat. Bestätigt wird unsere Anschauung nun durch eine Wiener Korrespondenz der Münchner „Allgemeinen Zeitung“ in welcher er heißt: „&o ist sein Geheimnis, daß die deutsche Diplomatie sich während des türkisch-griechischen Konflikts zum Teil durch weitreichende finanzielle und öko­­nomische Absichten leiten ließ. Die Hauptunternehmer in Banken und Bahnen auf dem Balkan waren durch Jahrzehnte Engländer, aber ihre Feindseligkeit wider die Türkei und ihre Drängen auf eine Teilung derselben haben die Britten bei der Pforte mißliebig gemacht. Nun wird die Türkei nach dem Frieden bedeutende­nvestitionen notwendig haben, da das Kriegsmaterial erregt werden muß und der Bau einer Flotte in Angriff genommen werden sol. Auch sind wichtige Eisenbahnlinien zu bauen, und Reinasien erschließt sich immer mehr der europäischen Volkswirtschaft. Die Türkei, solte man er­­warten, wird sie dafür erfenntlich zeigen, daß Deutschland sich ihrer annimmt, und der deutschen Industrie würden si somit im Osmanenreiche günstige Aussichten eröffnen. Der Verlauf der Dinge zeigt, wie richtig die deutschen Diplomaten rechneten, als sie sich dem Drängen Englands widerlegten, den griechischen Ansprüchen zu willfahren. Wenn der wirtschaftliche Ein­flug Englands im türftigen Reiche zum Teil aus dem Belde geschlagen wird, so ist das der Voraussicht der Leiter der deutschen Politit zuzuschreiben.“ Pränumerationen und Anferate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauer­­gasse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, G. A. Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauf­­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fortet beim einmaligen Einladen 7 kr., das zweite mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 kr. _Hermannstadt, Donnerstag 5. August 1897 politische Mebersicht. Hermannstadt, 4. August Im Kroatischen Landtage ist es von vorgestern zu erregten Szenen gekommen. Noch vor der Konstituierung des Hauses brachten die foalierten Oppositionellen einen Antrag ein, worin gefordert wird, daß boreist die Wahlen in den Bezirken Bosnjaci, Sveti Ivan, Zabno und Fiume durch­­geführt werden und daß der Landtag bi dahin seine Thätigkeit filtiere. Die Opposition forderte unter fortwährendem Lärmen die Verlesung des Antrages, während der Alterspräsident Rufevitih dieselbe mit Hinweis auf die zunächst zu vollziehende Konstituierung des Hause ablehnte. Unter andauerndem Lärm und Zwischenrufen der Majorität ergriff im Namen der Opposition YUmrus das Wort und sagte: Der P­räsident verlegt die Hausordnung. (Lebhafter Widerspruch rechts und Rufe: Zur Tagesordnung!) — Potocnjaft (zur Rechten): Sie treten das Recht des Kroatischen Volkes mit Füßen! (Neuer­­licher großer Lärm.) — Schriftführer Sobat verlas nun den Bericht der Berifications-Sektion, wonach die Wahlen in den Bezirken Djakovar, Novigrad, PBisarovina, Stubica, Kopreinig, Qrbovsko und Brod als strittig erklärt wurden. — Umrus erhob dagegen Protest und erklärte, die Opposition werde sich an der Wahl des Landtagsbureaus nicht beteiligen. Als Hierauf zur Wahl des Landtagspräsidenten geschritten wurde, verließ die Opposition den Saal. Gewählt wurde einstimmig Dane Stankovit. Auch an der Wahl der Vizepräsidenten beteiligte sich die Opposition nicht. Unter dem 1.D. M. erließ der Bapst an die Episkopate Oesterreich- Ungarns, Deutschlands und der Schweiz an dem 300. Gedenktage des Todes Peter Canisius (eigentlich de Hondt, Zenit, trat 1543 zu Köln als der erste in Deutschland in den Jesuitenorden, dessen erster Provinzial er 1556 wurde. Er wirkte mit großem Erfolg für die Unterdrückung der Reformation in Köln, Bayern und Oesterreich. Die Red.) eine Enzyklika, in welcher er das Wirken Canifiud’ gegen die l­utherische Do­ktrin hervorhob und den Bischöfen empfahl, seinem Beispiele nachzueifern, namentlich dadurch, daß sie für die religiöse Erziehung der Jugend dur­ die Errichtung geeigneter, nicht gemischter Schulen Sorge tragen. Schließlich empfahl der Papst, einträchtig zu wirken, Barteistreitigkeiten zu vermeiden und für die Kirche in eifriger Weise zu sorgen, damit alle Katholiken zu demselben Biere geeinigt werden. Um 1. v9. M. Hat in Mofty in der Nähe von Teichen ein polnisch-schlesischer Parteitag stattgefunden, zu dem aus Schesien, Böhmen und Galizien zahlreiche Deputationen gekommen waren. Dr. Micheyda begrüßte die Versammlung, indem er um Ruhe ersuhte, damit die politische Reife der anwefenden Vertreter des polnischen Volkes dokumentiert werden könnte. Dr. Micheyda sprach über die sprachliche Gleichberechtigung in Aemtern und Gerichten und stellte zwei Resolutionen auf, welche einstimmig angenommen wurden. Die erste Resolution lautet: „Der Volkstag in Teichen ersuh­t die Hohe £. f. Regierung, in dieser Richtung einzumirken, damit sich sämtliche Aemter in polnischem Sprachgebiete nur der polnischen Sprache bedienen (sowohl mündlich wie s­chriftlich) und damit die Beamten, welche inmitten der polnischen Bevölkerung fungieren, der polnischen Sprache mächtig sein solen.“ Die zweite Resolution lautet: „Der Volkstag fordert die hohe Regierung auf, dem polnischen Gymnasium in Zeichen so rasch als möglich das Oeffent­­lichkeitenecht zu verleihen.“ Als sich der Sozialist Reger zum Worte meldete, entstand ein Tumult. Neger konnte nicht zum Worte kommen. Mor. Swiezy schloß die Versammlung unter Protesteuren der Sozialisten. Die Regierungs-Kommissäre Dr. Rust und Dr. Bohr requirierten die Gendarmerie, die aber nicht mehr zum Ein­­streiten kam. In Deutschland drängt für den Wagenblick die englische Kündigung des Handelsvertrages jedes andere Interesse in den Hintergrund. Die „Post“ meint u. a.: Jedenfalls seien rechr verstärkte Gründe für die beschleunigte S Feststellung eines deutschen Max­maltarifs vorhanden. Dies werde auch Amerika gegenüber für den Fall des Erlöschens der Meistbegünstigung von Bedeutung sein. Angesichts des Vorgehens Englands und angesichts der amerikanischen Dingley-Bill sei eine Verständigung der europäischen Festlands­­staaten zu einer gemeinsamen Aktion zu empfehlen. Die Vorauslegung für die Durchführung einer solchen Volitif sei ein dauerndes sicheres Vertrauens­­verhältnis zu Rußland. Deshalb habe die bevorstehende Kaiserreise nach Rußland nicht bloß politische, sondern auch­­wirtschaftlich-politische Be­­deutung. Im englischen Unterhause stellte Gourley die Anfrage, ob die Kündigung des Handelsvertrages England in den Stand gebe, an Schiffen Zölle aufzuerlegen, die in England gebaut und vielfach deutschen Rhedern verkauft, zolfrei in die englischen Häfen zugelassen werden. Der erste Lord des Schages, Balfour, erwiderte, die Regierung habe Deutschland gegen»­über den Wunsch angedeutet, wegen eines neuen Handelsvertrages in Unter­­handlungen einzutreten. So lange diese Verhandlungen nicht beendet seien, wäre es verfrüht, eine Ansicht über die Wirkung auszusprechen, melde das Ablaufen des Vertrages auf die Zölle haben Fünne, Benilleton. Schwer gebüßt. Kriminalroman von Th. Schmidt. (30. Fortlegung.) XL Die vier Wochen Urlaub, welche der Assessor Meiner zum Besuche seiner Eltern erhalten, näherten sich ihrem Ende zu. Der Genuß desselben war ihm duch den plölischen Tod der Tante sehr geschmälert worden, und da im Elternhause noch immer eine ernste, gedrückte Stimmung herrschte, so sehnte er sich zuleit wieder nach Arbeit und den wechelnden Eindrücken des Berliner Großstadtlebend. Nur ein Umstand machte ihm das Scheiden aus dem Elternhause diesesmal schwer. Er hatte das unbestimmte Gefühl, daß mit seiner Anreife auch das innige Band, das ihn mit der Baronin ver­knüpfte, fi­­­edern, daß das heiß geliebte Weib in nächster Zeit zum zweiten Male vor die Entscheidung gestellt werden konnte, ihrem Vater zuliebe einem Manne die Hand zum Bunde zu reichen, den sie wie vor Jahren nicht lieben konnte. An Andeutungen in dieser Richtung von Personen, welche mit dem Schloßheren Beziehungen unterhielten, hatte er in den lebten Tagen nicht gefehlt. Wußte auch niemand etwas P positives über die Pläne des alten Baronz zu sagen, so ahnte Alfred doch, daß jene Frage im Geheimen auf dem Schlosse bereits erörtert sein mußte. Der Gedanke, das holde Geschöpf, das ihn einen Blick in sein Herz hatte thun lassen, wiederum im Besich eines anderen zu willen, war­ ihm unerträglich. Wohl hatte er Lily in der lethten Zeit häufiger auf dem Schlosse gesehen und gesprochen und aus ihrem Benehmen deutlich herausgeführt, daß sie ein sie beseligendes Geständnis von ihm erwarte, aber ein meidliches Geschid hatte es immer gefügt, daß sie auch nur eine Minute allein waren, jedenmal, wenn er si von dem Staufen verabschiedete und Lilly ihn aus dem Zimmer begleitete, erschien, wie auf ein verabredetes Zeichen, der Baron Wolf, welcher seiner Nichte sret etwas Wichtiges mitzuteilen hatte und nicht eher von ihrer Seite wich, bis Alfred das Schloß verlassen hatte. Alfred war eine zu Harmlose Natur, als daß er das Erscheinen des Barons nicht für einen Zufall halten sollte. Daran, daß jener das schöne Weib für sich zu erobern trachtete, dachte er nicht im Entferntesten; er war ja sattsam bekannt, daß der Baron ein geschworener Weiberfeind war und daß derselbe bei seinem Alter schwerlich noch an eine Heirat dachte. So war der legte Tag der Alfreds Abreise herangerüd­, ohne daß es zu einer Aussprache mit Lilly gekommen wäre. Am Morgen dieses Tages stattete der Afjesfer dem Schloßherrn seinen Abschiedsbesuch ab. Er fand auf dem Schlosse alles in emsiger Thätigkeit zu dem von der Schloßherrschaft auf den nächsten Tag angeregten „Sommerfeste“, einer uralten Einrichtung auf Wolfsburg, bei der erstere die Schloßbediensteten und die Bewohner des zum Gute gehörigen Heinen Dorfes gleichen Namens mit Speise und Trank bewirtete. In der herrschaftlichen Küche wurde gebaden und gebraten und auf dem Guts­­hof e­iwanden die jungen Mädchen bei fröhlichem Gesfang Kränze und Guir­­landen, welche zur Ausschmüdung zweier vor der Schloßbrüche errichteter Zelte dienen sollten. Trotzdem Baron Wolf bislang bei seinem Wetter seinen Willen in jeder Hinsicht stets durchgefeßt hatte, war es ihm bis heute noch nicht gelungen, die Abhaltung dieses, allerdings etwas festspieligen „Sommer­­festes” — zu dem auch alle benachbarten Gutsbefiger mit ihren Familien ein­­geladen wurden — zu verhindern. „Einmal im Jahre muß die Gutsherrschaft mit ihren Dienstboten und Arbeitern zusammenkommen und teil an ihren Freuden nehmen, mein Lieber Better”, pflegte Baron Herbert zu sagen, wenn jener sich entrüstet über die Berührung mit dem ‚Plebe‘ stellte, „sonst verliert man die Fühlung mit dem Bolfe ganz; bei den sozialen Strömungen der Neuzeit ist es$ ein ver­­hängnisvoller Fehler, wenn der Erfigende oder der Arbeitgeber, statt sich von den Wünschen und Bedürfnissen des gemeinen Mannes Kenntnis zu ver­­schaffen, sein Leben und die Anschauungen seiner Kreise zu studieren, um danach helfend und anregend einzugreifen, two es not hat, si von ihm abschließt und die Dinge gehen näht wie sie eben gehen.“ Der Baron Hatte seinen Vetter Wolf mit solchen oder ähnlichen Worten zwar nie überzeugen können, aber sie hatten ihm doch gezeigt, daß er in diesem Punkte an seiner patriachalischen Anschauung und Gewohnheit streng festhalte. Als Alfred über den Schloßhof schritt und seine Blicke über die lange Senfterreihe des oberen Herrenhauses schweifen ließ, bemerkte er den Baron Herbert an einem offenen Fenster­fichen, von dem aus der Kranke dem fröh­­lichen Treiben der jungen Mädchen auf dem Schloß Hofe zuschaute. Der Baron winkte ihm lebhaft zu und einige Minuten später saß er dem Heute ver­­hältnismäßig recht wohl aussehenden Greife gegenüber. Ein kaum merfbarer warmer Luftzug strich durch das offene Fenster herein und führte den beiden Herren von den mnolgepflegten Blumenteppichen des Rondells vor der Freitreppe balsamische Düfte zu. „Ich bedauere es sehr, mein lieber Herr Affersor“, meinte der Baron nach einem warmen Händebruch, „daß Sie wegen der Trauer in Ihrer Familie morgen nit an dem schönen Feste teilnehmen künnen, indes — was sage ich ... Sie reisen ja nach Berlin, nach dem schönen Berlin, da werden Sie unserem ländlichen Feste sein besonderes Interesse mehr abges­pinnen können. Wenn man, wie Sie, jahrelang in einer Stadt wie Berlin gelebt und die herrlichen Kunftihäße” . . . „Da, Herr Baron, da beurteilen Sie meinen Geschmad entschieden unrichtig. Wäre ich nicht in Trauer und gestattete es mir die Zeit, so würde ich mit Freuden an diesem eigenartigen Sette teilnehmen”, fiel Alfred lebhart ein, „Als Knabe freute ich mich schon Wochen vorher auf das Sommerfest. Steht dasselbe doch einzig in seiner Art da, zeigt es sie doch so recht an diesem Tage, wie Ihnen, Herr Baron, die Herzen aller Ihrer Diener und Arbeiter warm und vertrauensvoll entgegen schlagen", sagte der junge Mann mit einem bewundernden Blick auf das feine, blasse Antlit des edlen Menschen­­freunde. Der Baron minkte lebhaft mit der Hand. „Sie übertreiben, Herr Afferior. IH erfülle doch nur lediglich eine Pflicht, indem ich denjenigen eine Freude bereite, die sich in meinen Diensten das ganze Jahr hindurch macen und plagen. Ich gestehe es offen, daß ich mich stets gern unter das Roll milce und bedauere es außerordentlich, an meinen Rolftuhl gefesselt, das Ningen des niederen Bolkes nach Verbesserung feiner materiellen Lage, fein Hoffen und Sehnen nach größerer Freiheit, fein Drängen auf Gleich

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