Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. September (Jahrgang 24, nr. 7208-7233)

1897-09-15 / nr. 7220

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Zahlgang Pränumerationen und Anferate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauer­­gasse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, G. A. Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur yv. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, auss­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fostet beim einmaligen Einraden 7 fr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 fr. 189 Bericht über den Verband Waiffeisen’scher Genossenschaften im Jahre 1896. (Erstattet vom Verbandsan­walt Dr. Karl Wolff.) (Zertregung.) Die Gründung gesonderter Genossenschaften behufs Anschaffung land­­wirtschaftlicher Marinen oder behufs gemeinsamen Verkaufes der Feldfrüchte (Fruchtgenofsenschaften) ist wohl nicht unbedingt nötig. ES fann die Aufgabe beider Unternehmungen im Rahmen der bestehenden Vereine verfolgt werden, nur muß in einem oder im anderen Falle dem­­ Vereinskaffier eine unter­­fragende Hilfe gegeben werden durch die Wahl eines Vertrauensmannes, des „Wirtschafters“. Dieser Wirtschafter ist verhalten, mit dem Raffier vereint — überwacht vom Wusschuß und Aufsichtsrat — in den Genossenschaften Ordnung zu erhalten. Der Wirtschafter führt dabei eine geordnete Buch­­führung, die sehr einfach ist und immer im Einklang stehen muß mit der Buchführung de­s Vereins raffierd.. Das ist so zu verstehen. Der Spar- und Vorschußverein übergiebt dem Wirtschafter durch seinen Kaffier für die Frucht­­genossenschaft 3. ®. 1000 fl. zur Ausbezahlung. Die Summe stellt der Kaffier in Ausgabe (Rubrik für Schuldscheinschuldner) und belastet im Konto»­buch für Schuldner damit das Konto „Fruchtgenossenh­aft”. Der Wirtschafter stellt diese 1000 fl. in Einnahme und erkennt den Spar- und V­orschußverein. Was er von diesen 1000 fl. verausgabt, wird genau in den Ausgaben be­­merkt (Name, Duantum, Preis, Betrag 2c.) Bek­auft der Wirtschafter und hebt Geld ein für die Früchte, so liefert er die Summe dem Vereinskassier ab, welcher diesen Betrag als bezahlte Schuldscheindarlehen von der Frucht­­genossenihaft in Einnahme stellt und dem Konto S Fruchtgenossenihaft im Kontobuch für Schuldner ins Haben bringt. Hiemit will gesagt sein, daß der Bereinskaffier, um sich nicht zu verwirren, nur große Bolten im Berfehre mit der Genossenschaft zu buchen hat, während die Einzelpöstchen der Wirtschafter und einzelne gehend­ zu verzeichnen hat. Daß der Bereingraffier indessen bei dieser Arbeit den Wirtschafter unterfrügen — ja eventuell erregen muß, ist selbstverständlich. Beide, Bereinskaffer und Wirtschafter, erhalten für ihre Arbeit, die übrigens in der Buchführung für Leuchtgenossenschaften umschrieben ist — eine Entlohnung. Es ist selbstverständlich, daß auf diese Weise auch andere Genossen­­schaften im Rahmen des Spar- und Vorschußvereines leben können. Ja es wird besser sein in dieser Weise vorzugehen, als eine neue Genossenschaft zu begründen, die in der Regel doch wieder die gleichen Menschen führen müßten. Wir tmeiden diesem Gesichtspunkt in der notwendigen neuen Auflage der Sagungen für Fruchtgenossenschaften Rechnung tragen müssen. Ich möchte in diesem­­ Zusammenhange noch eines wünschen: Denjenigen Betrag, den das einzelne Mitglied durch die Einlieferung von Frucht im Wege der gemeinsamen Verwaltung von dem gemeinsamen Verkaufe erübrigt hat, also die Nutzahlung möge man nicht den Lieferern­ hinausgeben, sondern, insofern­ sie Viereing­­sculdner sind, denselben auf ihrem Konto im Kontobuch für Schuldner gut­­schreiben. Diejenigen Einlieferer, die nicht Schuldner sind, fünnen diesen Mederzahlungsbetrag sich oder ihren Kindern als Spareinlage gutschreiben lassen. Auf diese Weise würde am besten dargethan werden, daß unsere Sparvereine nicht nur zum „Schuldenmacen“ gut sind, sondern auch zum Schuldenzahlen und Sparen. Freilich muß hier der Ausschuß und Aufsichtsrat nur umso mehr auf seinem Boften stehen. Abgesehen davon, daß die Verwidelungen in der Ges­chäftsgebarung sodann besser ausgeschlossen sind, hat die Ortsbevölkerung ungleich größeres Vertrauen in die Genossenschaft, und die neuaufgegriffene Angelegenheit nimmt geordneten sicheren Fortgang. Dieser Fortschritt in der Gesyäftsführung aber ist nicht nur notwendig für die Vereine an und für sich, sondern unumgänglich für jene Vereine, welche Bivede von E­rwerb3­­genossenschaften insbesondere im Rahmen der bestehenden Vereine pflegen wollen. Wir haben von Glück zu sagen, daß wir,in jedem sächsischen Dorfe — fast ohne Ausnahme — eine Gruppe von Männern finden, denen wir einen Verein, eine Wirtschafts- und Erwerbegenossenschaft anvertrauen dürfen. Die Ehrenhaftigkeit und auch die Geschiclichkeit dieser Männer gestatten das ohne weiters. Es ist wichtig, diese natürliche Geschielichkeit in unser Geleite einzulenken und darin festzuhalten, denn dann erst dürfen wir sagen, daß mir die glüclicher Weise vorhandene Geschiclichkeit unseres Volkes bewüßt und herangezogen haben zur Verwaltung und Pflege auch allgemein wirtschaftlicher Interessen. Das allerdings nicht rasche Fortschreiten des Verständnisses im den Ausschüffen der einzelnen Vereine beweist dieses. S jedes Jahr zeigt er, daß in einzelnen Vereinen die Arbeiten sicherer vor sich gehen, daß­­ Ver­­ständnis in die Sache kam und daß dadurch die Freude an der Sache inwuchs. Hier ist nun an der Play, wo eine üble Erfahrung bekanntgegeben werden muß. Die kleinliche und entjeglich engherzige Scheelsucht kann es hier und dort zu Wege bringen, den Raffier, der endlich in redlicher Bemühung sicheren Gang in die Buch- und Geschäftsführung gebracht hat, der seiner Arbeit knapp entsprechend einen Gehalt bezieht, und mit welchem es nun möglich wäre, die Arbeit des Vereine durch Anfügung einer Maschinen- oder Fruchtgenossen­­schaft unmittelbar nüßlicher zu gestalten und weiter zu führen, den Raffier zu stürzen und die Neuwahl zu eigenen Gunsten zu beeinflußen. An und für sich sind folge unlautere Machenschaften auf das entschiedenste zu bekämpfen, aber auch aus Mäglichkeitsgründen für den Verein nach Kräften zurückzus­tämmen, da sie die Thätigkeit des ganzen BVereines um ganze drei Jahre zurüclegen. Denn so lange Zeit etwa ist notwendig, selbst im günstigen Salle, bis der neue Kassier Halbiwegd sicher im Sattel ist und Eignung erhält, Mehrarbeit zu bewältigen. Selbstredend darf die Warnung vor solchen Machen­­schaften nicht al Parteinahme für einen unnüßen Kaffier, den zu erregen Pflicht ist, verstanden werden. Hier sei ferner bemerk­t, daß die Mehrausgabe, die durch die bessere Entlohnung des bewährten Kaffiers dem Vereine erwäh­st, nicht in Vergleich gezogen werden kann gegenüber dem zwar etwas billigeren, aber durchaus unbewanderten Neuling im Amte. Der Genossenschafts-Revisor hat bis jehr eigentlich kaum mehr in unserer Bereichangelegenheit thmn künnen, als notwendigste Ordnung zu halten. In dem Grade, als der Kassier in sein Amt einwäscht, kann mit der Pflege weiter dringender Fragen begonnen werden. Das Vertrauen, das einem gemissen­­haften Arbeiter geschenkt wird, hebt und fördert ihn in seinem ganzen Denken und Arbeiten. Die Mihe der Arbeit wandelt sie dabei unversehens in Arbeitsfreude um und die Arbeitsfreude entwickelt weiter­­ den Arbeitseifer. Für den Genossenschafts-Revisor, ist der ohne­ zwingende Notwendigkeit vorge­nommene Raffierwechsel eine Bein und ein Schrecen. Andererseits wird bei größerer Beständigkeit in der Verwaltung der Vereinsgeschäfte auch der Rebitor in seiner Arbeit gefördert und da ist es nur natürlich, wenn er die Gelegenheit wahrnimmt, in den einzelnen Vereinsdörfern gemäß der Natur des Bodens und der Verhältnisse neben die Geldvereine Erwerbögenoffenschaften zu stellen. Das regelmäßige Geldbitten und Gelderhalten führt schließlich den Bittsteller und den Geber auf den Pfad der Gedankenlosigkeit, darum entsteht für den Bittsteler die Gefahr Leichtsinnigen Schuldenmachend, für den Geber die Ge­­fahr geistloser Schablonenhaftigkeit in dem Verfehr mit der Partei, die dann zu sehr als die Milchkuh des Vereines aufgefaßt wird. Um das eigentliche tiefer liegende System der Raiffeisen-Vereine zur Geltung zu bringen, ist es notwendig, neben die Grundmäße des Vereines, die in toten Zeilen nur zu oft begraben liegen, ein Lebendiges Wahrzeichen in den Verein zu stellen, das gepflegt und gehütet den Dorfbewohnern den Verein erst recht lieb und toert macht. Statt vieler, seien nur einige Beispiele erörtert, um darzulegen, in welcher Weise diese an den bestehenden Geldverein angeschlossenen Erwerbs­­genossenschaften beschaffen sein müssen. Die jährlichen Bewohner von Sarkany sind durch die Lage ihres Ortes in außerordentlich fruchtbarer Gegend, von größeren Stätten entfernt, ausge­­dehntem Aderland und dann dem Gebirge mit feinen Herdenmweiden vorgelagert, seit langer Zeit darauf hinge­wiesen worden, die überall aufgestapelten Er­­zeugnisse in ihrer Gegend anzulaufen und die gesammelten Vorräte dann mit Nagen abzuliefern an größere Unternehmer oder Konsumenten. An sich ist dieser Vorgang nicht tadelnswert. Man darf sie freuen über die Unter­­nehmungsluft, die sich hier äußert. Aber bei näherem Hinsehen hat sie doch auch ihre Schattenseite. Es ist naheliegend, daß der Sarkanger Safe zum Einkauf der Feldfrüchte vornehmlich den Sonntag bewüßt. Denn am Sonntag findet er überall die Leute zu Hause, er­ kann si Zeit nehmen, mit ihnen zu handeln. Die Woche vergeht ihm mit einiger Arbeit, mit vielem Grübeln und Nachdenken über das Tagesprogramm des nächsten Sonntags, der ihm so recht der Zug zum Handeln wird. Solche durch Jahrzehnte fortgelegte Bemühung, in diesem Handel ftets nur den größtmöglichsten eigenen Vorteil zu sichern, ist geeignet, seine Gesinnung sehr zum Nachteil seines Gemütes von allem unwegzulenfen, was diesem eigenen Vorteil nicht fürdersam it. Der Sarkanger ist in diesen Wegen und in dieser Bemühung in Gefahr, ein besonders nüchterner Mensch zu werden, wenig zugänglich für öffentliche Interessen, fast abhold für höhere Bedürfnisse, wie sie sich edel aussprechen in Kirche und Schule. Sol man da nicht auf den Gedanken kommen, daß etwas in Sarfang geschehen müsse, um die Leute zurückzulenken in richtigere Bahnen, ohne ihrer Eigenart, die nun einmal durch die Ortslage und die Verhältnisse der Gegend natürlich bedingt ist, Gewalt anzuthun ? (Schluß folgt.) Politische Uebersicht. Hermannstadt, 14. September. Während der reichstägigen Zerten ist eine ganze Reihe von Peti­­tionen und Repräsentationen an das Abgeordnetenhaus gelangt. Darunter befindet sich ein Entwurf über die staatliche Reform des Sanitätsmwesend. Das Veltprimer Komitat unterbreitete ein aus­­führliches Memorandum in Angelegenheit der Verstaatlichung der Feunerversicherung. Auch sind viele Munizipien durch Petitionen gegen die Erhöhung der Duote vertreten. An dem in der vergangenen Woche in B­renburg stattgefundenen Konvente des zisdanubischen ev. Kirchendistriktes haben auch die Vertreter jener Bezirke teilgenommen, welche sich drei Jahre Hindurch geweigert hatten, bei den Beratungen der Konvente sich vertreten zu lassen. Die Hoffnung, daß jedoch eine Einigung erzielt werden künne, ist gescheitert. Schon in der Bor­­konferenz verlangten die Vertreter des Neutraer Seniorats die Annahme fol­­gender vier Punkte als Bedingung für ihren Anschluß. 1. Der Distriktual-Konvent möge jenen Beichluß von 29. Dezember 1894, wonach die Umtesprache des diesseitigen Kirchendistriktes ausschließlich die magyarische ist, außer Kraft gehen. 2. Soll der Beichluß gefaßt werden, daß eine Union mit der reformierten Kirche nicht stattfinden dürfe, als mit den Interessen der evang. Kirche W.B. unvereinbar. 3. Der Konvent sol beschließen, daß derjenige, der seine Kinder durch Neverd einer anderen Kirche ausgeliefert hat, eine nicht christliche Frau geehe­­licht, die kirchliche Trauung nicht in Anspruch nahm oder seine Kinder nicht taufen ließ, keinerlei firchliche Würde befleiven könne. 4. Bei Erziehung von Lehrern und Priestern möge der Konvent den Havisschen Gemeinden gegenüber gerechter vorgehen und die flavische Sprache ichon in den Gymnasien unterrichten und nicht gestatten, daß jene verfolgt werden, welche die Sprache aus eigenem Antriebe zu erlernen trachten. Nach einer eingehenden Debatte wurde beschlossen, daß die magyarische Sprache au fernerhin die Amtssprache bleibe; der zweite Punkt, über welchen nur eine Synode beschließen kann, wurde fallen gelassen, was den Unterricht der flavafischen Sprache betrifft, wurde endlich beschlossen, die Angelegenheit seinerzeit auf die Tagesordnung zu legen. Nach Verkündung dieser Beischlüsse verließen die flavistischen Vertreter des Neutraer Seniorates den Konvent. In einem die „Obstruktion“ überschriebenen Artikel schreiben die „Na­­rodni Lilly” u. a.: Uns sind sowohl das Parlament als der sogenannte Konstitutionalismus überhaupt derzeit sehr gleichgültig. Im unserem Interesse liegt es, wenn der Teufel die Dezemberverfassung und alles, was damit zusammenhängt, holen würde. Wir zweifeln sehr daran, ob Graf Badeni, wenn er und nicht mehr welche wohl sein Mensch zu deuten verstanden hätte. Erst als der Geschäfts­­bote mit der Brieftasche erschien, richtete sich Meinert aus feinem dumpfen Hinbraten auf. „Wünschen Sie noch etwas von mir?“ fragte er den Ar­beiter, welcher, einen Befehl erwartend, an der Thür stehen geblieben war. „SH möchte Sie bitten, mir mehr zu thun zu geben, gnädiger Herr. IH verdiene den Thaler, den Sie mir täglich geben mit dem Holen und Hinbringen der Sachen von und nach der Post gar nicht. Habe ich auch nur einen Arm, so man ich mich doc mohl wo im anderer Weise nüßlich machen”, sagte ver Mant, in dem wir einen alten Bekannten wieder erkennen. „Vorläufig sollen Sie nur die Botengänge verrichten, Marschmann , wenn Sie si erst wieder gekräftigt haben werden, können Sie leichtere Arbeit thun. Man hat Ihnen ein schreiendes Unrecht zugefügt und ich rechne ec Ihnen och an, daß Sie bei den bitteren Nahrungssorgen und der Gleich­gültigkeit der Menschen angefichts Ihres Unglücks nicht verzweifelten“, sagte Meiners, welcher Marschmann auf die Empfehlung des Heinen Kolporteurs vor etwa vierzehn Tagen in Arbeit genommen hatte: „D­­ich war oft nahe daran, an der Gerechtigkeit Gottes zu ver­zweifeln und vielleicht Hätte ich mich auch eines Tages an dem Eigentum anderer vergriffen, wäre nicht der fremde Mann für mich aufgetreten. Ihm und Ihnen verdanke ich eh, daß meine Frau und Kinder si wieder fatt essen können. D, gmädiger Herr, ich bin mir ein niedriger, umwissender Mensch, aber soviel habe ich doch schon gespürt, daß der Kolporteur Hier gegen gemeilte P­ersonen etwwas im Schilde führt. Der Mann scheint alles zu wissen; er behandelt mich zwar immer freundlich, aber troßdem werde ich eine gewisse Angst nicht los, wenn er sich mit mir in ein Gespräch einläßt. IH darf nichts verraten, Herr, und ich weiß nicht, ob ich recht thue, ihm auf seine vielen furiosen Fragen nach diesem und jenem hier zu antworten.“ „Wonach fragt er Sie denn ?” forschte Meinerd, dem das Benehmen des Kleinen Kolporteurs, welcher häufig auf seiner Befigung erschien und sich mit den Leuten in lange Unterhaltungen einließ, auch aufgefallen war. „Hat er Sie denn auch über ihre jebige Herrschaft ausgefragt ? Hat er vielleicht von mir gesproc­hen ?* forschte Meinerd weiter. (Fortl. folge) Beuilleteon. Schwer gebüßt. Kriminalroman von TH. Schmidt. (64. Fortlegung.) „Ed schien Meiner offenbar ein Bedürfnis zu sein und Vergnügen zu machen, bieten auf seinen Reichtum pochenden Mann einmal gründlich fühlen zu lassen, daß ihm sein Geld heute absolut nicht mehr imponiere. „Reichtum und solche äußerliche Bildung, welche durch diesen erworben werden können, verdecen nicht immer die inneren Fehler und Mängel eines Menschen. Mir ist eine arme, aber frische, gesunde und arbeitsame Tochter eines ehr­­lgen Handwerker als Schwiegertochter zehnmal Lieber, als ein reiches, über ihren Stand Hinaus erzogenes Modedämchen, das sich scheut, mit feinen weißen Händchen ein Stück in der Küche anzufassen. Mein Sohn kann ein Mädchen wie Ihre Tochter nicht an Frau brauchen, und daß ich Ihnen, nach­dem, was z­wischen und vorgefallen ist, nicht mehr mit Vertrauen be­­gegnen kann, werden Sie hoffentlich selbst einsehen.“ Spedmann überhörte die Iebtere verlegende Weußerung. Er schien noch nicht alles verloren zu geben. „Ihre Worte treffen nicht das Richtige; ein jeder Mann muß sich seine Frau erst erziehen“, antwortete er, innerlich gab er Meineid ja recht, seine Tochter mußte al Hausfrau noch viel lernen. mir zweifle sehr, ob ss Ihre alternde Tochter noch erziehen Lassen wird“, verlegte Meiners gelangweilt. „Mein Sohn scheint dazu wenigstens seine Neigung zu haben.” „Ihr Sohn hätte, wenn er Feine ehrlichen Absichten Hatte, besser gethan, mein Haus zu meiden”, verfeßte der zähe Spedmann ärgerlich. „Dem stimme ich zu. Da aber die Verlobung noch nicht veröffentlicht ist, so ist es für­ beide noch früh genug, si, ohne großes Aufsehen zu erregen, aus der Affaire zu ziehen. Ich betrachte die Angelegenheit damit erledigt.“ Nach diesen Worten sehte sich Meiners an seinen Schreibtisch und nahm von Spedmann seine weitere Notiz, und das trieb dem erregten Rentner endlich die Galle ins Blut. „Sie irren sich gewaltig, wenn Sie glauben, mich mit nichtssagenden Redensarten abspeisen zu können“, verfeßte er darich. „Ihr Sohn hat meiner Tochter die Ehe versprochen. Wenn jebt die Verlobung der beiden zurück geht, ist meine Familie blamiert. Sie pochen jet auf ir Vermögen; früher, als Sie in der Patsche saßen, konnten Sie mich finden und waren Sie Höflich gegen mich. Mein Geld konnten Sie brauchen, aber von einer Verbindung mit meiner Familie wollen Sie nichts wissen.“ Meinerd drehte sich ruhig auf seinem Stuhl herum und maß Specmann mit einem durchbohrenden Blid: „Hätte ich damals gewußt, wie Sie «8 mit Ihren Schuldnern machen und aus­­ welchen Duellen Sie Ihr Vermögen schöpften, so hätte ich Ihr Geld nicht angenommen. Das Geld, das Sie mir lieben und bald darauf wieder fündigten, ist zum Fluch für mir geworden. Unsere Ansichten über Treu und Glauben sind so Himmelmeit verschieden, daß eine heiterseitige Annäherung, zumal in familiärer Hinsicht, gänzlich unmöglich ist.” Spedmann lachte Höhnisch auf, konnte aber damit nicht verdecen, daß Meiner Worte einen ehr­wunden Punkt bei ihm getroffen hatten. „Sie können gut reden“, erwiderte er mit heiterer Stimme. „Wenn man’ im Leben zu was bringt, dann Heißt es in der Regel: ‚Der hat sein Vermögen ou nicht allein durch Fleiß und Ausdauer erworben.‘ Am übrigen fege ein jeder vor seiner eigenen Thür. Glauben Sie nur ja nicht, daß man damals in der Stadt überall an den ‚großen Lotteriegewinn‘ eines gereisten Herrn glaubte. Man schüttelt nicht ohne weiteres dreißigtausend Mark über Nacht aus dem Aermel. „ Na, bleiben Sie nur ruhig figen, ich gehe schon“, schloß Spedmann zur Thür schreitend, auf welche Meiners jäh aufspringend mit einer gebieterischen Handbewegung zeigte. Kaum aber hatte der Rentner in seiner geräuschvollen Manier das Zimmer verlassen, da laut Meiner wie unter der Wucht einer fehmeren Aufrage wieder auf den Stuhl nieder, flügte den Kopf mit beiden Händen und stöhnte laut. So saß er eine Halbe Stunde und sein Geist schien nicht in der Gegenwart zu weilen, denn seinem Munde entfuhren Worte und Güte,

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