Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. September (Jahrgang 24, nr. 7208-7233)

1897-09-19 / nr. 7224

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Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauf­­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fostet beim einmaligen Einladen 7 £r., das z­weite­­mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der GStempelgebühr von je 30 kr. zur Erinnerung an D. 6. 2. Teutsch). An 19. September 1867 war es, als in der ev. Stadtpfarrkirche in Hermannstadt die Vertreter unserer Landeskirche versammelt waren, um dem am 12. Juni desselben Jahres aus dem Leben geschiedenen Bischof ©. B. Birder einen Nachfolger zu geben. Zum erstenmale war die Landeskirche in der Lage, sich ihren Bischof durch ihre aus der Wahl der Glaubensgenossen hervorgegangenen Vertreter, auf der Grundlage eines Gefäßes, das sie sich selbst gegeben hatte, wählen zu können. Zum erstenmale nach beinahe drei vollen Jahrhunderten sollte der sächsische Bischof, der diese Zeit hindurch als Pfarrer­ von Birthälm an diefe ee gebunden war, wieder seinen Amtzeig in Hermannstadt nehmen.­­ Die Wahl der Mehrheit der Landeskirchenversammlung fiel auf den Mann, der allein unter den schweren Verhältnissen den schweren Lasten gewachsen zu sein schien — auf den Schenfer Bezirksdechanten und Pfarrer von Agnetheln D.G­. ®. Teutich. Wie Goch aber der neue Bischof von der Kirche und ihren Aufgaben dachte, er hat er in ergreifenden Worten ausgesprochen an den Stufen des Altar im der Stadtpfarrkirche, in seiner Rede, mit der er die auf ihn gefallene Wahl anzunehmen, sich bereit erklärte, Hoffnungsfreudig erklärte er am Schluß derselben: „Und wenn das Schiff unserer Kirche das unverfälsche Gotteswort zum Leitstern, mit der evangelischen Wissenschaft und Schule und Gemeindeverfassung im Bunte, den Bielen ihrer Bestimmung entgegenfährt, so können wohl die Wellen Hoc gehen und die Stürme braufen, aber das Schiff wird nicht verfinfen und die Güter, die es trägt, werden nicht untergehen. Denn der Herr auch der Stürme und der Wellen ist Gott und die in seinem Dienste stehen und ihm und sich treu bleiben, die läßt es nicht.“ Wie hoch aber die Wellen zu Zeiten gegangen, und wie die Stürme oft gebraust haben, während der fast sechsundzwanzig Jahre, in den Bischof Teutich mit fundiger Hand an dem Steuerruder unserer Kirche gestanden, wer wüßte das nicht, der diese Zeit miterlebt Hat. Daß wir nicht berufen sind, im Genuße erworbener Güter zu irgend­einer Zeit auszuruhen, wie sein Nachfolger im Amte, Bischof Müller, in seiner Eröffnungsrede zur achtzehnten Landeskirchen­­versammlung mit vollem Rechte behauptet, Hat Bischof Teutich sein ganzes Leben hindurch an sich selbst und an seiner Kirche erfahren. Ein schwer er­worbenes­ Gut aber bedeutet die Verfassung, die sich unsere Kirche gegeben hatte, der allgemeine Geltung zu verschaffen, dem Bischof vor allem am Herzen lag. Mit großer Freude hat später einmal Bischof Teutsch darauf Hin­­gewiesen, im welch glücklicher Lage unsere sächsische Kirche damals war, im Vergleiche zu unseren Schweiterkirchen, die dieses Gut sie erst erringen mußten. In ihe fand er die Mittel, in geießlicher Weise auf Unterricht, Schule, Bil­­dung auf die sittliche Zucht des häuslichen Lebens und der Gemeinde einzu­­wirken. Ohne sie und die zielbewußte Handhabung derselben "durch Bischof Teutich wäre die Kirche durch die politischen Erschütterungen der 1860er und 1870er Jahre unfehlbar zermalmt und vernichtet worden. Dies anerkennt auch der Rechenschaftsbericht über die Amtswirksamkeit des zweiten Landeskonsistoriums in dem er schreibt: „Während die Wandlungen der fünfziger Jahre einen Organismus vorfanden, der, von der Sorge an zwar gespalten, die Wurzeln der einen Hälfte nicht in der Gemeinde selbst besaß, während daher jene Wandlungen den ganzen Organismus fast bis zur Verbrödelung und gänzlichen Auflösung des gesamten Kirchenregimentes erschütterten, begegneten die neuen großen Umgestaltungen einem eigenlebigen, einheitlichen, von unten herauf aus der Gemeinde emporgewachsenen Bau, der die festen Pfeiler seines Bestandes in sich felbst und in der freudigen Mitwirkung aller seiner Bewohner trug.” Wir wollen Hier nicht den ganzen, reichen Entwicklungsgang unserer Kirche darlegen, während der Amtsthätigkeit des Bischofs Teutich, ed würde zu weit führen, und könnte auch nur oft Gesagtes und Bekanntes wiederholen. Das aber dürfen wir auch, heute und niemals vergessen, wie Bischof Teutich seine ihm anvertraute Kirche, von dem Tage an, da ihn der Herr an die Soige derselben gestellt, bis zu dem Tage, da er ihn zu sich berief, gegen zahl­­lose Arte der staatlichen Gefegelung und Negierungsgemalt verteidigt hat, verteidigen mußte. Nicht immer sind seine Schritte von Erfolg gekrönt gewesen, nicht alle Uebergriffe auf das geieglich verbürgte autonome Net dieser Kirche und der mit ihr verbundenen Schule Hat er zurücweisen können, als das Hat aber seinen Kampfesmut nicht zu brechen vermocht. Felsenfest lobte in ihm die Mederzeugung, daß Recht zulegt doch Recht bleiben müsse. Und in diesem Kampfe war er thatfählich, womit er von einem­ hervorragenden deutschen geistlichen Wür­denträger verglichen worden ist, ein Deichgraf, der zu Zeiten der Not, sich selbst in den Ni, den die See in den Damm gebrochen, fegt, und wartet biß Hilfe kommt, mit feinem Leib und Leben die heimatliche Flur vor den Wogen fringend. Stets wahrsem und selbstlos, unermüdlich im Kampfe, sein Sacsenwolf vor dem Untergang seiner Eigenart zu retten, — das ist es nit zum wenigsten, was sein Volk zum tiefsten Danke gegen Bischof Teutich verpflichtet für jedt und immerdar. Was aber Bischof Teutich jedem seines Volkes weiter zum Vorbild macht, ist, daß er in seinem Wirken zu jenen seltenen rastlosen, nie ermü­­denden Thatmenschen gehörte, daß er ein ganzer Mann Zeit seines ganzen Lebens gewesen ist. In ihm vereinigte sich ein selten vornehmes Wesen und echte Popularität, Milde und Energie, tiefgründiges Wissen und praktische Lebensauffassung in harmonischester Weise, um eine Individualität von Höchster Eigenart zu schaffen. So kam er denn, wie Geheimrat P­rofessor Heinze aus Heidelberg schrieb: Wohin er den Fuß lebte, gewann er die Herzen, wenn er den Mund auft­at, gewann er die Geister, woran er die Hand fegte, dem drühte er den Stempel der Weihe auf. „Mit Furcht kam der fächsiiche Ge­­lehrte zu ihm, den größten unter ihnen, ob er wohl bestehen werde? Mit Liebe verließ er ihn, denn er hatte seinesgleichen gefunden. Bugend kam der bescheidene Dorfgeistliche, mit Liebe und Verehrung schied er, demütig nahte der Bauer, gehoben ging er. Mit jedem mußte er in seiner Sphäre zu reden.” Bier Fahre sind nun vorüber, seitd­em Bischof Teutsch nicht mehr unter und meilt, in unseren Herzen aber lebt er und wird darin leben, so lange der Sächsische Laut in unseren Gauen noch gehört wird. Wenn wir aber, wie sein Nachfolger im Amte Bischof Müller an heiliger Stelle einmal betont hat, gegenwärtig vielleicht weniger berufen und verpflichtet sind, an den Außenwerken unserer Kirche kampfbereit zu stehen, als dazu, die W Verteidigungs­werke unserer Kirche nach innen auszubauen und weniger einen Umbau unserer Kirchenverfassung als schrittweise den Aus­­bau derselben ins Auge zu fassen haben, so meinen wir, daß auch hiezi noc’Bischof Zeutsch mitgewirkt und mitgearbeitet hat und daß wir seinen Geist auch heute noch unter” ung­au nach dieser Richtung fühlen. So­ll denn das Wort wahr geworden: „Er ist gestorben und Iebet no“ und so wird denn auch seinem gesegneten Leben folgen immerdar ein gesegnetes, heiliges Andenken bei seinem sächsischen Wolfe, Englise und russische Stimmen über die ungarischen Kaisertage. Den Londoner „Times“ wird über den Besuch des deutschen Kaisers von ihrem Wiener Korrespondenten gemeldet: E3 ist faum glaublich, daß dem deutschen Kaiser während seiner jüngsten Reife im eigenen Lande von den eigenen Unterthanen faum ein begeisterterer Empfang bereitet wurde, als eben jegt in Ungarn. E 3 ist nicht unwahrscheinlich, daß von dem beiden Empfängen der leitere begeisterter war. Das ungarische Bolt, welches behufs Beurteilung der Wirkung einen besonderen Scharfbiid besigt und welches schon wiederholt bewiesen hat, daß es behufs Förderung seiner praktischen Ziele auch aus der dekorativen P­olitik Nugen zu ziehen ver­­steht, erblicht in dem gegenwärtigen Besuche des deutschen Kaisers beim ungarischen Könige die vor der Welt noch Harere und unverkennbarere Aner­­kennung der unabhängigen Staatlichkeit Ungarns, als in den im vergangenen Jahre anläßlich der Milleniumsfeierlichkeiten erfolgten Glückwünschen der aus­­ländischen Herrscher. In vollem Maße wird der Unterschied zwischen demjenigen Besuch gewürdigt, welchen der verbündete Herrscher dem Kaiser-König in Wien abstattet, in der alten Residenzstadt der Habsburger, von mo Ungarn zur Zeit regiert ward, mn wo,dessen Verfassung suspendiert, sogar als aufgehoben deklariert wurde, und z­wischen einem solchen Besuch, welchen der deutsche Kaiser bei dem gefrönten König des unabhängigen Ungarns in der Hauptstadt des Landes macht, mit den ungarischen König der ungarische Hof umgibt. Die­ser Umstand übte gewiß auf die Erwecung der weitsichtigen begeisterten Stimmung der ungarischen Nation einen bedeutenden Einfluß, welche die jenige Entrevue der beiden Herrscher zweifellos charakterisiert. Von ruffiigen S Journalen meint die „Nomwoje Wremja”, das Haupt­interesse der demnächst in Ungarn zu erwartenden Kaiserzünfte liege haupt­­sächlich in dem Umstande, daß Bismarc in einer seiner zahllosen Aeußerungen über das französische russische Bündnis erklärt hat, daß dieses, Bü­ndnis eine ernste Bedeutung nur in dem Sale erhalten wird, „wenn si Symptome der Trennung” Desterreichs von Deutschland zeigen werden. Voraussichtlich wird der Kaiserliche Gast des Kaisers und Königs Franz Sofer das absolute Nicht­­vorhandensein von „Symptomen der Trennung Desterreich-Ungarns von Deutschland“ bestätigen und beweisen können, daß die P­olitik des Berliner Kabinetes ein genau vorgezeichnetes Ziel verfolgt. Obgleich es keinem Breifel unterliegt, daß Oesterreich-Ungarn im gegenwärtigen Augenblicke nicht die geringste Luft hat, sich von Deutschland zu „trennen“, so kann man das nicht behaupten, daß die ziemlich perfiden Andeutungen Bismarcs jeder Grundlage entbehren. Die scon im vorigen Jahre erfolgte Annäherung zwischen Dester­­reich und Rußland, die im Heurigen Frühjahr eine neuerliche Betätigung erfuhr, Hat schon zu wiederholten Malen solche Auslegungen hervorgerufen, die jene, auf die Fürst Bismarc anspielt; überdies darf man nicht vergessen, daß das beinahe aufrührerische Vorgehen der Deutschösterreicher die Wiener Regierung natürlicherweise veranlassen muß, Maßregeln zu ergreifen, die in Berlin seinen guten Eindruck machen können. Es wird nur ganz natürlich sein, wenn Kaiser Wilhelm es für nötig findet, zu erklären, daß troß allem dem die Anspielungen Bismarc3 gänzlich unberechtigt seien. Und wenn dies geschieht, so wird auch nach dem neuesten Toaste des deutschen Kaisers für die Freunde des Friedens und der Ruhe Europas sein Grund zum Nachdenken vorliegen. Die­­Eräftige Betonung der Seftigkeit und Unerschütterlichkeit des Dreibundes ist eine Logische Folge der Proklamierung des französisch-russischen Bündnisses. Nur unter dieser Bedingung kann das Nebeneinanderbestehen der Bündnisse sich als eine verstärkte Bürgschaft jener friedlichen Ziele erweisen, die gegenwärtig von den beiden Allianzen mit gleicher Energie und Aufrichtig­­keit angestrebt werden. Eine reichsdentische Stimme über die Deutschen in Ungarn. In der national-sozialen Berliner Tageszeitung „Die Zeit” finden sich nachstehende Ausführungen in einem Auflag „Magyaren und Deutsche“ : „Rad man in Deutschland den Magyaren am meisten verdenkt, das ist die Behandlung, die sie den ungarischen Deutschen angedeihen lassen. Und in der That ist das ein wunder Punkt. Aber auch da muß man unterscheiden. Wenn der alte Spruch richtig ist: „Volenti non fit injuria“ (dem, der si ungerecht behandeln lassen will, geschieht sein Unrecht, wenn man ihn ungerecht behandelt), so kann man sich nur über die Behandlung der Siebenbürger Sachsen beschweren. Diese Brachtmenschen, die zu allen Beiten die allertreuesten Unter­­thanen waren, aber freilich nicht Magyaren waren, sondern Deutsche bleiben wollen, verdienen in ihrem schweren Kampfe gegen die magyarischen Unter­­drückungsversuche jede irgend mögliche Unterfrügung seitens der Reiche­­deutschen. &3 ist ein wunderbares, in Deutschland leider fast gar nicht ge­­nanntes Geschichtskapitel, dieser Heldenmütige Kampf der Heinen sächsischen Minderheit gegen das magyarische Herrenvolf, ein Kampf, bei dem Recht und Ruum fast ausschließlich auf Seiten der Deutschen ist, ein Kampf, der zu den dunkelsten Stellen der magyarischen Vergangenheit und Gegenwart gehört. Aber leider sind diese paar Hunderttausend Sachsen Siebenbürgend die einzigen Deutschen in Ungarn, für die man sich erwärmen kann. Von allen andern muß man beinahe sagen, daß sie es verdienen, magyarisiert zu werden. Die Wahrheit des tacitaischen „ruere in servitium“, „Sicin-die-Knecht h­aft- es a a <<­­ i­ 189 Benilleten. Schwer gebüßt. Kriminalroman von TH. Schmidt. (68, Fortlegung.) „Marchmann will an dem Abend“, fuhr der Kriminalsominisär in seinem Berichte fort, „an dem die Rätin in den Fluß gestürzt wurde, einige Worte: ‚rechtmäßiger Erbe‘, ‚Hebamme‘, ‚Hannover‘, ‚feine Schonung‘, ‚Rache‘, ‚Erbschleiher‘, aus dem heftigen Wortwechsel gehört, den Sinn aber nicht begriffen haben. Desto besser begriff ich sogleich, um was es si hier handelte. Es wurde mir bald klar, daß es sich hier um die Beseitigung eines rechtmäßigen Erben handelte und daß die Rätin und eine Hebamme dabei ihre Hände im Spiel gehabt haben mußten. Ich zog nunmehr auf unverdächtige Weise E­rkundigungen über die Familienverhältnisse des Schlof­­herrn ein und erfuhr dabei, daß demselben vor reichlich fünfundzwanzig Jahren eine Tochter, die noch fest lebende, verwitwete Baronin Horn, geboren sei, und daß die Geburt derselben der Mutter das Leben foftete. Serner erfuhr ich, daß die Hebamme, welche bei der Geburt zugegen war, nach Hannover verzogen sei und endlich, daß die Rätin zu derselben Zeit als Gesellschafterin der Baronin auf dem Schlosse gewesen war. Damit wußte ich genug. Ich reifte unverzüglich nach Hannover zu der Pflegerin und trat dieser als ein entfernter Verwandter des Barond gegenüber, der ihr später eine ansehnliche Summe Geldes auszahlen werde, wenn sie ihm eine wahrheitsgetreue Schil­­derung jener geheimen Vorgänge geben würde. Die Wlre, ein raffiniert schlaues Weib, lachte mich anfangs aus und wollte mit der Wahrheit nicht herausraden. Sie hatte aber kurz vorher eine Gefängnisstrafe verbüßt, es ging ihr augenscheinlich schlecht, und so verfehlte auch Hier der Glanz des Goldes, freilich erst bei einem zweiten und dritten Besuche, seine Wirkung nicht. Nach den Mitteilungen dieser Bersen war in der Nacht, da die kranke Gemahlin des Schloßheren einem Kind das Leben gab, nur die Gesellschaf­­terin, Brönlein Meiners, zugegen, Ws die Gesellschafterin dem in höchster Erregung im Nebenzimmer auf und abschreitenden Baron Wolf die Mit­­teilung von der Geburt eines Graben machte, da soll derselbe sich wie ein Rafender geberdet haben. Was er alles mit der Gesellschafterin, welcher er die Ehe versprochen hatte, verabredet hat, m weiß die Alte nicht, nur so viel weiß sie si noch deutlich zu entsinnen, daß die Meineid bald zu ihr ins Zimmer kam und sie in höchster Angst bat, das Kind auf alle Fälle fort­­zuschaffen, da es sonst vor der Wut des Barons nicht sicher sei. Die beiden Weiber, besorgt um das Leben des Kleinen und einsehend, daß der aufs höchste ergrimmte Baron zum Mörder an dem unschuldigen Zerstörer seiner Hoffnungen auf das reiche Erbe seines kränkelnden Wetters werden konnte, ließen sich von dem Baron Wolf zu fest bestimmen, das Kind gegen ein anderes, ein Mädchen, zu vertauschen. Frau Stüder, welcher der Baron eine große Summe Geldes versprach, hatte ein zwei Tage altes, unehelich geborenes Mädchen ihrer Tochter, dessen Geburt noch nicht in das Kirchen­­buch eingetragen war. Baron Wolf, dem sie mitgeteilt hatte, daß die Frau seines Vetters wohl schwerlich mit dem Leben davon kommen­­würde, händigte der Meiner noch in derselben Stunde eine Anzahl Wertpapiere in der Höhe der verabredeten Summe ein. Ich see, Sie schütteln den Kopf und ver­­mögen meiner Erzählung seinen Glauben zu scheiken. Ja, — das that auch ich, denn die Sache klingt wenig glaubwürdig, aber hören Sie erst weiter. E35 muß befremden, daß Fräulein Meinerd als gebildete Dame und intime Freundin der Baronin fi zur Ausführung eines solchen gefährlichen Unter­­nehmens bereit finden ließ. E­mwägt man indes, daß der Baron bei seinem gewaltthätigen Charakter vor seinem Mittel zurückgeschreht wäre, um den unschuldigen Erben aus dem Wege zu räumen, so wird uns die Handlungs­­weise der jungen Dame in milderem Lichte erscheinen. Klug und giftig wie sie war, übersah sie sofort, daß die Geburt dieses Knaben auch für sie, und zwar in Bezug auf die Verwirklichung ihrer Hoffnung auf die Hand des Baron Wolf, von ungünstigster Bedeutung sein würde. Die glänzende Stellung, welche ihr an der Seite des Barons als Herrin von Schloß Wolfsburg später in Augsucht stand, — Baron Wolf galt ja bis dahin als einstiger Erbe der Wolfsburg’schen Befigungen — war eben mit der Geburt des Knaben in weite gerne gerückt; ja, es stand zu befürchten, daß der Baron sie bei seiner Mittellosigkeit eines Tages ganz fiben lassen und Davongehen würde. Dieser Umstand war somit ein Grund für ihr schnelles Eingehen auf Baron Wolfs Forderung. Am zweiten Grund möchte ich das Mitleid mit dem Kleinen Knäblein gelten Lassen, solwie die mehlberechtigte Besorgnis, es konnte ihr Beriebter an ihm zum Mörder werden. Das Kind war sehr schwächlich; es war zweifelhaft, ob es am Leben blieb. Starb es, so traf niemand eine Schuld an seinem Tode, vorausgejebt, daß es sich in guter, sorgsamer Pflege befunden Hatte; blieb es aber wider Erwarten am Leben, so konnte es für die Meiner zu einer furchtbaren Waffe gegen den Baron werden, wenn dieser das ihr verpfändete Eheversprechen später nicht erfüllen sollte. Sie schütteln abermals ungläubig den Kopf, Herr Amtsgerichtsrat, bedenken Sie aber wohl, daß wir es hier mit zwei ungewöhnlichen Charakteren zu thun haben. Frau Studer spielte bei der ganzen Betrugsgeschichte eine durchaus passive Rolle. Das Weib wurde vorläufig mit einigen Hundert Thalern zum Schweigen verpflichtet; erst in späteren Jahren trat sie mit größeren Forde­­rungen hervor. Eine Auswechslung der beiden Kinder, nämlich des adeligen Sprößlings gegen das Kind der Tochter der Stüder, hat niemals stattgefunden !” „Was?! Wohin ist denn der Knabe gekommen und wo ist das der Meiners eingehändigte Sündengeld geblieben ?" fragte überrascht der Amts­­gerichtsrat. „Wie ich schon berichtete, Tag die Schloßherrin im Fieberdelirium, sie gelangte erst nach zwei Tagen vorübergehend wieder in den Reich ihrer Beistandeskräfte und starb am dritten Tage. Ungleich sehmwieriger als die Befeitigung des Knäbleins, war die Erlangung des Mädchens ge­wesen, welches man der Ffranzen Schloßherrin an Stelle ihres Knaben in die Arme legte. In der gleichen Nacht war in der Inselmühle ein Z Töchterlein angekommen und ich muß das seltene Gefihd und die Schlauheit der Meiner bewundern, mit der sie einen Mann wie ihren Bruder, dessen strenge N Rechtlichkeit und Gewissenhaftigkeit hier überall gerühmt wird, zu einer Trennung von diesem feinem weiblichen Rinde zu überreden vermochte. Das Söhnlein des Schloß» herren­sam in die Infelmühle und das Töchterlein des Müllers ins Schloß.” Der Amtsgerichtsrat fuhr bei diesen Worten mit dem Ausbruch des Entjegend von feinem Sige und rief: „Herr Maring, sind Sie toll ges­torden ? Das sind ja ganz unglaubliche Geschichten, die Sie da erzählen !” (Zortfegung folgt.)

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