Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. Oktober (Jahrgang 24, nr. 7234-7260)

1897-10-01 / nr. 7234

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Seraphin, Heltauergaffe, Elisabethgaffe Nr. 29 bei Gustav Gürtler, Ede ber Burger und Schmiedgaffe bei Josef Zimmermann und Gaggaffe Nr. 8 bei Josef Schwarz, Kaufmann, auswärts bei den am Schopfe des Blattes ge­­nannten Firmen. Der Berlag des „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatts. (Hermannstadt, Heltauergaffe Nr. 23.) “ Pränumerationen und Angeräte übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauers Wasse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, G. A. Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Rautfs­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fortet beim einmaligen Einli­den 7 Kr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 kr. 1897 Ueber sächsische Dörfer in der Umgebung von H.-Neen. Vortrag, gehalten am 11. Verbandstage zu Sächsisch-Neen von Zuliu3 Teutsc. (Schluß.) Both. Gern möchte ich wünschen, daß ein Zeplinger Kreuzesarm hinausmache im Thal bis nach Botsch hinein, Bepling und Botsch fest ver­­bindend zu einem starken Ganzen. Das ist nicht m­öglich — so will ich wünschen, daß menigstens ein Beplinger Reislein in Botsch Boden fasse und aufgehe zu einem stattlichen Baume­doll Lebensfrische, vor Kraft in Zweigen, Stamm und Mark. Both­ hatte 1765 1636 Einwohner. Diese Anzahl stieg bi 1851 um 354 auf 1990, fiel aber bis 1873 um A11 auf 1579 herunter, fant weiter bis 1883 no um 113 Seelen auf 1466 herab. Von nun an tritt eine sanfte Steigung zu Tage; in den näcsten 15 Jahren bis 1895 ftieg die Einwohnerzahl um ganze 10 Seelen auf 1476. Melde Trauer erfaßt und, wenn wir wahrnehmen, daß ein sächsischer Ort, der im Jahre 1765 1636 Seelen zählte und nun Heute nach unseren Erfahrungen in den bisher geschilderten Dörfern wohl die doppelte, ja die dreifache Seelenanzahl Hätte zählen Fünnen, daß dieser sächsische Ort seine Seelenzahl von seiner schönsten Höhe im Jahre 1851 in einem Zeitraum von 44 Jahren um 514 Seelen hat finden lassen. Erstaunt fragen wir da, ob Krieg und Verderben, Pestillenz und Hungersnot Botsch Heimgeführ?! Nichts von alledem. Wir seien zwar, daß in den 5 Jahren von 1880—84 in Botsch auf 199 Geburten 245 Todesfälle zu rechnen waren, daß von 1886 bi 1890 auf 180 Geburten 176 Todezfälle kamen, daß im Jahre 1895 40 Geburten und A1 Todesfälle verzeichnet stehen, aber dachaus nicht unter ungewöhnlichen Erscheinungen des äußeren Lebens. Das sind recht betrübende Erscheinungen, und sie werden um so be­­trübender, wenn man bedenkt, daß die Statistik in den angezeigten Jahren seineswegs eine außerordentliche Kinder­sterblichkeit aufzuwessen hat, aber die Geburtsziffer dennoch immer im äußerst spärlich knappen Verhältnis zur Volkszahl blieb. Man vergleiche: In den fünf Jahren von 1880 bis 1884 hatten am 31. Dezember 1884: Es läßt si leicht rechnen, wie viel Geburten in diesem Zeitraume Botich etwa verhältnismäßig hätte haben können. Man erkennt aber auch ohne Berechnung leicht, wie jeder Botich von der Art der Wolfsbewegung, besonders in Birk, Nieder- und Ober-Eidisch und Zepling, abweicht. Im Vergleiche mit Birk hätte Botich 385 Geburten haben sollen, ed Tann aber nur 199 — 186 weniger — ausweisen, Nehmen wir die fünf Jahre von 1886 bis 1890 in D Vergleich: Am 31. Dezember 1890 Hatten: In diesem Zeitraume hätte Botsch im Vergleich mit BirkZlO Geburten aufweisen können,aber es wieg nur 1so—also um 130 weniger—aus. Im Vergleich mit den anderen Dörfern stellt sich gleichfalls ein zum Teil noch höherer Abstand zu Ungunsten Botschs heraus. Der Vergleich der Geburten im Jahre 1895(31.Dezember)zeigt für Botsch ein ähnlich betrübendes Ergebnis.Damals hatte in Birk bei 1130 Einwohnern 45 Geburten Botsch „1476 » 41 » Nieder-Eidisch,,850" » 20 » Ober-Eidisch»773 » 26 « Tefendorf 1187 » 42 « D,­Beßling „ 1909 » 52 » Hier ist wenigstens der Trost zu finden,daß in diesem Jahre Deutschs Zepling vor Votsch die Segel streichen muß.Es ist dies aber ein schwacher Trost,denn Zepling hatte damals sehr schwere,Botsch gute Jahrt. Sehr auffällig spiegelt dieses ernste Verhältnis das Jahrliss wider. Damals hatten: Birk bei 1007 Einwohnern 46 Geburten Botsch „ 1466 ,, 39 5 Nieder-Eichs$ „ 706 » 36 » Obers Eidisch»654 » 39 » Tefendorf „ 1061 » 40 > D.­Beßling eh! 62 " ” Welch schwerwiegender Unterschied da gleich auf den ersten Eid zu Ungunsten Botsh&­ung auffällt! Da in all diesen Jahren die Sterblichkeit in Botsh durchaus seine bedenklich größere war, als in den anderen Gemeinden, so müssen wir die Ursache für diese auffällg jammervolle Erscheinung in anderen Verhältnissen fügen; wir finden sie unschwer. Wir vergleichen zunächst den verfügbaren Grundbefig dieser Gemeinden. Im Jahre 1883 Hatten: Birk bei 6503 Joc Hattertgröße 4295 Joc Privatbefig g Botsch sage jr we. Alan er Nieder-Eidifch „ 3017 « » 2032,, » Obers Eidifch»1764» » 1351 „ 5 Telendorf 60 n 4706 „ a D.­Beßling „ 4888. » 4560 » » Obschon noch andere Vergleichsziffern aufmarschieren müßten,so genügen zunächst auch diese.Die Botscher Landwirte haben in dieser Gegend den weitaus größten Grundbesitz.Bis vor kurzem haben sie von diesem ansehn­­lichen Grundbesitz alljährlich nur eine Hälfte angebaut,auf der anderen Hälfte hütete der Botscher feine Schafe und Rinder.DiesoppJoch bebauter Fläche und die Weingärten gaben vollkommen zu reichenden Ertrag zu stillbehäbigem Leben.Das grasende Vieh auf den rastenden 3000 Jochen gaben den Armen Zuhilfe,für den Reichen den Ueberfluß. Wie haben in all den Jahren in den Gemeinden Birk,Ober-und Nieder-Eidisch und8eßling Mann und Fraun an in der sich rühren müssen, um das kleine Haus und die Gemeinde in Ordnung und Ehre zu erhalten. Während aber jene Dörfer in solch rastloser Thätigkeit gerade ihren frischen, entschlossenen Lebensmut stets erneuerten,hatten die günstigen Besitzverhältnisse, die stille Abgeschiedenheit in Botsch die Rührigkeit,den ArbeitBeifey die frische, entschlossene Lebenskraft unter bundem Dort auf jener unseligen Brache, stundenlang verharrend im Anschauen des grasenden Viehes,dort auf vollen Truhen schmauchend,ist der Botscher so recht eigentlich zum Landwirten im Nuhestande herabgesunken. In solchen Verhältnissen und Geflogenheiten entwickelt sich nun gar zu gerne eine Art Majoratswirtschaft Das liebe Kindlein,daß Gott als Störetk­fried ins Hau­ f endet,von Jugend auf sorgsam gehütet,bleibt auch erwachsen umso gewisser in diesem sanften Geleise,als es zu so durchgreifender Arbeit, wie in den anderen Dörfern notwendig ist,gar nicht gelangt.Es bleibt aber auch einsam.Denn er kann dem Großbauern nicht recht sein,den Stolz seines Lebens­ seine Burg und seinen Grundbesitz­ in viele Teile zerstückelt zu wissen.Im Gegenteil,ersinnt,wie er anzustellen sein daß durch seines Sohnes Heirat der Grundbesitz sich erheblich mehre.So entwickelt sich allgemach die Bauernaristokratie,und in Botsch ist sie daheim. Ich führe Sie für einen Augenblick nur auf einen Ball in Botsch. Die Männer und noch mehr die Frauen haben in ihren Gesichthngen einen Ausdruck,der nicht gewöhnlich genannt werden darf.Es ist Halbblut Würdevoll,ruhig-bewußt stehen und sitzen die jungen Männer ringzum in reicher Tracht,fast prächtig anzuschauen,wandeln die junge­n allen im Reigen.Ihre Augen,obschwarz,obblau,kommen unter der seltenen Haube prächtig zur Geltung.Kein scharfes Blitzem kein leichtsinnig Spiel,ein schöner­,ruhigerrick trifftdich,der bei holdem Lächeln innig,herzlich be­­rührt.Die rechte Freude des Abends entwickelt sich nicht sofort.Dann freilich ist’s,als ob die schönen Gestalten geschmeidiger würden,das Antlitz getötet,das ganze Leben lebhaft erregt,wird das Auge beweglicher und funkelt.Nun ist’s gut,in die Nebenstube zu gehen.Da sitzen die Männer als wie im Presbyterium zusammen und beraten sich ernst.Jeder Kopf ein Typus,der sich klar und deutlich forterbt,merkt man fast an jeder Einzels­gestalt ist es gewisse Etwas,das nur durch die zewige Sich beherrschen in der Zeit ausgeprägt wird Es ist eine ruhige Würde,die sich nie vergißt.Es braucht viel Witz und Humor,bis dieser Ernst verschwindet,der Mann aus sich heraustritt und zum frohen,wohlgemuten Gesellschafter wird.Dann wird er Freund,gefällig und mitteilsam und schüttelt die Hand fast herzlich beim Abschied,fast vergnügt beim Wiedersehen.Man findet es zutreffend,wenn man behaupten hört,der Botscher habe genügend Muße,so ernstbeschaulich zu werden,und daß der Botscher jungen Frau die Mittel zur Verfügung stehen,so schöne,reiche Kleidung zu sammeln und daß sie Zeit auch hat,so trefflich fein und zierlich die blendende Wäsche zu steppen und so schönen Bänderschmuck sich zubereiten wird wohl richtig sein.Solch seltsam be­­rührend Leben hat natürlich seine Geschichte. Ehemals zwar Botsch mit namhaften königlichen Gerechtsamen ausge­­stattet,es hat auch das jus gladii besessen,es stand in hohem Ansehen in der Umgebung.Die Seelenzahl im Jahre 1765(1636 Seelen)deutet ja genügsam darauf hin und eine Menge wohlbehüteter Schriften werden die Ver­deutsamkeit des Ortes sehr erhärten.Wohl hat Botsch jetzt noch die Gerecht­­same einer Stadt;aber Blüte und Bedeutsamkeit sind dahin gewelkt,seit die von Jahrzehnt zu Jahrzehnt besser und glatter gewordenen Straßen daneben vorbei zu den geographisch günstig gelegenen Punkten des Landes hinführe. So behielt Botsch den Stolz einstiger Größe,seinen Bürgermeister,die Ses­natoren,den Orator,den Kollektor,sie behielten Stab und Würde,aber die Bedeutsamkeit ihres Amtes ist mit der Bedeutsamkeit des Ortes Klasserge- Birk bei 1020 Einwohnern 271 Geburten Botich „.. 1451 „ Nur 199 “ Nieder-Ediid „ 711 “ 166 5 Ober-Ediid „ 663 “ 184­5 Tefendorf sim1OTH sn 175­5 D.­Beßling „ 1865 “ 331 5 Birk bei 1060 Einwohnern 221 Geburten Botic „. 1489 " 180 " Nieder-Edid „ 796 R 143 “ Ober-Ediied „ 722 » 175 ,, Tekendorf —,,1070 » 152 5 D.­Beßling 1882 » 231 Bi » Heniffeten. Schwer gebüßt. Kriminalroman von Th. Schmidt. (78. Fortlegung.) Kaum bog der Wagen in den weiten Mühlenhof ein, da stürzte Frau Meiner mit totenbleichem Antlig aus der Thür des Wohnhauses, gefolgt von Rolfs, der sich ängslich bemühte, die Heftig Erregte zurüd zu halten. Nur die Ursache, die treibende Kraft war dem Bürgermeister unbekannt, ebenso der Bried, den der Kommissär mit seiner Geheimthuerei ihm, dem ersten Polizeibeamten, gegenüber verfolgte. Wieederholt hatte er den kleinen, ihm viel zu selbstbemußt auftretenden Mann in gereiztem Tone darauf auf­­merksam gemacht, daß er sich bei seinen geheimen Nachforschungen ein Ueber­­geben seiner Person nicht gefallen zu lassen brauche, die Polizeigewalt der Stadt ruhe in seinen Händen; aber der schlaue Beamte hatte ihm stets geschicht zu parieren verstanden, oder war ihm mit einer artigen Phrase, die oft wie Ironie und verstecter Hohn Hang, entschlüpft. Allein noch ehe das würdige Oberhaupt heute die kleine, bescheidene Wohnung de Kommissärs erreichte, erhielt er die Nachricht von einem zweiten schredlichen Ereignisse in der Stadt, und das Furchtbare, Grauenhafte dieses Ereignisses in Verbindung mit einem gleichzeitig kolportiertem Gerücht von solcher Unglaublichkeit, daß der Erzähler sich nicht getraute, die Namen der betreffenden Personen zu nennen, raubte dem Vater der Stadt für den Moment fast den Verstand, m wenigstens mußte das der Mann, der ihm das alles erzählte, annehmen. Ein solch verblüfftes, einfältiges Gesicht wollte jener in seinem Leben noch nicht gesehen haben. Es dauerte nur eine Halbe Stunde, da fuhr Meiner verschlossener Wagen schon bei dem Kleinen Henerhaufe vor dem Thore der Stadt vor. Unter Aufsicht des Arztes hob man den sc­hwer verwundeten Snjelmüller in denselben hinein; Franz und der Doktor sehte sich neben ihn, und Tangsam rollte das Gefährt der Snjelmühle zu. : „Laffen Sie, mich, Rolf, ich will zu meinem Manne! Und wenn die ganze Welt ihn imegen dieses einen Vergehens verurteilt und sich von ihm wendet, so will ich allein ihm sagen, daß ich, eine Frau, ihn niemals ver­­dammen werde !“ rief Frau Charlotte mit einer Energie, welche niemand der sanften Frau zugetraut hätte. Die Vermfte rannte offenbar die ganze Schwere des Unglücks noch nicht, welches über sie und ihre Haus mit dem Knall aus der Büchse des Gatten hereingebrochen war. Erst als der Wagen vor der Treppe des Wohnhauses hielt und Rolf ihre ergriffenen Arme frei gab, als Franz mit verstörtem Antlit ausstieg und der Arzt sich schnell vor die Thür- Öffnung des Wagens stellte, um ihre den Unbild des blutigen Körpers ihres Gatten zu entziehen, — leider mwar’s bereits zu spät — da versagten der bedauernswerten Frau die physischen Kräfte. Ru­biel war ja auch seit dem Eintreffen des von ihrem Manne ihr zugeschdten Toten auf sie eingestürmt. Dort in dem Zimmer ihre Mannes hatte sie seit fünf Uhr gesessen und das Geständnis seiner Schuld wieder und wieder gelesen. Der Unglück­che, dessen geheimer Kummer und menschenscheues Wesen ihr in den langen Jahren so viele Sorge bereitete, und deren Ursache sie Heute endlich erfahren sollte, hatte in dem Schriftstück, das er Heute ihr überliefert, nichts beschönigt, ja auch nicht einmal den Versuch gemacht, den an ihrem Mutterherzen verübten Betrug mit seiner prekären finanziellen Vermögenslage oder dem Mitleid mit dem in Todesgefahr gewebenden Knaben vom Schlase Wolfsburg zu ents­chuldigen. Starr vor grenzenloser Ueberraschung, wie in eine andere Welt, in eine Welt von Ungeheuern, von Teufeln und bösen Beistern verfeßt, kam sich Frau Charlotte beim Lesen dieser schriftlichen Selbstanklage ihres Mannes vor; in fieberhafter Haft durchflog sie beim erstmaligen Durchlesen die Zeilen, hoffend, daß — mie es in einem Märchen der Fall zu sein pflegt — das Ende ihr erregtes Blut besänftigen und alles fi in einen Scherz, in eine Babel auflösen werde, deren Helden ihr Mann nur die Namen bekannter Personen gab. Aber je näher sie dem Schluffe genommen, testo ärger tanzten ihr die Buchstaben vor den Augen, — das war sein Märchen, keine Fabel, das war schredliche Wirklichkeit! „So leb’ denn mehl, mein armes, so bitter getäuschtes Weib !” stand da zu lesen. „Ich fannn diese furstbaren Gewisseng­­qualen, diese schredliche Bürde, die ich nun seit fünfundz­wanzig Jahren mit mir herumtrage, nicht länger mehr durchs Leben schleppen Ich will und darf nicht mehr in dein mildeß, freundliches, liebes Untrig bliden, denn ich kann den Blick deiner treuen, sanften Augen nicht länger ertragen. Ich weiß, du wirst mir fluhen und dich mit Absehen von dem Leichnam deines Mannes wenden, — beides habe ich ja verdient. Und doch, — vergieb, über alles geliebtes Weib, wenn du es kannst, wenigstens dem Unglück­chen, von dem du nun weißt, welcher Dämon sein Leben verbitterte und es zu einer Hölle auf Erden machte. Du Tennit jegt endlich die Ursache meiner seit jenem Tage veränderten Gemütssti­mmung. Nicht dem sch­wachen, herzlosen Gatten vergieb, sondern nur dem reuigen Unglücklichen, der, gefoltert von den Heftigsten Seelenqualen, ein halbes Menschenalter durch dazu verdammt war, alles das zu entbehren, was ihm das Leben angenehm hätte machen können. Bergieb diesem Unglücklichen und vergiß deinen heuchlerischen Mann, Gelingt dir das Septere, dann — das weiß ich im voraus — wirst du mit deinen Rindern noch auf glückliche Tage schauen. Ich scheide gern von dieser Erde, auf der ich nicht mehr glücklich werden kann, und das Bewußtsein, durch meinen Tod deinem Kinde den Weg zum Glüc geebnet und den Mann, in dessem Banne Mathilde und ich fanden, der Gerechtigkeit ausgeliefert zu haben, ist der einzige Lichtblid, den das Schicsal mir beim Scheiden aus dieser Welt und in der Nacht der Verzweiflung noch vergönnt hat. Möge Gott dich und unser Kind in seinen Schuß nehmen! Mit dieser Bitte zu dem Lenfer des Weltalls will ich sterben. Noch einmal: Leb’ wohl und verzeihe dem Unglüc­­k­en, der folge That vollführte und dadurch schwere Stunden über dich und unser Kind heraufbeiht war, Dein namenlos unglücklicher Gatte," Erst al Frau Charlotte diese Schlußworte in fliegender Haft und mit pochendem Herzen gelesen hatte, war ihr der Sinn der voraus­gegangenen Enthülungen ar und verständlich geworden. Und nur eine Minute hatte sie das Furchtbare derselben auf sich einwirken lassen, dann war sie aufge­­sprungen und zu Stanz und Komptoir geeilt, um ihn zu besch­wören, dem Bater, der im Begriffe stehe, einen Selbstmord zu verüben, nachzueilen und nicht eher zu ruhen, biß er ihn draußen im Belde gefunden habe. Alles, alles wolle sie dem Reuigen vergeben, er möge nur zurückehren zu ihr und ihr sein teures Leben erhalten. (Fortj. folgt.)

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