Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. Oktober (Jahrgang 24, nr. 7234-7260)

1897-10-14 / nr. 7245

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Reissen­­berger,Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, auss­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. W. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile tostet beim einmaligen Einraden 7 kr., da zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 fr. 1897 Sähsi­ge Städte.­ ­ Um die Maßstäbe an die Bedeutung unserer sächsischen Städte in der Vergangenheit und Gegenwart anzulegen, ist es zwengmäßig, weiter auseinander­­liegende Mitperioden zur Vergleichung heranzuziehen, da die in größeren Zeit­­räumen eingetretenen Veränderungen si) markanter abheben und dadurch die Richtung schärfer gekennzeichnet wird, in welcher wir­ steuern? In einem vom statistischen Landesbureau in Budapest zur Feier des Millenniums herausgegebenen Werke „Magyarország a pragmatica Sanctio koraban“ (Ungarn im Zeitalter der pragmatischen Sanktion) sind die ersten großen Steuerkonskriptionen der Jahre 1715 und 1720, welche nach der Vertreibung der Türken aus Ungarn vorgenommen wurden, zu einem Gesamtbilde über die Bevölkerungsverhältnisse Ungarns verarbeitet worden. Da in diesen Konskriptionen bloß die steuerpflichtigen Haushaltungen auf­­genommen worden sind, mußten in der umfangreichen Arbeit des statistischen Bureaus andere Behelfe, wie die Urbarien, herangezogen und, wo auch diese nicht ausreichten, Schoßungen gemacht werden, um das Bild des alten Ungarn unmittelbar nach der Türkenzeit zu konstruieren. In den Städten wird, um die Bevölkerungszahl zu bestimmen, eine Durchschnittszahl von 6 Köpfen in einer steuerpflichtigen Familie, mit Rücksicht auf Gesellen, Lehrlinge und Dienstgesinde, und die Zahl der nicht steuer­­pflitigen, d. i. der entweder durch Privilegien oder infolge ihrer Armut von der Steuer befreiten und deshalb in den Konskriptionen nicht berücksichtigten Bevölkerungsteile, zu einem Fünftel der Steuerpflichtigen angenommen. Die Nationalität wird Lediglich nach den Namen der Konskribierten bestimmt, — Gewiß ist diese fließungs­weise Bestimmung weniger zu­verlässig, als die modernen Volkszählungen, dürfte aber doch im großen und ganzen annähernd richtig sein. Nach dem erwähnten Werke des statistischen Bureaus zählte Ungarn (ohne Siebenbürgen) im Jahre 1720 bloß 1.769.422 Seelen — so sehr war es unter der Zarfenherrschaft entröffert —, auf dem jeßt von mehr als einer Million Menschen bewohnten Gebiet der Komitate Krasjó-Szöreny, Temesh und Zorontal waren damals beiläufig nur 25.000 Seelen. Für Siebenbürgen, in welchem unabhängig von Ungarn und früher als die unga­­rischen die Steuerkonskriptionen von einer aus einem Ungarn, Szekler und Sachsen bestehenden Kommission vollzogen wurden, wird die Volkszahl mit 813.176, somit die Gesamtbevölkerung von Ungarn und Siebenbürgen (ohne Kroatien) mit 2.582.598 Seelen bestimmt, so daß die Bevölkerung Sieben­­bürgens fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmacht. Die Bevölkerung des Königsbodens betrug damals mehr als ein Zwölftel der ganzen Bevölkerung Ungarns.­­­­ Unsere sächsischen Städte standen damals(im Jahre 1720)geradezu obenan.Unter den Städten des Königreiches Ungarn hatte damals seine einzige eine Bevölkerung von 25.000 Seelen.Kronstadt war damals mit 16.816 Seelen die volkreichste,größte und blühendste Stadt im ganzen Reich der Stefaneb­one,dann folgten Ofen mit 12.364,Klausenburg mit 10.472, Hermannstadt mit 10.Ils Seelen. Pest hatte bloß 2713,Preßburg7943,Dedenburg5486,Stuhlweißen­­burg8132,Kaschau1961,Raab7308,Szegedin4949 und DebreczinsZOs Seelen. Ueber 5000 Einwohner hatten: Debreczin, Raab, Komorn, Jemnib, Preßburg, Schemnit, Dedenburg, Schäßburg, Bittrig, Maroich-Varcharhely. Schäßburg hatte 5579, Bistrich 5307, Mediath 4328, Broos 2388, Mühlbach 1980 Einwohner. Hieraus ist erklärlich, daß das sächsische Volk wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch damals mehr in die Wagschale fallen mußte, als heute. Aber auch das sächsische deutsche Element war damals im Vergleich zu den anderen Nationalitäten kräftiger in den Städten. Kronstadt trägt zwar schon im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts einen gemischtsprachigen, den dreiteiligen Nationalitätencharakter; das statistische Bureau berechnet hier auf Grund der Konstriktion vom Jahre 1713 A542 Magyaren, 6876 Deutsche und 5310 Rumänen, aber das deutsche Element hatte damals doc die relative Majorität, während es heute — nach der Volkszählung vom Jahre 1890, wo Kronstadt 30.739 Geelen, darunter 10.441 Magyaren, 9578 Deutsche, 9758 Romänen zählt — gegenüber Rumänen und Magyaren in der relativen Minorität ist. Hermannstadt und Schäßburg waren nahezu ganz reine sächsische Städte. Für Hermannstadt konnte, da die Konskriptionen aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts verloren gegangen sind, bloß die aus dem Jahre 1698 erhalten gebliebene Konskription zur Berechnung der Volkszahl bewußt werden. Darnach waren in Hermannstadt 9870 Deutsche, 36 Magyaren und 78 Rumänen; Hermannstadt war demnach­ ausschließlich deutsch. In Schäßburg waren — nach der Konskription von 1713 — 5052 Deutse, 114 Magyaren, 396 Rumänen. In Biftung waren 2952 Deutsche, 2046 Magyaren, 270 Rumänen; in Mediafch 3468 Deutsche, 148 Magyaren, 684 Rumänen. Für Brood und Mühlbach sind die Nationalitätsverhältnisse in dem erwähnten statistischen Werke nicht bestimmt worden. Wie haben sich die Verhältnisse in unseren sächsischen Städten, seither, und zwar zu unserem Ungunsten, geändert! Nach der Volkszählung vom Jahre 1890 sind in Unsere sächsischen Städten stehen im Reich der Stefanskrone Heute nicht mehr in der ersten Linie. Abgesehen von der Großstadt Budapest haben andere ungarische Städte sie an Rollszahl und an industrieller und kommerzieller Bedeutung überflügelt. Unsere Städte sind seither wohl auch, aber nicht in gleichem Maße, gewachsen; dabei hat der sächsisch-deutsche Volkskern unserer Städte nur in brenselben Verhältnissen zugenommen, wie die zuströmenden anderssprachigen Bolfselemente, welche ss in unseren Städten niedergelassen haben und in zunehmender P­rogression fi entwickeln. Wohl behauptet das fächsiiche Element, wenn auch nicht überall numerisch, da dur­ Befig und Bildung no das Webergewicht. Wie wird sich aber die nächte Zukunft gestalten, wenn unsere Städte rascher, als er bisher ge­­schehen, unter dem Einfluß der Eisenbahnverbindungen und des modernen Verkehrs, in welchen sie vor nicht gar langer Zeit eingetreten sind, sich ent­­wickeln, das sächsische deutsche Volkselement in ihnen aber stationär bleibt oder nicht in gleichem Maße zunimmt, d­a die zuströmenden fremdartigen Volls­­elemente? Zwanzig Jahre genügen Heutzutage, um das Bild einer Stadt volständig umzugestalten. Nach z­­ei Jahrzehnten kann si die Bewelkerungs­­zahl mancher sächsischen Stadt verdoppelt haben. Wie wird nach zwanzig Jahren Kronstadt anstehen, wenn seine Bevölkerungszahl auf 50.000 Ein­­wohner gestiegen ist, die sächsisch-deutsche Bevölkerung aber nur 10 oder 15.000 Seelen zählt? Wie Hermannstadt, wo die sächsisch-deutsche Bevölkerung heute noch fast zwei Drittel der Gesamtvolfszahl bildet, wenn es 40.000 Ein­­inwohner, darunter aber nur 15 oder 18.000 Deutsche zählt? Wie Schäßburg, Bib­rit, Mediath, Mühlbach und Broos, wenn ss ihre Gesamtvolfszahl, aber nicht die deutsche Bevölkerung verdoppelt? Angesichts der Fortschritte unserer immer mehr in die Städte sich drängenden Mitnationen stehen mir vor einer Existenzfrage unseres Vollstums, welche alle Mann an Bord ruft, die größten Anstrengungen ung auferlegt und rechtzeitiges, planmäßiges Handeln erfordert, wenn wir nicht untergehen sollen. — Unsere Lage ist überaus schwierig.Jede Stadt verbraucht sehr rasch die eingeborene Bevölkerung und ist aus fortwährende Erneuerung und Kräftigung durch zuströmendes Element von Außen angewiesen. Unsere Städte sind von einem dünnen Kranze sächsischer Landgemeinden umgeben. Meistens besteht dieser Kranz nur aus einer Reihe, seltener aus zwei oder drei Reihen sächsischer Dörfer; stellenweise ist dieser Kranz ganz durchbrochen fur unmittelbar an das Stadtgebiet angrenzende romanische Ansiedelungen; außerdem sind die meisten sächsischen Dörfer nicht rein deutlich, sondern gemischtsprachig. Unsere Städte können daher zur Erneuerung und Aufreichung ihrer Volkskraft nur aus einem Reinen Reservoir s­chöpfen. Nichtsdestoweniger müssen wir trachten, unsere Städte durch deutschen Zufluß zu stärken, und und namentlich bemühen, daß der in sächsischen Händen befindliche Grundbefig in unseren Städten die Unterlage für die Existenz deutscher Landwirte werde, das zuströmende Dienstgefinde, von dem ein be­­trächtlicher Zeil­er dauernd in die Stadt niederläßt, mehr jährlich sei, die Gewerbe unserer Städte den Zuzug von Lehrlingen aus den sächslichen Dörfern erhalten und si deutsche Industriele in unseren Städten sich niederlassen. Wo und insoweit die nächste Umgebung zur Auffeischung und Stärkung unseres Bolistums nicht ausreicht, müssen wir weiter greifen. Unsere sogenannten gelehrten Berufsstände bedürfen feiner numerischen Förderung, da wir seinen Mangel an ihnen haben, ja nicht einmal alle Angehörigen derselben Hier unterbringen können, so daß eine ganz ansehnliche Zahl fachliccher Techniker, Aerzte, Juristen, Lehrer gezwungen ist, sich anderwärts, auch im Auslande, Brot und Stellung zu erwerben. Unsere Hauptsolge muß daher bei der Be­­handlung unserer Städtefrage vornehmlich auf den Zuzug fächsischer Dienst­­boten, Landwirte, Gewerbetreibender und Industrieller gerichtet sein. Politische Hebersicht. Hermannstadt, 13. Oktober. Das Abgeordnetenhaus hat vorgestern eine Kurze Sigung ab­­gehalten, in welcher der Präsident Szilagyi das Ableben Hellys an­­meldete. Nach Erledigung der auf der Tagesordnung stehenden Eisenbahnvor­­lagen war die Situng zu Ende. Wie das „N. W. Tagbl.” erfährt, wird das nächstjährige Marine­­budget von seinen ursprünglichen Eiffern wesentlich herabgedrückt vor die Delegationen gebracht werden. Vor allem sollen, wie es Heißt, jene Ertrafrechte, melde die Kriegs­­marine für die außerordentlichen Leistungen und Expeditionen, zu denen sie auch die kriegerischen Wirren auf Kreta und in Griechenland gez­wungen worden war, beanspruchen wollte, in das ganz oder teilweise normale Budget übermälzt werden. Das würde selbstverständlich die übrigen Anforderungen stark reduzieren, obwohl man gerade heuer, nach den Erfahrungen des Jahres, nach den großen Anforderungen, die in mancherlei Hinsicht an die österreichisch­­ungarische Kriegsmarine gestellt und vollauf erfült worden sind, eine ener­­gische Weiterentfaltung der Kriegsflotte ins Auge gefaßt hatte. Nun aber dürfte das Marinebudget jenes pro 1897 (zirka 14 Millionen) etwa um eine halbe Million übersteigen, was ungefähr der normalen Progression ent­spricht, obwohl abnormale Anforderungen in die Ziffern pro 1898 einge­ rechnet werden. Besondere Neubauten, außer einem projektierten Torpedo- Rammkreuzer größeren Typs, dürften nicht in Angriff genommen werden. Borgestein erlärte Dr. Ebenhoh in der Versammlung des öster­­reichisch-katholischen Volksvereines in Linz, die­­ heutigen Katho­­liten könnten si den Stammesgenossen der liberalen und nationalen Partei nicht anschließen, weil diesen der Liberalismus höher stand, als das deutsche Bolt, und weil sie in dem Bolfe den Glauben zu zerstören versuchen. Die katholische Volkspartei sei nicht Gegnerin des Dreibundes, da die Freunde des Kaisers all ihre Freunde sein müssen. Abgeordneter Freiherr dr. Dipauli führte aus: Die Tschechen in Oesterreich seien Heute eine zu bedeutende Nation, als das sie ignoriert werden konnten. Man könne ebenso wenig gegen die Deutschen, wie gegen die Tschechen regieren. In Oesterreich müsse einfach gerecht regiert werden. Die Deutschen mögen, wenn sie schon sechs Monate ertragen, noch sechs Wochen ertragen Bere Benilleten. Schwer gebüßt. Kriminalroman von TH. Schmidt. (89. Versietung.) „Das würde Ihre Lage nur noch verschlimmern, Herr Baron“, betonte warnend Maring. „Doch ich sagte ja vorhin, daß ich Ahnen eine Heine Geschichte erzählen wollte. Dieselbe ist Ihnen allerdings schon zum Teil bekannt, aber immerhin ist es gut, wenn sie auch das Bekannte nochmal kurz wieder hören, der Schluß derselben wird dann auch um so über­­raschender für Sie sein und ich deine damit mein Verhalten gegen Sie auch in Ihren Augen vollauf zu rechtfertigen: „Vor etwa fünfundzwanzig Jahren“, begann der Kommissär, „gebar die Gattin des regigen Schloßheren auf Wolfs­­burg einen Knaben, welcher dem auf dem Schloffe lebenden Wetter des Befigers bei Erreichung seiner Habgierigen Pläne im Wege stand und infolge dessen noch in derselben Nacht unter Beihilfe der Hebamme und des Fräulein Meinerd aus dem Schloffe hinausgeschafft wurde. Für diesen Knaben wurde in derselben Nacht ein anderes Kind weiblichen Geschlechts in das Schloß hereingeschafft.­ Wir stehen Hier also vor einem großartigen Betruge, Die näheren Umstände vieren Betrug und die Summen, welche für ihn so die Geheimhaltung verausgabt wurden, das alles ist Ahnen, Herr Baron, ja besser bekannt als mir. Ebenso brauche ich wohl nicht zu sagen, welches Die Ursache des rechten Zusammentreffens zwischen Ihnen und jener Dame war, die man hier kurz die „Rätin“ nannte. Sie wähnten, mit dem Schlage ihrer Reitpeitsche die einzige noch zu fürchtende Gegnerin für immer zu beseitigen. Sie haben sich sehr verrechnet, denn um das Geheimnis, das die Rätin bis dahin vor Ihnen verwahrt hatte, wußte außer jener Hebamme auch ihr Bruder, der Inselmüller. Daß Sie in jener Nacht, in welcher der unschuldige junge Weltbürger aus dem Schlosfe entfernt wurde, von Ihrer heimlichen Braut arg dupiert worden sind, das werden Sie zweifellos bei dem rebten Zusammentreffen mit ihr bereits erfahren haben, nicht aber den Ort, wohin der Knabe in Wirklichkeit gebracht wurde und weilen Kind die Nätin dafür eintauschte. E38 ist eine harte, aber eine gerechte Strafe des Schicsals, daß alle Ihre Pläne zulegt an der Liebe scheitern sollten. Er­st als die Welt erfuhr, daß Sie an Ihre Nichte, dieses untergeschobene Kind, ihr Herz ver­loren Hatten, erst fest nahte fi Ihnen das Verhängnis in Gestalt der Rätin und ihres Bruders, Mag auch Ihr Geiz mit dazu beigetragen haben, daß die Katastrophe schneller erfolgte. Ihre plöglich erwachte Neigung zu der Schönen Witwe von Horn war und ist nur allein der Ausgangspunkt derselben gewesen. Gewiß werden Sie seit dem lebten Zusammentreffen mit der Rätin oft gewünscht haben, zu erfahren, der sich Hinter Ihrer­­ Braut verbirgt und wen Sie all den richtigen Erben der Wolfsburg’schen Befigungen zu fürchten Hatten. Ich kann Ihnen über beide Personen Aufklärung geben.“ Mit dem Baron war, während der Kommissär sprach, eine merk­liche Veränderung vor ich gegangen. Sein Gesicht zeigte eine fahle Bläsje und auf seine Stirn trat der Angstich weiß. Doch bewahrte er auch je­ noch seine aufrechte stolze Haltung. Nur an seiner Stimme, welche heiser, unsicher, vor schlecht unterdrückter Wut zitterte, konnte man den­ furchtbaren Aufruhr seines Inneren ermressen. „Diesen Erfindungen und Safeleien würde die Krone fehlen, wenn Sie denselben nicht auch die Namen des Helden und der Heldin solchen albernen Märchens hinzufügen würden. Neben Sie nur getrost weiter, mich überrascht heute nichts mehr, seitdem ich erfahren, wozu die Herren von der Polizei und dem Gericht Heutzutage nicht alles fähig sind”, stieß en grimmig herber. „Für diese Worte hätten Sie eigentlich verdient, daß ich schwiege. Da ich aber wohl annehmen darf, daß Sie in diesem Augenblicke eine ganz andere Meinung von der Polizei und dem Gericht haben, als er Shure Worte ausdrücken, und ferner, daß Sie nichts sehnlicher mwünschen, als über die Person des legalen Erben und diejenige Ihrer Braut endlich aufgeklärt zu werden, so will ich Ihre Neugierde befriedigen und damit das Verhör schließen. Ihre Braut, welche in diesem Wagenbliche bereits erfahren hat, wer ihre Eltern sind, und die wahrscheinlich Gott auf ihren Knien danzt, daß er sie vor einer Verbindung mit einem Mörder und Betrüger bewahrte, ist seine andere als die Tochter des Anfelmüllers und der rechtmäßige Erbe von Schloß Wolfsburg der von Ihnen aus der Gunst dieser Dame verdrängte Afferfer Meiners. Sie sehen, daß Ihre beiden Gehilfinnen bei der Kindes­unterschiebung entschieden schlauer waren als Sie, und daß nichts so fein gesponnen wird, um nicht eines Tages doch ans Licht der Sonne zu lommen.“ Nach diesen Worten, bei denen der adelige Verbrecher jäh zurück taumelte und einen unartikulierten dumpfen Wurfschrei außstieß, ergriff Maring schwel die über dem Nichtertisch hängende Klingelsschnur und Jaum ertönte draußen die Glocke, so öffnete sich die Thür und die beiden Gendarmen, sowie der Gerichtsdiener traten eilig in das Zimmer. Hatte schon die fühne und sichere Sprache Marings, mit der dieser ihn als Mörder und Betrüger kennzeichnete, dem Baron das Blut ab, wechselnd zum Kopfe und wieder zurück zum Herzen getrieben, so ftohte dasselbe jegt plöglich, als er die drei Sicherheitsbeamten zu seiner Verhaftung eintreten sah. Erst jet sah er ein, daß er verloren war, daß ihn nichts mehr aus dem furchtbaren Neb retten konnte, welches dieser kleine, überaus gefürchtete Geheimpolizist unbemerkt um ihn gesponnen hatte, und, zum ersten Male in seinem Leben, durchlief seinen großen starren Körper ein kaltes Bittern; vor seinen Augen verfant alles, was er schon sicher in seinem Reich glaubte: das herrliche Erbe derer von Wolfsburg und das schönste Weib, mit dem er übermorgen glaubte vor den Altar treten zu können. Sa, der Mann dort hatte Recht, die Zuneigung zu diesem Wesen, die wahn­­wißige Begierde, b dasselbe zu erringen, war sein Verhängnis geworden. Erst die Worte des Kommissärd, mit denen er si an die Sicherheits­­beamten wandte: „Der Baron Wolf von Wolfsburg ist verhaftet, — führen Sie ihn und Gefängnis !" brachten fein stohendes Blut wieder in Wallung. Seine Muskeln spannten si, seine baldigen Augenbrauen zogen sich finster zusammen und unter denselben sprühten die dunklen Augen VBlige des töt­­lichsten Hofjes gegen den ruhig befehlenden Beamten, der jede Bewegung des um einige Schritte zurücktretenden Verhafteten scharf beobachtete, da er vorausfegen konnte, daß der Baron der Verhaftung Widerstand entgegenl­ießen werde. (Bortregung folgt.)

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