Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1898. März (Jahrgang 25, nr. 7359-7384)

1898-03-01 / nr. 7359

Redaktion und A Administration Hermannstadt,Heltauergasse 23. chcquekontoheiderk.ung.postsparkassakr.1305- Telephonauschlußflnscht Ersch­eint mit Ausnahme des auf Sonn- und Feiertage folgenden Wochentages täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 Er., vierteljährlich 2 fl. 50 Er., halb­­jährig 5 fl., ganzjährig 10 fl, ohne Bustellung in’3 Haus, mit Bustellung 1 fl., 3 fl., 6 fl., 128. Abonnement mit Postversendung: Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 Er., Halbjährig T fl, ganz­­jährig 14 fl. Für das Ausland: vierteljährig 7 M. oder 10 Fre­., halbjährig 14 M. oder 20 Fres., ganzjährig 28 M. oder 40 Fre3. Eine einzelne Nummer Tostet 5 fr. d. W. Unfrontierte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgestellt. »»- 7359. XXV. Jahrgang Siebenbürgisch-Deutsches Hermannstadt, Dienstag 1. März Prännmerations-Cinladung auf das Siebenbürgisch - Deutsche Tageblatt. Mit 1. März 1898 beginnt ein neues A­bonnement auf Das „BSiebenbürgiige Deutsche Tageblatt“. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fl., vierteljährig 2 fl. 50 Er., BeIBISOM 5 fl., ganzjährig 10 fl. ohne A­ustellung ins Haus, mit Aufteilung 1 fl. 3 fl. RL, 12 fl. — Abonnement mit Postversendung: für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 fl., Halbjährig 7 fl., ganzjährig 14 fl., für das Ausland : vierteljährig 7 AM. oder 10 Fres., halbjährig 14 RM. oder 20 Fres., ganzjährig 28 RM. oder 40 Fres. Auswärtige M­onats - Abonnenten, weile vom 1. März an einzutreten wünschen, erhalten das Blatt im März: im Inlande gegen direkte Einsendung von 1 fl. 20 8r.; im Auslande gegen direkte Einsendung von 2 Marl 33 Pfennig oder 3 Frances 33 Gentimes an das Hauptbureau (Hermannstadt, Heltauergaffe 23.) Pränumerationen und Inserats-Aufträge werden entgegenge­­nommen; in Herm­annstadt beim Hauptbureau, Heltauergaffe 23, in der Buch­handlung Ludwig Michaelis, Kleiner Ring Nr. 12; in der Buchhandlung ©. N. Seraphin, Heltauergaffe, Elisabethgaffe Nr. 29 bei Gustav Gürtler, Ede bei Burger» und Schmiedgaffe bei Sofef Zimmermann und GSaggaffe Nr. 8 Sei Sofef Schwarz, Kaufmann, auswärts bei den am Kopfe des Blattes ge­­nannten Firmen. Der Berlag des SCIREKBAT BEIG Densl­en Tageblatts.” (Hermannstadt, Hel­amergaffe Nr. 23.) BL. LADE TG NETT NEE Pränumerationen und Inserate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauers Waffe Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, G. A. Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauf­­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fostet beim einmaligen Einraden 7 Er., das zweite­­mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 Er. 1898 Aus dem ungarischen Reichstag. Budapeft, 25. Februar. In der Sigung des Reichstages vom 24. d. M. wurde die Debatte über das Budget des Kultus- und Unterrichtsministeriums beendigt. Die Schlußdebatte war ziemlich belanglos. Es kam nun das Budget des Justiz­­ministeriums auf die Tagesordnung. Bloß der­ Referent Julius Rohonyi gelangte zum Wort. Er empfahl das Budget zur Annahme. Hierauf wurde die Debatte abgebrochen, und die Zertlegung für die nächste Lagung anberaumt. Jin der Situng vom 25. sprachh Über das Budget des Justizministeriums als erster Redner Abgeordneter Clay. Der allgemeinen Verlegung der Rechtsordnung schrieb er das Entstehen des Sozialismus zu. Die größten Verlegungen seien­ die Wahlmißbräuce, zu deren Durc­­führung die Regierung sich der Verwaltungsbeamten bedient. So komme es, daß das Baczer Komitat 19 Abgeordnete der Regierungspartei und Parlament liefert. Dort giebt er aber auch seine Ordnung, die Notare verlangen für ihre Arbeit so viel als sie eben wollen. Präsident: Gegenwärtig ist das Zuftigbudget auf der Tagesord­­nung, der Herr Abgeordnete spricht aber von . . . Ludwig Clay: Vom Recht! Ludwig Hentaller: Nedht giebt es Feines. Präsident: Das gehört nicht zur Justiz, wollen Sie zur Tages­­ordnung sprechen. Ueber das Recht kann bei jedem Ressort gesprochen werden, das Wahlrecht und die Verwaltung gehören jedoch nicht zum Justizbudget. Abgeordneter Clay hält dafür, daß diese Rechtsverlegungen hieher ger­hören, da zur Bestrafung der Wahlmißbräuche die Kurialgerichtsbarkeit ein­­geführt werden sol. Präsident: Gut. Wollen Sie fortlegen. Ludwig Clay bespricht sodann eingehend die Wahlmißbräuche und suchte den Nachweis zu erbringen, daß Minister Erdely das Erbe Szilagyis volständig zerstört hat, so daß eine ganze Reihe novellarischer Verfügungen notwendig ist, um die Strafprogelordnung in Kraft treten zu lassen. Dies werde Erdely unwahrscheinlich einem anderen Justizminister überlassen. Minister Erdely ernenne ohne jedes System Aurialrichter. Er sucht sich Hiezu gerade die schwächsten aus. Es gebe viele ausgezeichnete und sehr befähigte Richter und Staatsanwälte, welche der Minister nur deshalb nicht ernennt, weil sie ihm zu jung sind oder ihm ihre Gesicht nicht gefällt. Redner nimmt das Budget des Justizministeriums, welches einer unberufenen Hand anvertraut ist, nicht an. (Bewegung rechts, lebhafte Zustimmung auf der äußersten Linken.) Nach einer persönlichen Bemerkung des Abgeordneten Kristoffy ergreift­e Zustizminister Erdely das Wort. Der Minister betont, dab er auf die Ludikatur der Gerichte seinerlei Einfluß übe. Er habe, um das Zustande­­kommen der Strafprogelordnung zu ermöglichen, mit der Opposition einen Pakt geschlossen, um die Obstruktion zu verhindern. Clay habe ihn nur seine Macht als Abgeordneter fühlen lassen wollen. Er ist überzeugt, daß er zum Wohle des Landes is, wenn er den Gib des A­ustizministers ausfügt. Die Urteile der Kurie könne der Minister nicht beeinflußen. Auch im Sinne der modifizierten Strafprozestordnung wird der Staatsanwalt die Erhebungen vor­­nehmen und leiten... . Julius Endrey: Dann können sich die Berczis Schlafen legen. Justizministeer Erdely verteidigt sodann sein Ernennungsystem. Er sieht darin eine­­ Verbesserung der Gerichte: Er habe im Verlaufe von drei Jahren tausende von Ernennungen vollzogen, ohne daß er darunter auch nur ein Protegee befunden hätte. Der Abgeordnete Clay habe seine Ernennung vollzogen, doch könne er von ihm nicht behaupten, daß sich unter den Ere­nannten sein Protegee von ihm befunden. Ludwig Clay meint die Infinuation de Ministerd, als habe er je­­manden protegiert, als Lüge zurück, für welchen Ausbruch er vom Präsidenten zur Ordnung’gerufen wird. Er habe den Minister nur einmal ersucht, einen Richter außer, der gewöhnlichen Audienzstunde zu empfangen. Sonst habe er mit dem Minister, den er nicht grüße und nicht anschaue, nichts zu thun ge­­habt. (Beifall Lint.) Here Minister, sagt der Redner, die Verdächtigung und Befleumdung ist ein häßlich Ding. Sie wollen dem Minister Wlaffics in seiner Angriffsmethode folgen, vergefsen Sie aber nit, Here Minister, daß Sie unmwissend und unfähig sind! (Lärm, Bewegung.) Nachdem der Abgeordnete A. Neumann über die Modifikation des bürgerlichen­ Geießbuches gesprochen hatte, gelangte das Haus zu einer in­­teressanteren und spannenderen Debatte über die Breßfrage. Der Abgeordnete Ratkay brachte dieselbe in Fluß. Vor 50 Jahren — bemerkte der Redner — wurde die Preßfreiheit erkämpft, heute wird sie und geraubt innerhalb des Rahmens des 1848er Gesetes, wie es heißt, Weil die Hauptsache der Rahmen ist. Das Bild ist gleichgiltig. Ludwig Hentaller: Piombo. Ladislaus Ratkay: Und warum wird und denn die Preßfreiheit ge­­nommen ? Die Regierung sagt: Wegen des Sozialismus. Diese große Ideen­­strömung will unsere Regierung mit der Maßregelung der Presse aufhalten ? Auf diese Weise will sie die Leiden unseres armen Volkes lindern? Hat sie es auch auf eine andere Weise verfucht? Was Haben Sie während Ihrer dreißigjährigen Herrschaft für das Volk gethan ? Haben Sie si­­e um feine Leiden und Bedürfnisse gefümmert ? Und jegt greifen sie zu Mitteln gegen die Presse. Das Gefeß über die Pflichteremplare für die Museen enthält sei­­nerlei Verfügung, wodurch das 1848er Gejeß bezüglich der Bestimmungen über die Einlieferung der Pflichteremplare eine Abänderung erleiden würde. Der Minister hat also seine Verordnung mala fide erlasen. (Bewegung.) Das 1848er Gefeb hat für ewige Zeiten die Präventivgentur abgeschafft und die Verbreitung der Blätter für ewige Zeiten gestattet. Der A­ustizminister hat also das Gefeß gefälscht, dasselbe seines Geistes beraubt. Seine Ver­­ordnung ist eine Beziehung des Gefettes. Wird die Regierungspartei den Mi­­nister deswegen in den Anklagezustand verlegen ? Ludwig Hentaller: Keine Spur. Julius Endrey: Nicht einmal in Pension­­ whrden. Ladislaus Ratkay: Wenn der Regierung das Preßgefeb nicht gefällt, so sol fte es geießlich abändern. Kur gehört dazu Mut: Wie sollen wir im Zeitalter geseßwidriger Verordnungen das Jubiläum des Freiheitskampfes feiern ? Sollen wir neben den dreizehn Märtyrern als vierzehnten die Preß­­freiheit begraben ? Sollen wir das 1848er Gesek im den Sarg der Wer: ‘ein Exemplar von jeder Drucschrift der Behörde zu unterbreiten. Ordnung des Ministers einsangen ? Lebendig begrabene been kehren als Ge­­spenster zurück und verfünden die Revolution. Redner lehnt das Budget ab. (Lebhafter Beifall äußerst Links.) Nach einer Pause von fünf Minuten ergreift der Justizminister € x­­dely das Wort. Hedner reflektiert auf die Ausführungen des Vorredners, &3 sei ein Irrtum, wenn hier von einem Preßstatarium, von der Präventiv­­zensur gesprochen wird, denn sein Erlaß beruhe streng auf den Verfügungen des 1848er Preßgefeges. Laut diesem ist in dem Zeitpunkte der Versendung Diese Be­­hörde ist jecht die Staatsanwaltschaft, und wenn auf­ deren Antrag der Unter­­suchungsrichter die Druckchrift faisiert, so Liegt darin nichts gejegwidriges. Ladislaus Ratkay: Das ist Schwach ! P­a­tentaller: Er sagt nit die Wahrheit, denn dem ist nit so. Justizminister Erdely: Die Blätter werden exit dann konfisziert werden, wenn der Richter über Antrag der Staatsanwaltschaft die Unter­­suchung anordnet. (Bewegung) Der Richter kann verfügen, daß die Blätter mit Benußung des Telegraphen allerorten­­ konfisziert werden. Von einer S­iegesverlegung, von einer Einschränkung der Preßfreiheit könne Hier keine Rede sein. (Widerspruch.) Wer das nicht versteht, mit dem könne er nicht weiter diskutieren. (Ironische Heiterkeit.) Wer seine Argumente begibt, wie Rad­ay, der zitiert Geister. Sprechen wir deshalb nicht von dem Geiste des Gefeßes. Die Präventivzensur besteht darin, daß nur das gedruht werden darf, was die Staatsanwaltschaft zuläßt. Ludwig Hentaller: Dem ist nicht fo! Minister Erdely: Was wir machen, dad ist seine Zensur. Und ist e3 eine Zensur, dann wollen Sie das 48er Gefet anklagen, daß e3 die Zensur zugelassen hat. Ludwig Hentaller: Ejebeil Yesus Ch­ristus macht er zum Judas. Seza Bolonyi: 3 ist ein Unsinn zu behaupten, daß die Zensur im 48er Gehege enthalten ist. ‚Ludwig Hentaller: ‘ ist ein Machiavellismus, solche Dinge zu behaupten. P­räsident erteilt Hentaller den Ordnungsruf. Lea Bolonyi: Und da Hat der Minister verdient, was ihm Hens­taller gesagt! Justizminister Erdely: Wohl empfehle man der Regierung, ein Aus­­nahmesgejeß gegen die sozialistische Presse zu schaffen, wozu aber, wenn man sein Augfangen mit den vorhandenen Gefegen finden kann? Dann sei es auch ehr schwer, ein solches Belek zu schaffen, da es verschiedene Sozialisten giebt, wie demokratische, gewerbliche, agrarische Sozialisten . . . Ludwig Hentaller: Bizinal-Sozialisten. Johann Molnar: „Liberale” Sozialisten. (Heiterkeit) Justizminister Erdely: Ob­ ihr wie die Regierung durch zielbewußte Maßnahmen die Agitation der Nationalitäten zu lähmen verstand, hofft sie durch preßadministrative Verfügungen und durch eine richtige Justiz auch der sozialistischen Hege Herr zu werden. Die gegen die Sozialisten angestrengten Preßprozesse führen nicht zum Ziele, denn die Regierung wurde von den ee­nit unterstügt, welche die Agitatoren der Reihe nach freis­prachen, Justizminister Erdely: Die Regierung muß sich deshalb so jchtigen, wie sie es nun thut und die Aufreizung im Wege der Presse durch administra­­tive Verfolgung der Agitatoren niederhalten. Die Regierung werde sie weder durch die Weußerungen der oppositionellen Redner, wo­dur die Alarmrufe des­ Publikums, besonders in den Be­­zielen der äußersten Linken beirren lassen, welches die Aufhebung der Preß­­freiheit fordert; sie wird vielmehr im Bewußtsein der Unterfrügung seitens dieser Partei (auf die Negierungspartei reisend), welche ss eine liberale nennt, und welche mit der Regierung durch Feuer und Wasser geht, auch in Zukunft die Preßfreiheit verteidigen. (Zustimmung rechts.) Feuilleton. Dem Fleben zurükgegeben. Roman von B. Ernst. (11. Fortlegung.) Das Zimmer, in dem die Verstorbene gelebt und gelitten hatte, in dem sie entschlafen war, veränderte sich und wurde wahl und unbehaglich. Die kostbare Einrichtung schwand Stüd zu Stüd dahin, und jegt stand es seit Jahren leer, ein Ablagerunsplag für zerbrochene Flaschen und Gläser. Nie wurde er betreten. Herbert erinnerte si, daß er hier nicht gemeint Hatte seit dem Tage von Karola Vermählung. Da war er verzweifelt Hergeflüchtet, gleichsam als wolle er den Geist derjenigen, die ehemals hier gewohnt, anflehen, ihr Kind zu beifügen vor dem Unrechte, das man ihm anb­at. Die Mondesstrahlen fielen vor auf die Wände mit ihren verblichenen Sammettapeten, den einzigen Neffen ehemaligen Glanzes, sie fielen voll auf das schöne, finster bliddende Gesicht des besten Sprossen der herabgekommenen Familie. „Arme Tante Martha!" sagte Herbert vor sich Hin, indem er aus Diesem erinnerungsreichen Raume in den angrenzenden, ehemals von der Tante bewohnten trat. Deutlich und Mal sah er sie Bor­fi, wie sie grollend das Haus, dem sie vorgestanden, verließ. Sie konnte dem Bruder nicht ver­­zeihen, daß er ihren Liebling, die holde Karola seinem Egoismus opferte, und da er ich ihre Vorwürfe nicht gefallen lassen wollte, Hatte er ihr die Thüre gewwiesen. Die gute Tante Hatte Aufnahme in einem Fräuleinstifte gefunden und von dort aus anfangs ihre geringen Ersparnisse an den Neffen geschickt, bis diese er — so sehr ihn ihre Selbstlosigkeit und Liebe rührten — sich ernstlich jede Sendung verbat. Nun war auch sie seit einem Jahre tot, und es war ihr erspart geblieben, die Heimstätte ihrer Jugend in fremde Hände übergehen zu sehen, doch die Schuld desselben Bruders, der sie um alles gebracht, was sie besessen hatte: „Arme Tante Martha !" Herbert stich mit der Hand über die Stirn und trat in die große Halle, die in den Knabenjahren so oft sein Spielplan gewesen war. Durch diese Fenster hatte er mit Karola Hinausgeschaut, wenn Gäste kamen oder ab­ fuhren, wenn des Vaters glänzendes Jagdgefolge sich aufstellte und der Knabe ein brennendes Verlangen empfand, groß zu sein und mit zu reiten. Manchmal wurde auch die Heimkehr der in der Stadt weilenden Mutter erwartet, und die Kinder schauten sehnsüchtig nach ihr aus, um ihr endlich jubelnd entgegen zu laufen. Wie öde lag in dem faiten Mondlicht jei dieser Schloßhof da­s die wie ein Bild des Lebens, das Herbert vor sich sah, das ihn anstarrte wie ein Kirchhof. Wanderte er doch Hier umher wie ein Gespenst. Mitten in diesen Betrachtungen fiel ihm ein, daß der, der all diesen Sammer verschuldet hatte, jegt ruhig schlafend dalag, durch seinen grenzen­­losen Egoismus gepanzert gegen jede Neue, jeden Gewissensvorwurf. Herbert konnte sich — troß der berechtigten Beratung gegen den Vater — einer Negung des Mitleids nicht erwehren. Er malte sich das Alter aus, das jenen erwartete, die Demütigungen und moralischen Fußtritte, die ihm zuteil werden mußten und vor denen der Sohn ihn nicht zwingen konnte. In diesem Moment grübelte er — wie oft vorher — Über das Rätselhafte dieses ge­­nußsüchtigen, widerstandslosen Charakters, dessen bessere Eigenschaften unter­­gegangen waren im Strudel der Versuchungen. Er befragte ihn nur und beklagte sich mit, daß ihm das 208 geworden war, der Sohn dieses Mannes zu sein. IV. Als die Sonne am anderen Morgen bar und freundlich in die Fenster von Schloß Berghof bliche, hatten dessen Bewohner es bereits seit Stunden verlassen, und nur der alte Lorenz war noch da. Der neue Beriter hatte ihm angeboten, bei ihm zu bleiben und eine Art Gnadenbrot zu genießen, weil er sich sagte, daß die Ratschläge und Erfahrungen eines ehrlichen Mannes, der sein ganzes Leben Hier verbracht hatte, ihm von Nuten sein konnten. Lorenz fam sich jeder Herabgew­ürdigt vor, daß er, der so lange, al er zu denfen vermochte, den Grafen Nordau gedient, jegt in die Dienste eines bürgerlichen Kommerzienrats trat, aber er blieb ihm nichts übrig, als das gütige Anerbieten anzunehmen. Da, er mußte eigentlich froh sein, daß man ihn behalten wollte. Ale seine Ersparnisse Hatte er mit der Zeit im Hause hatte zugeseßt, weil es ihm zu meh­r hat, seine Herrschaft Entbehrungen leiden zu sehen. Den jungen Herren Grafen, der von Zeit zu Zeit mit ihm Ab­­rechnung hielt, Hatte er — wenn es nicht anders ging — belogen und bes­teogen, und dod war sogar eine Harte Arbeit gewesen, denn Graf Herbert hatte eine eigene Art, einen forschend anzusehen und einer Sache auf den Grund zu gehen. Selbst der alte Graf hatte beim Verlassen des Schlosses Thränen vergossen und gesagt: „Unsere besten Erinnerungen bleiben doch da zurück, Nicht wahr, Herbert ?” Dieser war nit im­stande gewesen, zu antworten, und der Vater schien auch seine Erwiderung zu erwarten, denn er wandte sich an Kuno mit einer Bemerkung über die Zeilche des Wetters. Ein Mietwagen brachte die drei zusammen zum Bahnhof, und au der erste Teil der Eisenbahnfahrt wurde gemeinsam zurückgelegt. Erst nach mehr­­stündiger Reise trennte man die nach Osten und Westen gehenden Wagen. Kuno wandte sich der Richtung zu, die ihn nach Berlin und Köln führte; das Ziel der Grafen Nordau war die reizlose Gegend Mittelpofens. Herbert bat Kuno beim Scheiden, sich um eine Beschäftigung für ihn zu bemühen; eine jede sei ihm recht und die geringste ihm nicht zu gering. Der Rater fragte nicht, woher Herbert das Geld für die Reife und Weg­­zehrung nahm, wahrscheinlich weil er es als des Unters natürliche Pflicht bes­trachtete, diese Ausgaben zu bestreiten. Allerdings hatte der Baron Berger dem Neffen eine Summe zu diesem Emwede geschickt, und obgleich er diesem Geschente (das dem alten Grafen unbekannt blieb) den eleganten Seibekoffer, der Kuno in die Augen gefallen war, und neue Garderobe für Vater und Sohn zugefügt hatte, nannte Graf Nordan seinen Schwager doc einen Geizhals. Er konnte es nicht rafen, daß Herbert si zu diesem Onkel mehr Hingezogen fühlte, als zu seinem leiblichen Vater. Aber freilich war die nur möglich, weil einer ein Duchmäufer war wie der andere, unzugänglich und blind für alles, was das Leben schön und reizvoll macht.

Next