Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1898. Juni (Jahrgang 25, nr. 7434-7458)

1898-06-25 / nr. 7455

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Aus den von feiten der Munizipien erstatteten Berichten über die Sanitätsverhältnisse sowie aus den periodischen Ausweisen des Eu. statistischen Zentralamtes ersehe ich, daß die Tuberkulose unter der Bevölkerung Ungarns von Zahs zu Jahr fi fteigernde Verheerungen anrichtet; von 100 Todesfällen entfallen mehr als 10 auf die Zungentuberkulose. Diese Verhältniszahl ist so groß, daß sie die Zahl der duch andere Krankheiten verursachten Todesfälle weit übersteigt, ja sogar die dur Die anderen Infektionskrankheiten geießten. Die Lungentuberkulose dezimiert im strengsten Sinne de Wortes die Bevölkerung, und ihre völkervernichtende Wirkung ist deshalb größer als bei jeder anderen Krankheit, weil sie aus allen Schichten der Bevölkerung fort­­während Opfer hinwegrafft und bei ihrem lange dauernden, langsamen Verlauf die Kranfen auf längere Zeit hin arbeits- und erwerbsunfähig macht und auf diese Weise vollswirtschaftlich unberechenbaren Schaden verursacht. Daher erachtet er die sanitäre Verwaltung für eine ihrer wächtigsten Aufgaben, alle jene Verfügungen zu treffen, welche zur Beschränkung der fortwährenden V­erwartungen der Lungentuberkulose und Milderung der dadurch veranlaßten materiellen Schäden geeignet sind, welche nach dem heutigen Stande der Wissenschaft Erfolg versprechen und auch durchführbar sind. Ein Haupthindernis, welchem die erfolgreiche Verhütung der Lungen­­tuberkulose entgegensteht, ist das allenthalben eingewurzelte Vorurteil, daß diese Krankheit unheilbar, daß jeder Kampf gegen diesen Feind erfolglos, daher überflüssig ist. Dies Vorurteil hat zu überaus schädlicher G­leichgiftigkeit geführt. In der That steht die Sache so, daß bei entsprechender Lebensweise und Behandlung zahlreiche Fälle von Lungentuberkulose Heilen, wenn die Krankheit eine gewisse Grenze nicht überschritten hat und daß durch zivrtl­­mäßige, konsequent durchgeführte Verfügungen der Weiterverbreitung dieses Uebels und den duch dasselbe verursachten Schäden eine Grenze gefeßt werden kannt. In dieser Richtung muß einerseits der oben skizzierten fatalistischen Auffassung entgegengetreten, andererseits Sorge getragen werden, daß unter den breiten Schichten der Bevölkerung eine richtige Auffassung über Wesen, Ursache und Art der Verbreitung der Lungentuberkulose und über die Mög­­lichkeit der Verhütung derselben Blaßgreife. Zu diesem Uunwede habe ich für Fertigstellung einer leicht verständlichen Slugschrift Sorge getragen, welche ich demnächst zur unentgeltlichen Verteilung den Munizipien in entspreender Anzahl übersenden werde. Die Neigung zur Erkrankung an Luagentuberkulose finden wir Haupt­­sächlich bei Individuen, welche von Geburt an schwächlich und deren Gesundheit durch mangelhafte Ernährung, durch­ andauernden Aufenthalt in ungesunden Wohnungen oder derartigen Arbeitsräumen, und durch ungesunde Lebens­­verhältnisse erschüttert ist. Mit Rücksicht hierauf fordere ich das Munizipium auf, diejenigen Fak­­toren, welche auf den Gesundheitszustand und die Widerstandskraft der ärmenn nt von Einfluß sind, zum Gegenstand ihrer besonderen Fürsorge zu machen. Es erwäh­st für die Munizipalbehörden vor allem die Aufgabe, die Wohnungsverhältnisse mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bessern und besondere Aufmerksamkeit auf die Verbesserung der sanitären Verhältnisse der auf Gütern wohnenden dienenden Klasse zu richten; die Aufgabe der Munizipal­­städte und unter diesen in erster Linie der Haupt- und Residenzstadt wird neben allgemeiner Hebung der Wohnungsverhältnisse die Befseiung der sani­­tären Verhältnisse, der Familien- und Tafernartigen Arbeiter-Wohnungen sowie die Varsorge dafür sein, daß für die in engen und überfüllten Wohnungen lebende städtische Bevölkerung schattige, duch reine Luft ausgezeichnete, zur Erholung geeignete Orte geschaffen werden, was zur Eröffnung von Spazier­­gängen, Errichtung von Wollegärten und bewaldeten hochgelegenen Ausflugs­­orten, die leicht zugänglich sind, erreicht werden kanit. Für den Schub gegen Tuberkulose ist gute und genügende Ernährung der ärmeren Volksschichten nicht minder wichtig. Allerdings kann die Vorbedingung Biezit — materieller Wohlstand — durch behördliche Verfügungen nicht geschaffen werden; in dem Falle jedoch, daß die Bevölkerung nicht durch Armut, sondern infolge eingewurzelter schlechter Gewohnheiten sich schlecht und unzweimäßig ernährt, kann auf dem Wege der Belehrung viel erreicht werden. Insbesondere ist auf die Qualität der zum Beilaufe gelangenden Lebens­­und Nahrungsmittel und auf die behördliche Ueberwachung und Kontrolle des Nährnwertes verselben zu achten; ich rente in dieser Hinsicht die Aufmerksamkeit des Munizipiums vorzüglich auf die aus Milchwirtschaften zum Verkaufe gelangenden Milch und Milchprodukte; es sind daher nicht nur die zum öffentlichen Verbrauch gelangenden Produkte der Milchwirtschaften unter fort­­währender Aufsicht zu halten, sondern auch die Milch­wirtschaften und der Gesundheitszustand der an denselben angestellten Personen unter fachgemäße und andauernde Kontrolle zu stellen, miel er vorkommen kann, daß Lungen­­franse, wenn diese zum Melken und zur Manipulation der Milch verwendet werden, die Krankheit durch die Milch verbreiten können; ebenso ist der milch­­gebende Viehstand unter tierärzticher Aufsicht zu Halten, da nur diesen, wenn er an Perlsucht leidet, die Lungenschwindsucht ebenfalls verbreitet werden kann. Mit Rücksicht darauf, daß die Tranfsucht die Ernährung und Kraft der Bevölkerung nicht weniger schädlich beeinflußt, so ist dieselbe nach Mög­­lichkeit zu bekämpfen — (doch Belehrung, eventuell durch beschränkende Bei­­fügungen). Nachdem die Verbreitung der Lungenschwindsucht und die Disposition zur Erkrankung, ebenso wie bei anderen Infektionskrankheiten durch Vernach­lässigung der persönlichen Reinlichkeit gefördert wird und daher alles was zur Aufrechterhaltung der Reinlichkeit der Wohnung, des Arbeitsraumes, des menschlichen Körpers und der Kleidung dient, ein mächtige Schugmittel gegen die berichiedenartigsten Infektionskrankheiten somit auch die Lungenschwindsucht bildet, empfehle ich dem Munizipium das Stieb­bentreten und die Kontrolle, solcher Verfügungen, welche öffentliche Neinlichkeit zum Wortsurfe haben. Die wissenschaftlichen Forschungen haben dargethan, daß diese Krankheit durch die Absonderungen — durch den Auswurf — des Schwindsüchtigen, insbesondere dann verbreitet wird, wenn der Auswurf eintrocknet und mit dem Staub aufgewirbelt in die Aimpfphäre gelangt. Aus diesem Grunde ist eine derartige Unterbringung und Pflege der Schwindsüchtigen geboten, daß die Niedertragung der Krankheit auf andere unmöglich und der Auswurf — nach Möglichkeit — unschädlich gemacht wird. Von diesem Gesichtspunkte aus beauftrage ich das Munizipium, folgende Berfügungen zu treffen: Die an Z Tuberkulose Leivenden sind in Spitälern und Heilanstalten nach Möglichkeit in besonderen zu diesem Zweckk dienenden Abteilungen, in kleineren Spitälern in besonderen Zimmern, in ganz Heinen Krankenhäusern, wo die Unterbringung in abgesonderten Zimmern nicht möglich, auf von den übrigen Kranken entfernt aufgestellten Betten zu unterbringen; bei Aufstellung neuer größerer Stanfenhäuser werde ich unbedingt die Forderung stellen, daß für die Tuberkulosen eine besondere Abteilung oder mindestens abgesonderte Zimmer hergestellt werden, So werde Gewicht darauf legen, daß solche Krank­enabteilungen pro Bett einen größeren Luftraum als gewöhnlich, weibliche Zufuhr von Luft und Licht aufweisen. Die Krankenhausdirektoren sind ferner anzumeisen, die ihmind süchtigen Kranken mit entsprechenden, mit irgend­einer Flüssigkeit, etwa mit Wasser gefüllten Spudischalen zu versehen, damit der Auswurf nicht austrockne und unschädlich gemacht werde; die einfache Ausleerung des Aus­wurfes an Orten, wo er austrocknen kann, ist sorgfältig zu vermeiden; die Spudichalen sind nach dem Gebrauch, gründlich zu dezinfizieren, mit heißem Wasser auszumalchen und das Wartpersonal über Gebrauch und Reinigung der Spudichalen aus­­führlich zu belehren. Die Direktoren der Spitäler und sonstigen Heilanstalten sind überdies anzumeisen, die von schwindsüchtigen Kranken benüsten Kleider, Eßgeschirr und Möbel von den Effekten der übrigen Kranken abgesondert zu halten und nach Bedarf zu desinfizieren. Weiter sind Verfügungen zu treffen, daß in allen öffentlichen Loyali­­täten, wo ein bedeutender Menschenverkehr stattfindet, wie in Gast- und Einkehrhäusern, Kaffeehäusern, Unterhaltungsorten, Geseligkeitsvereinen, in vom P­ublitum Häufig besuchten Amtslokalen, die entsprechende Neinlichkeit duch häufige Lüftung, durch Reinigung des Fußboden mit einer, von einem feuchten Laden umhüllten Bürste 2c. ständig aufrecht erhalten werde und daß in allen diesen Dertlichkeiten das Spuden auf den Fußboden nach Möglickeit ver­­hindert werde; um das septere zu erreichen, ist die Forderung aufzustellen, daß in den genannten Dertlichkeiten Spudialen aufgestelt werden, welche zur Verhinderung der Austrocnung des Ausiwurfes Wasser enthalten und eine derartige Konstruktion beiten müssen, daß der Inhalt für das Auge nicht sichtbar sei. Die eben erwähnten Einrichtungen sind in denjenigen Gebäuden und Räumlichkeiten der Bäder, Kurorte und Sommerfrischen, in welchen das Bade­­publikum verkehrt, sich unterhält und promeniert, mit besonderer Sorgfalt auszuführen. Die oben flizzierten Verfügungen erschöpfen bei weiten nicht alles das­ jenge, was die Verbreitung der Lungenschwindsucht Hindern fandı; ich Habe nur die Absicht gehabt, in großen Zügen das Arbeitsgebiet zu bezeichnen, dessen Organisation die Aufgabe des Munizipiums sein wird. Gleichartige, überall an­wendbare starre Regeln werden wohl nicht aufgestellt werden können; jedes einzelne Munizipium muß vielmehr, den eigenen Verhältnissen Rechnung tragend, die Detaild in betreff der Maßregeln zur Abwehr der Tuberkulose feststellen, wozu es als Ausfluß seiner Autonomie nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist. Sch fordere daher das Munizipium auf, diese sanitäre und zugleich volfswirtschaftliche Frage unter Syntervention der eigenen F­achorgane in Ver­­handlung zu ziehen und entsprechend den örtlichen Verhältnissen die Details der Erfolg versprechenden Berfügungen festzustellen und für die Durchführung derselben Sorge zu tragen. Es ist nicht zu erwarten, daß diese Verfügungen, wenn sie auch noch so streng und überall gleichförmig durchführbar wären, in kurzer Zeit eine Besseiung erzielen werden; jedoch ist zu hoffen, daß durch zielbewußte An­­passung und wo es nötig, durch Weitere Entsoicerung dieser Verfügungen im Laufe der Zeit ein in Zahlen nachweisbarer Erfolg erzielt werden kann. IH erwarte, daß das Munizipium die in Nede stehende Angelegenheit entsprechend ihrer Wichtigkeit energisch in Angriff nehmen und unablässig im Auge behalten wird. Dr. 8. politische Mebersicht. Hermannstadt, 24. Juni. Die Verhandlungen des Neuner-Komitees de Katholitenkom­gresses sind von günstigem Erfolge begleitet ge­wesen, so daß man hofft, daß die Arbeiten vor dem Plenum des Kongresses Ende dieses oder anfangs nächsten Jahres in Angriff genommen werden dürften. Die wichtigen und grund­­legenden Vereinbarungen, zu welchen das Neuner-Komitee in seinen bisherigen Beratungen gelangte, seien in nachfolgendem kurzgefaßt wiedergegeben : Das Komitee stellte vor allem die Organisation und den Wirkungskreis der autonomen Körperschaften der Kirchengemeinden fe. Die im Entwurfe von 1871 als erste Mittelstufe geplante Institution des Dekanatsrates wurde sillschweigend fallen gelassen und so gelangte die Frage des Diözesanrates zur Verhandlung. Auch hier wurden die Grundprinzipien für die Organisation Breuilleton. Um Geld und Gut. Roman von D. Elster. (7. Sortlegung,) „Kann ich dir in irgend einer Weile Hier dienlich sein, so verfüge über mich. Hast du den Grafen Waltersdorf schon benachrichtigt?“ „Nein ich wollte von Lembach aus Schreiben.” „Vielleicht wäre es ganz gut, wenn Komtesse Jemgard — Soll ich ihr eine gelegentliche Mitteilung machen ? Du weißt, man sieht sie Häufig morgens im Tiergarten, wo sie mit ihrem Vater spazieren reitet.” „Wenn du Irmgard siehst, überbring ihr meine Herzlichsten Grüße und fag ihre den Grund meiner schnellen Abreise.“ „Werd’3 besorgen.” Der Bahnhofsportier meldete, daß er Zeit zum Einsteigen sei. Kall­­brinf begleitete den Freund bis zum Koupee; no­ einmal drüdten sie sich die Hände; dann flog der Schaffner die Thür, die Pfeife des Zugführers er­­tönte, ein­ kurzer Pfiff der Lokomotive und der Zug hebte sich schnaubend, zichend und brausend in Betwegung. Traugott sehnte sich in den Polster zurück und schloß die Augen. Er war allein in dem Koupee, so konnte er ungestört seinen Gedanken nachhängen. Das Bild seines Vater stand ihm unaufhörlich vor den Augen und ver­drängte selbst die Gestalt Irmgards, die von Zeit zu Zeit gleich einer Holden Traumerscheinung an seiner sinnenden Seele vorüberglitt. Dann atmete er tief auf und ein heißes Gefühl der Sehnsucht überkam ihn, an ihrer Seite weilen zu dürfen, mit ihre Worte der Liebe, Biide der Zärtlichkeit tauschen zu dürfen, ihre von feinem Streben, feinen Plänen und Wünschen jagen und sein ganzes Herz, seine ganze Seele vertrauensvoll ihr öffnen zu dürfen. Aber das lichte Bild seiner Liebe wurde stets wieder von dem finsteren Schatten verscheucht, den der Tod des Vaters auf seine Seele geworfen hatte. Wenn plößliche, unvor­­hergesehene traurige Ereignisse des Menschen Geist mit stiller Traurigkeit er­füllen, dann ist man geneigt, in den einzelnen Stunden die Gedanken zurüc­­kschweifen zu lassen über das vergangene Leben, gleichsam als prüfe man dieses, als ob er irgend melde Schuld an dem traurigen Ereignis tragen künne. So überdachte auch Traugott sein bisheriges Leben; er zog die Bilanz seines Strebens, seines Lebend, und er atmete erleichtert auf, denn er fand sein Debet nicht allzu statl dem Kredit gegenüber befafte. Er Hatte die ersten Lieutenatsjahre verlebt wie alle jungen Offiziere, harmlos-leichtsinnig in den Tag Hinein, Hatte seine dienstlichen Pflichten eifrig erfüllt, Hatte Freude an schönen Pferden, an Jagd- und Wettrennen gehabt, Hatte auf ein gelegentliches Spielen in Kameradenkreisen, einen feuchtfröhlichen Abend beim Wein nicht verschmäht, Hatte hier und da einige geringfügige Schulden gemacht, war sich aber bewußt, daß er stets ein höheres Bier vor Augen ge­­habt Hatte, das er doch das Kommando zur Kriegsakademie zu erreichen hoffte. Hier in Berlin nahm dann die Liebe zu Irmgard von seinem Herzen Besit und hielt ihn von manchen Thorheiten ab, zu denen der junge Offizier in der Millionenstadt sich nur zu leicht verführen läßt. In der legten Nacht war er das erstemal gewesen, daß er sich zu höherem Spiel Hatte verleiten lassen. Er hatte dabei mehrere tausend Mark eingebüßt, die er in einigen Tagen bezahlen mußte. Heute morgens noch Hatte er si über diese Schuld seine großen Skrupel gemacht, jebt aber drühte sie als unheimliche Last seine Seele, er wußte selbst nicht, weshalb, denn wenn auch sein Vater gestorben war, so änderte das an seinen eigenen V­ermögensverhältnissen nichts, im Gegenteil bekam er ja dann freie Verfügung über sein väterliches Erbteil. Doch dieser Gedanke fließ ihm nur einmal blikartig duch die Seele. Am peinlh­aften quälte ihn der Gedanke, daß der Vater mit dem Tode gerungen, zu einer Zeit, wo er, sein Sohn, in dem Freudenrausch der Liebe geschwelgt und mit übermütigen Zechgenossien an dem GSpfeltisch gesessen hatte. Die Thränen quollen ihm bei dieser Erinnerung wieder in die Augen empor und fest­preßte er den Kopf in die Kiffen des Wolsters. Dem trüben Novembertag folgte bald ein dunkler, Dunstiger Abend. Der Zug eilte raffelnd und schnaubend durch die winterlich öde flache Lands­­chaft der Altmark, die Dörfer, die Wälder, die Bäume und Büsche ver­­schwanden in der Finsternid, und es schien, als ware der Zug duch ein finstere, troftrote Wüste dahin, einem dunklen, unheimlichen Bier entgegen. VL. Das Rittergut und das gleichnamige Dorf Lembach lagen in der Nähe der alten Stadt Stendal, unweit der Elbe. Lembach, ursprünglic­her Sitz einer altmärkischen Adelsfamilie, befand sich seit etwa fünfzig Jahren im Bes­itz der Familie Erdmann. Der Vater des recht verstorbenen Besigers hatte die einzige Tochter des Heren von Lembach geheiratet und mit ihrer Hand das alte Familiengut erhalten. Der Fleiß, die landwirtschaftliche Tüchtigkeit dieses ersten bürgerlichen Besiters hatten das sehr herunterge­wirtschaftete Gut wieder zu Wohlstand und Ertragsfähigkeit erhoben. Der nun verstorbene Sohn des ersten Befigers aus der Erdmann’schen Familie trat in die Fuße stapfen seinen Vater; er warb ein wohlhabender, ja ein weicher Mann und konnte si schon den Lurus erlauben, schöne Pferde zu halten, eine augen dehnte Zucht edler Pferde anzulegen und den geselligen Vergnügungen und der Jagd in höherem Maße abzuliegen, als einem einfachen Landwirt sonst wohl gestattet ist. Indessen auf die guten Jahre der Landwirtschaft folgten sehr bald die Ilechten. Die Preise der Bodenerzeugnisse gingen stetig zurück, einige sonstige Unglücksfälle kamen hinzu; eine große Ueberschwenkung der Elbe vernichtete eine ganze Jahresernte, und da Amtmann Erdmann gerade in diesem Jahre von Schon lange notwendigen Umbau des alten Herrenhauses begonnen hatte, so geriet er in pefuniäre Schwierigkeiten, denen er sich nur durch Aufnahme eines größeren Hypothelariichen Darlehens entziehen konnte. Das Gut ver­­mochte die Zinsenlast der Hypothek ja zu tragen, aber mit den glänzenden Beiten auf Schloß Lembach war es vorbei, obgleich das Schloß selbst in er­­neuter Bracht erstand. An dem wirtschaftlichen Niedergang waren der Amtmann Erdmann und dessen Gattin Amalie nicht ohne Schuld. Beide Gatten liebten gesellschaftliche Bergnügungen, Pracht und Glanz mehr, wie ihnen zukam,. Auf Schloß Lembach pflegte er stets Hoch Herzugehen; fast niemals war das Schloß leer von Gästen und Gesellschaften; Bälle, Diners, und Sagden m wechselten si in bunten Reihenfolge ab. Dazu kam, daß Frau Amalie Erdmann dem neuen Salon eine zeitgemäße, moderne, kostspielige Einrichtung zu geben unwünschte, und daß Herr Erdmann zu ihm wach war, diesem Wunsche seiner Gattin­­widerstehen zu können. Erst in den lebten Jahren war die Haushaltung

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