Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1898. Juni (Jahrgang 25, nr. 7434-7458)

1898-06-10 / nr. 7442

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Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur­­ v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauff­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garnendzeile kostet beim einmaligen Einladen 7 kr., das zweite mal je 6 fr., das dritte mal je 5 fr. 6. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 fr. 1898 Die innere Lage Westerreichs. Die Berliner „National-Zettung” äußert sie darüber also: „Für den Müßgang des Parlamentarismus in Oesterreich ist es ber­­eichnend, wie wenig Einfluß die zweimochentliche Tagung der Delegationen in Budapest auf diejenigen Schwierigkeiten ausgeübt hat, die an den Wurzeln der ganzen Donaumonarchie zehren. Freilich sind die Delegationsverhand­­lungen überhaupt nicht eben von besonderer Bedeutung gewesen, doch liegt das in erster Linie an der ganzen Eigenart dieser V­ersammlung, die im Grunde nur einen großen Ausschuß der beiden Parlamente bildet; infolge davon beherrscht die Regierung fast immer die Situation, und die parlamen­­tarische Kontrolle, die in den Delegationen über die gemeinsamen Bedürfnisse der beiden Staatshälften bezüglich der auswärtigen Politik, des Heeres und der Marine geübt wird, ist mehr oder minder reine Formen nahe. Das hat sic auch in diesem Jahre gelegentlich der Etatsüberschreitung von 30 Millionen Gulden gezeigt, deren Reitit in beiden Delegationen troß einer Sturm­­flut von Reden völlig im Sande verlief. Aber troß alledem sollte man meinen, daß die Reflexe, welche die Delegationsberatungen auf die öster­­reichsch-ungarische Gesamtpolitik, auf des ganzen Reic­es Weltmachtstellung und Wehrkraft warfen, stark genug sein müßten, um all die Wege der inneren Politik einigermaßen zu erhellen. Aber nichts davon ist eingetreten, Sit­e k­am sich schon nahezu eine Merkwürdigkeit gewesen, daß in Oesterreich die Wahl der Delegationsmit­­glieder möglich geworden war, so haben die Verhandlungen der Delegation für die parlamentarische Lage in Oesterreich DoH geradezu nichts zu bedeuten. Ob sie stattgefunden haben oder nicht, ob das Land von äußeren Gefahren bedroht ist oder nicht, das ist ganz gleichgiltig für die Oesterreicher — mehr gemerkt, nicht nur für die Parteien, sondern offenbar auch für die Regierung. Denn diese thut nicht nur nichts dafür, daß der unselige Nationalitätenzunift beigelegt oder auch nur gemildert werde, sondern sie gießt, vielleicht nicht so sehr mit Absicht, als aus ganz besonderer Ungeschielichkeit, noch weiter Del in die Flammen der nationalen Erregung; zudem geht ja die ganze Richtung der österreichischen Regierung schon seit Jahren darauf aus, den slavischen Föderalismus zu begünstigen und damit den Zusammenhalt und die straffe Zügung des Kaiserstaates zu fodern, ein Bestreben, das, auch abgesehen von den gegenwärtigen nationalen Streitigkeiten, nur eine Hochhft ungünstige Rück­­wirkung auf die gesamte Machstellung de Donaustaates ausüben kann. Daß unter diesen Umständen auch die nationalen Parteien sich weniger, als je um das Ganze kümmern, sondern in erster Linie ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen, ist ganz begreiflich, wenn auch in Höchstem Grade bedauerlich. E38 kann zu seinem guten Ende führen und muß auf die Dauer den wichtigen Faktor, den Desterreich-Ungarn in der europäischen Kräfteverteilung bildet, wesentlich verändern. 8 ist zur Zeit nicht die ger ringste Aussicht vorhanden, daß im diesen traurigen Verhältnissen eine Nende­­rung eintritt; im Gegenteile, die innerpolitische Lage in Oesterreich hat es gerade feht wieder einmal aufs Weißerste zugefolgt. Unleugbar waren seit dem Amtsantritte des Grafen Thun kleine Fortschritte in der parlamentari­­schen Beruhigung hervorgetreten, deren sorgfältige Weiterentwickklung wohl die Aussicht auf einen Ausweg aus den nationalen Wirren und namentlich aus dem Dilemma der Sprachenfrage hätte eröffnen können. In der That hat die Regierung anscheinend­ selbst diese Hoffnung gehegt; sie hat bei den Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn der ungarischen Regierung die­­ Ver­­sicherung erteilt, daß das österreichische Parlament bis zum Herbst wieder semweit aktionsfähig sein werde, um die Ausgleichsvorlagen zu beraten. € 3 ist aber hinreichend bekannt, daß eine solche Möglichkeit, wenigstens so Lange die jenige Verfassung für Oesterreichs parlamentarisches Leben maß­­gebend ist, nur dann eintreten kann, wenn die Regierung mit den Deutschen Frieden schließt. Das könnte aber Hinwiederum nur unter der Vorauslegung der Fall sein, daß die Sprachenverordnungen Badenis aufgehoben werden. In anderen Falle schreiten die deuten Parteien ohne Ausnahme wieder zur Obstruktion, und daß dieser nicht auf geieglichem Wege beizukommen ist, kann um so sicherer als feststehend angenommen werden, als die ungesehlichen Bersuche des flavisch-Herifalen Präsidiums unter dem Segen Badenis so täglich gescheitert sind. Am allerwenigsten aber konnte es gelingen, die deutsche Dekstruktion in der Kurzen Zeit niederzuwerfen, die vom Beginn der Herbstsersion des Reichsrates Hi zum 1. Januar 1899 zur Verfügung steht, dem Termin, bis zu welchem das Ausgleichsprovisorium abläuft, zumal auch die anderen Bestandteile des österreichischen Abgeordn­etenhauses dem Ausgleich, wie er bisher von dem beiderseitigen Regierungen gestaltet is, durchweg ab­­lehnend gegenüberstehen. « Es ist also ein Rätsel wie die österreichische Regierung,wenn sie ihrer Versicherung gemäß an keinen Verfassungsbruch,an keine gewaltsame Aenderung der jetzigen Zusammensetzung des Reichsrates,an kein autokratisches Regiment denkt,den Abschluß der Ausgleichsvorlagen in Aussicht stellen kann,da sie doch nichts thut,um die Deutschen zu versöhnen Weit entfernt davon,die Aufhebung der Sprachenverordnungen zu bewilligen,hat sie jetzt sogar durch ihre Anordnungen in Graz au­ch die bescheidenen Ansätze selbst wiederher­­richtet,welche aus ihrem vorsichtigen Lavieren und ihrer Enthaltsamkeit von jeder provokatorischen Stellungnahme nach der einen oder der anderen Seite erwachsen waren.Die Regierung hat dadurch nicht nur das Zustandekommen eines Sprachenausschusses aufg höchste gefährdet sondern sogar die Gefahr einer erneuten Obstruktion hervorgerufen,jedenfalls aber die Lage wieder soweit verschlechtert,daß eine Verständigung mit den Deutschen als nahezu ausgeschlossen gelten muß. Die Grazer Vorgänge selbst sind bekannt,sie stehen durchweg mit der starken Bewegung im Zusammenhang,die im November vorigen Jahres bei dem Einmarsch der Polizei in das Abgeordnetenhaus durch das österreichische Volk ging.Diese Aufregung hatte in Graz besonders hohe Wellen geschlagen, und auch als Badenis Sturz bekannt geworden war,hatte sie nicht wachs­gelassen.Ganz unnötiger Weise hatte man das in Graz stehende bosnische Regiment,das nicht einmal einen Bestandteil des österreichischen Heeres bildet, sondern verfassungsmäßig nur eine Art Landwehr für das Okkupationsgebiet sein soll,einschreiten lassen;dieröm­er hatten gefeuert und einen Arbeiter getötet, einen anderen verwundet. Natürlich hatte dies die Aufregung ge­­steigert; an dem Begräbnis des Erschaffenen, der politisch zu den Sozial­­demokraten gehörte, hatte sie ganz Graz beteiligt, und der Unmille richtete sich sehr stark gegen das bosnische Regiment, zumal in dessen Offizierskorps eine starre launische Ueberhebung gegen das Grazer Dentichtum zum Ausbruch gelangte. Die Reibereien dauerten den ganzen Winter an und führten vor kurzem zu einem tumult­arischen Ausbruch, als das Musik­orps der Bosnier wieder einmal öffentlich Spielen wollte. Der Ruf wurde laut, daß die Regierung die verhaßten Bosnier aus Graz entfernen soi. Das geschah natürlich nicht, obgleich die Laibacher Slowenen den Wunsch zu erkennen gaben, das bosnische Regiment gegen das deutsche in Laibach befindliche, auf das sie schlecht zu sprechen sind, umzutauschen. Es kam dazu, daß die Regierung gegen diejenigen Reserveoffiziere, welche an der Beerdigungsfeier für den erschoffenen Sozialdemokraten teilgenommen hatten, vorging und sie durch ehrengerichtlichen Spruch faflieren ließ, ja in den rechten Tagen auch den Grazer Abgeordneten v. Rolitanski degradierte. Eine weitere Unvorsäctigkeit hatte die Regierung begangen, als sie den Mitunterzeichner der Badenischen Sprachenverordnungen, den früheren Justiz­­minister Graf Gleispach, als obersten Gerichtsbeamten nach Graz verfeßte. Das alles brachte solche Erregung hervor, daß der Gemeinderat von Graz den Beschluß faßte, von der Regierung die Abberufung sowohl der bosnischen Regimenter­ al den Grafen Gleispach zu fordern. Das war eine Kompetenz­­überschreitung und nicht zu billigen. Aber die Regierung, welche die sfanda­ Lösesten Beischlüsse des Prager Stadtrates ruhig hingenommen, die baterlands­­verräterischen Neu­erungen tschechischer Führer, wie des Prager Bürgermeisters Podlipny, ignoriert hatte, ja einer Anzahl der Tschechen ehrenden Empfang beim Kaiser und allerhand Auszeichnungen verschafft hatte, ging gegen den Grazer Gemeinderat mit der äußersten Strenge vor; sie löste ihn nicht nur auf, sondern vermehrte ihm sogar wider das Gefe eine rechte Zusammenkunft, um gegen das Auflösungsdekret protestieren zu können. Daß dies nicht nur in Graz, sondern auf alle Deutschen im Höchsten Grade provozierend wirken mußte, ist selbstverständlich, und obgleich die Regierung in der österreichischen Delegation, wo die Grazer Vorgänge schon zur Sprache gekommen waren, doch eine entgegenkommende Erklärung mildernd hätte wirken können, geschah nichts; die deutschen Interpellanten wurden schroff abgewiesen. Wir haben in diesem ganzen Vorgehen der österreichischen Regierung wieder einmal einen Ausfluß jener starren Auffassung von „Staatsautorität“ bor­ung, die für Oesterreich zumeilen charakteristisch ist. Die „Staatsautorität“ war es, die Badeni verhinderte, die mit den Sprachenverordnungen begangenen Fehler rückgängig zu machen, die jede Beruhigung der Deutschen verhinderte, zu den blutigen Tagen von Eger und Ach führte, die Polizei ins Parlament rief, die Nachfolger Badenis an einem Eingehen auf die berechtigten Forderungen der Deutschen Hunderte und hindert, die Beseitigung der Sprachenverordnungen ausschließt. Ein völlig mißverstandener Begriff der Staatsautorität, welche Lieber die vollendete Anarchie entstehen läßt, ehe sie nachgiebt, eher den ganzen Staat aufs Spiel feht, ehe sie an nur ein Zu­el­en von ihren Ansprüchen nach­­läßt, die mit einem Worte ihrer theoretischen Existenz das ganze Wohl des Staates zu opfern bereit ist, unbefümmert, ob über der Aufrechterhaltung des Begriffes der ganze Inhalt weggerissen wird, das ist es, was in Wahr­­heit der Fluch des gegenwärtigen Oesterreichs ist; und das um so mehr, als dieser Begriff ganz einseitig nur gegen die Deutschen, nicht aber gegen die Slawen zur Anwendung gelangt, die ruhig offenkundige Beziehungen zu an­­deren, Desterreich nicht eben freundlich gesinnten Staaten pflegen dürfen, ohne daß ihnen ein Hochverratsprägen droht, die ruhig die Deutschen in Prag ause plündern und mißhandeln dürfen, ohne daß ihnen dauernder Schaden daraus erwächst, die ruhig alle möglichen antideutschen Beischlüsse in ihren Stadträten fassen dürfen, ohne daß sie der Auflösung verfallen. Die starre Schablone der „Staatsautorität” bei durchaus einseitiger Anwendung, das ist der eigentliche Nährboden für den unseligen Nationalitätenhader und die Auflösung aller staatlichen Verhältnisse in Oesterreich. Sie hat auch die jenige Verschlimmerung der Lage hervorgerufen, und wird voraussichtlich alle Bestrebungen zur Besse­­iung, Beruhigung und Versöhnung auch fernerhin illusorisch machen.? Ein russisches Urteil über Deutsc­hland. Den rapiden Forte Ichritten Deutschlands auf den Gebieten der wirtschaftlichen Lebens, des Handel und der Industrie widmet der als Autorität auf dem gewerblichen Gebiet in Rußland anerkannte Akademiker Zanjhul in der Petersburger Wochenschrift „Nedelja” eine längere Auseinanderlegung, in der er mit Be­­zugnahme auf entsprechende belgische, englische und nordamerikanische amtliche Berichte über diese deutschen Erfolge sich zum Schluß dahin äußert, das enorme Wachstum des Nationalreichtums Deutschlands, sein siegreiches Vor­­dringen auf den internationalen Märkten finde seine Erklärung Hauptsächlic in der Höhe der nicht nur auf besondere Schichten der Gesellschaft beschränkten, sondern das ganze Wort umfassenden Bildung, ver allgemeinen sowohl, als der technischen. Mit einem Worte, die Ursache der glänzenden Erfolge Deutschlands haffe sich einfach durch die bekannten Worte charakterisieren: „Der deutsche Schulmeister hat gesiegt”.­­ Boli­n­ge Hebersicht. Hermannfecht, 9. Juni. Wie eine politische Korrespondenz zu melden weiß, würde die unga­­rische Regierung gler zu Beginn der Herbstsession eine Vorlage einbringen und in dieser von der Gefäßgebung die Ermächtigung verlangen, bei Abschließung von Handelsverträgen alle Vorbereitungen zu treffen, damit das selbständige Bollgebiet mit dem Jahre 1903 ins Leben treten künne. Bis dahin würde der status quo für beide Teile der Monarchie aufrecht­erhalten bleiben. Benilfeton, Brunhilde. Roman von Hand Dornfelß. (34. Fortlegung.) Wenige Minuten nach Abgang des Briefes kam Onkel Edmund. Es gab eine abermalige Szene, ähnlich der am vorhergehenden Tage, er bat, be­­schwor, drohte sogar, mich für unwahnsinnig erklären zu lassen — ich sah in alledem nur noch das verzweifelte Bestreben des entlarbten Betrügers, so viel als möglich aus dem Schiffbruch seiner Intriguen zu retten. Er fottete mich weniger Mühe, fest zu bleiben, als ich vorher geglaubt hatte. Bart that mir der alte Mann leid. Sein ganzes Leben hat er dem äußeren Schein geopfert, dem, was er Standespflicht und Standesbewußtsein nennt. In dieser erbärmlichen Spiegel­fechterei geht sein ganzes Dasein auf, vergeudet er seine Kraft, opfert er sein wirkliches Südh und Behagen. Nicht um zu genießen, nur aus Vorurteil wird er zum Verbrecher. Um beneidet zu werden von einer gleich urteilslosen, in gleichem Wahn befangenen Gesellschaft, wirft er die Ruhe seines Gemissens ohne Bedenken dahin. . . armer Mann! „Die Gesellschaft, um deren unwillen du das alles gethan, verläßt und verhöhnt dich, sobald sie gewahrt, daß du selbst den Schein nicht mehr aufrecht erhalten kannst. Du bist tot für sie, lebend begraben in deinem stillen Dorfe, für immer ausgeschlossen aus den Salons, in deren Parfüm du allein mohlig zu atmen vermagst. Das Gegenbild selbst vernichtet dich, dem du dich und mich zum Opfer gebracht.“ Armer Mann, er ging von mir, verz­weifelnd, sich und mich verfluchend. Am Nachmittag kamen einige Zeilen von Viktor,als ob er die ganze Angelegenheit für eine Liebesweckerei halte.Dieser Ton,der mich früher so sehr entzückt und gefesselt,erschien mir nun unausstehlich flach,kindisch... wie konnte ein Offizier,ein Mann,der eine Waffe trägt,so läppisch schreiben wie ein Sekundaner,der sich mit seiner Tanzstundenliebe weckt! Noch an demselben Abend verließ ich Wildenhof. Ich hatte so viele Einladungen aus den Hoffreifen, daß ich fchmanfte, welcher ich folgen sollte. Heute freilich — pah, e8 ist nicht der Mühe wert, ein Wort darüber zu ver­­lieren! Kurzum, ich stieg bei der Gräfin Bendendorff ab, wurde mit offenen Armen aufgenommen, drei Tage als vermöhntes Kind gehätschelt und am vierten — kopfoitiert. Ich kann e3 nicht anders bezeichnen. Es war ein Gartenfest bei Frau Horen. Ganz gegen meinen Willen mußte ich den unaufhörlichen Bitten der Gräfin, sie zu begleiten, endlich nac­h­geben. Bei meinem Eintritt schien eine allgemeine Bewegung durch die ge­­samte Gesellsgaft zu gehen, alle Augen blickten nach mir, ohne daß ich indes besonders darauf achtete. Einige Minuten später machte mich Erzellenz Röbel darauf aufmerksam, daß ich jedenfalls meinen Verlobungsring verloren habe. Ich fühlte, wie ich bis unter das Haar errötete, antwortete aber tapfer: „Meine Verlobung ist aufgelöst.“ Erzellenz late mir und Gesicht: „Seit einigen Tagen!” „Und warum , da sie doch wohl aus der Ursache ebenso wenig ein Geheimnis machen, dhere comtesse ?“ „Durchaus nicht”, gab ich so ruhig als möglich zurück. „Ich­ fürchte, daß meine Befibung Wildenhof an eine andere, mehr berechtigte Linie unserer Familie fällt, und daß ich arm geworden bin oder doch binnen Turzeln sein werde.” „Und Herr von Auwer ist natürlich auf eine gute Partie angewiesen.” Diesmal sah ich sie nur, ohne zu Sprechen, fest an, so daß sie endlich da die Augen verlegen zur Seite wandte. Sie klappte den Fächer auf und zu und sagte endlich: „Sie sind, sans phrase, ebenso schön und Eng als vornehm, eine Partie kann Ihnen nicht fehlen, sofern sie sich ein wenig Mühe geben. Es giebt noch genug reiche Parvenus und Hochgestellte Herren, denen es ein un­­abweisbares Bedürfnis ist, in ihren Salons eine schöne, elegante Frau präsidieren zu sehen und sie mit einem alten, gut singenden Namen zu b­ieren.* „Erzellenz!" — Ich brachte vor Entrüstung sein anderes Wort hervor: „Seit wann denn ?* „Nehmen Sie es mir nicht übel, Kind, aber etwas anderes bleibt Ihnen nit übrig, wenn es überhaupt nicht bereits zu spät ist. Ich meine es gut mit Ihnen und bin eine erfahrene, alte Sau, welche die Welt rennt. 3 ist Heutzutage selbst für eine Schönheit nicht Leicht, sich nach Wunsch zu ver­­heiraten . . . ohne eigenes Vermögen, meine ich, und wenn dann solch ein Heiner, pflanter Zwischenfall dazu tritt, wie der Shrige, eine aufgelöste Ver­­lobung, ein heimlicher Liebesroman außerhalb der Gesellsschaft —” So konnte mich nicht länger Halten; der Fächer zerbrac­h mir zwischen den Händen, empört stieß ich ein lautes „Pfui!“ hervor und wandte mich ab. Im Fortgehen sah ich, wie Erzellenz die Adseln suchte, al wolle sie sagen: „IH meine es gut mit dir, doch wen nicht zu raten, dem ist auch nicht zu helfen.” Sie hatte es wohl an gut gemeint, mich unwenigstend vorbereiten und in Schuß nehmen wollen. So fand niemand, der mich ansprach. Wohin ich trat, abweifende Mienen, spöttische oder malitische Blidde, boshafte Anspielungen! 8 wurde mir binnen wenigen Minuten Bar, daß ein Zeil meines Geheimnisses in die Oeffentlichkeit gedrungen war, und zwar in der boshaftesten Weise entteilt. Man sprach, ganz im allgemeinen natürlich, von einem Betruge meiner Eltern, von einem urprößlich aufgetauchten Vetter, in welcher berechtigte An­­sprüche auf Wildenhof erhebe, von meinen Extravaganzen und Launen, die Bib­or unerträglich gefunden, von meinen hoffnungslos zerrütteten Ver­­mögensverhältnissen, von intimen heimlichen Beziehungen zu dem früheren Generaldirektor (von dessen I­dentität mit dem geheimnisvollen Vetter zum Glück niemand eine Ahnung hatte), freche abscheuliche Dinge, welche ich selbst meinem Tagebuch nicht anvertrauen mag. Die Bendendorff machte mir no am selben Abend bemerkbar, daß sie für die nächsten Tage den Besuch ihrer Schwägerin erwarte und daher sehr beengt sei. Ich b­at ihr den Gefallen, sie sofort zu verstehen. In der Nacht pachte ich meine Koffer. Der neue Tag brachte neue Demütigungen. Wohin ich kam, selbst bei den ältesten Freunden, fand ich verschlossene Thüren. Ich mar ausge­­stoßen aus Ddieser Welt des falschen Scheine, der komventionellen Lüge, und

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