Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1898. Oktober (Jahrgang 25, nr. 7537-7562)

1898-10-27 / nr. 7559

Redaktion undY Administration­ Hermannstadt, Heltauergasse 23. C­hequekonto bei der k. ung. Postsparkaffa Ar. 1305. Telephonaufgluß Ar. 21. Re mit Ausnafe des auf Sonn- und Feiertage folgenden Wochentages täglich). Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fr., vierteljährlich 2 fl. 50 fl., halb­jährig 5 fl, ganzjährig 10 fl. ohne Bustellung in’3 Haus, mit Zustellung 1 fl., 3 fl., 6 fl. 12 fl. Abonnement mit Postversendung: Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 fl., Halbjährig 7 fl., ganze 1 A­nd fl. « Für das Ausland: vierteljährig 7 M. oder 10 Fre­., halbjährig 14 M. oder 20 Fre3., ganzjährig 28 M. oder 40 Fra. Eine einzelne Nummer fostet 5 Er. d. W. Unfransierte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgestellt. _ N: 7559. XXV. Jahrgang Siebenbürgisch-Deutsches Herm­annistadt, Donnerstag 27. Oktober nunzmens Pränumerationen und Inserate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauer­­gasse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, G. A. Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauff­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile foftet beim einmaligen Einraden 7 kr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. 8. W, ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 kr. 1898 Der drohende Staatssh­eid­. Wien, 23. Oktober. [A] Eine nichtpolitische Frage, die Gefahr eines Umsichgreifens der Pest infolge der die höchste Teilnahme verdienenden Infektionsfälle, Hat die allgemeine Aufmerksamkeit von der sich geräuschlos vollziehenden wichtigen politischen Wendung abgelenkt, nachdem kurz vorher der gegen Dr. Zueger von liberaler und deutschradikaler Seite geführte zähe Kampf durch den in Angelegenheit des elektrischen Straßenverkehrs mit Siemens und Halafe geschlossenen Vertrag ein neues Objekt zu der freilich noch dankbareren Gasfrage geliefert hatte. Mit um­so größerer Spannung erwarten die politischen Seite die nächste Entwickelung der parlamentarischen Lage diesseits wie jenseits der Leiten, die hier wie dort unhaltbar ist, und zu einer Entscheidung drängt. Während im österreichischen Ausgleichsausschuß sachlich und allerdings sehr ausführlich und eingehend unter dem Vorsig ded gewesenen Finanzministers Bilingfi, der einen Hauptautor d ® ber Vereinbarungen zwischen Babeni und Banffy, die Generaldebatte über die 22 Ausgleichsvorlagen geführt wird und die Oppo­­sition auf im Plenum des Reichsrates sich nicht von der Majorität zu Stürmen veranlassen läßt, die eine will­ommene Handhabe zur abermaligen Heimsendung der Voll­vertretung und Anwendung de­r 14 bieten würden, hat die äußerste Linke im ungarischen Abgeordnetenhause die Obstruktion eröffnet. Allerdings noch nicht gegen die Ausgleichsvorlagen, von denen die Bank- und Valuta­­gefege sowie das Zoll- und Handelsbündnis das Stadium der Ausschußberatung bereit. Hinter sich haben, aber noch nicht auf die Tagesordnung des Plenums gestellt sind, sondern gegen das Indemnitätsgefeb, das Baron Banffy troß der vollendeten Ausschußberatung des Budget zu ganz ungewöhnlich früher Zeit vorlegte, um wenigstens in den vier ersten Monaten des nächsten Jahres gejeglich über den Staatsjädel verfügen zu können, wenn die Opposition die Budgetdebatte über den Jahresbeginn Hinaus zu ziehen suchen würde. Den äußeren Vorwand bietet die dringende Notwendigkeit einer Erledigung der Ausgleichsvorlagen vor Neujahr, obwohl an sie nicht eher Hand angelegt werden sol, als bi Graf Thun im Maren darüber ist, ob eine parlam­enta­­rische Durchführung im N­eiderate möglich sein wird. Das bezweifelt die ungarische Opposition mit gutem Grunde, denn die Obstruktion im Wiener Reichgrat ist ja bekanntermaßen nur aufgegeben worden, um desto wirksamer mit unanfechtbaren parlamentarischen Waffen diesen als schädlich für Oester­­reich betrachteten Ausgleich zu vereiteln und andererseits will auch die tsschechisch­­­polnisch-südslavisch-Herikale Rechte dem Ausgleich nur nach Beseitigung mehrerer „Härten“ desselben und, was weit kritischer ist, nur nach Bewilligung einer endlosen Reihe von Desiderien zustimmen, deren Gewährung das Gefüge „der im Reichgrate vertretenen Königreiche und Länder” auf das allerbedenklichste erschüttern müßte. Nun fehlt nicht bloß die physische Zeit zur gründlichen Durchberatung, geschweige zur Abänderung der umfangreichen 22 Vorlagen, sondern das ungarische Ministerium hat sich gewissermaßen zur unveränderten Durchführung derselben ohne irgend­welche Rücksichtnahme auf die Feftstellung der Quote verpflichtet, ja er behauptet, die österreichische Regierung habe dies­­bezüglich auch ein bestimmtes Obligo übernommen, während legtere mieder an der Anschauung festhält, daß sie eine V­orbedingung aller Ungarn gemachter Konzessionen, eine Erhöhung der ungarischen Quote, sei. Peinlich ist nun natürlich für die Regierungen diesseits und jenseits der Leitha der von den oppositionellen Rednern hier wie dort unweidich aus­­genügte Widerspruch in den Erklärungen der österreichischen und ungarischen ae betreffe des Zusammenhanges zwischen den Ausgleichsvorlagen und der Quote. Graf Thun und Dr. Kaizl haben bündig erklärt, daß troß der Auf­­gabe des seinerzeit zwischen Badeni und Banffy vereinbarten Frunktim, eine höhere Quote eine Vorbedingung der in den Ausgleichsvortagen den Ungarn bezüglich der Bankparität, betreff3 der Konsumsteuerüberweisungen und sonst gemachten Konzessionen geblieben sei, während Baron Banffy die Uebernahme jeder Verbindlichkeit leugnet, und Finanzminister Lulacs einen großen Unter­­sgied zwischen „Vorauslegung“ und „Bedingung“ findet. Und die äußerste Linke mwittert doch eine Haltung Banffys, welche die­­ österreichischen Minister zu ihrer Auffassung berechtigte. Jedenfalls hat sich Banffy als überlegener Diplomat erwiesen. Daß er selbst überzeugt ist, gut weggenommen zu sein, zeigt sich daraus, daß er der, ihn unablässig um die Mitteilung seiner verfassungswidrigen Abmachungen mit dem Grafen Thun bestürmenden Opposition zurief, er werde sich auf seinerlei Provokation Hin dazu verleiten lassen, zu einer neuen Ilustration der Fabel von dem Raben, wer von Käse dem Zuchje ins Maul fallen lieh, weil er von ihm seinen Gesang bewundern lassen wollte, den Stoff zu liefern, da er damit den Ant­reffen seines Vaterlandes schaden könnte. Auf die Aufforderung des Abgeordneten Horansky, betreffs der ganz inkonstitutionel se sorgfältig verheimlichten Abmachungen und bezüglich der obligatorischen Erhöhung der Duote Barbe zu benennen, antwortete auch Finanzminister­ Lufach, der bei der O­pposition eine bessere Reputation genießt als der Ministerpräsident, nur mit der privaten Aeußerung, daß eine offizielle Erklärung die Lage der österreichischen Regierung verschlimmern würde. Daraus ziehn die österreichischen Oppositionsparteien den Schluß, daß von ihrem Standpunkte eine gründliche Prüfung und Abänderung der Ausgleichsvorlagen doppelt geboten sei. Das bezeichnen nun die Offizieren bereits als verdecte Obstruktion und kündigen in mehr oder weniger deutlichen Redewendungen an, daß sie Graf Thun eben doc zur Anwendung des $ 14 genötigt sehen werde. Der wahre Grund zu diesem Entschisse liegt aber anderswo, nämlich in der Unmöglichkeit, die tschechischen und süoslavischen Wünsche zu befriedigen, denn insbesondere die Jungtichechen glauben, von ihnen schon über den Kopf machtenden Radikalismus nur durch die weit­gehendsten nationalen und staatsrechtlichen Zugeständnisse bei der Annahme eines so offenkundig ungünstigen Ausgleich in Schranken Halten zu können. Dieser Zmangslage kann das österreichische Kabinet nur entrinnen, indem es sich seiner beutegierigen buntfriedigen Majorität durch Schließung des Reichs­­rates und Ostrogierung des Ausgleichs auf Grund de­r 14 wenigstens auf einige Zeit entledigt und das in ihrer Hand befindliche Pressionsmittel ihnen dadurch entwindet. Nun ist allerdings für den Fall eines solchen Staatsstreiches, den die sozialistische Presse geradezu als Verbrechen bezeichnet, son auf die Mög­­lichkeit des Baues von Barrikaden hinge­wiesen worden und der Obstruktions­­dauerredner Dr. Lecher hat dem Finanzminister zu bedenken gegeben, daß fi i­m bei Etablierung eines absolutistischen Regimes die feuerfesten Schränke der Kapitalist­enwelt verschließen dürften. Aber wie die Sachen liegen, bleibt dem von den logischen Konsequenzen des Dualismus erdrückten Kabinet Thun sein anderer Ausweg, obwohl gerade für seine teueren Majoritätsfragen im Jungtschechenclub dies die größte Enttäuschung bedeuten würde. Aber allseits fühlt man, daß die Proklamierung des S 14 und dessen Anwendung auf den Ausgleich von außerordentlicher Tragweite für das Fünfzige Staatsleben westerreichs werden würde. Der deutsche Kaiser in Konstantinopel. K­onstantinopel, 23. Oktober. Das Kaiserpaar und der Sultan fuhren gestern um halb 3 Uhr nachmittag unter militärischem Gepränge nach Dolmabagdige und wurden auf der Fahrt dahin von der Bevölkerung mit Tihot Jafcharufen und Hände- Hatschen lebhaft begrüßt. An dem in Dolmabagdiche stattfindenden Dejeuner nahmen das Gefolge, die Mitglieder der deutschen Botschaft und die Hohen Würdenträger teil. Nach demselben wurde Lerche gehalten, worauf die gegen­seitige Verabschiedung der Suiten erfolgte. Die Einschiffung des Kaiserlichen Gefolges begann um Halb 5 Uhr. Vom Palais 618 zum Ladungsquai bildeten drei Züge der Leibkompagnie mit Mufti und Zahnen Spalier. Zur Verab­­schiedung hatten ss der Kriegsminister, der Marineminister, zahlreiche Mar­­shäle und Adjutanten eingefunden. Gegen dreiviertel 5 Uhr erschien am Eingangsthor des Palastes die Kaiserin am Arme des Sultans und sodann der Kaiser. Dieselben durchschritten unter den Klängen der deutschen National­­hymne das Ehrenspalier. Der Abschied war ein überaus herzlicher. Der Sultan verneigte sie wiederholt vor der Kaiserin und drüdte ihr mehreremal die Hand. Der Kaiser verabschiedete si vom Sultan durch wiederholtes längeres Händeschütteln. Als der Galakask, in­­ welchem das Kaiserpaar und das nächste Gefolge Pla genommen hatten, vom Lande abstieß, grüßte der Sultan noch­­mals. Das Kaiserpaar erwiderte dankend. Der Sultan verließ Hierauf den Landungsgquai. Auf der Fahrt zur „Hohenzollern" wurde das Kaiserpaar von Mit­­gliedern der deutschen Kolonie, welche sich in Booten in der Nähe des deutschen Geschmwaders befanden, begeistert begrüßt. Beim Herannahen des Kaiserpaares gaben die „Hohenzollern“ und die türkischen Schiffe unter Hurrah­ und Tichor Safcharufen der deutschen und türkischen Matrosen Salutihüffe ab. Nach 5 Uhr erfolgte unter neuerlichen Salutihüffen die Abfahrt der „Hohenzollern“ und der „Hertha“, während die „Hella“ bereits am Vormittag abgedampft war. Die am Strande zahlreich versammelte Menschenmenge bereitete dem Kaiserpaar enthusiastische Opationen. Das Kriegsschiff „ Zemir“ mit Kamphoevener Palha und dem türkiigen Botschafter in Berlin, sowie einem zahlreichen Ge­­folge an Bord soll alsbald die Reise antreten. Vor und während der Abfahrt waren, gleichwie bei der Ankunft, auf dem Palaste von Dolmabagdiche die faiferliche Standarte und auf dem Turme von Galata die deutsche Flagge gehißt. Das Wetter war schön.­­ Murawiew und die Faschoda-Frage.In Berliner unter­­richteten Kreisen ist man der Ansicht,daß die An­wesenheit des russischen Ministers des Reußern Grafen Murawiew in Paris durch die»Faschoda«­­Angelegenheit bedingt­ worden sei.Es sei der russischen Vermittelung nun gelungen,ernsteren Verwickelungen für den Augenblick vorzubeugen.Im­­ad besteht nun die»Faschoda-Frage«,die in den letzten Tagen,soviel Stoff zu Schrift und Wort gegeben hat?Faschoda ist ein kleiner,wie Reisende sagen, weltvergessener Ort im oberen Nilthale.Aber an diesem Orte haben die Engländer ein sehr große Interesse denneg ist der Weg von Norden nach dem Süden Afrikas,die Verbindung zwischen Egypten und den südlichen Besitzu­ngen Englands.Der französische Kapitän Marchand,inzwischen zum­ Major befördert,hatte mit einem­ kleinen Expeditionskorps,verstärkt durch Sudanesen,angeblich zu wissenschaftlichen Zwecken vor einiger Zeit Faschoda besetzt,die französische Flagge gehißt,und damit gewissermaßen den Ortsüir Frankreich in Besitz genommen.Die Franzosen behaupteten in weiterer Folge Faschoda gehöre niemanden,sein erlassenes Gebiet,England selbst habe aners­kannt,das Gebiet des oberen Nils sei freies Gebiet und niemandem gehörig, demnach habe Marchand dieses Gebiet besetzen und die Territorialhoheit Frankreichs proklamieren können.Dagegen behauptet England,Faschvda gehöre zu Egypten,Egypten werde von England beschützt,Kapitän Marchand habe ein fremdes Staatgebiet betreten,und sein Recht gehabt,von einem Lande Befi zu ergreifen, welches jemandem gehöre. Lange Verhandlungen wurden in Paris zwischen dem dortigen englischen Botschafter und dem französischen Minister des Aeußern hierüber nuf geführt, die damit endigten, daß ein Bericht Marchands abgewartet werden sollte. Der französische Minister des Auswärtigen empfing am 21. d. M. den tele­­graphischen Bericht Marchande. Auf beiden Seiten wurde inzwischen stark mit dem Säbel geraffelt. Nach den rechten Nachrichten ist nun die Farchoda- Frage wieder in ein ruhigeres Stadium getreten. Nachdem der Bark­er „Zemps““ zum Rückzug geblasen hatte, sind in London „Daily Chronicle“ und „Daily Telegraph“ gefolgt. „Daily Chronicle* meldet, daß der französische Botschafter in London dem Lord Salisbury offiziell die Absicht der französischen Regierung kundgethan habe, Marchand zurückzuberufen, wenn Frankreich auf andere Weise einen Zugang zum Nil erhielte, und bemerkt dazu: Die englische Regierung habe zwar gegen eine Grenzberichtigung an der Westseite der Provinz Bor el-Ghazal im Grundlage nicht­ einzuwenden, aber es sei selbstverständlich ausgeschlafen, daß die Unter­­handlungen auf eine Grundlage gestellt würden, welche die Ordnung der Ane Beniffeten. Wahre Liebe. Roman von B. dv. d. Lanten. (5. Sortießung.) „Morgen werden wir einen Volontär ins Geschäft bekommen, Tante Emerenz”, sagte der Kommerzienrat eines Tages, nur, vor Aufhebung der Tafel, „Sebastian Werners Neffe, ein Herr von Erd.“ „Bon Erd? — Und er will Kaufmann werden?” warf Frau von Mölheim ein. „Ob er will, weiß ich nicht, aber es ist die Bedingung des alten Werner, wenn er b dessen Millionen-Erbe antreten will.” „D, ich entsinne mich feiner, al wir uns einmal mit Werner­ in Berlin trafen. Ein jeder charmanter junger Mann, Lieutenant der Reserve, nicht wahr?" „Nein, a. D. — Er hat die Sache etwas zu bunt getrieben, der Alte bezahlt nicht mehr seine Schulden, er sol im Geschäft mitarbeiten. Alfred wird natürlich nicht bei und mahnen — ausgenommen die ersten Tage, — aber jedenfalls viel bei uns verkehren. ch erwarte ihn heute Abend, sorge für ein gutes Essen, Tante Emerenz.” Damit war die Sache für alle Übrigen zunächst erledigt, nur für Ida nicht. Ihre Gedanken beschäftigten sich ehr viel mit dem neuen Hausgenossen. Ob er Hübsch oder Häßlih it? — Ob er mir die Kour machen wird? So überlegte sie, während sie, vor dem Hohen Ziumern­de Wohn­­zimmern stehend, ihre schlanfe vornehme Gestalt in dem leichten dunkeln Seidenkleid einer sorgfältigen Musterung unterzog. Die Schleppe war lang genug, um imponierend zu rauschen, die vielreihige mattgelbe Bernsteinkette paßte prächtig zu dem schwarzen Haar und dem frischen, aber leicht gebräunten Kolorit ihres Gesichts. Wenn nur der Vormund sie nicht etwa wieder wie ein Kind oder einen Badfisch behandeln möchte, —das war eine „unausstehliche” Eigentümlichkeit von ihm. Jon marf, zuräd — nun, sie würde ihm schon bemeisen, daß sie sein Kind sei und ihr wohl gelernt hatte, „Konversation” zu machen. Diesem Vorfaß blieb sie treu und führte ihn, ihrer Weberzeugung nach, glänzend durch. Frau von Möllheim empfing den Gast fleif und Höflich, wie das so ihre Art war, Fräulein Emerenzia stil und freundlich, ganz unbefangen heiter Joa. Der Kommerzienrat, der sie zum ersten Mal mit einem fremden Herrn zusammensah, war von ihrem Wesen peinlich berührt; sie war w­eder mädchenhaft schüchtern, noch im mindesten verlegen, und ihre dunkeln, feurigen Augen bligten offen und übermütig dem Ankömmling entgegen. Alfred von Erd war ein schöner junger Mann von zwanzig und einigen Jahren, mit hedem braunem Schnurrbart, ledigem Haar und leichten, ge­­schmeidigen Bewegungen; in seinem Auftreten wie in seinem Anzug der Offizier in Bivil, mit einer weißen Tuberose im Knopfloch und einem breiten, goldenen Reif um den linken Arm; ganz der vornehme Elegant mit dem nötigen Selbstbemwußtsein, um nirgends übersehen zu werden, und der nötigen Liebenswiürdigkeit, um sich seine Umgebung trogdem geneigt zu machen, ob­­gleich es einem feinen und steptischen Menschenfenner bei näherer Bekannt­­schaft nicht entgehen konnte, daß er eine „Liebenswürdigkeit“ war, von der sein Herz nichts wußte und die er sie angeeignet hatte, weil er fand, daß man damit leichter und angenehmer durch die Welt kam. Die beiden jungen Leute waren bald, nachdem die ersten allgemeinen Höflichkeitsphrasen im größeren Streife ge­wechselt, in ein lebhaftes Gespräch über Rennen und Pferde verwidelt. Ida hatte genug darüber gelesen und von ihren rauchenden und reitenden Freundinnen, den Baronessen Mattis, so viel darüber reden hören, daß ihr nicht allein die gangbarsten und beliebteren Schlagworte der Sportleute bekannt waren, s sondern sie hatte auch wirklich Interesse dafür und hörte den Erzählungen Erds mit Vergnügen zu. Zur Sa war dieser Abend eine reine Epoche, da sie zum ersten Male Gelegenheit fand, alle Künste weiblicher Koketterie, zu der sie Anlage besaß und die sie schon in der Pension erprobt. Hier, einem „milbigen” Gegenstand gegenüber, ins Treffen zu führen und — mit bestem Erfolg. Erd schien entzübt von dem luftigen, schlagfertigen Mädchen ; Tante Emerenzia jehichtelte kaum merklich den Kopf, und der Kommerzienrat warf seinem Mündel mißbilligende Blide zu. Frau von Möllheim vertiefte sich in ihre Sticherei, sie besaß eine große Fertigkeit darin, nicht zu sehen und zu Hören, was ihre eben nicht paßte. Am nächsten Morgen sehte da ihr Spiel mit Alfred von Erd fort, bis der Kommerzienrat, deselben überdrüssig, sie mit einer etwas heftigen Bewegung vom Kaffeetisch erhob und seinem Gast den Vorschlag machte, ihm die Geschäftsräume zu zeigen und ihn mit den Herren im Kontor bekannt zu machen. Sie gingen, und Ja war entrüstet, sie hatte sich so gut unterhalten. „Zur Unterhaltung für dich ist Herr von Erd nicht gekommen“, be­­merkte Fräulein Emerenzia­troden, die silberne Zuderdose mit einem weichen Ledertuch abreisend und im Buffet verwahrend, „sondern um etwas zu lernen. Du glaubst immer noch, liebe Jda, daß wir Menschen nur zum Vergnügen in der Welt sind.“ „D­­ein, aber auch nicht Dazu, sich gegenseitig das Leben zu ver­bittern”, schmollte das junge Mädchen halblaut. Das Heine Fräulein schien die Bemerkung nicht gehört zu haben, und dies schien Fda gerade zu reizen. „Zante Cmerenzia”, sagte sie, „ich begreife manchmal sehr wohl, daß meine Schwester mit Sobst nicht glücklich war und daß Mama Recht hat, wenn sie sagt, er habe sie mit feinen Pedanterien gemartert und ihr das Dasein verbittert.” „Aber Mädchen !“ rief Emerenzia Wohlfahrt entrüstet: „Meistere deine Zunge und Hüte dich, in geradezu kindlicher Unbesonnenheit über einen Mann zu urteilen, dessen Vortrefflichkeit weder deine Mutter noch du jemals begreifen und würdigen werdet und dessen ganzes Leben durch eben deine Schwester verödet und liebeleer geworden ist !” nDiese Vortrefflichkeit Hindert ihn aber nicht, ehe selbstsüchtig zu sein, sonst würde er mir das Vergnügen gönnen, al einmal mit einem jungen Menschen Harmlos heiter zu sein. Himmel, — er und ihr alle seid doch uralt im Vergleich zu mir!“ „Sobst uralt ? Fda, du bist wohl närrisch !” „Nun ja, — er ist gerade noch­ einmal so alt wie ich, er bekommt ja schon graues Haar. Sieh, Tante Emerenz”, sagte sie plögli, der meicheren Regung ihres im Grunde guten Herzens nachgebend, „sie, Tante Emerenz, ich thue ihm ja in so vielen Sachen seinen Willen, weil — nun, weil ich mal sie so gern that, ihr Köpfchen |

Next