Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1898. November (Jahrgang 25, nr. 7563-7588)

1898-11-01 / nr. 7563

»«.A.-»..|«.---———-..--.«H«-— @eite 1150 Sermannstadt, Dienstag Mittel bedient, um Dreyfus’ Verurteilung herbeizuführen. Diesem Briefe zu­­folge wollte Picquart auch dem General Gonfe gegenüber die Unjuld Dreyfus’ beweisen. Doch Gonfe erwiderte ihm: Woran denken Sie? Sie willen doch recht gut, daß Marcier und Sauffier in diese Angelegenheit verwidelt sind, Wollen Sie denn diese bloßfielen? Endlich führt Picquarts Schreiben an, man habe im Augenblicke der Verhaftung Dreyfus’ seinen Beweis für seine Schuld in Händen gehabt und erst nachträglich das ihn betreffende Aktenmaterial duch Fälschungen ergänzt. Bard verliert ebenfalls ein vom 11. September datiertes Schreiben des Kriegsministers an den Justizminister, worin der erstere erklärt, im Kriegsministerium befinde sich sein Aftenftüd, das darauf hinweile, daß dem Kriegsgerichte ein geheimes Aftenstück mitgeteilt worden sei. Endlich verliert Bard no ein Schreiben, welches Bicquart zulegt, und zwar unterm 15. Oktober an den Justizminister richtete. Bicquart erlärt darin, dem S Kriegsgerichte seien geheime Säriftstüde vertraulich mit­­geteilt worden. Bard fließt mit der Folgerung: Wenn da Bordereau die Hauptgrundlage der Verurteilung Dreyfus’ ist, muß dieses Urteil mit Rücksicht auf den Inhalt der Gutachten der Sach­­verständigen aufgehoben werden. Hierauf wird die Sikung, welche ohne Z­wischenfall verlief, geschlossen. Am 28. Oktober fand die Fortlegung der Verhandlung statt, und Liefe­­rent Bard fuhr in der Erstattung seines Berichtes fort: „Wir haben! — sagt er — „gestern das Affenmaterial resumiert. Was wird jeht der Kaslations­­hof t­un? Wenn Sie Dreyfus unverzüglich vor das Kriegsgericht stellen, so wird die Anklage entkräftet werden. Es wirft sich nun die Frage auf, ob es nicht zweckmäßig wäre, das Urteil ohne Verweisung vor das Kriegsgericht aufzuheben, und doch ist es nötig, daß Dreyfus entweder verurteilt oder freigesprochen werde, damit endlich sein Zweifel über seine Schuld oder Unschuld besteht.“ Der Referent verliert sodann ein Schreiben de früheren S­riegsministers General Zurlinden, aus welchem hervorgeht, daß für diesen kein Anhaltspunkt für die Unschuld Dreyfus’ zu Tage getreten sei, um das Erkenntnis des Kriegsgerichtes, welches Dreyfus schuldig sprach, abzuändern; vielmehr hätten ss für ihn neue Beweise seiner Säule zu den bereit vorhandenen gefellt. Ba­rd bespricht sodann das Schrift­­stück, welches die Worte enthält: „Cette canaille de D.. .* und sagt, daß dasselbe mit vier anderen dem Affenmaterial beigeschlossen wurde. Es sei notwendig, daß der Kassationshof dieses Schriftstück kennen lerne, um den wahren Sachverhalt feststellen zu können. Diese Angelegenheit sei noch lange nicht­­pruchreif und der Gerichtshof, welchem es daran liegt, in voller Kenntnis der Sachlage die Entscheidung zu fällen und dem das Geset die Pflicht auf­­erlegt, alle möglichen Untersuchungen anzustellen, w­elche geeignet sind, die Sache aufzuklären und die Wahrheit und Tageslicht zu bringen, wird ent­­scheiden, was zu thm­ übrig bleibt. Diese Aufgabe wird eine Heilfe sein, aber das kann sein Grund sein, sich ihr zu entziehen. Er habe genug der Schwächen gegeben, und so mwerbe der Gerichtshof angesichts der schweren Pflicht, die er zu erfüllen hab, auch thm­, was ihm das Gewissen gebietet. Hierauf ergreift der Anwalt der Frau Dreyfus das Wort und verliert seine Schlußanträge, melde dahin gehen, es sei eine Untersuchung anzuordnen, um die in dem Gutachten der Sachverständigen im Schreibfache, welche im Jahre 1894 und 1897 das Bordereau geprüft haben, enthaltenen Divergenzen zu beurteilen und festzustellen, ob im Prozesse Dreyfus den Richtern geheime Schriftstücke im Beratungszimmer mitgeteilt wurden. Verteidiger Mornard schließt mit dem Berlangen, der Rafjationshof möge ss von dem gesamten, auf die Angelegenheit bezüglich Altenmaterial Kenntnis verschaffen. Die Verhandlung wurde hierauf unterbrochen. Nach Wiederaufnahme derselben ergreift Generalprokurator Manau das Wort und erklärt, die Affaire befinde sich auf dem Gebiete der Justiz. Niemand wäre im­stande, sie ihr wegzunehmen und sie selbst könnte sich der­­selben nicht entziehen, ohne eine Pflichtverlegung zu begehen. „An Ihnen ist es, die Geister wieder zu beruhigen, und Ihre Entscheidung wird für alle der Ausbruch der Wahrheit und Gerechtigkeit sein müssen. Unserem Gemissen gehorchend, wollen wir Ihnen sagen, was wir über die Angelegenheit denken. Leiten Sie die Revision ein oder ebnen Sie in wenigstend die Wege hinzu.* Der Prokurator prüft sodann die Hypothese, das Urteil ohne Bezweifung an ein anderes Kriegsgericht aufzuheben, und erklärt, verselben nicht zustimmen zu können. &3 müsse die Verantwortlichkeit gesucht und gefunden werden, und wenn sich Herausstellt, daß Dreyfus unschuldig ist, so sei es notwendig, daß der Schuldige nicht straflos ausgehe. Das Requisitorium konstatiert sodann, daß zwei Thatsachen geeignet sind, die Unschuld des V­erurteilten darzuthun: die eine ist die von Henihy begangene Sählchung, die andere das im Jahre 1897 im Prozeß Esterhazy abgegebene Gutachten der Sachverständigen im Schreibfache. Der Prokurator prüft den Wert dieser beiden Gutachten und sagt bes­züglich der Fälschung Henrys, daß es, nachdem die Aussage Henry im Jahre 1894 durch die Fälsschung im Jahre 1896 in so hohem Maß verdächtig erscheint, gestattet sei, dem Verdacht zu nennen, daß es sich um eine falsche Beugenaussage handle. Niebner befaßt sich sodann mit der Prüfung des Gut­­achtens vom Jahre 1894 und erklärt, daß Sachverständige sehr leicht einen Sertum begehen können. Der Generalprokurator hebt die zahlreichen Widersprüche der Sach­­verständigen hervor, welche erklären, daß das Bordereau nicht von Esterhazy herrühre, und fügt Hinzu: „Wenn Sie eine Untersuchung eröffnen, so wird Esterhazy Gelegenheit finden, Aufklärung zu geben.“ Rebner hält dafür, dak­­­ed, nachdem Widersprüche in dem Gutachten festgestellt seien, nötig wäre, zu­­ untersuchen, wer der Urheber oder Verfasser des Barbereaus ist, ob Dreyfus, Eshterhazy oder ein anderer. Esterhazy könnte, da er in dieser Sache frei­­gesprochen worden sei, heute ungestraft gestehen, der Urheber des Borderenus zu sein. Welchen Dienst würde er mit diesem Geständnis je dem Lande und dem unglücklichen Dreyfus erweisen, welcher seit vier Jahren leidet und seine Rehabilitierung fordert. (Be­wegung.) Wenn aber D­reyfus der wirkliche Schuldige ist, so wird er sein Verbrechen ewig büßen, und das so geprüfte Ge­wissen des Landes wird endlich wieder beruhigt werden. „An Ihnen ist es nun, meine Herren, die Untersuchung einzuleiten, auß welcher das Licht zum Durchbruche gelangen wird. Bergeffen Sie nicht, daß die Unschuldsbeteuerungen Dreyfus’ vor und nach seiner Degradierung sich in vollkommenem Widerspruche mit seinen angeblichen Geständnissen befinden.“ Sodann verliert der Generalprokurator mehrere Briefe Dreyfus’ an seine Frau, in welchen er unaufhörlich seine Unschuld beteuert. Manau beschwört den Gerichtshof, seine Aufgabe mit der seinem hohen Charakter entsprechenden Fertigkeit zu erfüllen, ohne sich durch Gerüchte und Meinungen von außen her beeinflussen zu lassen. Manau wendet si mit Entrüstung gegen die beleidigenden Worte, welche man gegen die An­­hänger der Revision gerichtet hat, die man als bestochene Verräter, als Beleidiger der Armee behandelte. Wir müssen, sagt Manau, mit Nachdruch gegen ähnliche Anklagen protestieren und an den guten Glauben der ehrlichen Leute appellieren. Wir beleidigen nicht die Armee, da wir auf die Gerechtig­­keit sorgsam bedacht, und Mühe geben, die Wahrheit zu finden. Wenn sich die Richter im Jahre 1894 im guten Glauben geirrt haben oder wenn sie getäuscht wurden, wie sor dern ihre Ehre dadurch berührt werden? Was die Armee betrifft, so wird heute Frankreich von allen seinen Kindern verteidigt und es ist ungereimt, zu sagen, daß wir die Beleidiger unserer Kinder, unserer Freunde sind. Der Raffationshof Hat nur eine Leidenschaft, nämlich jene der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Wir denken an den guten Ruf Frankreich, welcher in den Augen der Nationen in diese schmerzliche Angelegenheit ver­­widert it. Behörden der französischen Republik! Lassen Sie Dreyfus kommen und sich rechtfertigen, wenn er kann. In diesem Falle möge er der Liebe seiner Frau und Kinder wiedergegeben werden. Ich kann nicht glauben, daß Sie angesichts der im Doffier enthaltenen Dokumente mein Begehren abweisen werden. Der Gerichtshof wird entweder das Urteil Faffieren oder ganz annullieren. In jedem Falle, schließt Manau, habe ich die Ehre, dem Gerichte den Antrag zu stellen, die Strafe des­­­erurteilten unter Vorbehalt zu suspendieren. Schließlich beantragt Manau die Revision und Annullierung des Prozesses Dreyfus, dessen Verweisung vor ein Kriegsgericht und die Suspendierung der Strafe. Nachdem der Verteidiger Mornard die für die Verteidigung sprechenden Momente entwickelt und besonderes Gewicht darauf gelegt hatte, daß Henry gestanden habe, nicht bloß ein, sondern drei Dokumente gefälscht habe, wurde die Verhandlung geschlossen. Die Entscheidung des Kassationshofes wurde für den 29. Oktober anberaumt. Am 29. Oktober, nachmittags, fällte der Koafsationshof folgendes Urteil: Der Gerichtshof erklärt das K Revision­sbegehren für formell begründet und wird selbst eine ergänzende Untersuchung einleiten. Ueber die vom Generalprokurator ver­­langte Aufhebung der über Dreyfus verhängten Strafe hat der Gerichtshof gegenwärtig nichts zu beschließen. Es ereignete sich kein Zwischenfall. „Wenn Sie ifm Ihr Mündel anvertrauen“ und „lasen Sie der Sache ihren Lauf“ —, diese beiden Säße waren es, die ihn so seltsam tief be­­rührten. „Anvertrauen“; es lag manches vor, was ihn hätte bestimmen können, der Sache nicht ihren Lauf zu lassen; andererseits aber zeigte Alfred so viel guten Willen und Eifer, daß er eine entschiedene Weigerung un­ ‚gerechtfertigt finden mußte; und er sträubte sich gegen diese Weigerung umfos mehr, als sein Herz grade dafür sprach. da­s Braut! Der Gedanke, als er zum ersten Mal faßbar wal vor seine Seele trat wie jeßt, padte ihn im Innersten, und was er sich nicht Hatte eingestehen wollen, konnte er in diesem Moment, wenn er ehrlich gegen si war, nicht fortleugnen. Ex selbst Liebte Ida! Unmerklich Hatte sie sein Herz erobert und um so fester davon Besis ergriffen, je mehr sie sich unter seiner Führung zu dem entwidelt, was sie fegt war, je mehr er es seinem Einfluß zuschreiben durfte, daß in dem teen, eigenwilligen Rinde fi almählich eine Wandlung vollzog, die ihm eine Betätigung dessen war, was er immer gewußt und längst erkannt hatte: der innere Kern war gut, in da stehte ein Charakter, sie hatte ein warmes, tief empfindendes Herz, wenn auch ihr heißblütiges Temperament sie oft dazu Hinviß, andern wehe zu thun. Man mußte sie lieb Haben, mit allen ihren Schwächen und Fehlern, die ja zumeist in ihrer Jugend ihren Ursprung hatten, und er hatte sie lieb, darum hatte er Geduld mit ihr, darum hatte er auch das richtige Maß von Güte und Strenge gefunden, darum mußte er aber auch, worin­ seine wechselnden Stimmungen ihr gegenüber in rechter Zeit ihren Ursprung hatten. Sie freilich hatte er kaum gemerkt, sie liebte ja den „andern“ und wußte nicht, wie schwer es ihm fiel, sie fortzugeben — an jenen! Er hatte er nie für möglich gehalten, daß sein Herz noch eines wärmeren Puls­­schlages jemals fähig sein würde. Und nun war es doch geschehen, unmerklich Hatte sich der Wandel vollzogen, er liebte,­­ liebte nicht mit der aufbrausenden, himmelstürmenden Leidenschaft des Jünglings, sondern mit der ganzen Tiefe und Innigkeit des gereiften und geprüften Mannes. Er liebte in da nicht so sehr das reizvolle, jugendliche Weib wie vielmehr das Geschöpf, dessen seelische Entwickung er leitete und mit folgender Hand pflegte und das dur s einen lebensfrohen Uebermut ein Sonnenstrahl geworden war für das stille Haus und sein vereinsamtes Leben, (Zertjegung folgt.) Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt. 1. November 1898, Nr. 7563­ ­ Ausgleich zu flimmen, der nicht eine Verbesserung des bisherigen Ausgleichs mit Rüdfigt auf die wirtschaftlichen Verhältnisse Böhmens bedeuten­­­ürde. Der Klub fordert die parlamentarische Kommission auf, die Verhand­­­­lungen mit der Regierung in der Weise zu beschleunigen, damit die definitive Antwort der Regierung vor der meritorischen Verhandlung über den Ausgleich dem Klub mitgeteilt und von demselben erledigt werde. Auch in Oesterreich ruhen die parlamentarischen Verhandlungen der auf morgen und übermorgen fallenden katholischen Feiertage wegen. Nach Nachrichten, welche in Petersburg eingetroffen sind, hat Graf Muramiemw Wien in überaus befriedigter Stimmung verlassen. Sowohl die Audienz, die Graf Mramiemw bei Sr. Majestät dem Kaiser-König Franz Josef hatte, als auch seine wiederholten Besprechungen mit dem Grafen Goludomsti haben volle Gewähr dafür geliefert, das das zwischen den beiden Regierungen im April 1897 zu Petersburg zu­stande gekommene Einverständnis durch seine einzige der seither aufgetauchten politischen Tages- En im mindesten tangiert worden ist und in vollem Umfange aufrecht esteht. Die Ministerkrise in Frankreich ist so nicht beendet, Frepeinet sol das Kriegspartifeuille aus dem Grunde abgelehnt haben, weil er die Uebernahme von der sofortigen Entlassung Picquarts aus der Haft zur Bedingung stellte. Sauffier, an welchen sich Dupuy wandte, bezeichnete Freycinet als den einzigen Mann, welcher das Kriegsportefeuille im gegenwärtigen Momente übernehmen künnte. Präsident Faure lud Freycinet zum Diner und bemühte sich, Freycinet zum Eintritt ins Sabinet zu bewegen. In Serbien ist eine Wendung der politischen Situation in Sicht. Der liberale Zentralausschuß hat neulich beschlossen, daß die Liberale Partei s­chon nun ab der Regierung gegenüber in eine enttchiedene offene Opposition zu treten habe. Zugleich wurde beschlossen, das eingegangene Parteiorgan „Stpada Bastava” vom 1. November an wieder erscheinen zu lassen. Da das Gr08 der Anhänger der gegenwärtigen Regierung bisher aus Liberalen be­­stand, so bedeutet dieser Beschluß, daß das gegenwärtige Kabinet in der am 28. November in Nish zusammentretenden Skupichtina nicht mehr die Ma­­jorität haben wird. Es wird dann entweder eine Kabinetskrise eintreten oder die Auflösung der Skupiätina erfolgen. Rolitiiehe Mebericht. Hermannstadt, 31. Oktober. An die Audienz, welche befam­tlich Ministerpräsident Baron Banfiy am 27.8. M. bei Sr. Majestät gehabt, knüpft „WB. 9.” folgende Be­­merkungen : „Diese Audienz konnte den Ministerpräsidenten überzeugen, daß das Vertrauen der Krone in ihn und in das Kabinet unverändert fesl sei, und daß zu der Erschütterung dieses Vertrauens alles mehr geeignet sein kan, als die ausschließlich durch persönliche Gehäffigkeit eingegebene, jeden Beweg­­grundes und Bwedes entbehrende Obstruktion, welche die oppositionellen Parteien mit einem, einer besseren Sache würdigen Eifer im­­ Abgeordneten­­hause fortseßen.“ Die politischen Verhältnisse in Oesterreich treiben wieder einer Ueberraschung zu. Durch die Sprengung der sogenannten „deutschen Gemeinbürgischaft“ ist die Möglichkeit geschaffen, daß das Mini­­sterium Thun abermals zum berühmten $ 14 greifen wird. Schon wollen die radikalen deutschen Parteien die Obstruktion aufnehmen und es kann leicht geschehen, daß der Monat November eine neue Situation bringt. Sollten die deutschen Parteien in Oesterreich wieder obstruieren, so wird Graf Thun den­­ Reichsrat schließen und mit Hilfe des $ 14 den Ausgleich schaffen. Da­­durch wäre Baron Banffy bemüssigt, alle Ausgleichsvorlagen, die schon in den Ausschsen durchberaten wurden, zurückzuziehen und neue Vorlagen ein­­zureichen, deren rascherte parlamentarische Beratung notwendig sein m­ürde, da dieselben sonst überhaupt nicht bis Ende dieses Jahres Gefegeskraft erlangen könnten. Daß dann von einer ferneren Beratung der Indemnität in Ungarn seine Rede sein dürfte, versteht sich von selbst. Einem Grazer deutsche oppositionellen Blatte geht über die parlamen­­tarische Lage folgender Bericht zu: „An eine worhere Behandlung der Ausgleichsvorlagen ist nicht zu denken, denn schon während der Beratung im Ausschhisse und in den Unterausschüssen werden Amendements einer Duchpestichung der Vorlagen als großes Hindernis im Wege fiegen. ALS nahezu sicher kann angenommen werden, daß mit der zweiten Lesung der Vorlagen auch die formelle und materielle Obstruktion wieder einfegen werde. Zur Iepteren könnte der gering­­fügigste Anlaß den Ansporn geben. Unter diesen Umständen werde Graf Thun die Ueberzeugung gewinnen müssen, daß von der Einhaltung des der unga­­rischen Regierung angegebenen Termin­s eine Rede sein könne, weshalb ihn die zwingenden Verhältnisse veranlassen werden, an das Ankrafttreten eines neuen Provisoriums zu denken. Da aber die Annahme eines solchen ebenso­ wenig Aussicht hat, dürfte dann die Zeit gelommen sein, in welcher Graf Thun sich des Parlaments entledigen wird, um auf Grund des $ 14 den Sortbestand des bisherigen Verhältnisses zu Ungarn zu dekretieren. Immerhin sei aber die Möglichkeit vorhanden, daß das Abgeordnetenhaus über den November hinaus tagen werde. Der parlamentslosen Regierungszeit der $ 14 würden neue Anknüpfungsversuche für eine definitive Regelung de Uus­­gleiches folgen, welche auch dazu führen künnten, daß der Januar das Haus neuerdings zur Beratung des Ausgleichs versammelt sieht, wenngleich mit denselben Aussichten wie in der gegenwärtigen Session. Dr Tihechenclub hat den Bericht seiner parlamentarischen Kommission über die Verhandlungen mit der Regierung einer eingehenden Beratung unterzogen und folgenden Beschluß gefaßt: Obwohl noch eine ganze Reihe von gleich begründeten wie dringenden Wünschen des böhmischen Volkes vorligt, beschließt der Jub, mit Rücksicht auf die gegebenen B Verhältnisse und aus taktischen Gründen, die von der parla­­mentarischen Kommission vorgelegten Bostulate nicht zu ergänzen, wodurch jedooc die Meinung nicht hervorgerufen werden sol, daß er auf weitere verzichte. Der Klub nimmt die von der parlamentarischen Kommission mitgeteilten Postulate zur befriedigenden Kenntnis, erklärt jedoch zugleich, daß er an nach Erfüllung derselben seinen Mitgliedern nicht empfehlen konnte, für einen Rus dem ungarischen Reichstag. Budapest­t, 28. Oktober. In dieser Lagung sprachen zuerst drei Abgeordnete der Nationalpartei, die vorgeschlagene Tagesordnung bekämpfend. Al­s echter Redner hatte ein alter Honved, der Abgeordnete Nikolaus Salatos, das Wort, der merk­­unwürdigerweise an eines deutschen Wortes sich bediente, freilich nur in der Weise, daß er unter frenetischem Beifall der äußersten Linien dem Baron Banffy, ald dem in einer magyarischen Haut stehenden österreichischen Minister­­präsidenten, deutlich zurief: „Abdanken!“ War die Sigung vom 28. ruhig verlaufen, so gab es dagegen am 29. Oktober wieder eine „erregte Szene”. Der Abgeordnete Koloman Szentivanyi wollte nämlich in persön­­iger Sache sprechen und bemerkte, Ostar Zvanka habe schon vor zwei Jahren den Uebertritt Redner aus der Nationalpartei in die Regierungspartei zur Sprache gebracht und Rebner habe sich schon damals über dieselbe geäußert; er sei daher nicht rastvoll, jegt wieder darauf zurückzukommen.­­Oskar Ivanka springt bei Nennung seines Namens erregt von seinem Site auf, durchmißt mit waschen Schritten den Saal und stellt si dann mit verschränkten Armen dicht vor den Redner hin. Seinem Beispiele folgen auch andere Mitglieder der Nationalpartei, wie Biro, Arpad Szentivanyi, Otto Förster und andere. Ude freien im Chor: Schweigen Sie, wir wollen Sie nit anhören! Renegat!­ Ivanka habe in der jüngsten geschlossenen Sigung die Sache zur Sprache gebracht. (Großer Lärm und Blau­-A­ufe Links.) Dar Zovanka: Nie habe ich Ihren Namen auf meine Lippen genommen. (Lärm.)­­ Koloman Szentivanyi erklärt den Verdächtigungen gegenüber, daß er sein überzeugter Anhänger der liberalen Partei sei, mit Nachdruch, ex sei das mit Leib und Seele. (Höhnisches Gelächter Ling.) Bolten Bmeskal (aus der Mitte des Saales): Sagen Sie ed auf Ihr Ehrenwort, wieviel Geld Sie dafür erhalten Haben ! (Zosender Lärm.) Koloman Szentivanyi: Jch rufe den Grafen Albert Apponyi zum Beugen an, ob ich ihm nicht auch mit Leib und Seele ergeben war. (Stürmisches Gelägter und ironisches Beifallklarischen Linis. Rufe: Wagen Sie «8 nicht, den Namen Apponyis auf Ihre Lippen zu nehmen! Im dem mwütenden Lärm konnte Rebner minutenlang nicht seine Rede fortlegen.) Vizepräsident Kardos schmingt unausgerecht die Glocke, doch dauert das Toben fort, aus welchem die erregten Zurufe Boltan Briestals ihrill heraustlingen. Geza Kubingi: Ein Unger tastet nicht die Ehre eines anderen an! ‚ Ritolaus Lakatos (zu Kubingi gewendet): Du hast kein Recht, zu freien! Du Hast schon jeder Partei angehört ! Vizepräsident KardosS ruft Lakatos zur Ordnung. Sohann Konad (gu Zmestal gewendet): Bad-Hußar! Sie wagen eb, zu schreien ! Lea Rubinyi (in der Meinung, der Zuruf sei ihm von Bmestal zugeschleudert­­worden, springt wütend auf): Ich war nie ein Badh-Hußar! (Tobender Lärm.) Nikolaus Salatos (in dem Glauben, Kubinyis Bmchfcheneuf­fet auf ihn gemünzt, ruft mit erhobener Stimme demselben zu): Wie mwagst du es, mich einen Bahshußaren zu nennen! Sprecher, miederträchtiger Schuft! (Die tiefe Stille, welche während dieser Worte eingetreten, wich alsbald einem verstärkten Lärm.) Vizepräsident Kardos ruft den Abgeordneten Lakatos zum zweiten Male zur Ordnung. Bela Kubit ruft Kubinyi zu: Wie können Sie in dieser Weise über einen Greiß sprechen! Geza Kubinyi: Man hat mir zugerufen, ich sei ein Bad-Hupar. Ich war es nie­­ch Habe nie, um mir die Majorität zu sichern, in Bunds­chuhen vor floratischen Wählern getanzt! (E­rneuerter Lärm.) Vizepräsident Kardos hob nun die Sigung auf 5 Minuten auf. — Nach Wiederbeginn verselben folgte eine Versöhnungsszene zwischen Kubingi und Lasatos. Die Debatte über die Tagesordnung wurde sodann fortgelegt und — nachdem wo der Abgeordnete Gulher dagegen gesprocen — abgebrochen. Die nächte Sigung wurde für Donnerstag den 3. November anberaumt. Stimmen aus dem Bublikum. Bitte, ‚Beim Herannahen der rauhen Jahreszeit mit ihren Schreden für die Armut richtet die achtungslol unterzeichnete Leitung im Namen der vielen ihrer Für­­sorge anvertrauten armen und ärmsten Kinder an alle Freunde und Gönner unseres Hauses die herzliche Bitte: getragene, aber noch brauchbare Kleider und Kopfbededungen, insbesondere an Schuhwerk, ihr zutommen zu lassen und so mitzuhelfen bei Bededung der Blöße jener, die der Wärme s­christlicher Nächstenliebe auch in dieser Gestalt so jeher bedürfen, Hermannstadt, 31. Oktober 1898, Achtungspol Die Leitung des Lutherhauses:; F. Leonhard.

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