Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1898. Dezember (Jahrgang 25, nr. 7589-7614)

1898-12-01 / nr. 7589

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Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauf» mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fortet beim einmaligen Einladen 7 kr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 fr. Hermannstadt, Donnerstag 1. Dezember 1898 Bräm­merasions-Einladung auf das Siebenbürgisch- Deutsche Tageblatt. Mit 1. Dezember 1898 beginnt ein neues Abonnement ans das „Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt”. 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Seraphin, Heltauergaffe, Elisabethgaffe Nr. 29 bei Gustav Gürtler, Ede der Burger- und Schmiedgaffe bei Josef Zimmermann und Gaaggaffe Nr. 8 bei Josef Schwarz, Kaufmann, auswärts bei den am Kopfe des Blattes ze­­nannten Firmen. Der Verlag des „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatts.” (Hermannstadt, Heltauergasse Nr. 23.) Ein Siebenbürger Bolksfe in Berlin.*) Berlin, 25. November. Am Abend des 22. November fand im neuen Königlichen Operntheater (Krol) zu Berlin ein eigenartiges Fest statt, wie man es bisher auch in der deutschen Residenzstadt noch nie gesehen hat und zu sehen bekommen. — Ein Siebenbürger Volksfest in Berlin — das ist ein Ereignis, welches in allen jächficchen Kreisen bekannt und gewürdigt zu werden verdient. Der allgemeine deutsche Schulverein, der auf seine Fahne die Unter­­frügung des bedrängten Deutschtums im Auslande geschrieben hat und seine Hilfe besonders den Kirchen und Schulen, in denen die ewigen geistigen Güter eines Volkes gepflegt werden, zuge­wendet, ist mohlbekannt; deutsche Schulen und Kirchen und ihre Diener wissen von seinen Segnungen am meisten zu erzählen. Diesmal hat die Berliner Frauengruppe des deutschen Schul­­vereins ein Werk vollbracht, das, einzig in seiner Art, bei­ deutschen Männern ungeteilte Anerkennung gefunden und vielleicht Anregung zu ähnlichen Ver­­anstaltungen in anderen Städten gegeben hat. Vieltausend Unterschriften deutscher Frauen aus dem Reiche trug die Kundgebung, in der dieselben den jähfiichen Frauen und Mädchen für ihr tapferes Vorgehen in der Angelegenheit der Magyarisierung der deutschen Ortsnamen ihre vollie Anerkennung und Sympathie ausdrücken; nun haben sie es unternommen, siebenbürgisch-jüdisi­ches Leben auf die Bühne zu bringen, um Sitten und Gebräuche der Sachen in lebendiger Darstellung kennen zu lernen, und sie haben damit den Beweis erbracht, daß sie für dieses eigen­­artige Leben Interesse zeigen und selbst bestrebt sind, es mit feinen Eigentüm­­lichkeiten in Sprache und Sitte, die zugleich seine Kraft bedeuten, zu erhalten. Das ist das Honterusjahr, das mit feinen unvergleichlichen Festtagen, an denen die Geschichte des Sachsenwolfes mit ihren erhebenden und herzergreifenden Momenten, ich möchte sagen, vor aller Welt bekannt wurde, ein heilige Feuer der Begeisterung für ferne Glaubens und Stammesgenossen auch in deutschen Frauenherzen neu entzündet hat! „Wir wollen helfen, wo, bedrängt von Feinden, Zum Widerstand der deutsche Geist sich regt. Wir wollen bauen helfen jene Stätten, Sn denen deutsche Bildung wird gepflegt.” So lautet eine Stelle der an diesem Abend gesprochenen Prologe, das Ziel der Arbeit des deutschen Schulvereins war und ausdrücklich bezeichnend. Dieser Prolog, eine Dichtung von Professor Dr. Rudolf Genee, gesprocen von dem Mitglied der fgl. Hofbühne Richard Kahle, verießte das Publikum in die rechte Stimmung und Begeisterung, mit der die Aufführungen begleitet und aufgenommen werden konnten. Die Bühne schließt im Hintergrunde eine siebenbürgische Phantasieland­­schaft mit ihren Bergen und Burgen ab, gerade so, wie unser Sachsenland von den Karpathen eingeschlossen und geflüßt wird. Bwischen den steil herab­ fallenden Bergwänden wälzt ein Fluß, von Schiffen befahren, feine Fluten langsam dahin, in denen sich die Tannen mit ihrem sattgrünen Laub­werf spiegeln. Es ist ein schönes Land, das die Sehnsucht in denen, die es noch­ nicht kennen, wachruft und in den Herzen derer, die dort oft gewandelt, bnheimatliche Erinnerungen welt. Im Dorf, das unten im Thale gebettet liegt,­­hört man festliches Glockengeläute und unter feierlichen Orgelklängen tritt der jährliche Hochzeitszug aus der Dorfkirche Heraus. Eine frohe Menge, die sich aus Neugierde angesammelt hat, begrüßt die züchtige Braut und den Schmuden Bräutigam mit Freudenrufen und kann sich nicht satt genug sehen an den seidenen Tüchern und farbigen Bändern und an dem silbernen Brautschmud. Auf einem ebenen Plage vor der Kirche bleibt der Zug stehen, um einen kurzen Tanz zu beginnen. Die Brautknechte bringen mit ihren schweren, ges­pülten Slafchen, die beiden Eigeuner mit ihren Fiedeln Leben in die Hoch­­zeitkräfte. Alles freut sich und stimmt mit vollem Herzen in das Lied „Siebenbürgen, Land des Segens“ ein und schlingt ein einiges Band. Und wie das Lied geendet hat, ertönen donnernde Heil- und Hocrufe dem fest­­lichen Hochzeitszug, aber auch dem Lande, das fold echte, deutsche Sitten be­­wahrt hat. Der Hoczeitszug gewährte mit seinen farbenprächtigen Bildern einen reizenden Anblick und bot wohl am meisten Interessantes für die Deutschen, die dieses fächliche Stad Volksleben nicht kannten. Daran Schloß fi ein Erntetanz mit abwechselungsreichen Figuren, von denen am Schluß der Tanz um die mit blauen und roten Bändern geschmücte Erntefrone und das Gruppenbild sich am Hübschesten ausnahmen. Wenn dieser Tanz vielleicht auch nicht etwas speziell Sächsisches ist, so gab ihm ein durchaus sächsisches Gepräge die Tracht, in der er getanzt wurde. Da geziemt in erster Reihe Lob und Anerkennung den deutschen Damen, die mit echt deutschem Fleiß sich sächsische Bauern- und Bürgermädchentrachten angefertigt hatten. Manches Kosu­m war mit den Borten, dem Gürtel, den vielen Bändern und dem Kopf­ und Brustschmud so getreulich nachgeahmt, daß man glauben mußte, es sei bei und in Siebenbürgen entstanden. Es war eine Luft, diese sächslichen Mädchen anzusehen! Möchten die deutschen Frauen mit den unzähligen Nadelstichen auch deutsche Liebe und Treue zu ihren fernen Schwestern ein­­genäht haben. Manch wertvolles Kleidungsftüd, manch echter Schmuc, der an den Honterusfesttagen in Kronstadt geprangt hat, und die fleißigen Hände, die solches zu­stande gebracht, wurden Hier bewundert — darum Dank an allen denen aus Siebenbürgen, die das Fest dadurch, daß sie diese kostbaren Sachen zur Verfügung stellten, verschönern halfen! Wenn ich mich Hauptsächlich auf Anführung des spezifisch Sächsischen beschränke, so verdient noch der sächsische Ländler hervorgehoben zu werden, der gerade durch seine Einfachheit und feinen sinngerechten Aufbau der ein­­zelnen Figuren, die anfangs eine gemilte sächslfche Steifheit und Schwerfällig­­keit, dann beim rascheren Tempo Leichtigkeit und Anmut der Bewegungen zur Geltung kommen liegen, Beifall erntete. Er war eben dem Boltsleben abgelauscht und ließ bei der Ausführung den Z Tänzern Gelegenheit, sächsliches Wesen hineinzutragen, wie jeder er aus eigener Anschauung kannte. Er konnte die Siebenbürger Damen und die jächslichen Hochschüler, die an den Veranstaltungen mit großem Eifer sich beteiligten, nur aneifern, als sie sahen, daß die mittanzenden reichs deutschen Damen und Herren an dem Zange sicht­­baren Gefallen fanden. Um die Anordnung des Ganzen machten sich Fräulein Regine Ziegler und Hermine Spien und Herr Karl Ziegler verdient. Hätte das Fest etwas Später stattgefunden, so Hätte vielleicht auch die sächsliche Spinnstube im Programm nicht gefehlt. So will so den Umzug einer Zigeunertruppe duch die Säle er­­mahnen, die mit ihrer romantischen Kleivertracht die Blicde auf sich senkte. 8 waren eigentümliche Zigeuner von internationaler Färbung, die, wenn all die ungarischen Nationalfarben auf ihren Kleidern schimmerten, auf die Zigeuner­­weisen von Sarasate hörten, nach den ungarischen Tänzen Brahms’ tanzten und italienische Lieder singen konnten. ALS das Programm mit Humoristischen Vorträgen seinen Abschluß ge­­­unden hatte, entstand ein reges Leben in den Sälen bei den Wein- und Bierzelten, bei der Post und den großen Buffets. Der Tanz dauerte bis tief in die Nacht hinein und war mit den flatternden Bändern, den weitframpigen Hüten und verschiedenen Kostümen ermöglich anzusehen. Ein Publikum aus den vornehmsten Kreisen hatte ss zusammengefunden, Männer und Frauen, deren Namen bei und einen guten, bekannten Klang haben. Das Fest trug nicht einen ausschließlich fächliichen Charakter, ja man konnte sich eines Gefühle, als ob zu wenig Sächsisches geboten worden wäre, nicht erwehren. Wir Siebenbürger sind gewöhnt, von den Deutschen anzu­­nehmen, daß sie, wie ihre alten Chronisten des 13. Jahrhunderts, unter Siebenbürgern nur die Siebenbürger Sachsen verstehen und diese Auffassung ist auch heute unter ihnen vorherrschend. Troßdem müssen wir ei­nig zu erklären versuchen, wenn der Mannigfaltigkeit und Abmechselung zu Liebe mande3 aufgenommen war, was uns Siebenbürgern nicht recht passen wollte. Jedenfalls sind wir von den eveln Absichten der deutschen Frauen vollk­ommen überzeugt und mwissen, daß sie in ihren Bestrebungen nur die Worte des Prologs, die jede Mitdeutung ausschließen und für den Abend und für den deutschen Schulverein tonangebend sind, erfüllen wollten: „Drum dorthin müssen wir die Blidde richten, Wo Deutsche, weil getrennt vom Stammesland, Umschoffen sind von feindlichen Gemalten Und dennoch Fühn den Drängern halten stand.” Durch dieses Fest sind sich die deutigen und fähfiichen Frauen wieder näher getreten. Die deutschen Frauen haben den fähfiichen zur Arbeit im Dienste unseres Volkes die Hände gereicht, unsere fächsiichen Frauen merken sie freudigst ergreifen und herzhaft drüden und sagen: „Habt Dank für die Liebe und Treue, mit der hr unser gedenkt! Sie soll unsere Herzen ent­zünden, daß sie nie warten und weichen und müde werden im Streben nach Erhaltung unserer heiligsten Volksgüter!* Ein Heil den deutschen Frauen Berlins ! G. Barthmes. *) Das Festprogramm war folgendermaßen zusammengestellt: 1. Einleitung. Ouverture zu „Preziosa“ von &. M. v. Weber. 2. Prolog. Dichtung von Professor Dr. Rudolf Genee, gesprochen vom Deal der fgl. Hofbühne Herrn Richard Kahle. 3. Siebenbürgische Landschaft auf der Bühne. Ein siebenbürgisch-sächstiches Erntefest. Bauernquadrille und Hochzeitszug. (Nachh Anordnung des Kunstmalers Ziegler, getanzt von Damen und Herren aus der Berliner Gesellschaft.) A. Vortrag der Musikkapelle des Eisenbahn-Regiments: „Mignon-Phantasie" von Thomas Urbach. 5. Umzug einer Zigeumertruppe durch die Säle. Lager der Zigeuner auf der Bühne. Quartettgesang. Weinlied (Zigeunerquadrille), gesungen von Frl. Appelius. Zigeunertänze von Sarasate (Geigensolo), vorgetragen von Frl. Frieda Kunze. Abmarsch der Bauern und Zigeuner. 6. Humoristische Vorträge des Schauspielers Junkermann. — Alle Tänze sind eini­gen von dem königl. Universitäts- Tanzlehrer Zorn.­­—­ Innerhalb der Säle: Post, Ombola, Schnellphotograph, Blumen- und Kolonialbude, russischer Theetiich, Weinzelt, Dier, große Büffet. — Ball. Beniffeton. Wahre Liebe. Roman von B. dv. d. Lanten. (85. Fortlegung.) Das Gewöll am Himmel Hatte sich zerteilt und zwischen den grauweißen Wolfengebilden drängte si, sie mit goldigem Rand umsäumend, die Sonne duch, schräg durch die Bäume fallend, gleitet sie an den Stämmen Hinab, über das feuchte Moos und Gras des Waldbodens und läßt die Regentropfen darauf glngern und funkeln, hier und dort kriecht ein großer Käfer, irgend ein Hemes Snfelt klettert an schwankendem Halm empor, ein Eischlägchen hüpft von Ast zu At und schüttelt einen fleinen Sprühregen herab, Der­scharfe Schrei einer Krähe tönt nicht grade melodisch in dieses file Leben hinein, aber er gehört mit dazu, ebenso wie der Ruf des Kududd. Wie Gottes Oben streicht der Frühlingswind Teife über die Erde und die Wipfel der Bäume, die Gräser und Blüten neigen si grüßend vor ihrem Schöpfer, der sie aus langem Winterschlaf wieder erwedt zu neuem, frischem Leben , überall spreßt er und grünt und heimt, und das Mädchen, das mitten in dieser sich regenden und werdenden Natur steht, sieht er mit ernsten, bemwundernden Augen, und das Herz wird ihr weit, und Angst und Verbitterung beginnen zu schwinden. Das Frühlingsleben ringsum weht ein jähes Ahnen im ihrer Brust, ein leises, ganz heimliches Wünscen. Und dann fehrt sie Heim, eine andere, als sie gegangen. Aus den dunkeln Augen leuchtet ein mundersamer Glanz, das Gesichtchen ist verklärt und verschönt, aber um den Mund liegt ein ernster, stiller Bug. „Treffe heute abends sieben Uhr ein. Gruß! Becher.“ So lautet das Telegramm, das Fräulein Emerenzia gerade bekommen und gelesen hat, als da von ihrem Spaziergang heimkehrt. „Solost kommt heute, der Wagen muß um sieben Uhr an die Bahn fahren”, sagte das alte Fräulein. „Heute? Heute abends fon?" Stotternd bringt Ida die Worte heraus, und eine dunkle Note steigt ihr plößlich­hi8 unter die Stirnloden ins Geht; sie fühlt er, wird verlegen, dreht Emerenzia Wohlfahrt den Rüden und tritt ans Fenster. Ei, ei, mal heißt denn das, denkt Jungfer Emerenz, hebt den Kopf und filtert Ida scharf durch die Brille; diese steht regungslos ; denn sie weiß, daß die entjegliche, verräterische Röte noch nicht versämunden ist, sondern sich In einer Biertelstunde kommt der Zug, in spätestens einer halben Tann­er hier sein. Frau dr, Möllheim, Tante Emerenzia und Ya fihen wartend im Wohnzimmer. Lobby niet auf einem Stuhl am Fenster und behaucht die am Vormittag sorgfältig gepußten Scheiben. Minute auf Minute ver­­geht; man plaudert von diesem und jenem, Jon sieht Hin und wieder sogar Bis über die Ohren ausgedehnt hat. Fräulein Emerenzia jagt kein Wort weiter und geht hinaus, von diesem Augenblick an hat sie aber nit nur über ihren Neffen, den Kommerzienrat, sie hat auch über da so ihre eigenen Gedanken. Diese Gedanken, obgleich Höchst­sinniger und minniger Art, hindern sie aber nicht, so mit großer Um­­sicht und Energie die Beratungen und Vorbereitungen für ein höstliches Abend«­effen angelegen sein zu lassen, zu welchem Zmwede Köchin Christiane in das Speisezimmer beordert wird, während Ida, von den widerstreitendsten Em­­pfindungen bewegt, in den Garten eilt, um einen Strauß bunter Frühlings­­blumen für die Tafel zu pflüden. Er kommt, er kommt, jubelt ihr Herz und dabei zittert er vor heimlichem Bangen: denn e3 weiß, daß jeßt eine Zeit innerer, ernster Kämpfe beginnt, daß diese Liebe, die e3 mit so unendlicher Seligkeit erfüllt, vielleicht mit bitterem Leid und Entsagen wird enden müssen. Und wenn, wenn sie um dieser Liebe willen auch ihr ganzes Leben einsam bleiben müßte, sie könnte sie doch nicht mehr aus ihrer Brust reißen. Mein Gott, warum mußte ich ihn, grade ihn Lieben lernen? Warum Hast du mir diese Liebe ins Herz gelegt? betet sie, während sie Primeln und Maiblumen zum Strauß windet und dabei gespannt auf jedes Geräusch achtet, das vom Hof in den Garten dringt, um zu wissen, wann der Wagen zur Bahn fährt. Und als er dann fort ist und der Strauß auf der Tafel steht, eilt sie hinauf in ihr Stübchen, ordnet sorgfältig das reiche Haar und betrachtet sich, während sie vor ihrem Toilettentu­ch ist, ernst und prüfend im Spiegel. Der Ausbruch ihres Gesichts wird nicht fröhlicher. „Ich bin nicht hübich, er wird mich niemals Tieb gewinnen“, sagt sie fleinlaut. „Liebgetrinnen! so weit ist es schon, daß ich denke, er könnte. . ., ich Thörin!“ Rasch springt sie auf und läuft zur Thür hinaus, die Treppe hinab, immer die Worte unwiederholend: „Ich Zehörin, nein, wie dumm!" , verstohlen nach der Uhr und denkt an Zobst Becher, und das alte Fräulein sieht heimlich nach Ida und denkt dabei, ob das Pilet auch nicht zu lange brate ! „Der Zug muß sich verspätet haben“, bemerkte endlich Frau von Melheim, und richtig, es ist über halb acht, der Kommerzienrat könnte längst hier sein. Von heimlicher Unruhe gequält, wagt da troßdem nicht, sich von ihrem Stuhl zu erheben oder eine Vermutung auszusprechen, die Sorge um das Filet scheucht aber Jungfer Emerenz schließlich aus dem Zimmer, und zu gleicher Zeit ruft Zobby vom Fenster: „Da kommt Bapa, ach nein, der Wagen ist leer.” „Leer?“ tönt er von Frau von Melheim und Iola wie aus einem Munde, „AG Unsinn, Yobby, du spaßest!“ feßte leßtere Hinzu, and Fenster tretend. „Nein, sieh doch, der Wagen ist leer”, verteidigt sich das Kind. „Wahrhaftig, Fobby Hat recht — der leere Wagen biegt eben um die Einfahrt." Es folgt eine P­ause. Frau v. Möll­eim macht eine halblaute Bemerkung über „bekannte Rücsichtslosigkeit”, und Ida ergreift ein Angstgefühl, das sie sich nicht erklären kann. Aber Schon nach kaum zehn Minuten Hört sie Fräulein Emerenziad vasch trippelnden Schritt, die Thür wird aufgeriffer, und die alte Dame steht totenbleich auf der Schwelle. „Tante Emerenz —, um Gott — es ist ein Unglüc geschehen!” ruft Soda, ihr entgegenstürzend und ihre Hände fassend. „Was ist passiert, o rede doc, Tante, rede doch!” „Zwei Züge zwischen hier und der nächsten Station — ein Zusammen­­stoß — eben telegraphische Meldung bekommen. … sind viele Menschen« leben zu beklagen —, Kind, Ida, werner — er — lieber, großer Gott —“ Sie kann nicht weiter sprechen. Die alten Füße manfen, die ge­­brechliche Gestalt zittert, Ida umschlingt sie mit beiden Armen, und Emerenzia lehnt­ sich an die junge Brust, in der sie das Herz so angstvoll und wildbe­­wegt pochen süht. „Ida, wenn — mein“ wiederholt sie Halblaut und mit angstvoll fragendem Blidk zu dem Mädchen aufsehend. „D, Tante Emerenz, das fan Gott nicht wollen, das kann er nicht — nein, nein!“ flößt Ida bebend hervor, aber das alte Fräulein erswhrk­t, so totenbleich ist das Gesicht, in das sie schaut,­ so stare blicen die Augen, so schmerzlich zu den die Lippen. (Fortlegung folgt.)

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