Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1899. Oktober (Jahrgang 26, nr. 7842-7867)

1899-10-14 / nr. 7853

P- Redaktion und Administration Herm­annstadt,Heltauergasse 23. » Chrisnkl­oiiiotleiderle.ung.Poflsi­ark­assaik­.1305. Telephoaiiiifchlußik­.21·, Etsetntuiitxtusuahuiedezaufxamisimd Jeertaaeschaeudeugvod­jeutggutagte­y. gbonnement für Hermannstadh monatlich 85 kr.,·vierteljährlich 2 fl·50kr·,halb­­jährig 5 fl­.,ganzjährig 10. ohne Bustellung in’3 Haus, mit Bustellung 1fl., 3 fl, 6 fl., 12 fl. Abonnement mit Haftversendung: Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 Kr., Jelbjährig T fl., gan­ze jährig 14 fl. Für das Ausland: vierteljährig 7 M. oder 10 Fre3., halbjährig 14 M. oder 20 Fre3., ganzjährig 28 M. oder 40 Fred. + Eine einzelne Num­mer tostet 5 fr. d. W. Unfrontierte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurücgestellt, N“ 7853. XXVI. Jahrgang Siebenbürgisch-Deutsches Sageblatt. Hermannstadt, Samstag 14. Ottober ,­ Pränumerationen und Inserate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauer­­gasse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, G. A. Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauff­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. W. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fostet beim einmaligen Einrücen 7 kr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der GStempelgebühr von je 30 fr. Brangott Teutsch. Um 12,9.M. Hat Traugott Teutsch, der Dichter der „Schwarzburg“, des „Sachs von Hartened“ und des „Georg Hecht“ sein 70. Lebensjahr voll­­endet. Nicht nur seinen Kronstädter Mitbürgern war dieser Tag ein Festtag, den sie in schlichter, aber Herzlicher Weise begingen, das ganze sächsliche Wort blicb mit Freude und Stolz auf den noch immer jugendfrischen und schaffend­­kräftigen Greis Hin, an dem das bekannte Wort des Psalmisten, was die Lebens­­dauer und was den Lebensinhalt anbelangt, zur Wahrheit geworden ist. Im STraugott Teutich miüssen wir das ausgeprägteste Erzählertalent, die stärkste dichterische Gestaltungskraft anerkennen, die die und Sachsen gegenüber al­­so farge Muse einem unserer Landsleute verliehen hat. Der siebzigste Geburtstag dieses Mannes ist für und ein freudig begrüßter Anlaß, uns zum Bewußtsein zu bringen, wo wir an ihm besigen. Zunächst sei er uns gestattet, an der Hand der Kronstädter Blätter einige kurze Daten über das Leben des Jubilard zu geben. Traugott Teutich wurde am 12. Oktober 1829 in Kronstadt als der Sohn des Archidiakom­s Samuel Teutich geboren. Sieben Jahre war er alt, als der Vater zum Pfarrer von Brenndorf gewählt wurde; er übersiedelte mit den Eltern dahin und verlebte dort seine erste Schulzeit. Später besuchte er das Gymnasium seiner Vaterstadt; er wohnte hier beim Gymnasiallehrer, späteren Rektor und Stadtpfarrer Samuel Spiel, dann bei seinem Schwager, dem Gymnasiallehrer und späteren Pfarrer Paul, und während seiner rechten Obergymnasiastenzeit bei einer Schwester, der Witwe des Doftord der Medizin Burg. Schon in dieser legten Obergymnasiastenzeit regte sh­­m ihm die poetische der. Noch Heute erzählt die Fama von einem gar luftigen Liebe, welches er gedichtet und mit prächtiger Baßstimme, er mit der Guitarre begleitend, seinen Kameraden zu deren höchsten Ergegen vortrug. Auch eine Humoristische Zeitung, welche geschrieben im Kreise der Kommilitonen zirkulierte, gab er Heraus, m übrigen aber studierte er mit angestrengtem Fleiß, lieferte unter seinen Mitschülern die besten deutschen Auflage und absolvierte das Honterusgymnasium als einer der vorzüglichsten Schüler. Die Ferien brachte er als Obergymnasiast in geiden zu, denn der Vater war inzwischen Zeichner Pfarrer geworden. Hier hat er oft der Familie durch seinen Schönen Gesang und sein Guitarre­­spiel freundliche Abendstunden bereitet. « In den Jahren­ 1848/49 machte er als Mitglied der Kron­städter Frei­­schar das Gefecht bei Honigberg mit.Das von den Kaiserlichen verlorene Gefechtheiseiden veranlaßte ihn,wieso manchen­ seiner Mitschü­ler und Alterdgenossem in die Walachei zu flüchten zee hieß,die Magharen werden die jungen Leute aufgreifen und einreihen. Seine Universitätsstu­dien­ machte er in Tü­bingen,Berlin­ und Jena. Er war als Student der Theologie eingeschrieben,ohne sich jedoch diesem Fache m­it Interesse zu widm­e.Weit mehr begeisterte ihn,wie schon auf dem Gymnasium­,die deutsche Litteratur.In Tü­bingen zogen ihn die Vorlesi­ngen des Aesthetikers Vischermächtig an­.In die Heimat zurü­ckgelehrte nahm er zunächst die Rektorstelle in Wolkendorf an,um seinem­ Han­g zur Unabhängig­­keit und dörflich-idyllischem­­ Stillleben genügen zu können­.Während des Jahres, das er hierzubrachte,entstand manches Gedicht und andere schriftstellerische Versuche.Dann war er kurze Zeit Lehrer an der Obervorstädter Schule u­nd hieran fand er innerstädtischen Knabenelem­en­tarschule Kronstadt­.1860 wurde er hier Mädchenschuldirektor.In dieser Stellung verheiratete er sich m­it Amalie Eitel,die ihm in guten und bösen­ Tagen eine treue Gattin gewesen und ihm heute n­och in stillhaltender,beglückender Thätigkeit zur Seite steht. 1869 trug er vor ein­er ansehnlichen Versam­m­lung jenes schöne poetische »Zwiegespräch zwischen8inn­e und Kathedrale«vor,welches den Anstoß zum­ Bau des n­euen Mädchenschulhauses gab. Was fü­r Teutsch die Ku­nst bedeutete,geht auch daraus hervor,daß er aus der leitenden Stellung als Direktor der Kronstädterev.Mädchen­schu­le 1870 aus freien Stücken zurü­cktrat,fortan größtenteils in ländlicher Stille der Verwirklichung der Kunstbegriffe lebend,die er sich einst bei Fr.Th.Vischer dichterischen Schaffen wohl mehr Muße gewährt, als er dem im Berufe Stehenden möglich ist. Sie ließ ihn andererseits als das Schmerzliche, das unserem Rolfe die Ieten Jahrzehnte gebracht, doppelt empfinden. Eine Unter­­brechung erlitt dieser ländliche Aufenthalt in jener Zeit (1884—87), als er die Stelle eines Reichstagsabgeordneten bekleidete. Erst seit einigen Jahren bringt er den Winter in der Stadt zu. Von seinen größeren Werken erschien zuerst 1865 die Historische Er­­zählung „Die Bürger von Pronstadt" ; 1874 folgte das Drama „Hartened“, 1882 „Die Schwarzburg”, 1893 „Georg Hect“­ und 1898 das in den Tagen der Honterus-Gedenkfeier aufgeführte Honterusdrama. Unter den Ge­­dichten Teniihs mögen „Johanna Bald“ und „Der Prediger von Marien­­burg“ die bekanntesten sein. Unter oben ausgesprochenes Urteil über die Bedeutung Traugott Teutichs in unserer heimischen Litteratur ist vor allen Dingen aus der hohen Wert­­schäßung seines im Jahre 1893 erschienenen Romanes „Georg Het“ geschöpft, welchen wir mit feiner Yale Har und scharf und mit psychologischer Wahrheit gezeichneter Charaktere und mit seinen prächtigen plastischen Schilderungen all­­jähri­gen Lebens unbedenklich für das bedeutendste Werk des sächsischen er­­zählenden Schrifttum zu erklären geneigt sind. Leider können wir nicht sagen, daß es unter uns viel gelesen wird. 8 Teidet unter dem uralten Vorurteil spießbürgerlicher Engherzigkeit, welches durch das ewig wahre Wort vom Propheten im Vaterland bezeichnet wird und in unserm Fall die Gestalt des Aberglaubens annimmt, als könne dem Landsmann in der Dichtung kein guter, gläckliger Wurf gelingen, wob­i freilich unserm Publikum der bedauerliche Umstand zur Entschuldigung dient, daß «8, abgeschredt durch die in unserer Presse leider übliche offiziöse Lobhudelei auch des sch­wächten literarischen Erzeugnisses, unserer Kritik, sofern sie lobt und empfiehlt, seinen Glauben mehr zu scheinen ge­­neigt ist. Der „Georg Hecht“ aber verdient es, gelesen und immer wieder gelesen zu werden, soweit unter uns da I­nteresse daran reicht, die Gestalten unserer ruhmreichen Vergangenheit in voller Lebenswärme neu erstehen zu sehen. Und weil Traugott Zentfch den Anforderungen in vollem Maße gerecht wird, die man an den Dichter fielen muß, so darf man auch das nationale Moment im „Georg Hecht“ hervorheben, ohne sie dem Verdacht auszufegen, als wolle man es als Surrogat für den fehlenden ästhetischen Gehalt anpreisen. Ein hoher und reiner nationaler Idealismus mehr durch die Dichtung, ein Idealismus, den wir Fonfret nennen möchten, insofern er etwas anders ist, als jene unklare und darum nit ausdauernde Schwärmerei unreifer, mit den harten Thatsachen der Wirklichkeit unbekannter Geister, die sich f­onft mit diesem Namen brüftet, ein S­oealismus, der si äußert in der unauslöschlichen Liebe zum eigenen Volk, so wie es ist, mit allen feinen Fehlern und Mängeln, die dem scharfen Auge unverborgen bleiben. Ein Dokument dieses Foealismus von unvergänglicher Schönheit, eine wahrhaft Haifische Auseinanderlegung über Wolfsliebe findet si im „Georg Hecht” in jener ergreifenden Szene, wo der in einem langen L­eben zu ge­reifter Milde abgeklärte Goldschmied Grytten sein Mündel und Pathchen, die stolze, herbe Gertrud Walburg, bewegen will, ihrem Rolfe zu liebe auf den Geliebten zu verzichten. Im Gertrud regt si das Weib. Ihre Liebe will sie nun und nimmer dem Volt zu liebe preisgeben. „Das Volt! Wer ist das Bolt? Meint ihr etwa jenen breiten, platten Haufen, in dessen Köpfen eitel Anmaßung und hämlich Urteil und in dessen Herzen Neid, Mißgunst, Uebel­­wollen und verständnisloses Verkennen ihr böses Wesen treiben?. . Geht mir, Retter Grytten! Sie wären des Opfers gar nicht wert!" Da fegt Grytten ein mit der ganzen Kraft seiner herzbezwingenden Beredsamkeit und legt dem geliebten Mündel seine Auffassung vom „Volke“ dar: „Ein Bolt gleicht geriissermaßen einem Wiesenteppich von allerlei bunt durcheinander sprosfenden Kräutern und Gräsern. Die weitgrößte Menge der leßteren ist mehr oder weniger geruchlos und erzeugt in ihren Kelchen böse Säfte geringeren Wertes. Nur die mindere Zahl birgt den edleren Nektar, aus dem die Bienen den föstlichen Honig bereiten. Jenen, den weniger edlen — 3 sind übrigens die meisten auch unter ihnen an und für sich betrachtet in Tübingen zu bilden begonnen. Diese freiwillige Zurückgezogenheit Hat feinem I gute und nüßliche Gewähre — möchte ich den sogenannten breiten Haufen vergleichen. Diesen, das Heißt den Fräutern, die in sich die edleren Gäste bergen, vergleiche ich die Höherbegabten, die sogenannten Begnadeten. Aber erst die Gesamtheit alleer — der ganze Graswald in der Mannigfaltigkeit seiner unendligen Mischungen und Abstufungen bildet das Voll. Sehen wir näher zu, so erkennen wir in den Begnadeten diejenigen Männer und Frauen, die in­ir die mächtigeren G Seelenkräfte und die höhere Erkenntnis, mithin die Kräfte des höheren Wollens und des höheren schöpfe­­rischen Könnens und Vermögens tragen. Sie bilden inmitten der Millionen oder der Hunderttausende und mit diefen innerlich verschwistert, gleichwohl eine Gemeinschaft unter si, aus deren reichen Geistes- und Seelenschäten dem Bolfsganzen fort und fort die edleren Kräfte zuströmen durch Wort und Schrift und That — die Bolksfeele belebend, veredelnd und erhebend — — während sie selbst Hinwieder aus dem Volksboden, in welchem sie murzeln, ihre beste Nahrung saugen. Die Gemeinde der Begnadeten ist das lebendige Herz, das Nadenmarf und Gehirn der Bolksfeele. Ihr Beruf ist­, das heilige Feuer im Tempel des Bollstums zu nähren, dieses Feuer stets hell- und verflammend zu erhalten... .. Die Art der Völker ist, wie die Art der Einzelmenschen, ehr. unterschiedlich. Und ebenso auch der Wert und die Bedeutendheit der Völker. Daran, was er im Lauf seines Jahrhunderte langen Lebens gethan und geschaffen, was er an Werken des Geistes und der Gesittung, die der ganzen Menschheit zu Gute kommen, aus sich selbst heraus entwicklt hat, will ich, wie beim Einzelmenschen, die Bedeutendheit eines Volkes erkennen — — und nicht an großmäuligem, leerem Geraffel und Geflunster. Denn nicht im Zerstören des Höheren und Besseren und be­im selbsteigenen Unvermögen besteht die Bedeutung und Größe eines Den­su. Meine Tochter, unter Heines Bolt Hat im Lauf seines dreihunderts­jährigen Lebens Großes geleistet — troß der bekannten „Hemmnisse“, die da lauten: Kampf ums Dasein, Kampf mit Tattern und Türken und so weiter — — mit melchen unser Bölffein, wenn es nichts geleistet hätte, sich leichtlich entjuldigen konnte. Daß diese meine Rede fein ruhmredig leer Geflunffer ist, dafür bürgt dir schon allein die Ehrlichkeit, mit der ich eben zuvor auf die garstige Seite unsered Bolkes Hinwies. Aber ich übersehe ein paar, meinethalben häßliche Fehler, wenn die Gesamtpersönlichkeit und die Gesamt­­leistung von solcher Bedeutung ist, daß sie mir Achtung gebietet. Meine Tochter, fie ed an, mas unsere Räter geleistet haben und deine Volfsgenossen noch ebenso schaffensmächtig zur Stunde reiften! Ueber­­schaue und zähle die Schöpfungen alle, angefangen vom ersten der Wildnis abgerungenen Kornfeld im zur flotz getürmten mauerumpanzerten Stadt — angefangen von der ersten selbstgegossenen Glocke bi zum Prachtbau des ragenden gotischen Gotteshauses — angefangen vom ersten geringsten Hand­­werk biß zum hochentwickelten, vielgestaltigen Schaffen der Bünfte, biß zu den Werkstätten der Kunst, den Pflegestätten des Willens — — alles in einem Lande, wo ehedem gewisse Einwohner ihre Abgaben in Auerochsenhörnern und Bärenfellen zahlten .... . und du wirst, so du ehrlich die Wahrheit sprichst, Tagen müssen: es ist wunderbar! Siehe diese Gesittung an mit all ihren trefflichen, srgensreichen Sagungen und Einrichtungen, und sieh dieses herrliche freie Gemein­wesen an, das weit und breit seinesgleichen sucht — allüberal um und Her giebt es nur Herren’ und Knechte. .... . und du wirst, so du unbefangenen und herblidenden Auges bist, sagen müssen: es ist wunderbar ! Meine Tochter, es regt sich etwas mie Stolz und Hofgefühl in dir, wenn du das alles mit willfähriger Erkenntnis betrachtest! Sieh deine Volls­­genossen genauer und ohne Bitterkeit an. Unsere Bürger, wie sie dir gegen­­wärtig vors Auge treten, sind Harte, Knorrige, ungelechte Gesellen — unsere Bauern Reden, wie aus Eichen gehauen. Bei voller Kraft und Selbstgefühl — wahrhaft, streitbar und masfenliebend. Treu, standhaft und ausdauernd — von seiner überfeinen Lebensweise, von seinerlei Genuß- und Vergnügungssucht verweichlicht und angetreffen. &8 giebt der Zahmen und Schlaffen wenige, er giebt sein sogenanntes Spießbürgertum unter ung. Jeuk­leinen Novelle. Bon Baron Josef Edtvös. Weberjet von Franz Arz. (2. Hortregung.) Ich war vom reiten Weg abgelommen, und zu dem unangenehmen Gefühl, mit dem diese Ueberzeugung den Menschen selbst auf dem glattesten Beg erfüll, kamen auch noch die Besorgnisse, die in mir betreffs des Wetters aufstiegen. Die leichten Wolken, deren Schatten ich früher, wenn sie über den Bergabhang dahineilten, so schön gefunden hatte, wurden immer dichter, und einzelne Berggipfel Hülten fi in Nebel. Nach längerem Nachsinnen ent­­schloß ich mich schon umzulehren, als ich, indem ich in der Nähe der Fels­­wand einen weniger steilen Weg suchte, zu einem an der Berglehne sich hinaufziehenden schmalen Thal oder richtiger zu einem Wasferriß gelangte, der gradaus auf den VBergraden führte. Der Weg, dem ich unerwartet vor mir sah, war nicht verladend, aber wenigstend schien er gangbar. An einzelnen mood- und grasbewachsenen Stellen, die hie und da zwischen den Seiten fi zeigten, bemerkte ich zahlreiche und wo früshe Spuren, und da der Weg, den ich von meinem jegigen Standpunkt aus und Thal hätte zurückgehen müssen, weder weniger schwer noch weniger gefährlich war, als der, der aufwärts führte, entschloß ich mich, in der von mir eingeschlagenen Richtung weiter zu gehen, was, so oft wir zu unserer früheren Lage ohne große Schwierigkeiten nicht zurückgelangen können, das Sicherste ist. Meine Lage war bei alle dem nicht angenehm. Mein Weg wurde mit jedem Schritt schwerer und steiler. Das schmale Stück des Himmels, das ich über mir sah, wurde von einem immer dichteren Schleier bedeckt, wodurch meine ohnehin ernste Umgebung ein no wilderes Ansehen gewann. Die Feldwände, zwischen denen ich mich emporarbeitete, erschienen immer dunkler, und der eisfalte Wind, der in einzelnen abgerissenen Unfällen über die Seiifen heufte, deutete auf einen heran­­nahenden Sturm. Ich war fast überzeugt, daß er ausbrechen wü­rde, bevor ich den Gipfel erreichen könnte, und mit verdoppelten Schritten eilte ich aufwärts. Endlich war ich auf dem Bergrüden. Aber obgleich ich mich, da ich fast zwei Stunden lang ohne Pfad bald über Gerölle, bald über unge­­heure eisfrüde mehr gefrochen, als gegangen war, ganz ermüdet fühlte, ließ an die bor mir fi eröffnende Aussicht auf einmal meine Müdigkeit vergessen. In Gebirgsgegenden besteht eine der Hauptannehmlichkeiten des Reifens in Ueberraschungen. Während die Ebene wie ein ungeheures Rettungsblatt vor uns liegt, dessen ganzen Erhalt bis hinab zu den Kornpfeisen wir auf einen Blick durchgehen, eröffnen in den Bergen ein paar Schritte einen ganz neuen Gesichtstreid vor und. Sobald wir einen Hügel umgangen oder einen Grat überschritten haben, ist alles, das Thal, das wir bisher durchzogen haben, das Dorf, die Berge, die es umgeben, der Bach, dem wir stundenlang gefolgt sind und an dessen Brauten wir und gewöhnt Haben, auf einmal verschmunden. In einer neuen, bisweilen ganz anders gearteten Gegend befinden wir uns, und von unsrer früheren Aussicht bleibt höchstens ein einzelnes Schneegebirge oder ein Velogipfel, der den Hintergrund des ganzen Bildes ausmacht. Wenn­­wir in den Alpen reifen, erleben mir täglich solch plößlichen Wechsel der Aus­­sicht; aber ich erinnere mich nicht, daß ich mich jemals so überrascht, so hin­­gerissen gefühlt Hätte, wie diesmal. Der Bergrüden, auf den ich mit so viel Mühe hinaufgelangt war, führte mich, da er sich vor West nach Ost zog, von des Berges nördlicher Übdachung, auf der ich mich bisher hinaufgearbeitet hatte, auf die südliche. Diesem Umstand war es zuzuschreiben, daß die fahlen Felsen, die sich dort z­wei­­tausend Fuß tief ins Thal hinabzogen, hier von Alpenweiden, die sich fast bis zum Grat ausdehnten, abgelöst wurden. Auf einmal, wie durch einen Zauber, befand ich mich auf einem mit den farbigen Blumen der Alpenflora geschmückten Felde, auf dem eine ganze Schaar von Schmetterlingen um mich her­spielte, die zwar weder an Mannigfaltigkeit no an Sarbenpracht mit den Schmetter­­lingen der Ebene metteifern künnen, aber hier an den Grenzen der Pflanzen­­welt unser Auge ebenso angenehm überraschen, wie die vollen Büschel von blühenden Gentianen und wilden Thymian. Nicht weit von mir weidete eine mit ihren Blechiibellen Täuzende Herde, weiter unten dehnte sich eines der schönsten Thäler aus. Die ganze Berglehne, die ich jeit nach kurzer Kaft abwärts ging, sah wie ein großer Garten aus. Oben standen in malerischer­­ Unordnung zerstreut Sennhütten und Gruppen von Tannen, weiter unten hübische Bauernhäuser, umringt von Wedern, deren gelbe Röhren mit dem lebhaften Grün der Wiesen anmutig abwerhselten. Ueberall war Leben und Blühen, überall die Spuren menschlichen Fleißes, und wie wenn ed der Wille meines gütigen Geschides wäre, daß an dem Genuß dieses Augenblids gar nichts fehlte, lag al dies in dem warmen Licht des schönsten Sommertages. Das Gemölt, das ich vorhin für das Zeichen eines herannahenden Uns gewittert gehalten hatte, bestand, wie sich feßt zeigte, nur aus einigen Wolfen, die auf der andern Seite des Berges gerade über dem schmalen Thale standen, durch das ich Herausgeflommen war. Auf der Lehne des Berges, two ich jet war, mölbte sich der Himmel wolfenlos über mir, So war entzückt, hingeriffen. Wer aus den Polargegenden an einem der schönsten Sommertage plöglich in unser gemäßigtes Klima verseßt würde, könnte ich nicht glückicher fühlen. Wie wenn ich erst recht aufge­brochen wäre, eilte ich mit erneuerter Kraft dem Thale zu, und da ich bei jedem Schritt neue Schönheiten fand, dachte ich eine Zeit lang gar nicht daran zu raffen. Aber wie große Bilder und Gedanken immer in unserer Seele in den Alpen erwachen, der poetische Genuß, den wir beim Wandern durchd Gebirge finden, unterscheidet sich in dem einen Punkt, und zwar vorteilhaft, von andern, daß er unsern Appetit fördert, und so kam mir denn bei all meiner Entzüdung in den Sinn, daß der Mittag längst vorüber war. Ach begann zu fühlen, daß ich müde war, und weil ich von dem Dorfe, in dessen Turm ich in dem Thale sah, noch weit entfernt war, beschloß ich in einem der an der Berglehne zerstreut liegenden Bauernhäuser um Milch und Brot zu bitten und ein wenig auszuruhen. Hier in den Alpen bauen die Landleute fast überall, so viel als möglich, ihre Häuser in der Nähe ihres Grundbefiges, und daher kommt es, daß wir, während das Dorf außer Kirche, Schule, Pfarr­­haus und einigen Wirtshäusern nur aus wenigen Wohnhäusern besteht, an der Berglehne fast bis zur äußersten Grenze des fruchtbaren Bodens hinauf zerstreut die s­chönsten Bauernhäuser finden. (Sortfegung folgt.)

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