Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1929. September (Jahrgang 56, nr. 16849-16873)

1929-09-01 / nr. 16849

ageblatt ung für das Deutschtum in Rumänien­­ ;mit Zustellung L10—;mit Postve­rendung:Inland:Lei100«—;Ausland:l-« 135-«——;Einzelnmmnetze­—;Sonntagsnummer 1.6«­­Fernsprecher. Weinevolkszeit Hezngspris für einen Monat:Hermannstadt:ohne Zustellung boso«— Schriftleitung: Hermannstadt, Honterusgasse Nr.11, Verwaltung: Königin Mariastr. Nr. 23. — · , a­gnaast·r.. Schriftleitung Nr.ll und Nr.130. Fuss­ to Hermannstadt, Sonntag den 1. September 1929 56. Jahrgang Kulturbedeutung des Auslanddeutschtums "Von Geheimrat Prof.Dr .Hermann Oncken,München beseisen Hatten. * Sei anläßlich der Ferienhochhkulturfe in Hermannstadt gen, wie wir sie in den Tagen Des Glücks niemals meilende herborragende Vertreter deutscher Kultur und Bifferschaft stellt uns die nachfolgenden bedeutsamen Ausführungen zur Verfügung. ». Schr. Seigt das deutsche Schicsal in Vergangenheit und Segenwart vor unserem ‚geistigen Auge auf, so eröffnet si) uns alsbald ein z­weifaches Blidfeld. Hier das Deutsche Neid das wir in entsagungsvoller Arbeit heute zu befreien und zu erneuern beginnen — dort das deutsche Volfstum,­­ das al Ganzes unserem Stade nit eingeordnet, sondern zugleich jenseits des Stad­es, in mannigfachen fremdstaatlichen Bindungen in der Welt lebt, eine­ vielstufige Gemeinschaft Des Blutes und der Sprache, die in ihren Testen Auf­­fäwern nur noc Durch irgend­welche Fäden Des Ge­­fühl oder verflingender Erinnerung mit dem Ur­­sprung ihres Lebens verknüpft ist. Staat der Deut­­schn und Bolfstum der Deutschen, das sind zwei Welten, die sich auf unendlich viele Wei­se berühren um auch voneinander scheiden, die sich mannigfach überschneiden und manchmal ganz aus den Augen bef­­­teren. Die Doppelte Problemstellung unse­res nationalen Sein kündigt sich in Ddiejser Tatsache an. Sie ist als solche auch anderen großen S­ultur­­helfern nicht fremd, aber seinem unter allen ist sie in so erschütterndem Ausmaß, in so furchtbarer inne­­rer Spannung aufgebürdet worden, mie eben uns Deutschen. Schon unserem Staate im Herzen Europas it das 208 sch­wer genug gefallen; aber die Unerschöpf­­lichkeit unseres Bodens und Blutes, die Unsterblich­­keit seiner geistig - sittlichen Triebkräfte hat uns auch die schhwersten Schläge des Schicsals, die unsreie staat­­lich-politische Existenz trafen, immer wieder überb­in­­den lassen. Fassen wir aber unser Bollstum als eine große geschlechtliche, überstaatliche Einheit, so scheinen sie Verhängnis und Schuld, Größe und Tragif­ierge­­stalt zu verstrnden, daß seinen Erlebnissen sein Büf­­ferihidjal neuerer Zeiten vergleichbar erscheint. Wir stehen vor dem erschütternden Ergebnis, daß das Be­wußtsein seiner selbst, das ein großes D­olf aus seiner Geschichte, seinem Geiste, seinem Staate sich aufbaut, bei uns bis in die legten Tiefen hinein gespalten ist. Während im Aufstieg anderer großer Völker die Masse der ausgezogenen Söhne dem Körper und dem Geiste des Ganzen in der Regel so verbunden blieb, daß sein Brosamen von ihren Tischen fiel, ist das reiche weltgeschichtliche Erbe, das unser Blut und unsere Seele in die Welt ausströmen ließen, in vielerlei Hän­­den, manchmal wohl einem wuchernden Bande glei­chend, aber häufiger noch vertan, entfremdet und ber­­geffen, spurlos verrinnend selbst in einem Boden, den wir am frühesten bestellt und am reichsten befruchtet. Dieser erste Eindruck teilt sich jedem mit, der nur von außen her an die Tatsache des Auslanddeutsch­­tums rührt, und jede eindringendere Beschäftigung mit der geschichtlichen Rolle des deutschen Geistes in Der Welt kann diesen Eindruck nur vertiefen. Es ist auch nur so, als wenn wir vor dem Weltkriege Diesen gan­­zen Problemfreis ungebührlich vernnläßigt hätten; wissenschaftliche F­orschung und praktische Arbeit haben schon damals auf diesem Felde mehr geleistet, als dem jugendlich erwachten Interesse von heute hier und da geläufig ist. Aber mit dem Ausgang des großen Krie­­ges haben alle diese Dinge ein viel ernsteres Gesicht für uns bekommen .Jener schidjalhafte Prozeß Des Auseinanderfallens von Staat und Bollstum, Den wir auf der Höhe unseres neuen Reiches gleich­am zum Stehen gekragt mwähnten und daher in anscheinender Sicherheit vielleicht allzu gelasjten hinnehmen, Diesen Brosch sehen wir heute im vollen Tageslicht Der Ges­­chichte ins Massenhafte gesteigert, im Tempo ji über­­stürzend, wieder aufgenommen; wir sehen Die Sluten aus der Ferne bis an unser Tor heranrollen, alle Inseln unseres V­olfstums umbranden, einschmeiden in unser innerstes Leben. Es hat der furchtbaren Heim­­suchung bedurft, denen deutscher Staat und Ddeutsches Boltstum nach dem Zusammenbruch gleichmäßig unter­­lagen, um nunmehr die Ahnung einer gesamt­­deutischen Shidjelsgemeinschaft zu ergen- Das Behwußtsein der deutschen Kulturgemeinschaft und der Wille zu dieser Kulturgemeinschaft muß heute von dem deutschen Menschen in der Welt selber getra­­gen werden. Das Reich hat andere und dringlichere Aufgaben. Man mache sich ferner war, daß alles das, was früher der ö­sterreichische Staat durch eine bloße E­xistenz für die Erhaltung der deutschen Kul­­turstellungen in seinem Bereiche leistete, heute von einer staatlichen Macht gar nit übernommen werden kann — das deutsche Bolf als j­olches muß die Erbschaft antreten. Aber auch wenn wir den Begriff einer gesamtdeut­­schen Kulturgemeinschaft, der Reichsdeutsche, Grenz­­deutsche und Auslandsdeutsche umfaßt, nur in seinem geistigen und von aller politischen V­ermischung be­­freiten Kern umfassen, so sehen wir uns einem unab­­sehbar verhwidelten Probleme gegenüber. Was die ein­­zelnen Glieder des Auslanddeutschtums mit dem Ge­­samtinhalt unserer Kultur verbindet, muß schon aus geschichtlichen Gründen Höchst verschiedenartig gestaltet sein, und die Frage, was sie für uns und wir für das in diesen Jahren en Nationalismus von gestern auf unsere Kosten gesündigt hat und zu sündigen fortfährt, ist ein Erlebnis, das sich aus der deutschern Seele nicht einfach wegwischen läßt, weil die Angehörigen eines großen Volkes num einmal nir wie stumme Hunde allemal zuschauen künnen, was die heiligsten Güter ihres V­olfstums in den Staub tritt. Der deutsche Staat als solcher beginnt si in diesen Jahren langsam aus dem Zusammenbruch zu erheben. Die Wunden aber, die der großen Kulturgemeinschaft unseres Bollstums geschlagen werden, fahren fort zu blitten. Damit aber hat sie die Summe der auslands­­deutschen Probleme, der alten wie der neu­en, unab­­sehbar erweitert und verschärft. Mit einem Male ist auch den Angehörigen unseres Volkes, die vorerst mehr an ihre engsten Nöte denken, zum Bewußtsein ge­­kommen, daß es einen großen Zusammenhang von Lebensfragen in der Welt gibt, die irgendwie einen jeden von uns angehen, € 3 ist, als wenn das deutsche Geschichtsbild ji rüdwärts und vorwärts er­weitere, vertiefe und mit neuen Inhalten Fülle, mit den sicht­­baren Ordnungen des Staates si nicht mehr molle genügen lassen, sondern das Unsichtbare und Unsterb­­liche der deutschen Seele in der Welt in si aufzuneh­­men trachte: das tiefe Gefühl einer Schill alsgemein­­schaft beginnt aufzusteigen, die wir so noch nit er­­lebt haben. Dieses Gefühl ist nit nur in uns N Reichsdeutschen erwacht, die wir im Mittelpunkt dieses Erlebens stehen, sondern es beginnt fi auch als etwas Gemeinsames den einzelnen­­ Außenposten umseres P­olistums mitzuteilen, die untereinander niemals einen Zusam­­menhang bejeiten und demgemäß auch nur einen ge­ringen Anteil des Gemütes aneinander genommen hat­­­ten. Es ist sogar die neue Ordnung der Welt selber, die, gleichsam durch eine List der Idee, dazu beiträgt, eine neue Form der Gemeinschaft zwischen den versprengten Trümmern unseres Volkstums zu schaffen. Wo immer deutsche Minderheiten in fremden Staaten die gleichen völkerrechtlichen Rechtstittel befiben, werden sie in der Geltendmachung ihrer Ansprüche naturge­­mäß in die gleiche Front gedrängt und zur Fühl­­ung mit­einander genötigt. E3 stellte si bald heraus, ‚daß man vom Freistaat Danzig und von Gaarbrüden aus Dieselben retlichen Bürgschaften anzurufen sich veranlaßt finden konnte. E3 entwickelt ich ein völlig neuartiges Solidaritätsbewußtsein, wenn die Kultur­autonomie, über die eine deutsche Minderheit in dem einen Staate rechtlich verfü­gt, zum erstrebenswer­­ten politischen Ziel auch für eine Minderheit in einem anderen Staate wird. Die fü­r ihren Lebenswillen ji allein auf das Recht berufem Tann, das in den Sternen geschrieben­ steht, sie bedeuten, wird fast in jedem Einzelfalle eine be­sondere Antwort finden. Der winübersehbar bunte Reichtum individuellen Lebens, der die deutsche Art kennzeichnet, fest­ sich in den kulturellen Querschnit­­ten des Auslanddeutschtums, die mit ihrem jeweils besonders ausgeprägtem Eigenleben, in verstärktem Maße fort. Er unwiderstrebt jedem V­ersuche, seinen Ges­talt auf eindeutige und­ überall anwendbare Formeln zu bringen. Die Berührung eines einzelnen mit einem fremd­­nationalen Staats- und Kulturleben fan an ji eine zweifache und entgegengelegte Wirkung ausüben. Sie kann ebensosehr ein Gefühl der Steigerung des nationalen Bewußtseins auslösen wie zu seiner Beeinträchtigung und Bek­ümmer­­ung führen .­ürst Chlodwig Hohenlohe erzählt ein­­mal, daß er in seiner Jugend in Paris, fern von der Seinen und auf si selber gestellt, plöglich die Heimat wiedergefunden und das Erleben dieses ver­­tieften Heimatgefühls für sein ganzes Leben bewahrt habe. Wie viele Deutsche, die längere Zeit oder dau­­ernd im Ausland zu leben genötigt waren, haben etwas Aehnliches in fi erlebt. Zumal das Grenz­deutichtum pflegt aus der steten Berührung mit fremder Kultur eine in jedem Augenleid auch zur Verpflichtung empfundene geistige Haltung zu ge­win­­nen, deren bewußte Betontheit es von jenem Binnen=­­Deutichtum unterscheidet, das ganz in ji selber ruht und ji niemals zu einer inneren und äußeren Aus­­einanderliegung mit einem nationalen Anderssein ges­nötigt sieht. Die Dinge können aber auch den umgekehrten Ver­­lauf nehmen. Die fremde Umwelt kann sich auch, aus äußeren oder inneren Gründen, als kulturell überlegen oder immerhin anziehender einwei­­sen und die geistige Physiognomie des deuten Aus­­wanderers? mehr oder weniger in sie Hineinziehen. &3 wird gerade den Deutschen nachgesagt, daß sie, viel­­leicht weil sie einen eindeutigen, scharf umrissenen und ausgeprägten Kulturtypus nit bejiten, oder auch, weil sie einen besonders aufnahmebereiten Sinn für das Anderssein haben, mehr als andere Wälser dazu neig­­ten, si anzupefsen und si aufzugeben. Si möchte jedoch auf diese vielerärterte Frage seine Antwort mit ja oder nein geben, &3 ist nit einfach eine Frage des nationalen Charakters, weshalb zum Beispiel Die KRahlommern der Achtundvierziger, die mit einem fast herausfordernden nationalen und politis­chen Bewußtsein nach Amerika gingen, sich drüben vielfach sobald dem Angloamerikanertum anpaßten, und weshalb Die Nachkommen der Donaufirmwaben in ihrer bescheidenen bäuerlichen Existenz so viel von ihrer Eigenart zu bewahren vermochten. Ebenso wie Die ge­schichtlichen Bedingungen, unter denen ji jeweils ein Auslanddeutschtum im verschiedenen Teilen der Welt bildete, im Geistigen, Wirtschaftlichen und Sozialen die verschiedensten Schattierungen aufweisen, werden auch die Aussichten für ihre kulturelle Artbeständigkeit weit­ auseinandergehen. Die positive Kulturbedeutung einer auslandsdeutschen Gruppe wird nicht al­leindaphon abhängen, wie­ viel sie an fultu­reller Mitgif­­t s vhon von Hause mitbrach­­te, sondern ebensosehr von den Möglich­keiten, die ihr gegeben waren, diese Mit­gift in einem lebendigen geistigen Zusam­­menhange aufzufüllen und zu erneuert. Zulest entscheiden hier die Persönlichkeiten, Die weni­­gen, die den geistigen Auszug des ausge­wanderten Volkstums sinnfällig verkörpern, in der Menge der Zeiber und Hände die beseelten Träger der Unsterbs­lichen. + Ein Auslandsdeutschtum, das seine kulton relle Herkunft nicht verleugnet, wird immer Der ge­borene Vertreter deutscher Kultur­werte in seiner neuen Umwelt sein künnen. Schor dar,­fein bloßes Dasein verleiht es den Kulturwer­­ten, die wir in Kunst, Dichtung und Mi­ik, in Wis­­senschaft und Technik geschaffen haben, eine leichtere und weitere­­ Resonanz. Manchmal wird es sogar siche­­rer beurteilen können, welchen deutschen Kulturwerten es gegeben ist, ji auch im Angesicht einer fremden U. Biblioteca Judeteana ASTRA IN *21350P* —=— x 2­5 I ,. H­­ =

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