Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1929. September (Jahrgang 56, nr. 16849-16873)

1929-09-15 / nr. 16861

ET ET nit, AS? OBLÄTTN­ER­­ . Museun für ronseni So­­n ® Litera’ tete ag ee PR ‚Taxels par =" a: tite in num­­rar ord. Dir. Gen. P. T.T. 228720/926 ag allemeine Volkszeitung für das Deutschtum in Romänien Schriftleitung: Hermannstadt, Honterusgasse Nr. 11, 9 für Königin Mariastr. Nr. 25. — ch Schriftleitung Nr. 11 und Nr. 130, Bezugspreis für einen Monat: Hermannstadt: ohne Zustellung L 90 °— ; mit Zustellung L 100 °—; mit Bestversendung: Inland: Lei 100 °—; Ausland: L 135’—; Einzelnummer Lu 5 °—; Sonntagsnummer L 6— Ar. 16861 Hermannstadt, Sonntag ben 15. September 1929 .* il 7­eblatt 56. Sahrgand m Die Leuerprobe (9. BL) Dem europäischen Nationalitätenkongreg in Genf hat der rumänische Abgeordnete Ghita Pop beigewohnt, der über Betrauung des Ministerpräsi­­denten auf einer Auslandrei­fe begriffen ist, um den Stand der Minderheitenfrage in den verschiedenen Län­­dern zu studieren. Ghiga Vop war Zeuge der Aner­­kennung, die auf dem Kongreß der Regierung Marti dafür gezollt wurde, daß sie die Schaffung eines Min­­derheitengefeges in ihr Programm aufgenommen hat. Bir sind überzeugt, daß er diese Anerkennung in Dem ehrlichen Bewußtsein entgegengenommen hat, daß sie verdient sei. Soweit wir die Ansichten und Absichten des Ministerpräsidenten fennen, hat es si in der Stunde, mo­l dieses Minderheitengeieg verhelfen würde, nicht um eine Spiegelfechterei gehandelt dazu ber stimmt, dem Ausland die Augen auszumischen, sondern um den ernsten Willen, ein Werk zu schaffen, daß Rumänien an die Sorge jener Staaten stellen soll, denen die Lösung der Minderheitenfrage obliegt. Im­­jo befremdlicher mußte er uns berühren, als unmittel­­bar darauf von der Telegraphenagentur Nador, dem amtlichen Organ der Regierung, eine Stellungnahme zum geplanten Minderheitengefeg verlautbart wurde, die schwerste Bedenken bei uns erweden mußte. Es wurde ausgeführt, daß die Bestimmungen des künf­­tigen Weinderheitengefeges die im Friedensvertrag auf­­gestellten V­erpflitungen als starre äußere Grenze ansehen würden, daß bei Anwendung des Geieges ein Unterschied gemacht werden würde zwischen Ioyalen und irredentistischen Minderheiten und da jene ver­­giftete These von der Wiedergutmachung früheren Un­­rechtes auch im Minderheitengeieg ihren Niederschlag finden werde. Wir waren ehrlich, bestürzt über solche Auslassun­­gen von einer der Regierung nahestehenden Stelle, aber wir konnten annehmen, daß «3 sie dabei um eine Entgleisung gehandelt habe, wie sie gelegentlich vor­kommen kann. Daß der Faden dieser Regierung dann begierig fortgesponnen wurde von der Presse eines gewissen Schlages, hat uns nicht gewundert. Aber: befremdet hat uns dann abermals die Nede, die den Augenminister unseres Landes Herr Mironescu in der Sagung des Völkerbundes gehalten hat. Wir gestehen dem Leiter unnserer auswärtigen Politik jedes Recht zu, Ausführungen zurückzumessen und zu bekämpfen, von denen er eine Gefährdung der territorialen Einheit unseres Landes besorgen zu müssen glaubt, und zu seiner Antwort auf die Rede des Grafen Apponiyi haben wir sein Wort der Kritik, obwohl der heutige Standpunnkt Apponyis ein anderer ist als der vor 20 Jahren. War es aber notwendig, daß Herr Miro­­nescu die Bedeutung der Minderheitenfrage für Ru­mänien in Abrede stellte, war es notwendig, daß er die alte Leierfastenmelodie erklingen ließ, die Minder­­heitenfrage unseres Landes werde von gewisser Seite nur EFünftlich aufgebaucht? Er Hatte Fein­recht in jener Rede zu sagen, daß die Minderheiten in Ru­­mänien gut behandelt würden, denn bis heute ist das nur der Fall. Er hatte auch sein Recht, sich auf den­ Staatsbeitrag von 25 Millionen Lei für die Minder­­heitenschulen zu berufen, denn bis heute ist dieser Bei­­trag wo nicht ausgezahlt. Es wäre besser und es wäre gerechter ge­wesen, wenn Herr Mironescu nich von der Vergangenheit gesprochen hätte, sondern von der Zukunft, wenn er dem entschlossenen Willen der Regierung Maniu Ausdruck gegeben hätte, die Min­­derheitenfrage für die Zukunft in gerechter und groß­­zügiger Weise zu lösen. Wenn Herr Mironescen fi auf die Gehege berief, aus denen die gute Behandlung der Minderheiten zu ersehen sei, dann erinnern wir daran, daß auch seine Regierung uns mit dem Bakfa­­laurentgejes und dem Verwaltungsgeset eher neue Wunden aufgerissen, als alte Wunden geheilt hat. Aber gerade beim Verwaltungsgeseß hatten wir unserm Wil­­sen Ausdruch gegeben, nicht mehr die Vergangenheit, sondern die Zukunft sprechen zu lassen. Wir warten Darauf, was uns das Minderheitengeset bringen wird und darnach werden wir unsere Haltung und unser Handeln einrichten. Ueber gewisse Vorauslegungen aber muß Klarheit bestehen. Wir selbst haben uns oftmals auf den Frie­­densvertrag berufen und man hat uns die Anerken­­nung seiner Verbindlichkeit vorenthalten. Wir haben die Ergänzung dieser Verpflichtungen durch die Ver­­sprechungen von Karlsburg verlangt, auf die Rumänien in Paris Ii berufen Hatte Nun Yäht selbst die offi­­ziöse Stimme der Regierung die Karlsburger Beischlüsse unerwähnt und will ss bei der Zuerkennung Der Minderheitenrechte streng in den Grenzen des Frie­­densvertrages Halten. Da erinnern wir uns an Das Wort eines rumänischen Boliziker, als einmal die Gel­­tendmachung unserer Rechte betont wurde. Da stellte er die Frage, welche Gerechtigkeit wir mollten. Die strenge oder die liebevolle Gerechtigkeit. Die strenge Gerechtigkeit sei fait und ohne Leben, die liebevolle Gerechtigkeit allein künne die Zufriedenheit der­ Wölfer schaffen, und diese liebev­olle Gerechtigkeit wolle uns Rumänien geben. Ganz anders klingt es nun, wenn Rador sagt, dak Die Rechte der Minderheiten streng in den Grenzen der Veiträge festgelegt werden sollen. Das Flingt Falt, eines fast bis ans Herz hinan. Und die Bedeutung solcher Einschränkung wird verstärkt durch den Hinweis, daß nur loyale Minderheiten der Vorteile Dieses Geheges teilhaftig würden. Wir Iehen nicht unweltfremd genug, um nit zu unwissen, daß Das Vertrauen des staatsführenden Volkes zu der Loyalität seiner Staatsbürger anderer Sprache eine Rolle spielt. Wie in dem G Strafgeieg immer wieder von den guten Sitten gesprochen wird, ohne daß man diesen Begriff genauer umschreiben kann, aber­­ doch davon sprechen muß, weil sein anderer Ausdruck Dafür besteht, so spielt auch die Loyalität der Staatsbürger in der Politik gewiß eine Rolle Aber wir verwahren uns Dagegen, daß man eine Zensur­­ dieser Loyalität zur Vorbe­­dingung der Gewährung von Rechten macht. Die im Sinne von Verträgen, in Erfüllung von Beisprechungen und im Interesse der staatlichen Wohlfahrt unbedingt gegeben werden müssen. Wir veri­ahren uns Dagegen, daß jeder große oder kleine Basha das Recht haben sol, uns ins Herz hinein zu schnüffeln, ob wir loyal sind, und Davon seine Haltung im Namen des Staates ab­­hängig macht. Von den Wortspielereien haben w­ir genug,­­mit denen nun seit Jahren, von Genf bis Bukarest und von Titulescu bis Mironescu Flangball gespielt wird. Wir erwarten endlich ernste Worte und ernste Taten. Das sollen denn­ociese Wortgepläntel bezi­ehen? Wollen sie ung mürbe machen, dah wir uns als Schwim­­mer in einem reifenden Strome fühlen, die schliek- Gch froh sind, wenn ihnen ein Strohhalm statt des erwarteten Baumstammes gereicht wird? Wir sehen die Sache ganz anders an. Wir wissen, das Minister­­präsident Maniu­si) selber die Entscheidung in Fra­­gen der Minderheiten vorbehalten hat ,und wir er­­warten von ihm das Minderheitengefeg. Wir tr­nen ihn persönli, wir kennen den Kreis, aus dem sein po­­litisches Wirken hervorgegangen is. Aus­­ diesem Kreise war uns vor elf Jahren das V­ersprechen ge­geben worden, das rumänische Volk werde aus Unter­­drücken nir zu Unterdrücern werden, es wurde uns versprochen, wir würden im neuen Staate ein besseres Schicsal haben als im alten. Wir haben die uns ge­gebenen Versprechungen im Sinne beivah­rt und wir Hass­ten uns an sie. Nicht wie Shylos mit einem Messer in der Hand, sondern mie deutsche Männer, fü­r die viel davon abhängt, ob ein ihnen gegebenes Wort eingelöst wird. Dreimal hat unsere Staatspolitik große Gelegenheit ge­­habt, feste Grundlagen für die Beziehungen mit den Minderheiten zu schaffen, einmal bei der Verfassung und zweimal beim Verwaltungsgeiet. Dreimal sind wir ent­­­täuscht worden. Die Schaffung des Minderheitengesetes sehen wir dafür an, daß die rumänische Regierungs­­politik die Feuerprobe besteht, was wir für die Zukunft zu erwarten haben. Iie ihre Gesinnung und ihr Wille von echtem Stahl, dann wird Das neue Gejet gehärtet und gerundet Daraus hervorgehen. Ist der Kern brüchig, dann wird es schmelzen und wir werden einen unnahen schwarzen Eisenstumpf in der Hand Halten. Wir wiederholen nochmals: es hängt viel für uns von dieser Entscheidung ab. Dem müßte auch die rumä­­nische Oeffentlichkeit Rechnung tragen. Die Blätter der liberalen Partei wüten ihre oppositionelle Ungebun­­denheit dazu aus, die Regierung anzugreifen, daß sie zu nachgiebig gegenüber den Minderheiten sei. &3 it. die billigste Taktik, aber sie ist nicht Hug. Wohl wissen wir, daß auch die Liberale Partei in der Regierung weniger Bramarbas uns­­ gegenüber war, als Heute in der Opposition. Aber sie hätte von der heutigen Erzherzog Franz Ferdinand . Das Regierungsprogramm. (Dr. jur. R. SH.) Ueber einen Staatsmann — denn als solcher kommt ja der Herrscher eines Landes in Betracht — zu schreiben, bevor sich Derselbe zu be­­tätigen Gelegenheit hatte, ist eine mögliche Sache. Franz Ferdinand hat zwar in den politischen Problemen Oesterreich-Ungarns Stellung genommen, aber doc nicht in ungehemmter Weise, sondern nur in der Gebunden­­heit des fur den Herrscher beengten Thronfolgers und in programmatischen Wenkerungen und Anfh­aus­ungen. Dabei sind­­ diese Neußerungen, gerade in Der Hauptsache nicht einmal autoritativ. Es besteht ein vollständig ausgearbeitetes Regierungsprogramm, das sich auf alle Einzelheiten und Aufgaben erstrebt, die ss bei dem Regierungs­wechsel als notwendig erweisen würden, wichtiges und unwichtiges, inhaltliches und formelles in buntem Wechsel. Dieses­­ Regierungspro­­gramm stammt aber aus der Feder des Flügeladjutanten Franz Ferdinands, der auf ihn den größten Einfluß geübt und dem er anscheinend am meisten vertraut hat, des als Obersten gefallenen Alexander Brojd. Das Verhältnis zu dem späteren Flügeladjutanten Dr. Oberst und m während des Krieges General­ Bardolff scheint nicht das Blei vertrauensvolle gewesen zu sein. Bar­­dolff hat ji später als Deutsche national bekannt. Ein Biograph macht die Bemerkung, daß Franz Ferdi­­nand, der nu­r den Österreichischen Gesichtspunkt kannte, dieses anscheinend herausgeführt habe. Der spätere Mi­­nister des Weufern Graf Ezernin hat ein geheimes Tagebuch geführt, das ihm entwendet und von einem tibechischen Blatte widerrechtlich veröffentlicht wurde. In­­ diesem Tagebuch ist die Stelle enthalten, das Franz Ferdinand grenzenlos faul gewesen sei. Das sei die Ursache gebvesen, daß er seine Pläne niemald selbst ausgearbeitet habe, sondern dies von seinen Leuten besorgen Tief. Man fan­n nun nit wissen, wie meit ih Franz Ferdinand mit dem von Broich ausge­arbeiteten Regierungsprogramm i­dentifizierte, wie weit sein Verstand und seine Begabung tiefer ging wie das, was­­­ieses Programm auf­weist. Wenn das, was in diesem Regierungsprogramm steht, als als prak­­tische Politik des zukünftigen Herrschers der Weisheit legter Schluß sein soll, so wird man sich eines un­angenehmen Gefühles nicht erwehren künnen, daß es auch mit dieser Weisheit gute Wege hatte. Das N­egierungsprogramm oder wie man die Schrift immer nennen will, steigt von politischen Naivitäten. Man sieht, daß der Mann, der Diese Feder führt, nie praktisch politisch tätig war, daß in seinem Geiste Ge­­danken beieinander wohnen, die in die Tat umgejegt, sich als Geschehnisse gegenseitig umrennen, das allern verschiedenste politische Schwergewicht besigen. Der Wunsch ist es all hier, der als Vater des Gedankens sie mit einer Leichtigkeit in die Höhe schwingt, der das Schwergewicht der Tatsachen in seiner Weise zu folgen in der Lage getreten wäre. Der Berfasser der einzigen Biographie, die es leis­tet, Kon­stanz Fer­­dinand gibt,­ drüdt D diesem im gewissem Sinne ein geistiges Armutszeugnis, oder da Franz Ferdinand Geist, Verstand gehabt zu haben scheint, u­m wenigstens ein Zeugnis politischer Fpdeenarmut auf, wenn er Die Speen Franz Ferdinand, nur als Spiegel dessen Dar­stellt, was andere in Dieser Beziehung gedacht und geschrieben haben, so in erster Reihe der geistreiche Romane U. Popovici in seinem Buche über Groß­­österreich. Das Bopopict'sche Buch enthält eine radikale Umherzeigung möchte man fast sagen, der Struktur der österreichischheungearischen Monarchie, die sich an­­gar * Theodor von­ Losnoc flug: Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand. München. Verlag R. Oldenburg. . ee Pa

Next