Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-03-22 / nr. 23

.. . 107 für discret, weil er der sächsischen Nation in dem Augenblicke , wo diese ihre Mitnationen nicht hin­­dert ganz gesund zu werden , als Erwiderung ge­­stattet länger == krank zu bleiben. Wir müssen ge­­stehen , daß wir mit diesen Begriffsbestimmungen uns nicht befreunden können, und kommen fast auf den Gedanken, es habe der Einfluß des Ultrapatrio­­tismus irgend­eine Täuschung an die Stelle richti­­ger Definitionen geseßt. Denn die sublime Lehre vom nordischen Coloß , dessen drohende Stellung eine Assimilation aller Bewohner von Ungarn und Siebenbürgen , oder deutlicher gesagt , eine durch­­gängige Magyarisirung beider Länder nothwendig mache , und daher jeder nichtmagyarischen Nation die Pflicht auferlege, aus Discretion und Klugheit ihre Nationalität allmalig­­ absterben zu lassen , ist für uns — wir gestehen es aufrichtig — ganz transscendent und unverständlich. Was endlich den Vorwurf der Sonderbarkeit anlangt, so haben wir darüber kein Wörtchen zu sagen. Ist es nehmlich wahr, daß eine Politik bloß durch ihre Principien und die Anwendung derselben sonderbar wird , so kann der verständige Leser sich auch die Frage, ob jener Vorwurf die Politik der sächsischen Nation und uns, deren Ver­­theidiger treffe, aus dem Gesagten selbst beantwor­­ten — wir aber scheuen diese Antwort nicht. Ueber Nationalität. xty. Nationalität ist jeßt das Losungswort der Zeit. Man betrachtet dieselbe als das Palladium der Selbständigkeit , als die reichliche Quelle der Ein­­heit und der Wohlfahrt der Staaten, und strebt daher mit einer Hast nach derselben , die so man­­ches zarte Verhältniß zerknit , ohne sich über ihr Wesen Rechenschaft zu geben, ihre Ursachen und Wirkungen mit den ewigen Gesäßen der Vernunft­­ zu vergleichen und erst dann über ihren Werth d. h. ihre Tauglichkeit zur Erreichung der Bestimmung der Menschheit abzusprechen. Die folgenden Zeilen mögen daher als Beitrag zur Untersuchung und Lö­­sung dieser hochwichtigen Tagesfrage dienen. Der Etymologie des Wortes nach (natio, natus) bedeutet Nationalität , die Uebereinstimmung der Menschen in einer speciellen Abstammung, die durch die specielle Sprache bezeichnet wird; denn generell genommen haben wir alle dieselbe Abstammung von einem und demselben Paar und können andrerseits­­ eine Nationalität, die specielle Abstammung durch nichts erproben als durch die speciellen Sprachformen. So weisen alle Deutschen auf eine und dieselbe specielle Abstam­­mung dadurch zurück , daß sie alle dieselbe specielle Sprache (die deutsche) haben; man kann daher sagen , die Deutschen bilden eine Nation , sie haben Eben dies gilt auch von den Slawen­­, so verschieden auch ihre Dialekte sein mögen, so haben doch alle dieselbe specielle Abstam­­mung, die sie durch ihre speciellen , so sehr sich nähernden Sprachformen erproben. Nicht minder läßt sich dies von den Magyaren , Walachen, Ita­­lienern , Spaniern , Arabern u­s. f. behaupten. Allein obschon diese etymologische Deduction richtig ist , so ist damit das Wesen der Nationalität , wie man dieselbe dermalen versteht, noch nicht gefunden; denn man legt im dermaligen Sinn in die Natio­­nalität eine bestimmte Beziehung auf den Staats­­zweck ; dieselbe soll ein Mittel und ein sehr vorzüg­­liches Mittel sein das Wohl Aller zu befördern. Es soll also in einem und demselben Staate, selbst ungeachtet verschiedene specielle Abstammungen und somit auch verschiedene Sprachen in demselben vor­­handen sind , eine Nationalität geben. In diesem Begriff der Nationalität kann also die Indentität der Abstammung kein wesentliches Merkmal mehr sein, weil es sonst ein Widerspruch wäre in einem Staate , wo verschiedene Abstammungen sind, von einer Nationalität des Ganzen zu reden, da sich die Verschiedenheit der Abstammung als ein ge­­geschichtliches Fachum nicht verläugnen und aus der Welt hinaus raisonieren läßt. Gilt aber auch ein Gleiches von der Sprache , ist auch die Ueberein­­stimmung dieser etwa in diesem Begriff der Na­­tionalität gleichgültig ? Dieß nicht, denn man will in neuerer Zeit die Nationalität selbst der Verschie­­denheit der Sprachen in" "demselben Staat unge­­achtet gerade dadurch begründen, daß man eine Einheit in der Sprache herzustellen strebt und die­­sem Ziele sehr viele Opfer bringt, wobei man von der Ansicht ausgeht, daß­­ die Sprache ein Act des Willens , des wechselseitigen Uebereinkommens ist, si also unter bestimmten Bedingungen bemeistern lasse, so daß die gewählte allgemeine Sprache (Staatssprache)dann nach und nach die der Abstammung anklebende Sprache verdrängt, und dadurch das histo­­rische Zeugniß dieser andern Abstammungen als solcher so verwischt , daß es fast eben so viel ist, als ob alle Einwohner desselben Staates auch die­­selbe Abstammung hätten. Einheit der Sprache

Next