Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1843 (Jahrgang 4, nr. 2-100)

1843-05-16 / nr. 39

- ER 41 162 G+ 829748 „GEO wären es nicht die krastreichen Erinnerungen aus dem Leben der Kleinstädter / deren Lob ih­m­’ ähnlicher­­ Weise verkünden würde, wie der Wiener Jesuit das Lob der Esel oder der Gänse, reimte sich's nicht allzu leicht auf Klein." Die Kleinen Großstädter aber und jeder große Kleinstädter werden diese prosaischen Studien für die ihren ansehen können, denn jeder wird in ihnen einen Grundton seines Lebens aufklin­ „gen, hören , und so greife ich denn zurück in den Schutt der Erinnerungen, und finde eine Menge Charaktere und Gesichter, die als physiognomische Typen für alle Kleinstädter und kleinen Städte gelten mögen , denn es ist eine Thatsache , daß man, wie am Kleide den Mann ,­so am Hause den­ Besißer, und an dem ganzen Habitus der Städte die ganze Bevölkerung erkennen kann ; nur muß man ihnen die Vorderseite abgewinnen, denn von hinten sehen sich alle Häuser ähnlich) , gerade wie die Menschen. Die Kleinstädter leben unter sich ein wahres Fa­­milienleben , sie nennen sich Alle — wer kennt sich in großen Städten ? — es geschieht nichts an einem Ende der­ Stadt, was nicht ,am andern desselben Tages bekannt , besprochen, miterlebt, würde... Die Kleinstädter bilden einen Körper, bestehend aus ei­­nem Stud Adel, einem Stück Militär, einem Bis,­chen Bürgers und Kaufmannsschaft­/ Handwerker, Adelbauer, und viel gewöhnlich Volk , nicht getheilt in Kotterie und Klubbs, wie in großen­ Städten, sondern neben und ineinander lebend, nach dem Ge­­seß der­ Natur und­ der Menschlichkeit. Da ist der Lieutenant, der Assessor ,­­der Herr von, Schlichtweg — das ist Alles, aber nicht genug für einen lustigen Ball, den Frau von z.B. morgen Abend geben wird , auf dem sich am Ende doch. Alles um seine eigne Are dreht, Adel und Nichtadel. Und wie be­­scheiden, wie glückselig sind diese adellosen Geladenen, wie innig wissen sie es anzuerkennen , daß sich die Noblesse mit ihnen merk­t, es nicht ausschlägt, sich auch gelegentlich wieder einmal laden und sich's gut schmecken zu lassen ! Das Sociale­ muß an dem Kleinstädter studirt werden; man sehe nur auf die­ allbekannten Volksc­haraktere in jeder kleinen Stadt, wie um sie sich die ganze Bevölkerung gruppirt, wie sie das Schicksal, die bösen oder guten Gestirne der ganzen Einwoh­­nerschaft r­epräsentiren , da wird sich immer ein alter Franzose, ein Zeichen- oder Tanzmeister, ein Scheeren­­schleifer , Topfbespinder , ein Hühneraugenoperateur oder ein privilegirter Trunkenbold und Taugenichts, auch ein Ankluger finden, den jedes Kind kennt, der überall gefürchtet oder beliebt ist; man sehe auf „die “Festlich­­sten, auf Modenz >­ul Hoch­­„zeiten, Scheibenschießen und“Schlittenfahrten, man gehe in die Casino's, „in „die­ Thee's und Kaffee's, in die Wintertheater / “= "überall wird das Sociale als ein Darakteristisches Moment im Leben des Klein­­städters hervortreten. Wer kennt nicht Bürgermei­­sters Frn? Die ganze Stadt weiß wieder noch ein kleiner Sansculotte neben Frau Bürgermeisterin einhertrippelte ; die ganze Stadt kennt seine Streiche auf der Schule ‚seine Jugendsünden , und Aller Augen sind auf ihn gerichtet, nun er von der Uni­­versität kommt, die Ferien daheim zu verleben und an seinem Schnurbart zu zeigen, daß das Genie si immer nach zwei Seiten hin ausbreitet. Wer hätte nicht von der schönen Kaufmannstochter gehört, deren Vater mit­ Kaffee, Zucker und Gewürz handelt? Die ganze Stadt ist in sie­ verliebt, seit ihrem vier­­zehnten Jahre ; eine ganze Stadt in das kleine, um­­lockte Gesicht­en. Der Lieutenant hat eigens ihret­­wegen sein Logis an der breiten Straße gekündigt, und­ die niedrige Hinterstube mit dem Alkoven im Hause des Krämers gemiethet ; die Schüler machen mit ihren Büchern unter dem Arm eigens ihretwegen einen­ langen Umweg, und die Commis werfen sich alle Sonntage­­ eigens um sie in ihren besten Staat. Das ist ein ganzer Hof - und Minnedienst von früh­ bis­ spät , Minchen braucht bloß ans Fenster , oder über die Kramschwelle zu treten, so nimmt das Grüßen kein­ Ende. Und das dauert nicht, etwa nur einen Tag oder ein Jahr, — es können ihrer viele vergehen , immer bleibt sie die Schönste, und selbst unter der Haube heißt sie noch­ das schöne Minchen, das so viel Körbe austheilte und so viel Seufzer verborgener Liebe weckte. Nirgend ist ein Mädchen glücklicher, als in einer kleinen Stadt, und selbst wenn sie ledig bleibt, eine alte Jungfer wird, bietet­ ihr das Dasein so reichen Stoff, so viel Freude dar, daß sie sie glücklich preiset, das Licht der Welt erblikt zu haben. Ihre ganze Woche ist beseßt, heute geht es hier, morgen dahin, zum Thee, Kaffee, zum Abendessen, zum Kränzchen, Leseklubb oder Sang und Tanz, und immer findet sich interessante Gesellschaft mit Stickstrumpf und Stromai, und jeder Tag "hat zu der unendlichen Stofffülle für die Unterhaltung irgend­eine Neuigkeit hinzuzufügen. Glückliche Abende, in denen die Zeit verkoset wird mit dem harmlosen Gespräch über Leinen und Drell, Klavier­­stunde, Aussteuer und Kinderwäsche ; glückliche Abende, die sich zwischen dem Kürzerwerden des

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