Banater Deutsche Zeitung, November 1927 (Jahrgang 9, nr. 246-270)

1927-11-26 / nr. 267

Seite 2 Se 5 ve­rwe wem “8 DL „M ­­a. 5 L „Banater Deutsche Zeitung" Samstag, den 26. November 1927 TSE Bo Bratianu, eingesetzt, doch verbleibt die Nuk­­nießung seiner Witwe. Morgen 11 Uhr vormittag findet die Ueberfüh­­rung des Leichnams ins Atheneumen statt und von 1 Uhr mittags wird der Oeffentlichkeit der Eintritt in den Aufbahrungsraum gestattet. Die Stadt Temeswar drei von Bürgermeister Dr. sandte gestern nachmittag Georgevici unter­­zeichnete Beileidstelegramme ab. Die Telegramme, eins an die Witwe, eins an den Innenminister und eins an den Ministerpräsidenten gerichtet, hatten folgenden Wortlaut: Der Gemeinderat meswar, in Vertretung der Munizipalstadt je­­der ganzen Bevölke­­rung dieser Stadt, bittet Sie, anläßlich des Todes ihres unvergeßlichen Gatten und des großen Staatsmannes Jon J. C. Bratianu seine tiefsten Beileidsgefühle zu empfangen. Herr Innenminister! Der Gemeinderat der Munizipalstadt Te­­meswar ist tief gerührt von dem Verlust, den die Nation durch das Hinscheiden des großen Staatsmannes Jon J. C. Bratianu erlitt und ersucht Sie den Ausbruch seines Beileides entgegenzunehmen. Herr Ministerpräsident! Der Gemeinderat der Munizipalstadt Te­­mesiwar, im tiefsten Schmerz über den Tod des großen Staatsm­annes Jon J. C. Bratianu, verleiht anläßlich des Hinscheidens in der Liebe zum Vaterlande den tiefsten Beileidsgefühlen Ausdruck. Hingebung Wir versichern Sie unserer vollsten für die Vollendung des großen Werkes, das Ihnen anvertraut wurde. Präfekt Dr. Julius C . Ministerpräsidenten Vintila st­e richtete gestern an den Bratianu folgendes Beileidselegramm: Die­ Einwohnerschaft des Komitates Te­­mesch-Torontal teilt in ihrer Seele tief­er­ Sonntag , früh erfolgt dann die Weberführung und feierliche Besießung in Die Familengruft in Slorica. Sämtliche Behörden, Schulen der Hauptstadt bleiben schlossen." und die Börse bis zum Begräbnis ge­­schüttert das Leid ihre Exzellenz. Wir hul­­digen pietätsvoll dem unvergeßlichen An­­denken des größten Staatsmannes Rumä­­niens, Jonel Bratianu, der an der gigantischen Arbeit der Vereinheitlichung den Löwenan­­teil hatte. R * Die Vertreter der Stadt und des Komitats beim Begräbnis Bei der Leichenbestattung läßt sich das Komitat durch eine Abordnung vertreten, deren Mitglieder der Präsident des Komitatsrates Dr. Aurel Cioban, Oberstuhlrichter Dr. Livius Lupati, Gemeindenotär Viktor Giurgiu und fünf Ge­­meinderichter sind. Die Organisation der Banater Liberalen Partei entsendet zum Begräbnis ihres Parteichefs eine Monstreabordnung, die aus 100 Personen bestehen wird. Diese Abordnungen be­­geben sich heute nachmittags nach Bukarest. Die Stadt Temeswar werden beim Begräbnis Bürgermeister Dr. Lucian Georgevici und Han­­delskammerpräsident Johann Oprea vertreten. Auf Anordnung der Präfektur werden Sonn­­tag, den 27. November, in allen Kirchen ohne Unter­­schied der Konfession nach dem Hochamte Trauer­­messen für das Seelenheil des großen Staats­­mannes abgehalten. Während der Dauer des Re­­quiems haben alle Glocken zu läuten. Bischof Augustin Pa­c<­a erließ an die Priester­­schaft der Tschana der röm.-kath. Diözese ein Rund­­schreiben, in welchem er anordnete, daß im Laufe der nächsten Woche an einem vom Pfarrer gewählten Tage für den verstorbenen großen Sohn des Vater­­landes eine Seelenmesse gelesen werde. Das Beileid der Stadt Temeswar und des Komitates 009982898 VOCALOIGA GS SOEOS AS S G DIE CSSIBENANG GDIE RES 2N Ovationen für Frankreich im Belgrader Parlament Das Verhältnis Jugoslawiens zu Deutschland, Italien und Oesterreich Belgrad, 24. November. In der Skupschtina be­­antwortete Außenminister Dr. Marinkowitsch eine Reihe von Interpellationen oppositioneller Ab­­geordneter hinsichtlich der außenpolitischen Lage. Der Minister führte aus, daß die außenpoli­­tische Lage Jugoslawiens im gegenwärtigen Augen­­bli zu keinerlei Besorgnissen Anlaß gebe. Das End­­ziel der Außenpolitik Jugoslawiens sei die Aufrecht­­erhaltung der durch die Friedensverträge und das Völkerbundstatut geschaffenen europäischen Ord­­nung­ sowie die Herstellung freu­dnachbarlicher Be­­ziehungen zu allen Balkanstaaten. Der Minister feierte den eben abgeschlossenen Freundschaftsvertrag mit Frankreich als einen neuen Beweis für die au­ßer­­ordentlich herzlichen und engen Beziehun­­gen, die zwischen Jugoslawien und Frankreich be­­stehen. Was­ Italien betrifft, führte Dr. Marinko­­witsch weiter aus, so könne er nicht verhehlen­ daß die Beziehungen zu Italien manches zu wünschen übrig lassen. Es handle sich jedoch um Miß­verständ­­nisse, deren Bereinigung möglich sei. Solange er, Marinkowitsch, Minister­ des „Aeußern sei, werde er sich stets­ mit besonder Sorgfalt der Anbah­­nung guter Beziehungen zu Italien widmen. An das Exposé des Außenministers schloß sich eine längere Debatte. Abgeordneter Jovanowitsch, gewesener serbischer Gesandter in Wien, drückte sein Bedauern aus, daß Marinkowitsch in seinem Exposé mit seinem Wort das Verhältnis Jugoslawiens­ zu Oesterreich und das Problem des Anschlusses O­esterreichs an Deutschland gestreift habe. Die einzig richtige Orientierung für Jugosla­­wien sei die deutsche und russische Orientierung. Zwischen den­­­nteressen Jugoslawiens und Deutschlands bestehe keinerlei Gegensatz- son­­dern vollkommene Harmonie. Schließlich schlug der Abgeordnete Pribitsche­ LI u | zn witsch eine Tagesordnung vor, wonach das Par­­lament­ die Ausführungen des Außenministers über den französisch-jugoslawischen­ Vertrag gutheißt. Die Tagesordnung wurde von der Skupschtina ein­­stimmig unter lebhaften Ovationen für Frank­reich angenommen. BEEN Der Mörder der Zarenfamilie von der erregten Volksmenge erschlagen Aus­ Warschau wird gemeldet: Der gewesene Sowjetkommissär Beloboralow, der den Zaren Nikolaus und dessen Familie in Jekaterinburg er­­morden ließ, wurde auf einer Volksversammlung wegen seiner Rede, in der er für Trotzkij und gegen die Sowjetregierung Propaganda machte, von der er­­regten Menge so so wer mißhandelt- daß er kurz darauf im Spital seinen Verletzungen ertog. Kulturabend im Banater Schülerheim. Im Mit­­telpunkt des gestrigen Kulturabends stand der Vor­­trag des Direktors Josef Nischbach über „Neu­­zeitliche geistige Strömungen“. Die von Rousseau, dem Enzyklopädisten, zum erstenmal auf­­geworfene Frage, ob der Kulturfortschritt der Menschheit zum Segen gereiche, bildete den eigent­­lichen Aus­gangs­punkt der Abhandlung, die uns in packender Manier über Herder und Schiller (Stär­­kung des geistigen Lebens der Nation), über Fichte, den ethischen Idealisten, zur Reaktion, zum Ma­­terialismus, zum Gegnertum der christlichen Ethik, zu den Anhängern der Vernunft, als der geseßgeben­­den Kraft im Leben und in den Wissenschaften führt. Nach eingehender Auseinandersezung mit den geisti­­gen Strömungen des 19. Jahrhunderts, als deren positiven Erfolg wir den Aufschwung der Natur­­wissenschaften und exakten Wissenschaften werten müssen, gelangen wir zu dem Schluß, daß im Auf­­schwung der Wissenschaften die Basis zu suchen ist, auf der sich unser Zeitalter der Technik entwickeln konnte. So gelangen wir über den Rationalismus­ (und den Naturalismus in den Künsten) zur Jahr­­hundertwende. Technik, Kunst und Philosophie­ stehen im Zeichen der Verinnerlichung. Die Religion wird wieder Sache des Glaubens. Und als über­­raschendes Ergebnis seiner Ausführungen deckt der Vortragende die engen Beziehungen des Heute, zum Zeitalter des religiösen Stils, der Romantik und der Gothik auf. Durch reichen Beifall gab das Publi­­kum seinem Dank und seinem Staunen über das ge­­diegene Wissen des Redners Ausdruck. Die Be­­ziehungen der heutigen Zeit zum Mittelalter wur­­den in überaus sinnreicher Weise durch die Dar­­bietungen der Schülerc­hors betont. Die Nebeneinan­­derstellung der 4 Lieder von Ludwig Weber (1926) und eines Liedes von D. Friderici, (17.­­ Jahrhun­­dert) schließlich der Tänze von Michael Prätorius, Musikstücke von Joh. C. Fischer und der Bouree aus der A-moll-Suite (Die zweite von den 6 Suiten von Bach? ließen die Richtigkeit des Schlusses, zu dem Direktor Nischbach gelangt ist, deutlich erkennen. Die überaus exakte Art, die reine Intonation und Sicherheit des Schü­lerhord und Orchesters ver­­dienen nicht nur Anerkennung und besondere Er­­wähnung, sie zwingen uns auch Bewunderung ab, für Professor E >, der seine Buben in kurzer Zeit auf ein musikalisches Niveau gebracht hat. Das zu den größten Hoffnungen berechtigt. - Oy. nz Die Steuerleute der Emilia Eine Seegeschichte von Ewald Bause 05 war Hein gelungen, das Boot auf „der Br­andungs“welie in die winzige Bucht, nicht größer als eine Stube, hineinzusteuern. Während er die Leine um einen­­ Vorsprung des Riffes schlang, suchte ich eine bequeme Stelle zum Lagern. Als wir­ beide saßen, die Pfeifen verquer, eine Flasche billi­­gen Landwein zwischen und die weiße Barbaresten­­stadt jenseits des Hafenbecens vor uns — da sagte der Alte: „Fürs dritte Mal segeln Sie schon ganz ordent­­lich. Aber es ist nichts gegen das, was ich­­­ bin, so ungefähr in Ihren Jahren — fertig brächte.“ Er hielt ein und blinzelte zu der Oase hinüber, deren Fuß im Schaumstreifen der Brandung ver­­sank. Ich wußte, er wollte erzählen, erwartete aber eine besondere Aufforderung. So sagte ich: „Ah­h­­das war damals in der Südsee?“ „Nein, nein“, wehrte er lebhaft ab, s o nein. Aber ich sehe, Sie brennen vor Neugier, so will ich's denn berichten, sonst quälen Sie mich mit Ihren Fragen doch nur zu Tode. scher Wir fuhren von Karatschi auf Port Said. Deut- Frachtdampfer Emilia. Kapitän Drewes. So um die viertausend Tonnen hatte das „Biest. Ich kam von Neuguinea zurück, wo ich mich an­ Para- Diesvögeln versucht hatte, und trug 'n nüdlichen lüt­­ten Scheef in der Brusttasche — ja, damals, so vor dreißig Jahren, waren noch Zeiten. Wir hatten­ fünf Fahrgäste an Bord. Einer war ein Forschungsreisen­­der, der uns sehr wichtig wurde; er hieß Dr. Wah­­rendorf und kam von Malakka. Zwei andere waren Kaufleute in Schanghai. Und dann war da noch ein Farmer aus Samoa, der sang Kanatenlieder und trampelte dazu. Alle waren nette Kerle und wir führ­­ten die ersten drei Tage ein lustiges Leben. In der Kajüte hatten wir gerade Platz genug, um unsere Groggläser zweckdienlich aufzubauen, zu felöhnen, zu schmöen und zu essen. Nu­r drei Tage ging das gut. Am anderen Morgen sagte mir Der Erste, der Kaptein habe Fieber und sei in seinem Bettkasten geblieben. Wir hatten am Abend vorher mächtig ge­­jubelt, und er war ein alter Tropenonkel, dem die Malaria unverlierbar im Blute saß. „Er hat seinen Anfall“, meinte ich gleichmütig zu dem Offizier „ne Handvoll Chinin und heut abend vier Finger hoch Whis­ky“. „Wollens hoffen“, gab er zurück, und erst nach­­her erinnerte ich mich, daß er eigentlich schon damals ganz grün ausgesehen hatte. Beim Frühstück stand der zweite Offizier ploß- Fünf Minuten später lag auch er. Mittags half der Forschungsreisende dem El­­fen bem Beste. Als der Seemann den Sextanten hob, gelang es ihm nicht, die Sonne im Fernrohr festzuhalten. Dr. Wahrendorf mußte die Beobachtun­­gen zu Ende bringen. Ich schaffte den Ersten hinun­­ter in seine Kammer, wo er anfing zu toben, so daß wir ihn kaum bändigen konnten. Nachdem er sich beruhigt hatte, stiegen wir an die frische Luft hinauf. Hier empfing ung­emıtes Ru­­fen von der Brücke her. Wir kletterten das Treppchen empor und sahen Dr. Wahrndorf am Ruder stehen — sonst war die Brücke leer. „Was machen Sie denn da?“ rief ich erstaunt. „Mein Gott, schlaft ihr denn alle oder habt ihr euch auch schon hingelegt?“ sich auf, lief hinaus und erbrach sich noch in der Tür. Er schrie durchdringend und aufgeregt, recht un­d nötig, wie mir schien. So lachten wir­­ denn und fragten ihn, ob er Seemann werden wolle. Na, ich vergesse nie den Ausdruc unserer Ge­­sichter, als er stöhnte: „Stelle sich Doch mal einer hier ans Rad! Ich muß das Besteck absetzen, ehe ich die Zahlen vergesst­. Und ein anderer geht vorne hin zur Mannschaft. Mir scheint, die hat's auch erwischt.“ „E3?*, staunte der Farmer. „Es?! Was ist denn „ES?“ ! „E 3? Das merkt ihr immer noch nicht? Ich glaube, daß die Seeleute das Schwarzmwasserfieber haben.“ „O weh — o weh!“ Weiter sagten wir nichts, Ich klemmte mich gleich hinters Ruder und Wahr­­rendorf ging ins Kartenhaus. Der Farmer stürzte nach vorn und der eine Schanghaimann stieg in die Maschine hinab. Nach einer Viertelstunde standen wir wieder alle um das Kompaßhäuschen­ zusammen, vermehrt um den zweiten Maschinisten, der fürchterlich fluchte, und den Koch, der ohne Unterlaß den Kopf schüttelte. Ergebnis: das ganze Schiff mit schwerstem Fieber zu Bett, gesund nur wir, der zweite Maschinist nebst vier Heizern und der Koch. „Ra, Mister“. Hein wandte sich zu mir, „was sa­­gen Sie dazu? Mitten im Indischen Meer, wenn Sies genau wissen wollen: siebzehn­fünfundzwanzig und neuundfünfzig vierzig — heißt Das, soweit die lezte Beobachtung noch auf Genauigkeit Anspruch machen konnte.“ „Und feiner von euch verstand was von der Steuermannskunst „Woher denn?“ ?“ gab ich nachdenklich hin, fuhr er entrüstet auf. „Ein fi Fee _ -

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