Bukarester Gemeindeblatt - Beilage zum Nachbar, 1906 (Jahrgang 2, nr. 1-51)

1906-01-15 / nr. 2

2 staltung der kirchlichen Ordnungen sich im Anschlüsse an schwedische oder sogar russi­sche Verhältnisse, wie das alles tatsächlich geplant gewesen ist, vollzogen hätte. Und dass auf dem Schulgebiete die Beeinflussung durch preussische Unterrichtsmethode und die An­lehnung an preussische Schuleinrichtungen vor­teilhaft wirkte, liegt klar auf der Hand und hat sich in der unzweideutigsten Weise er­wiesen. Aber das- Schutzverhältnis, in das die Ge­meinde zu Preussen und später zu Deutsch­land trat, schuf nicht bloss die angedeuteten segensreichen, engeren Beziehungen, es ge­währleistete auch eine wirksame Vertretung der Interessen der Gemeinde. Es würde zu weit führen, das im einzelnen nachweisen zu wollen. Tatsache ist, dass die Gemeinde in Fällen der Not, bei sich einstellenden Schwie­rigkeiten und Bedrängnissen nie vergebens die Hilfe ihrer Schutzmächte angerufen hat, und dass, wenn die Entwicklung der Gemeinde trotz drohenden Wetterzeichen, die hin und wieder bis in die neueste Zeit auftauchten, ' ohne tiefer greifende Störungen vor sich ge­gangen ist, dies im wesentlichen auf den mäch­tigen Einfluss zurückzuführen ist, der sich in der Stille zu ihren Gunsten geltend machte. Endlich ist noch auf ein drittes hinzuweisen, was die Gemeinde ihrem Schutzverhältnisse verdankt: die reiche materielle Unterstützung, die sie im Laufe der Zeit erhalten hat. Wir denken dabei weniger an die Hilfe, die ihr in Fällen besonderer Not gewährt worden ist, wie wenn sie hei Gelegenheit des Kirchenbaus sich nicht umsonst an die Freundlichkeit ihres hohen Schirmherrn gewandt hat. Vor allem ist die seit einer Reihe von Jahren fortlaufend und in steigender Erhöhung gewährte Subven­tion in Anschlag zu bringen, die eine nicht unwesentliche Rolle im Budget der Gemeinde spielt. Als eine materielle Unterstützung nicht minder bedeutsamer Art ist das ausserordent­liche Entgegenkommen zu betrachten, das die Unterrichtsbehörden Preussens, deren Vorgänge, wie es scheint, die der übrigen Staaten Deutsch­lands folgen werden, bei Entsendung von Leh­rern beobachten, und ohne dass die Gewinnung geeigneter Unterrichtskräfte auf unübersteigli­­che Hindernisse stossen würde. Da, wie nun einmal die Verhältnisse liegen, die Gemeinde bei Ergänzung ihres Lehrkörpers im wesent­lichen auf Deutschland angewiesen ist, so kmnmen ihr die ihr von ihrer Schutzmacht gewährten Erleichterungen ganz ausserordent­lich zu statten. So sind es alles in allem eine Reihe der gewichtigsten Vorteile, die der* Gemeinde, ohne dass sie irgendwie in ihrer freiheitlichen Ent­wicklung behindert Avird, aus ihrem Schutz­verhältnisse zu Deutschland erwachsen : Grund genug, in dankbarer Würdigung alles dessen es hoch zu schätzen. Der Bukarester Sterbekassenverein. Der Bukarester Sterbekassenverein hält Ende dieses Monats seine Generalversammlung ab. Damit schliesst wieder ein Jahr segensreicher Tätigkeit des Vereins. Bekanntlich ist der Verein von Pfarrer Neu­meister vor nunmehr 54 Jahren (1852) be­gründet worden. Es war damals eine Zeit mannigfaltiger Not. Eine grosse Zuwanderung hatte nach Bukarest stattgefunden, und Ele­mente waren in die deutsche Kolonie gekommen, die bei den schwierigen Verhältnissen nicht im Stande waren, sich zu. behaupten. Die bitterste Armut herrschte in einer Reihe von Familien. Und wenn ein Sterbefall vorkam, dann fehlten die Mittel, um die Beerdigungskosten zu be­streiten. Eine organisierte Hilfe, wie sie jetzt durch eine Anzahl gemeinnütziger Einrichtun­gen geschaffen ist, gab es damals nicht. So griff man denn, ium verstorbenen Armen ein ehrliches Begräbnis zu verschaffen, zu dem Mittel, innerhalb der deutschen Kolonie Kollek­ten zu veranstalten. Der hier vorliegende Notstand, der dringend in irgend einer Form Abhilfe erheischte, kam Pfarrer Neumeister in einem bestimmten Ein­zelfalle in bewegender Weise zum Bewusstsein. In das kinderreiche Haus eines Gemeindeglie­des waren öfter Krankheit und Tod eingetre­ten und hatten die Familie in grosse Bedräng­nis gebracht. Mit diesen schwer heimgesuch­ten Familienvater begründete Neumeister unter Zuziehung von 3 andern wohlgesinnten £fe­­meindegliedern den Sterbekassenverein. Zweck desselben war, in Todesfällen zur Bestattung

Next