Bukarester Gemeindeblatt, 1921 (Jahrgang 13, nr. 1-40)

1921-03-27 / nr. 1

2 Bukarester Gemeindeblatt No. 1 vor allem der Bukarester als der grössten, ihre Got­tesdienste und kirchlichen Amtshandlungen, bildende Veranstaltungen, Vorträge, Wohltätigkeitsfeste usw. werden den reichhaltigen Inhalt des Gemeindeblattes bilden. Den reichhaltigen Inhalt? Auf vier kurzen Wo­chenseiten dies alles zusammen zu drängen, wird schwer genug sein. Und dennochmuss es geschehen. Wir wenden uns an alle Gemeiden des Synodalver­bandes, ihre Pfarrer, Lehrer, Vorsteher und Mitglie­der mit der Bitte, uns in gedrängtester Form Stoff zu liefern, um unsere Absichten auszuführen, uns re­gelmässig auf dem Laufenden zu erhalten über alles, was in der Gemeinde vorgeht, alles, was sie wünschen, dass es innerhalb und ausserhalb derselben bekannt werde. Freilich, wie die Schriftleitung selbst um der Sache willen arbeitet, muss die gleiche innere Hin­gabe von allen erwartet werden. Erwartet und ver­langt aber wird von allen Gemeinden und jedem ein­zelnen ihrer Mitglieder, dass sie das Blatt halten und lesen aus der Ueberzeugung heraus, dass mehr als je der Evangelische zur Sache seines Glaubens und seiner von den Vorfahren ererbten inneren Habe zu stehen hat, sich zu bekennen hat mit Wort und Tat und Beutel zu dem, was sein tiefstes Wesen und seine freie Zuversicht ausmachen soll: seinem Glauben, seinem Volkstum, seiner Sprache. Ja, auch mit dem Beutel! Wir sind von dieser Welt, auch diese Welt ist im Willen Gottes! Was in der Welt geschieht, trägt den Stempel des Irdischen. Unser Blatt braucht nicht nur Leser, sondern auch solche, die es bezahlen: Bezieher. Wenn sich in den drei Monaten, die die Bukarester Gemeinde es wagen will, das Blatt auf eine blosse Hoffnung hin heraus­zugeben, nicht genügend feste Bezieher melden, so ist der Versuch misslungen und das Erscheinen des Blattes muss eingestellt werden. Und dass der Be­zugspreis hoch ist, wird niemanden wundern, der weiss, was drucken lassen heute kostet. Also, ihr Gemeinden und evangelische Glaubensgenossen, schart euch um euer Gemeindeblatt! Es ist nicht Hochmut, nicht Lästerung, sondern der Ausdruck eines reinen Willens, Gutes für unsere evangelische Sache zu tun, und der Sorge, es könnte misslingen aus menschlicher Gleichgiltigkeit, wenn wir rufen: So gebet Gott, was Gottes ist! K. R. F rauen Wahlrecht. Durch den Anschluss der deutsch-evangelischen Gemeinden Altrumäniens an die Evang. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen war die Notwendigkeit gege­ben, die Satzungen der Gemeinde einer Durchsicht zu unterziehen und sie den neuen Verhältnissen anzu­passen. Es ist selbstverständlich, dass bei dieser Ge­legenheit auch eine Reihe anderer Fragen zur Erör­terung gelangten, die zwar mit der Anschlusserklä­rung in keinem engem Zusammenhang standen, die je­doch schon seit längerer Zeit die Aufmerksamkeit der verschiedenen Gemeinde-Vorstände auf sich ge­lenkt hatten. Hierher gehört vor allem die Frage des kirchlichen Wahlrechtes der Frauen. Es gereicht uns zur Freude, mitteilen zu können, dass nach längeren Verhandlungen sich sowohl die Synode wie auch die einzelnen Gemeinden (mit Aus­nahme der Dobrudschagemeinden, wo besondere Ver­hältnisse vorliegen) auf den Standpunkt gestellt ha­ben, wonach den Frauen innerhalb der kirchlichen Gemeinden die gleichen Rechte einzuräumen sind, wie sie den Männern Vorbehalten waren. So hat der § 4 der Satzungen der Evangelis hen Gemeinde zu Bu­karest folgenden Wortlaut erhalten: „Stimmberechtige Mitglieder der Gemeinde sind alle männlichen und weiblichen Gemeindemitglie­der, die mündig sind, im Besitz der bürgerlichen Ehren und Rechte stehen, im Pfarrbezirke der Bu­karester evangelischen Gemeinde ihren Wohnsitz ha­ben, daselbst mindestens sechs Wochen ansässig sind und zu den Bedürfnissen der Gemeinde die gesetz­lich vorgeschriebenen Abgaben leisten; alle verheirateten weiblichen Gemein­demitglieder, deren Ehegatten die vorgeschriebenen Abgaben leisten, auch in dem Falle, dass sie selbst keine Abgaben für die Gemeinden entrichten.“ In § 14 der gleichen Satzungen heisst es dann weiter: „Wählbar in den Gemeindevorstand sind alle Mitglieder, die das 24. Lebensjahr zurückgelegt ha­ben und die Bedingungen des § 4 erfüllen, seit min­destens 3 Jahren in Bukarest wohnhaft und seit länger als einem Jahr stimmberechtigt sind.“ Der Inhalt dieser Sätze besagt, dass von nun ab den erwachsenen Mädchen und Frauen der Gemeinden das volle aktive und passive Wahlrecht zusteht, d. h., sie dürfen sich nicht nur selbst an den Beratungen der Gemeindeversammlungen beteiligen und durch Stimmenabgabe auf ihre Beschlüsse und auf die Wahl des Vorstandes Einfluss nehmen (aktives Wahlrecht), sondern sie haben auch das Recht, in den -Vorstand gewählt zu werden und so auch in der engem Ge­meindeleitung und -Verwaltung mitzuarbeiten (passi­ves Wahlrecht). Wenn nun auch § 15 Abs. 3 der Bu­karester Satzungen die Zahl der wieblichen Mitglieder des Vorstandes auf V4 der Gesamtzahl beschränkt, so ist doch mit den obigen Bestimmungen den Frauen der Gemeinde ganz ohne ihr Zutun und ohne jeglichen Kampf ein Recht zugesichert worden, um das ander­wärts viel hin und hergestritten wird und das auch heute noch durchaus nicht in allen Kirchen den Frauen zuerkannt ist. Wie kamen unsere Vorstände dazu, diese grund­legende Neuerung durchzuführen? Die Beweggründe sind z. T. ganz allgemeiner Natur und hängen mit dem grossen Komplex der Probleme zusammen, die uns durch die sogenannte Frauenfrage aufgedrängt werden. Es kann natürlich nicht unsere Anfgabe sein, dies viel erörterte Thema hier erneut zu besprechen; aber auf das Allerwich­tigste wenigstens sei kurz hingewiesen. Die besonders seit Anfang des 19. Jahrhunderts

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