Bukarester Gemeindeblatt, 1921 (Jahrgang 13, nr. 1-40)

1921-07-24 / nr. 18

Jahrgang XIII. Sonntag, 24. Juli 1921 Bukarestéi* Gemeindeblatt Schriftleitung : R. Honigberger. j talSBfíSSÍSlIe: GemeindeKanzlei, Str. Lutherans 10 No. 18 Die Reformation u. Gegenreformation der „Sasove“ (Siebenbürger Sachsen) in Rumänien. Von Dr. Emil Fisc h er (Bukarest). (Forsetzung.) Aber auch hierzulande erstanden, mit nach und nach, aus den hiesigen Deutschen ihre Verkünder. So z. B. der folgende 1561-63 Reformator Wolfgang Schreiber in der Moldau17). 1585 bestand zu Chmielnik am Bug eine deutsche Ansiedlung, wo die evang. Lehre viele Anhän­ger hatte; ein gewisser Christian Frenken, Ver­fasser von Streitschriften, war hier Schulleiter. So schwankte denn die religiöse Entwicklung lange Zeit unentschieden hin und her. Frühe Stösse trieben sie gewaltsam vorwärts, nimmer ermüdende Hindernisse hielten sie zurück. Die letzteren gingen aber nicht nur direkt von Rom aus, von eigens ab­­gesandten Legaten, von polnischen Jesuiten und von der bestallten hiesigen römischen Geistlichkeit, son­dern auch von kathol. Beamten des Staates in hohen Stellungen, wie z. B. jener Gross-Clucer Bruti (ein geborener Albanese) einer war, der namentlich im J. 1585 glühend bestrebt war den Katholizismus in der Moldau einzuführen und ihm gegen die Haeresie der „maledetti Eretici Transilvani et Germani“, die ausge­rottet werden sollten, zum Siege zu verhelfen. Viel­leicht bestärkte ihn in seinen Hoffnungen auch die Tatsache, dass mancher frühere moldauische Fürst dem Katholizismus sehr geneigt war z. B. jener Lat­­sco Vodă (1365—73), Bogdan’s Sohn, der mit einem Teil seiner Untertanen zum röm.-kath. Glauben über­getreten war und das Bistum von Sereth geschaffen hatte, oder jener Alexander cel Bun, der im J. 1410 den Sachsen in Molde die prächtige Kirche zu Ehren der Heil. Jungfrau erbaute. Ob die ehern. Kirche zu den Aposteln Petrus und Paulus auch ihm zu ver­danken ist, bleibt ungewiss. Heute ist selbst ihre Stelle kaum mehr kenntlich. Zu alldem kam noch die, auch von B. P. Hajdeu18) und vielen andern guten Kennern der Landesbewohner, beobachtete religöse Toleranz, ja „t h e o 1 o g i s c h e Indiferenz19“ der gros-sen Masse der Rumänen den Streitfragen des Glaubens gegenüber, namentl. solcher von fremden Bekenntnissen. Es hat hier freilich schon an ganz frühen bogumilischen (patarenischen) Anregungen von Bulgarien aus, auch an hussitischen und protestanti­schen nicht gefehlt, neuester Zeit machen sich sogar Baptisten, Sabathaner und Adventisten bemerkbar, aber man darf doch sagendass die grosse Masse des rumän. Volkes — und das bisherige König­reich Rumänien ist ein ausgesprochener Bauern­staat20) (vergi, auch Prof. Brückner, Berlin) — in allen seinen Lebensverhältnissen, in Sitten und Ge­wohnheiten, so erzconservativ ist) wie nicht leicht ein anderes Volk Europa’s. So hat es sich denn auch seinen Glauben und Aberglauben, der ihm so fest in innerster Seele sitzt, unerschütterlich, unbeeinflussbar bewahrt, weil er das Ergebnis seiner Natur gewor­den war. Man darf vielleicht noch weiter gehen und sagen —- auch rumän. Gelehrte haben es schon aus­gesprochen — dass das rumän. Volk (insbesondere der Bauer) nicht nur körperlich, sondern auch seelisch das treue Ergebnis seines Landes, seines eigen­tümlichen K 1 i m a’s ist, dass es bei einem Volk nicht bloss darauf ankommt, was man nach der na­tionalen Abstammung, dem ererbten Blute nach ist, sondern, was man durch den Einfluss stetiger oder wechseln­der Lebensverhältnissewird. Halten die­se äussern Einwirkungen lange Zeit unveränderlich an und hat ein Volk überdies von vornherein, eine seelische Verfassung, die nicht leicht aus dem Gleich­gewicht gebracht werden kann, wie es bei dem rumän. Bauern, ja der Fall ist, so ist das Ergeb­­bnis: jenes zur zweiten unveränder­baren Natur eingewurzelte Festhal­ten an urtümlichen Verhältnissen des innern und des äussern Lebens. Grund genug für Bruti an seinen Erfolg zu glauben, zumal er mit Gewaltmassregeln nicht sparte. So wurden (1580) aus Cotnari die Protestanten ver­trieben und einigen polnischen Franziskanern, die die deutsche Sprache gar nicht verstanden, der Gottes­dienst anvertraut. Am 3. September 1588 erfolgte der Befehl, dass alle Sachsen und Ungarn sich zur römi­schen Kirche bekehren oder das Land verlassen müssten. Bruti arbeitete mit Erfolg. Im selben Jahre war die Zahl der Sachsen und Ungarn in der Obern Meldau noch auf 20.000 Köpfe geschätzt worden, a. 17) Melchisedec „Biserica ortodoxa in luptă cu protes­tantismul“. Anal. Acad. Rom. Sec. 11. Tom. XII. 1889—90. Bu­cureşti, 1893. 18) B. P. Hajdeu „Istoria toleranţei etc.“ Zweite Anf­lage, Bukarest, 1868. pag. 44. 19) Vrgl. die Ausführungen über die „indiferenţa tristă în biserică noastră" eines gewissen „Simplex“, die er an die Beerdigung Ghenadie’s in Căldăruşani anschloss. „Renaşterea" 18. Septb. 1918. 20) Die letzte Volkszählung ergab 7’/s Millionen Seelen wovon mindestens 6 einhalb Millionen Bauern waren. Die städtische, sehr gemischte Bevölkerung, ist zu 46 Prozent von Fremden durchsetzt. (L. Colescu). Vrgl. auch N. Iorga, „Ce sint şint şi ce vor saşii din Ardeal" ? pag. 5. „Das rumän. Volk ist auch heute noch ein Volk von Bauern“. Bucureşti 1919.

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