Bukarester Gemeindeblatt, 1922 (Jahrgang 14, nr. 1-53)

1922-06-11 / nr. 24

No. 24 tig Bukarester öenreindeblatt wohnen auch einige wenige Deutsche) nach Alacap brachte. Alacap (zu deutsch: Gottes Tor) macht seinem schönen Namen nicht allzuviel Ehre. Das Dorf, in dem etwa 35 deutsche Familien (darunter 1 bap­­tistische) wohnen, ist ärmlich, das evangelische Bet­haus sehr unansehnlich. Die Kolonisten haben keinen eigenen Boden, hoffen aber bei der durch die Agrar­reform bedingten Eandverteilung mit berücksichtigt zu werden. Das würde zweifellos den tüchtigen und fleissigen Beuten mächtig vorwärtshelfen. Die Schule wurde 1909 von den Kolonisten erbaut und enthält nur ein Schulzimmer. In ihr werden 29 deutsche, 29 rumänische und 3 russische Kinder von einer rumäni­schen Eelirerin unterrichtet. Der deutsche Eehrer wachsen und sich frischen Grund und Boden er­werben, solange er hier noch zu haben ist. Und gehţ der zu Ende, nun denn, dann findet, sich sonstwo in der Dobrogea welcher, und was die Alten vermocht, das werden auch die Jungen können. Sie werden sich dann ein neues Nest bauen! Es steckt eben viel frische Lebenskraft und Schaffensfreude in diesem Völkchen. Hätten wir nur mehr davon bei uns in Siebenbürgen! Jedenfalls ging mir hier zum ersten Male eine klare Vorstellung darüber auf, wie es bei den Sachsen vor Zeiten zugegangen sein mag, als sie noch jung waren! » Mit herzlichen Wünschen schieden wir von den lieben Volksgenossen in Karatai — um nun der, schönsten und grössten der Dobrogeagemeinden Ca-Ed. Kargei erteilt den deutschen Kindern täglich 2 *ramurat noch einen flüchtigen Besuch abzustatten. Stunden in Deutsch und Religion. Die Gemeinde ist sehr willig, aber auf Subventionen angewiesen, da sie aus eigner Kraft weder die Besoldung des Lehrers aufzubringen, noch auch die nötigen Repa­raturen an Betliaus und Schule zu leisten vermag. Die Beratungen mit den Vertretern der Kolonie ver­liefen auch hier völlig wunschgemäss. Eine besonders freudige Ueberraschuug bot uns das kleine Dörfchen Karatai, zu dem wir nun gelangten. Hier hausten bisher nur wenig tartarische und ru­mänische Familien in ihren ärmlichen Bauden. Im oberen Teile des Dorfes herrscht aber munteres Getriebe. Hier haben sich nämlich etwa 20 grössten­teils evangelische Schwaben aus verschiedenen Do­brogeagemeinden mehrere 1000 Hektar angekauft und sind eben im Begriffe, eine neue Kolonie zu gründen. Die lange Dorfstrasse ist bereits ausge­steckt, die einzelnen Gehöfte der Vorderseite mit niedern Steinmauern au den Seiten und am rück­wärtigen Teile durch Gräben abgegrenzt. Ueberall ist der Brunnen bereits gegraben, für den Kolonisten das erste Werk, da er die feuchte Erde sofort mit Stroh vermischt und zu grossen «Lehmpatzen» (luft­getrockneten Ziegeln) verarbeitet, um in der Zeit, die die sofort in Angriff genomme Feldarbeit übrig lässt, aus diesen das Haus Stück für Stück aufzumauern. Bis zur Fertigstellung muss man unter einem pro­visorischen Schilfverdeck hausen, wo auch die Möbel ifntergebracht sind. Im Hofe ist ausserdem aus Lehm und Eisenplatten ein Herd errichtet, wo die Hausfrau für die Familienglieder das Essen kocht. Einzelne der Häuser waren schou recht weit fortge­schritten ; vielfach bereits ein Zimmer so -weit her­gerichtet, dass man darin nächtigen konnte. Die übrigen Teile des Wohngebäudes und der direkt daran anschliessende Wirtschaftsraum (Stallungen, Scheunen u. s. w.) werden dann allmählich unter Dach gebracht, so dass man im Herbst bereits die Feldfrüchte unterbringen kann. Und die Ernteaus­sichten sind vorzüglich. Halten sie, was sie verspre­chen, so sind die Ansiedler bereits in wenigen Monaten «gemachte Leute». Und dann wird sofort auch.Bet­haus und Schule, für die bereits der Platz bestimmt ist, gebaut, ein Lehrer für die etwa 30 Schulkinder berufen — und die Kolonie ist fertig. Und es werden Immer mehr Kinder kommen, und die werden heran-Von der Einberufung einer Versammlung nahmen wir hier Abstand, da das vielleicht in dieser rein katholischen Gemeinde zu Missdeutungen Anlass gegeben hätte. Dagegen Hessen wir es uns nicht nehmen, in dem schönen Pfarrhof vorzusprechen und den katholischen Pfarrer Overbeck zu begrüssen. Mit warmer Freude gedenke ich des Plauderstündchens, das wir bei ihm, der eben seinen Nachmittagsunterricht beendet hatte, verbrachten. Man gewinnt bei ihm sofort den Ein­druck, dass hier die Führung der Kolonie in den rechten Händen liegt. Unseren Vorschlägen brachte Pfarrer Overbeck grösstes Verständnis entgegen,, so dass wir mit dem Gefühl von ihm scheiden konnten, in ihm hinsichtlich unserer völkisch-kulturellen Be­strebungen einen eifrigen Helfer gefunden zu haben. Doch besahen wir uns die ausserordentlich schpne katholische Pfarrkirche, statteten den neben ihr be­­findlichenHeldengräbern einen Besuch ab, und dann hiess es den Heimweg nehmen. Er führte über Cogeáli nach Constantza. Schon von weitem lachte uns das Meer entgegen. Von Cogeali ab ging es am Ghiol-Sint, dem Süsswassersee, der nur durch die schmale Sand­bank von Mamaia von Meere getrennt ist, entlang, vorbei an der kleinen, waldigen Ovidinsel nach Con­stantza. Damit war der erste Teil unserer Fahrt beendigt. Der erste Sonnenstrahl des nächsten Tages (13. Mai) schon weckte uns «zu neuen Taten». Diesmal sollte die mittlere und nördliche Dobrogea aufs Korn genommen werden. Der erste Besuch galt der statt­lichen Gemeinde Cogeali die wir bereits am Vor­tage berührt hatten. Die Nähe der Stadt hat in die hier lebenden Kolonisten (65 Familien, bis auf 5 baptistische, die ein eignes Bethaus besitzen, durch­wegs evangelisch) grössere Beweglichkeit gebracht. An der Schule wirkt ein rumänischer, ein türkischer und ein von der evangelischen (gemeinde besoldeter deutscher Lehrer, welch letztere*; täglich zwei deut­sche Stunden erteilt. Daneben besteht ein Kinder­garten. Die Schule wird von 52 deutschen, 35 rumä­nischen und 34 tartarischen Kindern besucht, die alle in einem Zimmer unterrichtet werden. Dér Wunsch nach Einrichtung einer 2-ten Abteilung ist unter diesen Umständen verständlich. Am liebsten sähen es die Leute freilich auch hier, wenn sie eine

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