Bukarester Gemeindeblatt, 1922 (Jahrgang 14, nr. 1-53)

1922-11-26 / nr. 48

Jahrgang XIV. Sonntag, den 26. November 1922. No. 48. Bukarester Gemeindeblatt. Schriftleitung R. Honigberger. Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei, Str. Lutherana 10. Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen. Ein Lebensbild aus der Reformationszeit. (Schluss.) Doch Luther fühlte in sich die Verpflichtung, persönlich einzugreifen, und hegte in sich die Zuversicht, dass er allein die Gaben besitze, den Aufruhr zu dämpfen. So liess er sich durch keine Rücksichten in seinem Vorhaben irre machen. An den Kurfürsten schrie!) er: «Ich komme gen Wittenberg in gar einem hö­heren Schutze denn des Kurfürsten. Ich hab’s auch nicht im Sinn, von Éw. Kurfürstlich Gnaden Schutz zu begehren. Ja ich halt, ich wollt Ew. Kurfürstlichen Gnaden mehr schützen, denn sie mich schützen könnten. Dazu wenn ich wüsste, dass mich Ew. Kurfürstlich Gnaden könnte und wollte schützen, so wollt ich nicht kommen. Dieser Sache soll noch kann kein Schwert raten oder helfen. Gott muss sie allein schaffen, ohn alles menschliche Sorgen und Zutun. Darum, vjjpr am meisten glaubt, der wird hier am meisten schützen. Dieweil ich nur spüre, dass Ew. Kurfürstlich Gnaden noch gar schwach ist im Glauben, kann ich keinerleiwege Ew. Kurfürstlich Gnaden für den Mann ansehen, der mich schützen oder retten könnte.» Diesen Brief hat ihm der Kurfürst nicht übel­genommen, er hat vielmehr einen starken Ein­druck davon empfangen, dass Luther in Wahrheit ein Auserwählter sei. Und dieser Eindruck ver­stärkte sich noch durch die ruhige feste überlegene Art, mit der Luther in wenigen Tagen die Auf­regung in Wittenberg allein durch sein Auftreten und seine Predigten zur Ruhe brachte. Der Kurfürst verlangte nur, Luther solle in einem Schreiben an ihn die Gründe darlegen, warum er nach Wittenberg habe zurückkehren müssen, und dabei konstatieren, dass er das ohne Ermächtigung des Kurfürsten auf eigene Gefahr' getan habe. In dem Schreiben solle er auch Zu­sagen, dass sein Aufenthalt in Wittenberg niemandem zur Beschwerung gereichen werde, und den Brief so einrichten, dass der Kurfürst ihn an die geeigneten Personen mitteilen könne, um das Reichsregiment auf diese Weise zu be­ruhigen. Auch solle er in der Stifts- und Schloss­kirche nicht predigen, weil dafür der Kurfürst die Verantwortung würde übernehmen müssen. Luther kam dieser Aufgabe nach, indem er bezeugte, dass er unversehens und ohne des Kurfürsten Wissen, Willen und Zulassung in Wittenberg er­schienen sei, nicht aus Verachtung der kaiserlichen Majestät oder anderer Obrigkeit, sondern zum erstem darum, weil durch ihn das Wesen in Wit­tenberg angefangen worden sei und sein Gewissen ihm darum verbiete, dasselbe untergehen zu lassen. Zum andern sei ihm in seinem Abwesen der Satan in seine Hürden gefallen und habe ihm etliche Stücke angerichtet, die er mit keiner Schrift habe stillen können, sondern bei denen es gegolten habe, mit selbstwärtiger Person und lebendigem Mund und Ohren zu handeln. Darum hab er nicht nur des Kurfürsten Gnad und Ungnad, sondern auch aller Welt Zorn und Unzorn hintansetzen müssen, denn Wittenberg sei seine Hürde, für die er schuldig sei, auch den Tod zu erleiden. . So fügte sich denn der Kurfürst in den Gang der Dinge. Persönlich hat er sich je länger je mehr unter dem Einfluss seines Bruders, der ihm unter dem Namen Kurfürst Johann der Beständige von 1525 bis 1532 m der Regierung folgte und der von Anfang an ein warmer Anhänger Luthers war, sowie seines Hofpredigers Spalatin immer mehr in die evangelische Lehre vertieft, vor allen Dingen in das Evangelium selbst, «ein sonderlicher Lieb­haber des heiligen Wortes», wie Luther von ihm rühmte. Sein Lieblingswort war: «Des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit.» Manche Schriften des Reformators hat er mit dankbarem Interesse ge­lesen und wertgeschätzt, vor allem die «von der weltlichen Ewigkeit», die ihn in seiner Stellung besonders nahe anging. Nur in einem Punkt übte er die alte Zurückhaltung: er vermied jeden di­rekten Verkehr mit Luther. Dieser hat ihn ausser auf dem Reichstag zu Worms kaum jemals gosehen, und gesprochen hat er ihn nie. Erst als es zum Sterben kam, schickte man zu Luther. Aber jetzt war es zu spät. Luther war fern im Harz, um womöglich dem Sturm der Bauern entgegenzu­treten, der sich einige Wochen später im soge­nannten Bauernkrieg ausraste und dessen erste Zeichen dem friedfertigen milden Fürsten die letzten Lebenstage verbitterten, aber sein Gott­vertrauen nicht zu erschüttern vermochten. Einen klaren Einblick in seine Art gibt, was er am 14. April 1525 an seinen Bruder schreibt: Die Armen werden in viele Wege von uns Geistlichen und weltlichen Obrigkeiten beschwert; will -es Gott also haben, so wird es so hinausgehen, dass der gemeine Mann regieren soll; ist es aber sein göttlicher Wille nicht oder dass es zu seinem Lobe nicht vorgenommen, so wird es bald enden; lasset uns Gott bitten um Vergebung unserer Sünden und ihm es anheimsetzen!» Mit echt christlicher

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