Bukarester Gemeindeblatt, 1923 (Jahrgang 15, nr. 1-52)

1923-01-07 / nr. 1

No. T i Bukarester Gerneindeblatt die Preisgabe an .don Zersetzungstod dev Auflö­sung erwogen werden, wo trotz aller Hilfe und trotz allen Beistandes von aussen das evange­lisch-deutsche Leben doch nicht mehr zu er­halten wäre; V Mil Diäsporagemeinden oder Siedlungen dieser Art haben wir es in der Dobrudseha nicht zu tun. Wohl gibt es noch eine ganze Reihe von ausgesprochen, evangelischen Kleinsiedelungen, über deren gegenwärtigen Zustand man gerade ihrer grossen Zahl halber unter anderen Verhält­nissen verzweifeln müsste, weil es ihüten im ge­genwärtigen Zustande ah Kraft gebricht, sich eine Schule zu erbauen und einen Lehrer zu bezahlen, und die nachwachsende Jugend darum der Verwahrlosung und Entfremdnng in jeder Hinsicht anheimfallen muss. Die Verhältnisse liegen jedoch so, dass sie fast alle durch plan­­mässige Arbeit nicht nur erhalten, sondern, was besonders erfreulich ist, erweitert und derart gestärkt werden können, dass sie in kürzester Zeit auf eigenen Füssen zu stehen vermögen. Zu den Gemeinden dieser Art gehört in erster Linie die heut zur Unterstützung empfohlene, auf. dem besten'Wege der Ordnung befindliche Ge­meinde Alacap. mit 158 Seelen in 35 Familien. Wenn dieser Gemeinde Hilfe geboten wird, ihr Bet- u. Sehulhaus ehestens zu eiibauen, kann ihr Bestand und ihre Erstarkung als gesichert betrachtet werden. Wesentlich ungünstiger der Familienzahl nach, hingegen gleich günstig oder gar günstiger hin­sichtlich der äusseren Lebensmöglichkeiten stehen die anderen Zwergsiedelungen mit einer Fami­lienzahl zwischen 10 u. 20 Familien.’Hier sind zu nennen Horoslar in der Nähe Gönstanz as, Karatai in der Nähe Abutaps, Murfatlar, Omureea, an der Bahn gelegen, ' Solidar in der Nähe Cobadins. Hier würde überall eine Zusiedelung von 10-20 Familien genügen, um den Siedelungen jene Kraft zu geben, die sie zui weiteren Selbst» n­­.cligkeil befähigt. Weitergeliende Massnahmen würden sich er­geben, um jenen Siedelungsanfängen zu rascherer Entwicklung zu verhelfen, die noch kleiner als 10 Eämilion sind. Dazu gehören Mangalia, an einem ontwiekelungsfähigen Hafen gelegen, Man­­goapunar, ein vorzüglich für ein Seebad geeig­neter Ort, dann Ebecioi, Cobancujusu u. Agemler, in welch letzterem schon ö sächsische Bauernfa­milien ansässig sind. Man hat der Not dieser Gemeinden, in denen rund 140 Familien mit rund 700 evangelischen Seelen leben und die nötigen Vorpostendienste zur weiteren •Badengewinnung und Ausbreitung des deutschen Volkes leisten, derart abzuhelfen gesucht, dass man ein Konfirmandenheim in Co­­badin in Aussicht nahm. In diesem sollten alle Kinder aus diesen Siedelungen ohne eigenen Lehrer zum Kömfirmandenunterrichtc vorbereitet und auch zur Konfirmation gesammelt werden. Mit dem Baue dieses Konfirmandenheimes ist vor Kriegsausbruch auch schon begonnen worden, der. Bau musste jedoch im Stiche gelassen werden, so dass ein guter Teily der hergestellten Arbeiten bis auf die Grundmauern-,wieder verfallen ist. Es wird gewiss nötig sein, dieses Konfirman­denheim fertigzustellen und zu diesem Zwecke ausgiebige Sammlungen einzuleiten. Wir dürfen uns aber nicht verhehlen, dass der Anstaltsbe­trieb eine auf die Dauer immer unerträglicher werdende Last für die allgemeine Wohltätigkeit werden wird, ohne dass doch trotz aller Opfer auch alle der Verwahrlosung anheimfallenden Kinder'darin gesammelt werden könnten. Zu alle­dem kommt noch der Umstand, dass sie dann, in der Kleinsiedelung angelangt, einer regelmässigen Beeinflussung durch Kirche und Schule entzogen, doch wieder verkümmern müssten und auch die Alten nicht in genügendem Masse in kirchliche Pflege genommen werden könnten. Gründliche Abhilfe kann da nur durch Stärkung der Kleinsiedelung durch Zuzug oder Zusammen­ziehung geschaffen werden, dass • sie möglichst rasch sich aus eigener Kraft zur Gemeinde ord­nen könnten. Ich befürworte den Zuzug von aussen. Wenn dieser auch längere Zeit in Anspruch nehmen müsste als eine planmässige Zusammenziehung der bestehenden Kleinsiedelungen zu einer Gross­­gemeinde, so hat er doch den Vorteil, dass gleich­zeitig (tin grösseres Netz von Gemeinden ge­schaffen und der Bodenerwerb für evangelische Deutsche gleich auf breitester Grundlage in die Wege geleitet werden könnte. Für Ansiedler ist es doch .von grossem Werte, an der neuen Ar­beitsstelle Leute gleicher Sprache und gleichen Glaubens vorzufinden, durch welche sie mit den neuen Verhältnissen und der an jedem Ort doch anders gearteten Bodenbearbeitung vertraut ge­macht werden können. An der Möglichkeit zu ausgiebigem und nach siebenbürgiseben Verhältnissen und Begriffen spottbilligem Bodenerwerb fehlt es an keinem Stelle. Dazu ist der Boden überall noch ein jung­fräulicher, d. h. er bedarf noch auf Menschenalter hinaus keiner Düngung. Der Preis für ein Ha, d- i. fast 2 Joch Land, bewegt sieb zwischen 2000 und 3000 Lei, der Jahresbruttoertrag bei der land­läufigen flüchtigen Bearbeitung atei 3000 bis 5000 Lei. Der Pachtbetrag ist für ein Ha 50-^200 Lei. Bei nur einigermassen erfolgreicher Arbeit kann der Bauer den bearbeiteten Grund in der Zeit von 3—4 Jahren sich zum Eigeutume erwerben und abzahlen. Es gibt auf dem ganzen Gebiete un­seres Vaterlandes keinen Punkt und Platz, auf welchem solche Entfaltungmöglichkeiten geboten sind wie in der Dobrudseha. Wenn ich also heute mit dem freundlichen Gruss der Glaubensbrüder aus der Dobrudseha auch einen Hilferuf erschallen lasse, so erwarte ich nicht in erster Linie Geldunterstützungen — gewiss, diese können wir besonders in der Stadt zur Erweiterung unserer deutschen Volksschule zu

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