Bukarester Gemeindeblatt, 1923 (Jahrgang 15, nr. 1-52)

1923-10-14 / nr. 41

206 BUKARESTER GEMEINDEBLATT No. 41 In Debreczen*- am stattlichen Bahnhof, er­fahren wir, dass unser Zug erst Nachmittags 3 Uhr weiterfährt. »Wann kommt er in Nagy­károly an ?« Der Beamte antwortet: »Das weiss nur Gott!« Schöne Aussichten! Wir haben also 6 Stünden Zeit, Debreczen zu besichtigen. Der Ort gibt sich grossstädtisch. Aber welch geschmacklose Neubauten, wie un­geschickt das obligate Kossuthdenkmal mit sei­nem dicken, unproportionierten Kopf! Auch hier sind die Kirchen das Anziehendste, und einige ältere, im österreichischen Barock der Maria- Theresienzeit gebaute Häuser. Viel hübscher ist das Stadtwäldchen mit seinen netten Villen, die in wohlgepflegten Gärten liegen. — Auf der Weiterfahrt hält der Zug immer wieder auf offener Strecke. Wir müssen Militär­züge passieren lassen. Zwischendurch lagern wir uns öfters im freien Felde. Auch Ermi­­hálvfalva können wir besichtigen Hier ist schon das gesamte Geschäftsleben, teilweise auch das Handwerk in noch viel höherem Masse als in Püspökladány und in Debreczen in jüdischen Händen. Die Juden tragen fast durchwegs ihre »Paices«, kleiden sich in Kaftans oder ganz lange Gehröcke, die auch die Kinder schon tragen. Es mf»,cht einen recht putzigen Eindruck, diese meist recht schwächlichen Gestalten mit ihren blassen, klugen, echt semitischen Gesich­tern so würdig einherschreiten zu sehen. Wenn sie sich nur etwas sauberer hielten! Auf dem Bahnhof in Ermihályfalva sehen wir wieder viele Militärzüge. Sie führen teils neu einberufene Soldaten nach der Bukowina und nach Galizien, teils bringen sie Verwundete und Kranke in die Heimat zurück. Auf der Station warten zahlreiche Ruthenen. Welch einen Anblick bieten diese Kompatrioten. Kleine, erbärmliche Gestalten, sicher seit Monaten nicht gekämmt und gewaschen, mitten im heissesten Sommer mit ihren Pelzen angetan, man hat das Gefühl, dass sie kulturell selbst hinter den ärm­lichsten Gebirgsrumänen weit zurückstehen müssen. Erst in später Nacht setzt sich unser Zug wieder in Bewegung. Unsere Mitreisenden sind ungarische Lehrer und Lehrerinnen, ein jüdischer Reisender und ein Kadett, Wir suchen sie über Nagykároly auszufragen: Ob es dort Parkan­lagen und Ausflugsorte gebe etc. ? Wir erfahren, dass wohl ein Wald in der Nähe sei, aber man gehe nicht hin, denn die Nagykárolyer lumpen in der Nacht, und am Tage schlafen sie. Endlich in Nagykároly. Wagen ist nicht zu finden, wir müssen zu Fuss hinein. Unleugbar, der erste Eindruck übertrifft meine Erwartungen. Elektrische Beleuchtung, hübsche Bauten, wohlgepflegte saubere Strassen mit as­phaltierten Trottoiren — das Städtchen kann sich wirklich sehen lassen. Unser erster Gang gilt dem Schlosspark der Károlyis. Alles, was man in Nagy-Károly sieht, nicht nur der Name der Stadt, erinnert an den Glanz dieses vornehmen magyarischen Magnatenhauses. Die ganze Umgehung, so weit/ das Auge reicht, ist in ihrem Besitz. Das Schloss, im Stile der englischen Gotik gehalten, ist von vornehmster, geradezu königlicher Pracht. Schöne Steinskulpturen zeugen von künstle-' rischem Geschmack. Der Park selbst ist voll der prächtigsten exotischen Blumen, die Bäume und die weiten Wiesen sind wohlgepflegt. Nur die Wege sind wenig gesäubert, da die Familie, die jetzt ohnehin nur selten auf ihrem Stamm­schloss weilt, seit Monaten nicht mehr an­wesend war. Hier also hat der alte Károlyi Pista sich mit dem Kronprinzen Rudolf und dem späteren König Eduard VII. in echt magyarischerWeise bei Champagner und Zigeunermusik unter­halten. Hier pflegte die noch lebende Gräfin Tage und Nächte lang um hohe Summen Karten zu spielen. Mit besonderer Vorliebe wurde da­bei ein Plätzchen auf dem höchsten Gipfel des sog. »Tátra« benützt, d. h. auf einem künst­lichen Miniaturgebirge im Schlosspark, das unter riesigem Kostenaufwand aus Steinen und Bäumen, die direkt aus der Tátra herbeige­schleppt worden waren, errichtet worden war. Inmitten all des würzigen Duftes vergisst man tatsächlich, dass man sich hier noch mitten im Tiefland befindet. (Schluss folgt.) Eine Erklärung der Landeskirchen­oersammlung in der Schulfrage. In der 31. Landeskirchenversammlung gab der Ver­waltungsausschuss in seinem Gutachten über den Tätig­keitsbericht des Landeskonsistoriums im Hinblick auf die Gefährdung des Eigenwesens und damit auch des Bil­dungswertes der deutsch-evangelischen Schule folgende Erklärung ab, die von der Vollversammlung unverändert und einmütig angenommen wurde: »Es ist allgemein bekannt, dass die Regierung be­absichtigt, der Kammer noch in diesem Jahre Gesetzent­würfe vorzulegen. die den Zweck haben, die Reóhtsver­­hältnisse der Kirchen und die Angelegenheiten der kon­fessionellen Schulen auf dem ganzen Gebiete des Staates einheitlich zu regeln. Wir sehen dieser Regelung mit schwerster Sorge entgegen, denn zahlreiche Verfügungen der Regierung insbesondere auf dem Gebiete des konfessionellen Schul­wesens weisen darauf hin, dass mit dieser Regelung gleichzeitig eine Einschränkung der bisher gesetzlich ge­währleisteten Rechte geplant wird, in derein Genuss auch unsere Kirche und Schule sich in ihrer von Gott ge­gebenen Eigenart erhalten und entwickeln konnte. Wir sprechen die Hoffnung aus, dass es zu einer solchen Einschränkung nicht kommen wird, erwarten vielmehr mit Bestimmtheit, dass in den der Kammer vor­zulegenden Gesetzentwürfen die unsere Kirche und Schule berührenden Fragen eine gerechte Lösung finden werden und dass der jahrhundertaite Rechtsstand unserer Kirche auch für die Zukunft gewahrt bleiben wird.

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