Bukarester Gemeindeblatt, 1928 (Jahrgang 20, nr. 1-53)

1928-01-15 / nr. 3

Do. 3 Jahrgang XX Sonntag, den 15. Uanuar 1928 Bukarestet* Gemeindeblatt Schriftleitung: R. Honigberger 1 Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei, Str. Lutherana 12 Der Deutschunterricht im ersten Schuljahr. (Fortsetzung.) Nunmehr möchte ich mich mit dem Anschau­ungsunterricht, wie er sich imi weiteren Verlauf als selbständiges Fach ergibt, etwas1 eingehender be­fassen. Um die Kinder mit einer sicheren Handha­bung der deutschen Sprache aus'zurüsten, muss ge­­radle diesem Fach in unseren Schulen ein breiter Rauto zugewiesen werden. Ein in plastischer Weisle erteilter Anschauungsunterricht ist das ge­eignetste Mittel, die sprachliche Grundlage für die 'übrigen Unterrichtsgegenstände zu schaffen. Durch ihn können falsche Vorstellungen berichtigt und fehlende ergänzt und neu gebildet werden. Ausser­dem! kann ein recht betriebener Anschauungsunter­richt ganz erheblich Zur Pflege des1 Gemütes bei­tragen, wenn er es versteht, nicht nur die Sinne zu bilden und den Verstand Zu schärfen, sondern auch schlummernde Empfindungen und Gefühle zu wek­­ken, aus! denen dann das sittliche Handeln ent­springt. Ein richtig erteilter Anschäuungsunterriclift wird auch die poetische Auffassung, die d'as Kind! so sehr begehrt, zu ihrem Rechte komimén lassen. Will der Lehrer hauptsächlich die intellektuelle Kraft des! Kindes in Anspruch nehmen, sb empfiehlt sich der beschreib ende! A n s eh a u un gs'u n t er ridbt. Will er auf das1 Gemfüt des Kindes einwirken oder sCin ästhetisches und ethisches Interesse erregen, sb ist der erzählende Anschauungsunterricht vor­zuziehen. Zu den im! Lehrplan des Land'eskonsistoriums bezüglich dies1 Lehrverfahrens niedergelegt eh Wei­­shngen möchte ich noch einige Fingerzeige Win/u­­fügen, die für die Praxis besondere Bed'eutüng ha­ben und namfentlich jüngeren Lehrern eine wiíl­­komWene und1 zweckmässige Handreichung bieten können. ,f 1 1 1. Gestalte den Anschauungsunter'richt so, dass möglichst alle Sinne zur Mitarbeit herangezo­­gen: werden. Das Kind soll nicht bloss sehen!, sbn­­dem auch fühlen, riechen lind schüfe eken. je m'ehr SinneStätigkeiten d'as Verständnis' vermitteln, desto besteier haftet das Em'pfangene im! Gedächtnis'. 2. Bringe Leben in die kleine Gesellschaft, in­dem' du die Mienen- und Gebärdenspräche ge­schickt handhabst und ausgiebig anwendest. Eine sblche Darstellung, die den Kindern viel Freude mlacht, erleichtert die Erfassung des Wortinbaltes1. Die verschiedensten, in debt! Geiste der Kinder sChon vorhandenen Begriffe können durch Gebär­de und Geste geweckt werden und bleiben, wenn sie sofort mit dem! betreffenden Worte verbunden werden, leicht imi Gedächtnis haften. 3. Schreibe Wörter für neue Begriffe auf die Wandtafel und lasse sie einigemlal lesen, sobald die Kinder im Schreiblesen fortgeschritten sind, weil das mit Verständnis gelesene Wort sich1 dem! Gedächtnis besser einplrägt als dlas blosis gehörte. 4. Lass die Kinder im Auffassert, Denken und Urteilen, imi Ausdruck und in der Darstellung mög­lichst selbsttätig slein. 5. Laste die Dinge nicht bis in ihre Einzel­heiten betrachten, weil Kinder dieses Alters nur ‘delml Interestee entgegenblringen, was an delml' Ge­genstände charakteristisch ist. Trotzdem aber wehre der Flüchtigkeit beim! ÄnsChauen der Unterrichts­objekte. 6. Berücksichtige bei der Besprechung' das, was die Sinne der Kleinen besonders gefangen nimmt, was ihre Augen erstrahlen lässt und! worüber sie sich gern ausspredhen mÖChten. 7. Lege das1 Hauptgewicht auf die Beziehun­gen, die Sich zwischen dem! Kind und dem! behan­delten Ding auffinden lassen (der Hund1 als Spiel­kamerad; dias Pferd, unser Diener u. ä.). Dadurch bekommen die Dinge Leben und Wert für das Kindl. — 8. Trage dem Kindergeiste Rechnung, indem' du der Forderung nach phantasiemlässiger Umge­staltung durch Personifizierung miancher Stoffe ent­sprichst (der Baum = ein Mann, seine Aeste = die Arme, seine Blätter = die Haare; der Apfelbaum = ein Wirt, der Wald = eine grüne Stadt u. a.L 9. Präge diate in kurzen Sätzen zusamm'enge­­fas'ste Wesentliche durch Eintel- und Chorsprechen eiif. — 10. Gib den Kindern oft Gelegenheit, über Erlebnisse und Beobachtungen, die mit dem' be­handelten Stoff irgendwie in Beziehung gesetzt werden können, in ihrer einfachen KinÖersprache zu berichten. 11. Verbinde mit den behandelten Stoffen ge­legentlich Abzählreime, Neckverse, Volksreiirfe oder Rätsel. Dadtirch wird die Arbeit der Spracherler­­nungl angenehm! gemacht und1 Lust lind1 Frohsinn' ge­lweckt. — 12. Pflege das Zeichnen, Bilden und Mesteen der Unterrichtsobjekte. 13. Leite die Wiederholungen so. dass1 die Kinder veranlasst werden, das' behandelte Obiekt auch1 Von! einer neuen Seite kennen zu lernen. Da­

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