Bukarester Gemeindeblatt, 1933 (Jahrgang 25, nr. 1-53)

1933-01-15 / nr. 3

Jahrgang XXV. Sonntag, den 15. Januar 1933. Nr. 3 Bukarester Gemeindeblatt Schriftleitung : R. Honigberger Nicht so traurig ... Nicht so traurig, nicht so sehr, meine Seele, sei betrübt, dass dir Gott Glück, Gut und Ehr’ nicht so viel wie andern gibt; nimm fürlieb mit deinem Gott; hast du Gott, so hast nicht Not. Führe deinen Lebenslauf allzeit Gottes eingedenk! Wie es kommt, nimm alles auf als ein wohlbedacht Geschenk! Geht dir’s widrig, lass es gehn. Gott im Himmel bleibt dir stehn. (Paul Gerhardt, 1643). Die Hochzeit zu Kana. Joh. 2, 1-11. „Die Religion als Festfreude“, “Jesus der rechte Freudenspender“, „Jesus der wahre Haus­freund“ — das sind so einige Ueberschriften über Predigten, die im Anschluss an unser Textwort ge­halten wurden. Luther hat auf Grund dieser Stelle über den Ehestand gepredigt und gemeint, dass der Ehestand erst durch die hier bezeugte Teil­nahme Christi an einer Hochzeitsfeier seine rechte Weihe erhalten habe. Das sind gewiss sehr feine und wertvolle Gedanken, und man wird niemandem die Berechtigung abstreilen können, unsere Erzäh­lung in diesem Sinne auszudeuten. Der eigentliche Zweck dieser Geschichte wird aber mit alledem nicht getroffen oder jedenfalls nicht erschöpft; der ist vielmehr von Johannes selbst am Schlüsse an­gedeutet, wenn es dort heisst: „Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat,... und offenbarte seine Herrlichkeit“. Die Epiphanie, Erscheinung der Herr­lichkeit Jesu, soll uns hier gezeigt werden; deshalb auch hat die alte Kirche diesen Text zur eigent­lichen Lesung des Epiphaniasfestes gemacht; denn das Epiphaniasfest und die Epiphaniaszeit will ja eben die Herrlichkeit Jesu, d. h. das Besondere, Eigenartige, Ueberragende in der Erscheinung Jesu, den Gläubigen dartun. Dazu gehört nun gewiss auch das Wunder; aber nicht in erster Linie. Wich­tiger sind noch dem Verfasser unseres Evange­liums die höheren Wahrheiten, die hinter der Er­zählung stehen. Und eben deshalb braucht uns auch die Frage, ob das hier wiedergegebene Wunder genau so geschehen ist, wie es hier dargestellt wird, nicht zu beunruhigen. Mag sein, dass jene Ausleger Recht haben, welche uns darauf hinwei- Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei. Str. Lutherana 12 sen, dass dieser Befiehl einer von den wenigen ist, die in den andern Evangelien nicht Vorkommen; mag sein, dass auch hier ursprünglich eine Gleich­niserzählung vorlag — das Bild von der Hochzeit kehrt ja im Neuen Testament immer wieder — und dass erst später das Gleichnis zu einer wirklichen Begebenheit umgedichtet wurde; das alles kommt erst in zweiter Linie in Frage. Hauptsache ist für Johannes und muss auch für uns sein: Was bietet uns unsere Erzählung für die richtige Erfassung der Herrlichkeit Jesu? Unter diesem Gesichtspunkte wollen auch wir an die Erörterung unserer Geschichte herantreten, Was wird in ihr erzählt? Wir wissen aus dem Johannesevangelium, dass Jesus kurz vorher zum Jordan gezogen war, um sich dort von dem Bussprediger Johannes taufen zu lassen. Mehrere der Jünger Johannes des Täu fers hatten sich dem Heiland angeschlossen, und gemeinsam mit ihnen machte er sich auf den Heim­weg nach Galiläa. Schon sind sie den driften Tag auf der Wanderung, da begegnen sie in dem Städtchen Kana — die genauere Lage desselben ist uns unbekannt — der Mutter Jesu Sie war dort zu einer Hochzeit geladen. Von selbst ergibt es sich da, dass auch Jesus und seine Jünger mitge­laden werden. Und Jesus nimmt die Einladung of­fenbar gerne an! Verweilen wir einen Augenblick bei dieser Tatsache. 1st es nicht so, wenn wir an Jesus den­ken, ihn uns zu vergegenwärtigen suchen, dann stellen wir ihn uns gewöhnlich vor als den erha­ben ernsten Meister, der seine Jünger in die tief­sten Fragen seiner Verkündigung einzuführen sucht, als den nimmermüden Heiland, der zu den Kranken eilt, sie gesund zu machen, und der bestenfalls, um auszuruhen und mit seinem Gott allein zu sein, sich in die Einsamkeit zurückzieht. Oder wir denken ihn uns iii heftigem Kampf gegen die Schriftge­lehrten und Hohepriester, vielleicht gar als den Mann, der mit der Geissr 1 die Schacherer aus dem Tempel treibt. Aber Jesus inmitten einer fro­hen Hochzeitsgesellschaft ? Gestehen wirs nur ein, vielen von uns wird es schwer, sich in dies Bild hineinzufinden. Wieviel mehr mag dieser Eindruck bei seinen Jüngern vorgewaltet haben Sie kamen von Johan­nes dem Täufer her. Von dem Manne, der sich in Kamelhaare kleidete und sich von wildem Honig und Heuschrecken nährte, dem Wüstenprediger und Bussverkündiger, der von der Verderbnis dieser Welt mit erschütternden Worten redete und der da meinte, dass vor dem Gerichte, das da kommen

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