Bukarester Gemeindeblatt, 1934 (Jahrgang 26, nr. 1-51)

1934-01-07 / nr. 1

Nr. 1 3 BUKARESTER GEMEINDEBLATT gleichgültige Evangelische heranzubringen, ihr würde es an Autorität dazu fehlen. Auch die Predigt setze Reife und Erfahrung voraus. Es komme alles darauf an, ob ein Provisorat mög­lich sei; an der Benennung, ob Vikar, Hilfspre­diger oder Pfarrer, liege am wenigsten. Pfarrer H. Petri erläutert, Vikar sei ein junger Mann, der nach der ersten theologischen Prüfung einem Pfarrer zur Ausbildung iiber­­wiésén werde, bevor er sich zur zweiten Prü­fung stelle. Er bilde für die Pfarrer eine weitere Belastung, ohne für die Gemeinde einen Nutzen zu verbürgen. Es handele sich darum, die Mög­lichkeit zu umfangreicherer und tiefergehender Seelsorge zu schaffen. Den im Amt befindlichen zwei Pfarrern könne niemand den Vorwurf ma­chen, sich um die Armen nicht gekümmert zu haben; wenn in dieser Hinsicht mehr geleistet werden solle, so sei die Vorbedingung dafür, dass die Schaffung einer dritten Pfarrstelle die Möglichkeit einer rationelleren Aufteilung der zu leistenden Arbeit gebe; dazu gehöre, die An­stellung eines wirklichen Pfarrers, zu solcher solle die Gemeindevertretung den Mut und das Vertrauen aufbringen, wie es bei früheren An­stellungen aus Deutschland ebenfalls geschehen sei; um eines Provisoriums willen würde sich niemand bereit finden zu kommen, der in sieb den wirklichen Anspruch fühle, der Aufgabe gewachsen zu sein. Pfarrer R. Honigberger ersucht, von wei­teren Formulierungen vorläufig abzusehen und grundsätzlich zu entscheiden, ob ein dritter Pfarrer angestellt werden solle oder nicht. Falls ja, so habe das Presbyterium die Modalitäten zu erwägen und sich mit dem Bezirks- bzw. Lan­deskonsistorium über die Art der Besetzung un­ter Betonung der Notwendigkeit, in Anbetracht der Eigenartigkeit der Bukarester Verhältnisse eventuell anders vorzugehen als in Siebenbür­gen, einig zu werden. Daraufhin seien der Gemeindevertretung die Dienstordnung und weitere Vorschläge zu unterbreiten; es sei even­tuell erst dann die Aufforderung zu Probepre­digten zu erlassen und die Wahl vorzunehmen. Der Gemeindekurator äussert die Befürch­tung, dass eine solche Unbestimmtheit des zu fassenden Beschlusses die Besetzung der Stelle mit einer geeigneten Persönlichkeit sehr er­schweren werde. Herr R. Rusch vermisst im Anträge des Presbyteriums sowie in den bisherigen Ausfüh­rungen eine Klärung über die finanzielle Aus­wirkung der Schaffung einer dritten Pfarrstelle für die Gemeinde. Eine solche könne derselben bei der gegenwärtigen Finanzlage nicht gleich­gültig sein. Auch unter dem Gesichtspunkt der geringeren Belastung sei die Berufung eines Mitgliedes des Lehrkörpers in Frage zu ziehen, das gleichzeitig den Vorzug habe, die Verhält­nisse und die Menschen liier in Bukarest zu kennen. Pfarrer R. Honigberger macht darauf auf­merksam, dass bei der ja wahrscheinlichen Be­rufung eines Staatsbürgers in das Amt des drit­ten Geistlichen auch für diesen die Leistung der Kongnia von Seiten des Staates zu erreichen sein und die Belastung für die Gemeinde da­durch verringert werde. Herr J. Altmann äussert die Ueberzeugung, dass das Landeskonsistorium den besonderen Bukarester Verhältnissen auf Verlangen des Presbyteriums gewiss insoweit Rechnung tra­gen werde, dass es sich einer Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen an dieselben nicht widersetzen werde. Herr H. Brenndörfer betont, dass der finan­zielle Gesichtspunkt nicht in den Vordergrund gestellt werden dürfe, sondern allein die Eig­nung des Betreffenden auf Grund inneren Be­rufenseins. Man dürfe ein Mitglied des Lehr­körpers nicht etwa in ein Amt drängen, das ihm weniger anstelle, und solle das Vertrauen haben, wenn die Stelle notwendig geworden sei, dass sich auch die geeignete Persönlichkeit für sie melden werde. Der Gemeindekurator bringt auf Vorschlag Pfarrer R. Honigbergers aus der landeskirchli­chen Vorschrift für das Pfarramt ZI. 2787— 930, Paragr. 15 betr. Neuerrichtung von selb­ständigen Stadtpredigerstellen wie folgt zur Verlesung: „Die Rechte und Pflichten der Prediger in Stadt- und Landgemeinden sind in einer Dienst­vorschrift durch die Gemeindevertretung zu re­geln, die nach Anhörung des Bezirkskonsisto­riums der Genehmigung des Landeskonsisto­riums unterliegen. Die allgemeinen Grundsätze setzt das Landeskonsistorium im Verordnungs­wege fest. Hinsichtlich der Kirchenbezirke: Bukarest, Czernowitz, Temeschvar und Tarutino ist das Landeskonsistorium berechtigt, von den in die­sem Paragraph enthaltenen Bestimmungen ab­weichende Verfügungen zu treffen.“ Er beantragt, im Hinblick auf die durch diesen Paragraphen vorliegenden Möglichkeiten die Schaffung einer dritten Pfarrstelle mit der Massgabe zu beschliessen, dass dieselbe zunächst provisorisch für ein Jahr zu besetzen ist, und das Presbyterium zu beauftragen, in Verhand­lungen mit dem Bezirks- bzw. Landeskonsisto­rium die Form festzustellen, in der eine solche Besetzung zu erfolgen hat; sowie gleichzeitig im Haushalt für das nächste Jahr die erforder­lichen Mittel vorzusehen. Der Antrag wird einstimmig mit einer Ver­wahrung von Seiten Pfarrers H. Petri gegen den provisorischen Charakter der Anstellung zum Beschluss erhoben.

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